Was ist so toll an...

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LeckerKlavierSpielen

LeckerKlavierSpielen

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29. Okt. 2011
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... J. S. Bach?

Ich wünschte, ich könnte es verstehen. Ich habe echt schon viel versucht, lehne gewiss nicht Dinge von vorne herein ab. Aber es bleibt für mich bis jetzt einfach tote und langweilige Musik, die nicht gut klingt. Was ist der Sinn davon, dass z.B. in einer Fuge viele Stimmen gleichzeitig gespielt werden, außer dass es eben der Form genügt? Genau diesen Eindruck macht seine Klaviermusik immer auf mich. Form über Klang, es ist wichtiger, dass alles den Gesetzen des Kontrapunkt gehorcht als dass schöne Musik dabei rumkommt. Aber wenn ich Formschönheit bewundern möchte, dann mach ich doch lieber gleich Mathematik (die ich sehr schätze) und nicht Musik. Welchen Wert hat denn Musik, die man nur auf intellektueller Ebene bewundern kann, die einen aber musikalisch nicht berührt?

Wie gesagt, ich möchte mich echt drauf einlassen. Aber es gibt mir einfach nichts. Gerade versuche ich, eine Invention zu spielen und dadurch vielleicht zu erkennen, was mir offenbar bisher verborgen bleibt. Aber schon das Üben ist eine Qual. Ich weiß gar nicht, wofür ich es übe, es gibt gar kein Ziel, denn auch die Aufnahmen von Profis klingen für mich nicht gut, also wo will ich damit hin.

Ich will aber noch nicht aufgeben. Vielleicht habe ich es echt einfach noch nicht entdeckt, das gewisse Etwas, das seine Musik so genial machen soll. Ich habe schon öfter gelesen, dass viele Leute erst spät die Musik von Bach für sich entdecken können. Mich würde interessieren, ob es manchen hier auch so ging? Gab es ein "Aha"-Erlebnis, und plötzlich war die Musik super? Irgendeine Erkenntnis, oder ein bestimmtes Stück? Oder war es ein schleichender Prozess, und auf einmal merkt man, dass man Bach plötzlich hören kann? Wir würdet ihr damit umgehen, einfach ein paar Jahre warten? Ist es für einen Pianisten grundlegend wichtig, Bach spielen zu können, auch wenn er die Musik nicht mag?

Nun gut, ich höre jetzt erst mal auf zu Schreiben und würde mich über Input freuen.

LG, LeckerKlavierSpielen
 
Hi LKS,

eine schwierige Frage heute am Morgen :-)

kann nur subjektiv berichten, und greife daher 2 Punkte raus:

Mich würde interessieren, ob es manchen hier auch so ging? Gab es ein "Aha"-Erlebnis, und plötzlich war die Musik super? Irgendeine Erkenntnis, oder ein bestimmtes Stück? Oder war es ein schleichender Prozess, und auf einmal merkt man, dass man Bach plötzlich hören kann? Wir würdet ihr damit umgehen, einfach ein paar Jahre warten? Ist es für einen Pianisten grundlegend wichtig, Bach spielen zu können, auch wenn er die Musik nicht mag?

Bei mir ist der momentane Status so: Bach: ja, ABER nur bestimmte Werke, und zwar sind die, gemessen an seinem sehr zahlreichen Gesamtwerk, eher sehr wenige: Was mir gefällt sind:

- bestimmte Präludien und Fugen aus WTK 1 und 2,
- viele ( aber nicht alle ) Goldbergvariationen, ( gerade die langsamen, "überverzierten", gefallen mir nicht: Melodie raussuchen = zu nervig, aber wenns sein muss kämpf ich mich trotzdem durch )
- das d-Moll-Cembalo-Konzert ( siehe Gould-Aufnahme beim Tube )
- das italienische Konzert
- einige leichtere Einzelstücke


Doch ich muss eines sagen: Der Zugang zu Bach, das hat bei mir gedauert. Und zwar lange... .

