"Wettbewerbsmafia"

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Pianojayjay

Pianojayjay

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17. Mai 2013
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ja, der Titel klingt etwas provokant, der Ausdruck stammt auch nicht von mir. Aber scheint es nicht so, als würden teilweise immer dieselben Juroren in den Jurys sitzen und die Preise ihren Schülern gegenseitig zuschieben?

Es geht mir gerade um einen konkreten Fall, ganz aktuell:
Diese Woche war Wettbewerb in Aachen. Die letzten Jahre saß immer ein Juror in der Jury, der dieses Jahr im Vorfeld nicht benannt wurde. Jetzt wurde seinem Sohn der erste Preis zuerkannt, Ex Aequo mit einer Pianistin, die letztes Jahr in Geilenkirchen den Euregio Wettbewerb gewann. Zumindest letzteres Zufall? Ganz sicher nicht, der Organisator ist derselbe.... Die zweite Preisträgerin war letztes Jahr 3. in Geilenkirchen und der 3. Preisträger ist Student bei dem Vorsitzenden der Jury bzw hat dort im Sommer einen Kurs gemacht....
 
Da erstens keine Korruption beweisbar ist und zweitens Du kein Insider mit Einfluss in dieser Szene bist, kannst Du da nichts machen. Es ist die Spielwiese eines Netzwerkes und die werden sich den Spaß daran nicht verderben lassen.

Du kannst Deinen eigenen Wettbewerb veranstalten. Spätestens beim zweiten Mal wird er auch nicht mehr frei sein von ähnlichen Tendenzen.

CW
 
Das kann man über mehrere Wettbewerbe hinweg beobachten....
 
Ich habe als Teenager mit meiner Amateurrockband an einem Wettbewerb in Köln teilgenommen. Wir konnten einen Freund von uns in der Jury etablieren und gewannen so den ersten Preis.

Rockmusiker sind halt auch nur Menschen.

CW
 
ja, der Titel klingt etwas provokant, der Ausdruck stammt auch nicht von mir. Aber scheint es nicht so, als würden teilweise immer dieselben Juroren in den Jurys sitzen und die Preise ihren Schülern gegenseitig zuschieben?
Den Ausdruck kenne ich auch. Ähnliches lässt sich allerdings nicht nur bei Klavierwettbewerben wahrnehmen, sondern beispielsweise auf dem Gebiet der Komposition - immerhin interessant deshalb, weil im Gegensatz zur interpretierten Musik durch Sänger und/oder Instrumentalisten eine physische Anwesenheit der Teilnehmer nicht zwingend erforderlich ist. Ablehnung durch die Kommission, weil einem das äußere Erscheinungsbild eines Kandidaten nicht zusagt, spielt als Selektionskriterium eine ganz sicher untergeordnete Rolle. Den Juroren liegen gedruckte Noten oder beispielsweise Audiodateien zur Beurteilung vor - oftmals sollen die Arbeitsproben anonymisiert vorgelegt werden. In den meisten Fällen könnte man problemlos diese Klippe umschiffen, da sich Juror und Kandidat (etwa im Lehrer/Schüler-Verhältnis) nur über Inhalte, Geheimzeichen, bestimmte Textvorlagen intern verständigen müssten, um die Entscheidung für ein gewissermaßen unter der Hand vorab ausgewähltes Stück gezielt zu beeinflussen. Wer aber als externer Kritiker und Beobachter der Ansicht ist, bei der Auswahl sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, müsste Verstöße gegen die Neutralität einer Entscheidung juristisch wasserdicht nachweisen können. Und dieser Nachweis wird fast nie gelingen, da für Absprachen unter vier Augen im stillen Kämmerlein und ähnliche Vorgänge kaum unabhängige Zeugen aufzutreiben sein dürften.

Da erstens keine Korruption beweisbar ist und zweitens Du kein Insider mit Einfluss in dieser Szene bist, kannst Du da nichts machen. Es ist die Spielwiese eines Netzwerkes und die werden sich den Spaß daran nicht verderben lassen.
@Pianojayjay: Aus Deiner Berufstätigkeit als Jurist weißt Du mit Sicherheit, wie schwierig Entscheidungen anzufechten oder zu beeinflussen sind, wenn Aussage gegen Aussage steht. Der Juror wird die These einfach von sich weisen und der erfolgreiche Kandidat weiß selbstverständlich auch von nichts. Wenn Du es nicht schaffst, irgendwelche Insiderinformationen auszugraben und zum Nachteil der Gegenseite zu belegen, erreichst Du vermutlich nicht viel.

