Was erwartet Ihr von Euren Klavierschülern?

Barratt

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Mir geht es um den


und um Eure Sicht auf das Unterrichtsgeschehen. Damit Unterricht gelingt, sind beide Seiten gefordert. Meistens wird über Eigenschaften/Pflichten/etc. des "Dienstleistenden" philosophastert, der nicht selten unterschwellig als austauschbares Mittel zu einem oft genug diffusen Zweck gedacht wird.

Drehen wir doch mal den Spieß herum und reden darüber, welche Eigenschaften (außer pünktlich zu bezahlen) Ihr Klavierlehrenden von Euren Auszubildenden erwartet, was Euch abgesehen vom Berufsethos motiviert, mit ihnen dauerhaft und engagiert zusammenzuarbeiten.

Ich würde dabei gern den Schwerpunkt auf "Erwachsene" legen. Personen, von denen klar ist, dass sie in diesem Leben keine Pianisten mehr werden, in deren ruhmvoller Vita Ihr irgendwann als "erste Lehrer" aufgeführt werdet und die noch nicht einmal in den Kaderlisten von JuMu auftreten werden. Bei denen alles etwas mühsamer ist als bei Kindern. Unterrichtsverhältnisse, in denen es kein anzustrebendes konkretes Ziel gibt (Aufnahmeprüfung, Abschlussprüfung, JuMu o.ä.)

Warum mich das überhaupt kümmert?

  1. Audiatur et altera pars. :-) "Irgendwas mit Gerechtigkeit." ;-) Wo es K***-Lehrer gibt, gibt es mindestens ebenso viele suboptimale SuS.
  2. Ich habe gesteigertes Interesse daran, dass meine Klavierlehrerin nicht auf die Idee kommt, dass sie ihre Zeit lieber mit etwas anderem verbringt als mit meinen bescheidenen Bemühungen.

Was erwartet Ihr und was schreckt Euch ab oder nervt?
 
Von Harasiewicz wusste ich es nicht!

Dass er erst spät angefangen hat! In welchem reifen Alter?
Weiss da jemand was Genaueres?
 
Zuletzt bearbeitet:
Genau, und dass er von allen Bullies der Schule schon die Hucke vollgehauen gekriegt hat, weil Mami ihm noch die Schuhe zubinden muss und er beim Völkerball immer nach 2 Sekunden als erster rausfliegt.
 
Harasiewicz hat Völkerball gespielt ?? :-D mit 10 ? - mmh:

Ich bin da beim Tipp-Topp immer als Letzter gewählt worden. :-D:cry2::cry2:

hmm: Haben nicht weitere Klavierspieler, wie etwa Richter, auch erst spät angefangen, zumindest mit der Ins-Visier-Nahme der richtigen Profi-Aktivität? Weiß nicht mehr...manche fangen aber wohl tatsächlich erst später an.

LG, -Rev.-
 
Interessant wäre der Klavier-Virtuose mit dem spätesten Alters-Beginn ...
 
@Peter
Dürfte mit 15 Minuten täglich üben, trotz vermutendem Mega-Talent, eng werden ... ;-)
 
Naja hat mit 10 Jahren mit Klavier angefangen, weiß nicht was da @rolf meint.
...ok @playitagain ich verrate dir, was der gemeint hat (aber psssst, nicht weiter sagen) mit 10 Violine beginnen, dann erst mit 14 Klavier anfangen und beim Chopinwettbewerb vor Ashkenazy den 1. Preis kriegen, das ist natürlich pillepalle und nicht der Rede wert...;-);-) vermutlich kannte der Harasiewicz den Altenmüller und die Neurosachen nicht, denn wenn doch, hätte er das sicher bleiben lassen :lol::lol:

...ich finde ja diejenige Sorte Streithähne besonders amüsant, die voller Kampfeslust laut trompeten, ohne auch bissel nachzuschauen, ob sie wissen, was sie trompeten:lol::lol::lol:
 
vermutlich kannte der Harasiewicz den Altenmüller und die Neurosachen nicht, denn wenn doch, hätte er das sicher bleiben lassen :lol::lol:

Ja, wenn's um Menschen geht gibt's leider immer Ausnahmen!
Aber jetzt, wo wir die ganzen 'Wissenschaftler' haben, werden solche Perversionen, wie zu spät anfangen und dann noch was erreichen, rigoros ausgemerzt (Wortspiel unbeabsichtigt!)!!:heilig:
 

@rolf
Habe das alles von dir zitierte von Harasiewicz auf Google gelesen, aber mich überrascht es eben nicht. :geheim:! Habs jetzt öfter geschrieben, noch einmal:
Der Kerl hat einfach viel geübt so einfach ist das. Bin mir gar nicht sicher ob du Altmüller da richtig zitierst.