Er führte ganz maßgeblich über mehrere Wege:

1. ) Scarlatti-Sonaten, die dann, in der weiteren "Zeit", jedoch bei mir absolute Priorität gewannen, da sie - zumindest für mich - leichter zugänglich waren / sind ( wohlgemerkt: ich rede einfach von "schön" im subjektiven Sinn, denn auch unter ihnen gibts sehr sehr schwierige. )

2. ) Über Glenn Gould, der m.E. begeisternde Aufnahmen zeigt(e) ,

3. ) Über ganz bestimmte Präludien aus WTK selbst, und zwar nur die, die mir sofort zusagten beim Draufschauen: Danach ergab sich - in einem weiteren Prozess, der auch lange dauerte, Motivation für die entspr. Fugen

Ich hätte mich - auch heute nicht - über einen längeren Zeitraum intensiv nur mit Bach beschäftigen wollen - da wäre ich glaub ich durchgedreht, zumal meine Prioritäten im Barock voll auf Scarlatti liegen, wie gesagt, und ansonsten in ganz anderen Bereichen ( So Beethoven, Chopin, Gottschalk ).

Ich betrachte Bach , so wie auch Mozart, als einen von zwei "Neben-"Wegen neben den 3 genannten, aber Hauptbeschäftigung - da muss ich - wie gesagt rein subjektiv - sagen: Nee, das möchte ich nicht.

Dieses Hervorheben und "Verfolgen" von Stimmen in Fugen usw.: Ich denke allerdings, dass man dies im professionellen Bereich sicher abzuarbeiten hat, jedoch würde ich sagen, dass man Stimmen auch in anderen Werken hervorheben kann.

So far von mir, und auch ich bin gespannt auf weitere Einschätzungen!

LG, Olli! :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
@ LKS, mir geht´s wie Dir.
Gestern erst wieder hörte ich die Worte aus dem Mund eines Komponisten aus dem Pop- und Rockbereich mit klassischer Ausbildung: Bach ist unerreichbar. Ich kenne nichts Vergleichbares. Jede einzelne Note ergibt Sinn, keine Note zu viel oder zu wenig.
Wir würdet ihr damit umgehen, einfach ein paar Jahre warten? Ist es für einen Pianisten grundlegend wichtig, Bach spielen zu können, auch wenn er die Musik nicht mag?
Als Profi kommt man ganz sicher nicht drum herum. Und ich kann mir gut vorstellen, dass man erst mit intensiver Beschäftigung das Große, das Geniale dahinter erkennt, wobei ich aber auch einen Anfänger kenne, der geradezu vernarrt in Bach ist.
Ich gehe damit "gar nicht" um. Ich akzeptiere, dass ich Bach nicht verstehe und mir der Zugang wohl immer verwehrt bleiben wird. Angesichts der unendlich vielen anderen Komponisten fällt mir das jedoch leicht.
 
Hi,

hör dich doch erstmal mit weniger polyphonen Werken von Bach ein, z.B. das Italienische Konzert, Partiten, englische Suiten, Toccaten...
und auf jeden Fall nicht nur "Clavierwerke", denn dann entgehen dir die herrlichen Oratorien, Passionen, die h-Moll Messe, die Kantaten, etc... Wenn du da ein bisschen stöberst, findest du wunderbare Schätze.

lg marcus
 
Doch ich muss eines sagen: Der Zugang zu Bach, das hat bei mir gedauert. Und zwar lange... .

Schon mal beruhigend..

1. ) Scarlatti-Sonaten, die dann, in der weiteren "Zeit", jedoch bei mir absolute Priorität gewannen, da sie - zumindest für mich - leichter zugänglich waren / sind ( wohlgemerkt: ich rede einfach von "schön" im subjektiven Sinn, denn auch unter ihnen gibts sehr sehr schwierige. )

Gerade mal reingehört, gefällt mir schon besser. Ist aber jetzt auf Anhieb auch nicht meine Lieblingsmusik.

2. ) Über Glenn Gould, der m.E. begeisternde Aufnahmen zeigt(e) ,

3. ) Über ganz bestimmte Präludien aus WTK selbst, und zwar nur die, die mir sofort zusagten beim Draufschauen: Danach ergab sich - in einem weiteren Prozess, der auch lange dauerte, Motivation für die entspr. Fugen

Das ist mir leider noch nicht gelungen. Im Besonderen die Fugen aus dem WTK kann ich mir quer durch die Bank eigentlich nicht anhören.