Ein Trost im musikhistorischen Kontext aus der Sicht eines Komponisten: Nur weil ein Stück mal vor Jahrzehnten preisgekrönt worden ist, hält es sich allein nicht im Repertoire unserer Akteure auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Bei Interpreten dürfte es sich ähnlich verhalten: Preise und Auszeichnungen können bei der Karriere zwar enorm von Vorteil sein, sind aber längst nicht das wichtigste oder gar einzige Kriterium für den Erfolg.

Die Bilanz hinsichtlich meiner eigenen Preise und Auszeichnungen ist auch eher bescheiden: Ein Aspekt war bei meinen Kompositionen beispielsweise die Ausschreibungsbedingung, dass das Stück bislang nicht aufgeführt sein durfte - diese Bedingung konnte ich in der Regel nicht erfüllen, da ich viel für die eigene Spielpraxis und im Auftrag geschrieben habe und die Sachen längst schon aufgeführt worden sind. Auch so kann man Erfolg haben und Anerkennung finden, indem man gar nicht erst auf den nächsten Wettbewerb wartet...!

LG von Rheinkultur
 
Es heißt ja nicht umsonst: die Entscheidung der Jury ist bindend.....
 
Es heißt ja nicht umsonst: die Entscheidung der Jury ist bindend.....
Aber auch ohne Täuschungsvorsatz sind zwei Aspekte für eine solche Aussage von Bedeutung: Zum einen agiert man als Künstler auf einem Terrain, auf dem es besonders schwierig ist, allgemeingültig und objektiv zu urteilen - zum anderen stelle man sich eine Truppe von Wettbewerbsjuroren vor, die jedem nicht erfolgreichen Teilnehmer eine objektive Begründung für die angeblichen oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten seiner Arbeitsprobe in der Form einer ausführlichen Analyse liefern soll. Wie soll das in dieser Größenordnung funktionieren? Was ich allerdings bei diversen Leistungssingen von Chören erlebt habe, kann durchaus dazu führen, dass man aus einem Wettbewerb unabhängig von Auszeichnungen künstlerisch etwas mitnimmt: Da wird nach dem Vortrag des Programms nicht einfach nur eine Bewertung vorgenommen und bekanntgegeben, sondern anschließend ein professionelles "Coaching" für das Ensemble und musikalische Leitung angeboten. Ein Jurymitglied stellt die Stärken und Schwächen der Teilnehmer heraus und zeigt als Experte im persönlichen Gespräch auf, was künftig auch besser gelingen könnte. Im Amateurbereich ist so etwas eine gute Sache - eine Art Verbindung zwischen Workshop, Fortbildungsveranstaltung und Wettstreit. Vereinzelt gibt es so etwas auch andernorts - schwieriger zu organisieren, aber nicht gänzlich unmöglich.

LG von Rheinkultur
 
Mein Lehrer hat mir von seinen Erfahrungen erzählt. Er hat nimmt Anfragen inzwischen nicht mehr an, genau aus dem Grunde...
 