Ericsson behauptet eben dass es hauptsächlich auf die Übestunden ankommt und nicht auf das Talent und auch nicht im welchen Alter jemand anfängt. Das Diagramm mit den 10000h hat auch Altmüller gezeigt.
Hier nochmal das Paper für alle
http://projects.ict.usc.edu/itw/gel/EricssonDeliberatePracticePR93.pdf
Dem schließe ich mich aus eigener Erfahrung, auf einem anderen Gebiet, grundsätzlich an.
Mich stören aber an dem Paper ein paar Dinge bzw. finde ich unvollständig:
1) Es berücksichtigt nicht wie effizient jemand übt
2) Es berücksichtigt nicht die Qualität des Lehrers
3) Es berücksichtigt nicht dass man als junger Mensch schneller motorisch lernt (im Gegensatz zu manchen Aussagen hier glaube ich nämlich dass ein Erwachsener zumindest motorisch langsamer lernt) Zwischen 20-30 Lebensjahr lassen sowohl Gehirn als auch körperliche Leistung wieder nach. Hier müsste ein Korrekturfaktor hinein, je nach Alter.
Diese Punkte erklären vielleicht die großen gefundenen Streuungen bei den 10000 Übestunden die man für ein virtuoses Spiel angeblich benötigt (manche benötigen auch um einiges weniger an h)
Es gibt mittlerweile auch einen gewissen Tim Ferriss der behauptet dass es heutzutage mit weniger Übestunden gehen kann.
Das denke ich auch, aber nur unter sehr guten Bedingungen und trotzdem muss man immer noch viel üben.
 
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anspruchsvoll, das kapieren viele Geisteswissenschaftler bei größtem Bemühen nicht

Es gibt absolut keinen Grund anzunehmen, dass "viele Geisteswissenschaftler" das NICHT kapieren, wenn sie es genau wie der Meister von der Pike auf lernen. Ich vermute sogar das Gegenteil. Die Geisteswissenschaftler, die ich kenne (und das sind berufsbedingt viele), sind fasziniert und sehr aufgeschlossen gegenüber "richtigen" Tätigkeiten. :-)

1) Es berücksichtigt nicht wie effizient jemand übt
2) Es berücksichtigt nicht die Qualität des Lehrers
3) Es berücksichtigt nicht dass man als junger Mensch schneller motorisch lernt (im Gegensatz zu manchen Aussagen hier glaube ich nämlich dass ein Erwachsener zumindest motorisch langsamer lernt) Zwischen 20-30 Lebensjahr lassen sowohl Gehirn als auch körperliche Leistung wieder nach. Hier müsste ein Korrekturfaktor hinein, je nach Alter.

Die ominösen 10.000 Stunden beziehen sich auf qualifiziertes Üben, also auf grosso modo optimale Bedingungen.
Zu Deinem Punkt 3: Der Korrekturfaktor ist Fokussierung/Spezialisierung. Im ZNS bildet sich immer das zuerst zurück, was nicht gebraucht wird. Das sagt nichts darüber aus, ob bzw. wie andere Segmente aufmunitioniert werden. Hugo Simon hat noch mit Ü-70 ein CSI 2* gewonnen. Setz einen Ü-70 erstmalig in seinem Leben auf ein Pferd ... LERNEN tut er das aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr, aber mit guter Beratung und Anleitung überlebt er es und er wird auch etwas dazulernen.

Während das Klavierspiel auch für extrem ungeschickte Personen immerhin keine Gefahr für Leib und Leben birgt :super: ist die Berücksichtigung des Alters von Einsteigern im Sport (zumindest bei Risikosportarten, aber auch bei Sportarten, die höchste motorische Präzision erfordern) die wichtigste Trainingsgrundlage. Man findet die Ü-65-Neueinsteiger eher im Laufsport als auf dem Schwebebalken, im Springsattel oder beim Eiskunstlauf, gell @Klimperline . :lol:


Ich verstehe nicht, worüber sich ein Dissens entzünden sollte, wenn die GUTEN Lehrmethoden, wie sie sich im Laufe der Jahrzehnte (Jahrhunderte) entwickelt haben offenbar in keinem Widerspruch zu den Altenmüllers dieser Welt stehen. :konfus:


Mehr als sein Bestes geben kann man eh nicht, egal in welchem Alter.
 