Ich hätte mich - auch heute nicht - über einen längeren Zeitraum intensiv nur mit Bach beschäftigen wollen - da wäre ich glaub ich durchgedreht, zumal meine Prioritäten im Barock voll auf Scarlatti liegen, wie gesagt, und ansonsten in ganz anderen Bereichen ( So Beethoven, Chopin, Gottschalk ).

Chopin und Gottschalk finde ich auch super. Ansonsten eher noch spätere Sachen, Spätromantik und vor allem Jazz von den Anfängen bis modern. Vielleicht kann man ja auch nicht alles mögen und muss mit der begrenzten Übezeit, die man hat, einfach die Dinge machen, die man mag.
 
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Reaktionen: LMG
Hi,

also mich fasziniert gerade Bach. Als Anfänger nehme ich mir nicht heraus anzunehmen, ich würde Bach verstehen, aber gerade die Fugen/Variationen, bei denen eine kurze Melodie/ein kurzes Thema auf verschiedenste Weise umspielt und variiert wird finde ich sehr faszinierend und eben doch lebendig.
Wenn man sich sehr anstrengen muss, die Melodie aus einem Stimmensalat herauszuhören ist evtl. einfach die Einspielung nicht gut genug? Das ist wahrscheinlich gerade das schwierige am Spielen von Bach?

Ist doch super, dass auch "die Klassik" so breit aufgestellt ist. Für mich am anderen Ende der Skala liegt z.B. Chopin. Es liegt zweifelsohne nicht an Ihm, er hat seinen Platz in der Musikhistorie redlichst verdient, aber bei den meisten Stücken fällt mir am ehesten ein: langweiliger über-kitischiger Kram. Das kann sich in ein paar Jahren evtl. wieder ändern, wer weiss, aber aktuell habe ich keinen Zugang dazu.

Viele Grüße,
André
 
@ LKS, mir geht´s wie Dir.
Gestern erst wieder hörte ich die Worte aus dem Mund eines Komponisten aus dem Pop- und Rockbereich mit klassischer Ausbildung: Bach ist unerreichbar. Ich kenne nichts Vergleichbares. Jede einzelne Note ergibt Sinn, keine Note zu viel oder zu wenig.

Aber was bedeutet das denn, wenn keine Note zu viel oder zu wenig da ist? Mir scheint, die strenge Form, nach der Bach komponierte, ermöglicht überhaupt erst so eine Aussage. Es braucht Kenntnis dieser Techniken, man muss Kontrapunkt verstehen, um dann sagen zu können, innerhalb dieses (engen) Rahmens hat Bach alles richtig gemacht. Aber wird dadurch die Musik schöner? Wenn ich das z.B. mit atonaler Musik der Spätromantik vergleiche oder gar mit Free Jazz, dann verstehe ich beim Hören dieser Musik ebenso wenig, was da genau passiert wie bei Bach, aber dennoch spricht es mich als Musik an, ich höre es gerne und kann es genießen, ohne die Musik erst theoretisch durchdringen zu müssen.

Als Profi kommt man ganz sicher nicht drum herum. Und ich kann mir gut vorstellen, dass man erst mit intensiver Beschäftigung das Große, das Geniale dahinter erkennt, wobei ich aber auch einen Anfänger kenne, der geradezu vernarrt in Bach ist.

Es wäre ja interessant zu wissen, was der Profi an Bach genial findet, und was der Anfänger. Deshalb auch der Thread-Titel, was ist so toll an Bach. Das interessiert mich wirklich, an was konkret die Leute festmachen, was ihnen an Bach so gefällt.

Ich gehe damit "gar nicht" um. Ich akzeptiere, dass ich Bach nicht verstehe und mir der Zugang wohl immer verwehrt bleiben wird. Angesichts der unendlich vielen anderen Komponisten fällt mir das jedoch leicht.

Letztlich sinnvoll. Genug andere Komponisten hätte ich auch. Warum will ich mir jetzt das Leben mit Bach schwer machen? :konfus:
 
Hi,

also mich fasziniert gerade Bach. Als Anfänger nehme ich mir nicht heraus anzunehmen, ich würde Bach verstehen, aber gerade die Fugen/Variationen, bei denen eine kurze Melodie/ein kurzes Thema auf verschiedenste Weise umspielt und variiert wird finde ich sehr faszinierend und eben doch lebendig.