Irgendwie reizt mich, @Pianojayjay , Deine Suche nach Gerechtigkeit gerade von einem Juristen vorgetragen zu hoeren zu der Bemerkung, dasz Juristen zwar Recht aber nicht Gerechtigkeit schaffen. Das mag ein hehres Ziel sein, aber Gerechtigkeit schafft nur einer...sicher aber nicht die Juristen (trotzdem brauchen wir sie dringend).
Wer an Wettbewerben mit dem Ziel zu gewinnen teilnimmt, ist "selbst schuld". Man sollte bei einem Wettbewerb "fuer sich selbst gewinnen": D.h. den maximalen Nutzen daraus ziehen, ein groeszeres Repertoire in kurzer Zeit abrufbereit auf hohem Niveau zu haben, Auffuehrungserfahrung zu sammeln, eventuell nuetzliche Bemerkungen der Juroren fuer sich mitzunehmen, eventuell eine andere Stadt, andere Leute kennenzulernen. Was nuetzt es, einer nicht moeglichen Gerechtigkeit bei der Preisvergabe nachzulaufen?
Wenn sich natuerlich der Wettbewerb als totale Farce herausstellen sollte, die Juroren die eigenen Schueler bewerten duerfen (aber wer ist "Schueler", auch der, welcher einmal vor einem Jahr einen Meisterkurs bei einem Juror gemacht hat?), wird der Wettbewerb bald einen schlechten Ruf und geringe Teilnehmerzahlen haben.
Was sagst Du zum Tschaikowski-Wettbewerb 2016 (vier der sechs Preistraeger im Fach Klavier sind Russen, soweit ich das ueberblicke, Geniusas hat trotz seines litauischen Namens in Moskau studiert)? Bevorzugung eines gewissen Stiles der Interpretation, der eigenen Schueler? Nein, nein, ich weisz, die gute russische Schule...:-D
Stell Dir vor, Bach/Mozart/Beethoven wuerde im Stile der HIP in Moskau praesentiert,...die Jury waere nicht gluecklich, fuerchte ich. Gibt bestimmt inzwischen spezialisierte Wettbewerbe genau dafuer.
Man stellt viel zu hohe Erwartungen an Wettbewerbe, vergisz sie einfach (ein wenig)!
Jannis.
 
Man könnte noch hinzufügen, dass @Pianojayjay Privatstunden bei einem Jurymitglied genommen und teuer bezahlt hat, bevor er dort den ersten Preis gewann. Sorry, dass ich dir das so aufs Butterbrot schmiere, aber du hast damit angefangen.

Inzwischen gibt es Wettbewerbe, wo wenigstens eigene Schüler nicht mehr mitgebracht werden dürfen - allerdings ist das natürlich nur ein Teil der Wahrheit, da Meisterkurse, ehemalige Schüler (länger als X Jahre her), Schüler von Freunden, temporärer Privatunterricht etc. nicht darunter fallen.
Mein Lehrer, der regelmäßig in Jurys großer Wettbewerben sitzt erzählte mir, da kämen immer wieder Anfragen nach Unterricht vorher, denen er aber nie nachgibt, weil er das ungerecht und schlecht findet.
 
Man könnte noch hinzufügen, dass @Pianojayjay Privatstunden bei einem Jurymitglied genommen und teuer bezahlt hat, bevor er dort den ersten Preis gewann. Sorry, dass ich dir das so aufs Butterbrot schmiere, aber du hast damit angefangen.

Inzwischen gibt es Wettbewerbe, wo wenigstens eigene Schüler nicht mehr mitgebracht werden dürfen - allerdings ist das natürlich nur ein Teil der Wahrheit, da Meisterkurse, ehemalige Schüler (länger als X Jahre her), Schüler von Freunden, temporärer Privatunterricht etc. nicht darunter fallen.
Mein Lehrer, der regelmäßig in Jurys großer Wettbewerben sitzt erzählte mir, da kämen immer wieder Anfragen nach Unterricht vorher, denen er aber nie nachgibt, weil er das ungerecht und schlecht findet.

Es war eine Stunde vorher (nicht mehrere) und dazu stehe ich auch. Das wird auch bei den großen Amateurwettbewerben in Paris etc. gemacht. Ich kenne viele, die bei Jurymitgliedern regelmäßig Unterricht haben oder vorher Stunden nehmen und dann Preise gewinnen. In Washington 2014 teilte mir einer der Juroren mit, ich solle nächstes Mal ein paar Stunden vorher nehmen, dann würde ich weit kommen....

Auffällig ist hier einfach nur gewesen, dass es immer dieselben Juroren sind, die ihre Studenten gegenseitig pushen und das dann gegenseitig als große Erfolge feiern. Ich möchte gar nicht wissen, was bei den großen Wettbewerben in Moskau, Warschau, Fort Worth oder Brüssel hin- und her geschoben wird. Wie gesagt, mein Lehrer war jahrelang Juror bei Wettbewerben, er nimmt Anfragen nicht mehr an.... Was Moskau angeht: Der große Gewinner ist Lucas Debargue, der ja nur den 4. Preis bekam. Er war der spannendste Kandidat überhaupt und steht m.E. zu Recht ganz vorne in der Öffentlichkeit. Von den anderen hört man ja nicht viel....
 