Das ist sehr interessant. Denn ich dachte immer, das hauptsächlich faszinierende an Bach ist tatsächlich das Verstehen der Musik auf intellektueller Ebene (und den Klang nimmt man dann halt so hin :D ) Und nun sagst du mir als selbsttitulierter Anfänger, Bach ist faszinierend. Bestätigt mich fast noch mal mehr darin, dass ich vielleicht einfach nicht bach-kompatibel bin..
 
Das ist sehr interessant. Denn ich dachte immer, das hauptsächlich faszinierende an Bach ist tatsächlich das Verstehen der Musik auf intellektueller Ebene (und den Klang nimmt man dann halt so hin :D ) Und nun sagst du mir als selbsttitulierter Anfänger, Bach ist faszinierend. Bestätigt mich fast noch mal mehr darin, dass ich vielleicht einfach nicht bach-kompatibel bin..

Evtl. ist das einfach mein unmusikalischer Bachzugang ;)
Mich erinnert Bach entfernt an manche Stilrichtungen von elektronischer Musik (nein kein 90-er Jahre Radio-Deppentechno).

Jedem gefallen halt andere Dinge und mitunter schauen sich Fans gewisser Stilrichtungen nur entgeistert an, siehe heutzutage z.B. Death-Metal und Elektro-Noise. Ist doch schön dass auch die Klassik sehr vielschichtig ist, sonst wärs schnell langweilig.
 
Hallo LKS, ich kann deine Einstellung wirklich nachvollziehen. Als ich jung war, war mir Bach auch zu trocken, viel lieber habe ich klangsinnliche Werke der Romantik gespielt. Das hat sich erst geändert, als ich angefangen habe, Orgel zu spielen. Da kommt man ja an Bach kaum vorbei, und erst da merkt man, daß Bach überhaupt nicht blutleer ist: Wenn man mal eines von den großen Orgelwerken an einer im Plenum registrierten Orgel gespielt hat, die Kraft dieses Klanges unter seinen Fingern gespürt und an den harmonischen Schärfen mitgelitten hat, dann erfährt man einen geradezu rauschhaften Sog, ein unentrinnbares Mitgerissensein, das von dieser Musik ausgeht. Wie gesanglich und eindringlich dagegen kann er in den ruhigen Choralvorspielen sein. Leider bekommt man davon am Klavier nichts mit, denn das ist ein Instrument, das Bach in seiner heutigen Form in seinem Leben nie gesehen hat. Der Vergleich mit späteren Komponisten ist also mehr als unfair. Heute interessiert mich Bach dennoch auch am Klavier weil ich innerlich mehr höre als den trockenen Klang des meist pedallosen Spiels. Mein Tipp an dich: höre dir auch andere Instrumental- und Vokalwerke von Bach an, am besten im Konzert. Er hat unglaublich ausdrucksvolle Melodien geschrieben. Auch Lektüre zum Thema Bach kann sehr spannend sein und bringt viele neue Erkenntnisse. Der Weg zu Bach dauert lange und ist nicht eben, aber er lohnt sich.

Grüße vom klafierspieler
 
Warum will ich mir jetzt das Leben mit Bach schwer machen? :konfus:

Ich verstehe Deinen Thread nicht so ganz.

Ich habe Dich so verstanden: Dir "gefällt" Bach nicht. Die Musik sagt nichts zu Dir und Du möchtest sie deshalb nicht spielen. - So what? Spontan möchte man antworten: Dann lass es doch.

Vermutlich geht es Dir aber um etwas Konkretes?

Vielleicht ist der einfachste Zugang zum "Faszinosum Bach", zum Beispiel zu beobachten, wie die polyphonen Stränge ineinander greifen, sich mal hier, mal dort manifestieren? Das allein ist die Beschäftigung mit Bach eigentlich schon wert. Um mal Dein Wording aufzugreifen: Bachfugen - total "lecker"!