Ich stelle mal die provokante Frage, warum es bei musikalischen Wettbewerben anders zugehen sollte als in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens (Stichworte z.B. Auftragsvergaben, Korruption, Eine Hand wäscht die andere). Warum sollte die holde Kunst davor gefeit sein?
 
Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie sehr die Beurteilung von Musik bzw. Musikern von Dingen abhängt, die ganz und gar nichts mit der Musik zu tun haben. Da geht es um Äußerlichkeiten (Aussehen, Garderobe), um den persönlichen Eindruck (Sympathie/Antipathie, Verhalten) und um persönliche Beziehungen (schon kennengelernt vorher; war Schüler etc.). Es geht nie darum, was allein die gespielte und zu hörende Musik, um die es doch eigentlich geht, für den Bewertenden bedeutet.

Ich erinnere mich an einen Blindtest mit CD-Aufnahmen, den der Pianist Hardy Rittner einmal mit verschiedenen Interpretationen eines Werks (welches, habe ich vergessen) gemacht hat. Da war am Ende Lang Lang der Testsieger - und Rittner erstaunt darüber, nachdem er den Namen erfahren hatte. Wie wäre wohl die Beurteilung ausgefallen, wenn die Namen der Interpreten vorher bekannt gewesen wären?

Bei Wettbewerben, hier im Forum, überall - immer geht es bei der Bewertung von Musik hauptsächlich um das Menschliche und erst dann um die eigentliche Musik. Niemand kann über seinen Schatten springen, jeder hat halt nun mal seine urmenschlichen Bedürfnisse und Schwächen und das ist ja auch irgendwie rührend. Aber es führt auch dazu, dass es oft sehr viel mehr um die Musiker(persönlichkeit) geht als um die Musik.

Vielleicht sollte man einen Wettbewerb gründen, bei dem die Juroren zum einen nicht wissen, wer teilnimmt, und sie zum anderen die Kandidaten während des Vorspiels nur hören, aber nicht sehen können. Dann hätten die Juroren nichts anderes als nur die Musik, um die es ja geht.

Aber jetzt die nächste Frage: Geht es wirklich nur um die Musik? Ein Wettbewerb soll ja für die erfolgreichen Kandidaten auch eine Hilfe bei der Karriere sein. Es sollen ja auch Musiker gefunden werden, die neben der musikalischen Klasse ein gewisses Format haben, um ein weltweites Publikum berühren zu können. Dabei spielt aber nicht nur die Musik eine Rolle, sondern eben auch der Mensch, der diese Musik ausdrückt.

Ist alles nicht so einfach und vor allem nicht auf die reine Musik reduzierbar. Trotzdem würde es mich sehr interessieren, was bei einem Wettbewerb ohne Information über die Kandidaten und ohne Blickkontakt herauskäme. Vielleicht würde es der Qualität der Musik in den Konzertsälen der Welt doch mal gut tun...

Grüße von
Fips
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht sollte man einen Wettbewerb gründen, bei dem die Juroren zum einen nicht wissen, wer teilnimmt, und sie zum anderen die Kandidaten während des Vorspiels nur hören, aber nicht sehen können. Dann hätten die Juroren nichts anderes als nur die Musik, um die es ja geht.
(...)
Trotzdem würde es mich sehr interessieren, was bei einem Wettbewerb ohne Information über die Kandidaten und ohne Blickkontakt herauskäme. Vielleicht würde es der Qualität der Musik in den Konzertsälen der Welt doch mal gut tun...
Zum Thema: http://www.dw.com/de/beethovens-musik-eine-augenweide/a-18909042

Dabei wird allerdings deutlich, dass Körpersprache und das Musizieren miteinander verbunden sind. Sicherlich ist dieser Aspekt ein Grund dafür, dass man nicht bei jedem Wettbewerb die Teilnehmer hinter einem Vorhang spielen lässt, damit die Urteilsfindung vorurteilsfreier gelingt.