Außerdem haben praktisch alle späteren Komponisten den einen oder anderen musikalischen Bezug zu Bach. Sein Werk ist eine Art Grundstein für die weitere (europäische) Musikgeschichte.
 

Ich verstehe Deinen Thread nicht so ganz.

Ich habe Dich so verstanden: Dir "gefällt" Bach nicht. Die Musik sagt nichts zu Dir und Du möchtest sie deshalb nicht spielen. - So what? Spontan möchte man antworten: Dann lass es doch.

Klar, das würde ich bei jedem anderen Komponisten machen. Aber es ist halt Bach, laut Wikipedia "einer der bekanntesten und bedeutendsten Musiker, vor allem für Berufsmusiker ist er oft der größte Komponist der Geschichte."

Angesichts solcher Aussagen liegt einfach die Vermutung nahe, dass mir noch irgendwas entgangen ist. Und selbst wenn ich mich wirklich dagegen entscheide, mich weiter mit Bach zu beschäftigen, dann muss diese Entscheidung zumindest wohlbegründet und überlegter sein, als es bei einem x-beliebigen Komponisten der Fall wäre.

Vermutlich geht es Dir aber um etwas Konkretes?

Die Laufrichtung des Threads ist erst mal unkonkret in der Hoffnung auf Erkenntnisgewinn ;)
Aber es ist auch so, dass meine KL Bach liebt und wohl auch gerne mit mir Sachen spielen würde, das war jetzt noch mal der Anstoß für mich, zu versuchen zu verstehen was das ganze "Theater" um Bach soll.

Vielleicht ist der einfachste Zugang zum "Faszinosum Bach", zum Beispiel zu beobachten, wie die polyphonen Stränge ineinander greifen, sich mal hier, mal dort manifestieren? Das allein ist die Beschäftigung mit Bach eigentlich schon wert. Um mal Dein Wording aufzugreifen: Bachfugen - total "lecker"!

Aber ist diese Beobachtung der einzelnen polyphonen Stränge nicht eine rein intellektuelle Übung? Ich meine, da könnte ich mir einfach die Noten nehmen und gucken was an welcher Stelle passiert, wird wahrscheinlich noch deutlicher als beim reinen Hören. Ich stelle mir halt die, zugegeben etwas philosophische Frage, ob man sich mit Musik beschäftigen sollte, deren Zugang man sich nur durch Analyse erarbeiten kann. Nun ist das ja immer so, dass man Musik besser versteht, wenn man sie analysiert. Aber jegliche Musik, die ich spiele, hatte mich bereits vorher angesprochen und bewegt, und durch die Analyse verstehe ich sie nur noch besser und auf einer zusätzlichen Ebene. Hingegen kann ich bei Fugen nur die analytische Ebene erkennen, die Form scheint mir Selbstzweck zu sein. Welchen Wert hat ein Stück Musik, das man analysieren und auf dieser Ebene durchaus auch bewundern kann, das einen musikalisch aber kalt lässt? Der Kopf kann noch so begeistert sein von der Genialität, aber wenn das Herz es nicht ist, dann fehlt etwas. Bei vielen scheint aber auch das Herz laut für Bach zu schlagen... und vielleicht kann mir das ja auch doch noch gelingen, wenn ich nur den richtigen Zugang finde.


Außerdem haben praktisch alle späteren Komponisten den einen oder anderen musikalischen Bezug zu Bach. Sein Werk ist eine Art Grundstein für die weitere (europäische) Musikgeschichte.

Ja, ich habe kürzlich gelesen, dass sogar Chopin ein großer Fan von Bach war. Ein Grund mehr, verstehen zu wollen, warum das so ist.

Ich habe jedenfalls schon mal viel zum Anhören für die nächsten Tage dank der Tips hier. Im Besonderen die Orgelsachen hatte ich bisher gar nicht auf dem Schirm. Ein beeindruckendes Instrument.
 
..Aber jegliche Musik, die ich spiele, hatte mich bereits vorher angesprochen und bewegt,...
Bist Du Dir da ganz sicher? Ich höre sehr oft gegenteiliges und stelle auch bei mir fest, dass oft die Erkenntnis erst die Schönheit zu Tage fördert.
Typisches Bespiel ist der Klavierunterricht, wo man sich mit Stücken befasst, die man nie gespielt hätte, dann aber feststellen muss, dass es wunderschön ist.
 
Ja, ich habe kürzlich gelesen, dass sogar Chopin ein großer Fan von Bach war. Ein Grund mehr, verstehen zu wollen, warum das so ist.

Ich habe jedenfalls schon mal viel zum Anhören für die nächsten Tage dank der Tips hier. Im Besonderen die Orgelsachen hatte ich bisher gar nicht auf dem Schirm. Ein beeindruckendes Instrument.
Die Orgelsachen von Bach? Hatte vorhin wieder zwei Beerdigungen zu orgeln und Noten von Bach auf dem Pult stehen - natürlich auch andere Literatur und einige Lieder für die Trauergemeinde zum Mitsingen.

Als Berufsmusiker muss ich feststellen, dass ich Bach erst nach gründlichem Kennenlernen späterer und früherer Literatur so richtig in seiner Größe schätzen gelernt habe. Beim Spiel solistischer Werke auf dem Klavier fehlen die vielfältigen Klangfarben der Orgel dank kundiger und abwechslungsreicher Registrierungskunst - die zum Genießen der mehrstimmigen Satzweise benötigte Anschlagsdifferenzierung stellt sich erst bei fortgeschrittener Spielpraxis ein. Dennoch lohnt es sich, der Entmutigung nicht allzuviel Raum zu geben.

Zwei Impulse meinerseits, um den Geheimnissen des Bach'schen Tonsatzes ein wenig auf die Spur zu kommen. Für den ersten lohnt es sich, vom Klaviersatz Abstand zu gewinnen und sich beispielsweise seine Vokalliteratur (solistisch wie chorisch) näher zu betrachten. Die Kantaten und Passionen bieten allerlei Ausdrucksstarkes und Programmatisches, das Bach nicht als "Konstrukteur" ausweist, der einfach ein Formkonstrukt mit sorgfältig ausbalancierten Noten füllt. Es handelt sich bei dieser Werkgattung nicht um Werke für die Opernbühne, aber im biblischen Kontext werden vergleichbare Extremsituationen des Lebens ausgelotet - bis hin zu Tod und Zerstörung. Dazu heißt es: Noten zur Hand nehmen und mithören, wie Bach diese Extremsituationen musikalisiert. Was passiert mit den Stimmen horizontal und vertikal in extremen und eher gewöhnlichen Situationen? Ebenso spannend agieren die Stimmen in einem reinen Instrumentalsatz für Tasteninstrumente.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich polyphone Satzstrukturen in Hülle und Fülle bei den Romantikern, die wahrlich nicht als unemotionale Konstruktivisten einzuschätzen sind. Was passiert bei Robert Schumann, wenn eine Bezeichnung wie "Fuge" über einem Stück steht? Alle Kontrapunktiker späterer Zeiten hätten ohne die Einsicht in die Bach'sche Kunst der Stimmführung nicht so schreiben können, wie sie es getan haben.

Es gibt eine Menge zu entdecken - auch über das reine Spiel am Instrument hinaus. Packe es an - es lohnt sich nämlich mit Sicherheit.

Frohes Schaffen wünscht mit LG
Rheinkultur
 
Ich habe derzeit etwa 25 ' WTK I im Repertoir (aktuell übe ich besonders die Fuge cis-moll, dieses Nunplusultra-Geflecht dreier Themen). Mich haben von Jugend an gerade die polyphonen Stücke fasziniert und mich animiert, selbst Fugen zu schreiben. Es ist für mich auch ein besonderes Vergnügen, polyphone Sätze zu singen (diverse Chöre im Weihnachtsoratorium).
Meine Kanons, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe, sind nicht, wie so viele populäre Lieder dieser Gattung, zerlegte Homophonie, sondern polyphon durchkomponiert. Beispiel: http://www.abschweb.de/musik/tanze_den_bart.htm. Unmittelbares Vorbild ist dabei Mozart, der ja ganz viel von Bach gelernt hat.