Ebenso grundsätzlich gibt es gute und schlechte Verlierer - und so mancher von letzteren unterstellt Schiebung als Hauptgrund für seinen Misserfolg, weil er niemals die Erkenntnis an sich heranlassen würde, womöglich doch nicht so überzeugend aufgetreten zu sein. Der Vorwurf ungerechter Entscheidungen wird also praktisch immer ausgesprochen - egal ob er begründet ist oder nicht. Letztlich gilt: Wer den Wettbewerb veranstaltet, gibt das Prozedere vor - Teilnehmer, die das nicht akzeptieren können, werden von einer Teilnahme dann besser absehen. Wenn objektiv hervorragende Kandidaten andernorts Erfolg haben und sich Berichte häufen, dass bei einem bestimmten Wettbewerb fragwürdige Entscheidungen an der Tagesordnung sind, wird das denjenigen, die solche Veranstaltungen durchführen, nicht besonders gut passen. Schlechte Presse wollen die auch keine haben.

LG von Rheinkultur
 
@Fips7 Ich würde gerne einen Wettbewerb sehen mit zwei gleichzeitigen Wettbewerben - einen völlig anonymen, einen ganz normalen. Dann wird man sehen, ob am Ende dieselben gewinnen. Ich glaube nicht.
 
Aber scheint es nicht so, als würden teilweise immer dieselben Juroren in den Jurys sitzen und die Preise ihren Schülern gegenseitig zuschieben?

Der Tschaikowski-Wettbewerb z.B. wurde mit diesem Vorwurf konfrontiert. Valery Gergiev, der den Vorsitz dieses Wettbewerbs seit 2011 innehat, gefiel es auch nicht, dass immer wieder Lehrer beim Wettbewerb waren, die Preise unter ihren Schülern verteilt haben. Maestro Gergiev hat Abhilfe geschaffen, indem er mehr auftretende Künstler in die Jury geholt hat und daher nicht mehr so viele Professoren ihre Bewertungen abgeben können. Andere Wettbewerbe könnten sich daran ein Beispiel nehmen.
 
@Fips7 Ich würde gerne einen Wettbewerb sehen mit zwei gleichzeitigen Wettbewerben - einen völlig anonymen, einen ganz normalen. Dann wird man sehen, ob am Ende dieselben gewinnen. Ich glaube nicht.
Dazu stellt sich aber zur Präzisierung die Frage, ob die Teilnehmer mit ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer Körpersprache für die Jury sichtbar agieren sollen. Völlige Anonymität lässt sich entweder gar nicht gewährleisten oder mit diversen Tricksereien unterlaufen - wenn die Gestaltung einer Entscheidung beabsichtigt ist, findet man immer ein Schlupfloch... . Da die optischen Faktoren stets die Urteilsfindung beeinflussen, hat der Kandidatenname möglicherweise ohnehin nur eine untergeordnete Bedeutung. Insofern würden bei der von @Stilblüte angeregten "Versuchsanordnung" mit Sicherheit jeweils unterschiedliche Kandidaten zum Zuge kommen - aber eben aus anderen Gründen.

Gegenfrage: Du nimmst doch selbst an Wettbewerben teil - wenn Du die Absicht hättest, Entscheidungen zu Deinen Gunsten zu beeinflussen, würdest Du uns hier verraten, wie Du das anstellst? Du würdest es nicht tun und damit genauso vorgehen, wie es andere vor vergleichbarem Hintergrund auch täten. Und ebenso würde auch die Gegenseite mauern: Konfrontierte man Juroren mit dem Vorwurf, unter der Hand ausgewählte Kandidaten zu protegieren, würden sie diese These entrüstet von sich weisen - selbst wenn der Vorwurf zutreffen sollte. Und Subjektivität gibt es auf allen Ebenen: Viele Juroren, die selbst lehren, wollen in einer Interpretation eigene Gestaltungsansätze wiedergespiegelt wissen - und genau so agieren viele der von ihnen ausgebildeten Studenten vermutlich, wenn sie auf dem Podium das vorgeschriebene Pflichtstück darbieten.

Ich sagte es schon: Wer an einem Wettbewerb teilnimmt, wird die Aussicht auf fragwürdige und schwer nachvollziehbare Entscheidungen eben in Kauf nehmen müssen, da ja andere die Spielregeln vorgegeben haben und nicht man selbst. Wahrscheinlich muss man es ähnlich wie im Hochleistungssport einschätzen: Überall gibt es die Möglichkeit zur Leistungssteigerung durch Doping und man kann vermuten, dass sie auch nach Kräften genutzt wird. Die Kunst besteht darin, sich nicht erwischen zu lassen... .

LG von Rheinkultur
 

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