Grüße
Manfred
 
Interessant. Ich habe mich das auch lange gefragt und konnte Bach nicht viel abgewinnen. Obwohl z.B. auch befreundete Jazzer meinten, sie hätten unvergleichlich viel gerade von Bach "gelernt". Nun hatte ich zuletzt das Präambulum 875a in Arbeit - etwas, woran ich mir zunächst die Zähne ausgebissen habe, und jetzt läuft es aber einigermaßen flüssig in einem flotteren Tempo. Dann macht es enorm Spaß, man kommt dann fast in einen kleinen "Rausch" beim Spielen. Fast meditativ. Sehr schön finde ich die Sonaten (mit Klavier und Cello, z.B. die Aufnahme Mischa Maisky/Martha Argerich) oder die Konzerte für 2, 3 oder 4 Klaviere.

An den Klang eines Cembalos kann ich mich leider aber bis heute nicht gewöhnen. Vielleicht kommt das noch? Abgesehen davon gestehe ich aber, dass Chopin auch mein absoluter Favorit ist.
 
Damit auch ein Anfänger zu Wort kommt, auch wenn er sich lächerlich macht: Erste Begegnung (außer den "Standards" - die mich oft nerven) war C. Lifschitz' (erstmalige) Einspielung des "Musikalischen Opfers" auf einem modernen Flügel. WOW. Da gabs Dissonanzen, schräges Zeug, das sich - wie ein Wunder wieder in Harmonie auflöst. Vermutlich eine munteres Turnen durch viele Tonarten. Treibende Musik, nix Plätscherndes - ich hatte das Gefühl, ich hörte den Erfinder des Jazz.

Zweite Begegnung: AM Klavier. Rechte Hand - naja, a bisserl krumm. Linke Hand - ähhh - schräg. Zusammen: Göttlich. Und - siehe da - es klingt auch in SlowMotion toll - halt eher meditativ. Und - wenn mans kann - geht auch das doppelte Tempo. Ich glaube, es gibt nicht viele Musikstücke, die schadlos extreme Tempi verkraften und dabei sogar immer noch gut klingen. Bei Bach geht es. Bei wem noch?

Ja, es mag Mathematik sein - aber wie auch dort geht bei Bach die Formel nur auf, wenn nichts fehlt und nichts hinzugefügt wird. Perfektion nenne ich das. Und in dieser Perfektion versteckt er das Unperfekte, das Krumme, Schräge, um es wieder in (göttlicher) Harmonie aufzulösen. Für mich ist das ein Wunderwerk, egal, was die Theoretiker da erklären. Und wenn es denn so einfach wäre, in diesen vorgegebenen Strukturen Musik zu schaffen, dann hätten wir inzwischen viele Bachs erleben dürfen. Haben wir aber nicht.

Für mich ist diese Musik nicht wegen, sondern TROTZ der formalen Fixierung unglaublich. Nichts zum Delektieren, zum Easy-Listening, sondern nur zum Staunen und Schaudern.
 
Hier ist ja was los. Danke für die vielen Antworten. Da muss ich mich richtig anstrengen, noch hinterher zu kommen mit dem Antworten.

Bist Du Dir da ganz sicher? Ich höre sehr oft gegenteiliges und stelle auch bei mir fest, dass oft die Erkenntnis erst die Schönheit zu Tage fördert.
Typisches Bespiel ist der Klavierunterricht, wo man sich mit Stücken befasst, die man nie gespielt hätte, dann aber feststellen muss, dass es wunderschön ist.

Nun, also klar habe ich schon oft die Erfahrung gemacht, dass mir ein Stück beim 3. Mal Hören besser gefällt als beim 1. Mal und beim 10. Mal Hören wiederum noch mal besser. Aber: Bei Bach halt nicht, das ist es ja gerade. Wenn ich mir die Invention, die ich gerade spielen will, 5 Mal in Folge anhöre, bin ich reif für die Anstalt :blöd:
 
@Rheinkultur: Danke für diesen Beitrag. Ich kann da jetzt noch nichts zu schreiben, doch ich werde deine Tips definitiv befolgen und dann berichten.
 
Manno, erzwing doch nix. Wenns Dich ned packt, dann packts Dich halt ned. Ich spuck auch manchen Wein aus, denn die Freaks für überirdisch halten.

Dann tät ich mir die Inventio aber auch schenken - welche ist es denn?
 

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