Man findet die Ü-65-Neueinsteiger eher im Laufsport als auf dem Schwebebalken, im Springsattel oder beim Eiskunstlauf, gell @Klimperline . :lol:

Äh ja..., man findet sie vor allem im Gesundheitssport ohne Leistungsdruck, und das ist auch gut so! Ich sehe als Trainerin im Eiskunstlaufen schon nach den ersten drei-vier ganz normalen Vorwärtsschritten, ob jemand vor oder nach Abschluss der Pubertät mit dem Training begonnen hat, ganz unabhängig von der 10 000-Übungsstunden-Regel. Ich gehe davon aus, dass ein KL ebenfalls nur ein paar wenige Töne auf dem Klavier hören muss, um selbiges behaupten zu können. Kann man die 10 000 Stunden-Regel überhaupt auf Spätanfänger übertragen? In kompositorischen Sportarten ganz sicher nicht und am Klavier -so meine Behauptung- nur in ganz wenigen Ausnahmefällen.

Studien hin- oder her, die Erfahrung zeigt es doch! Wer als Teenie beginnt, kann es bei sehr hoher Begabung und gepaart mit Fleiß und guter Anleitung noch schaffen, dazu gibt es im Forum ein paar wenige Beispiele und auch ich habe gerade auf dem Eis eine 14-jährige Schülerin, die nach nur wenigen Monaten Training bereits erfolgreich an Doppelsprüngen arbeitet, was absolut unüblich ist. Sie ist auch nicht die erste, die erst in der Pubertät begonnen hat und trotzdem noch Sprünge mit mehr als einer Drehung in der Luft geschafft hat und insgesamt auf der Leistungsschiene im Wettkampfsport erfolgreich geworden ist. Die allermeisten guten Eiskunstläufer haben aber mit spätestens 6 Jahren mit dem Training begonnen. Auf der anderen Seite ist mir bisher noch kein Erwachsener begegnet, dem dies noch gelungen ist, und unabhängig von den gelenkbelastenden und hohe koordinative Fähigkeiten vorraussetzenden Sprüngen, wirkt bei ihnen der gesamte Laufstil wenig flüssig und viele Elemente, die Kinder und Jugendliche ganz selbstverständlich einfach nachmachen, brauchen trotz (oder wegen?) intensiver intellektueller Bemühungen ewig oder werden nie erlernt. Auch Angst spielt bei Spätanfängern eine viel größere Rolle als bei jungen Leuten.

Angst vor Verletzungen sieht man beim Klavierspiel wohl seltener, ansonsten sehe ich viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Erlernen kompositorischer Sportarten und dem Klavierspiel.
Ich erwarte von meinen Schülern übrigens in erster Linie Motivation, zusätzliches selbständiges Üben und Zuverlässigkeit.
 
Ich habe durchaus Schüler, deren Motivation weit außerhalb des musikalischen Interesses liegt und eher auf den therapeutischen Aspekt ausgerichtet ist.
Vor allem ein Ehepaar, das auf Empfehlung von Ärzten zu mir kam, mit der Ansage, den dementiellen Prozess aufhalten zu wollen. Bei mir selbst musste ich dabei zunächst einen Schalter umlegen, weil dies für mich neu war und für mich Musik einen Wert an sich darstellt, und nicht einfach eine Therapieform ist. ( Damit soll nicht der Wert und Nutzen der Musiktherapie in Frage gestellt werden; das ist aber etwas ganz anderes).

Die Dame ( 76) lag vier Monate im Koma, was wohl zur Problematik entscheidend beigetragen hat. Die Demenzerkrankung ist noch in der Anfangsphase , d.h. ich kann noch halbwegs "normal" mit ihr kommunizieren. Sie hält sich für unmusikalisch, was Blödsinn ist, spielt anständig kleine Stücke, unter größter Anstrengung. Wird aber.
Beim Ehemann ( 84) ist die Demenz weiter fortgeschritten. Melodien, die er aus seiner Jugend kennt, spielt er nach. Den Anfang von Bartoks Mikrokosmos, den ich ihm zunächst angetan habe, findet er fürchterlich ( recht hat er ja) und bringt mir "zu schwere" Noten. Das mache ich dann auch: Ist doch völlig wurst, wenn solche Leute dann Stücke auf ihre Art rekomponieren.
Zu Hause redet er kein Wort ( hat auch kaum eine Chance, zu Wort zu kommen...) , im Unterricht wie ein Wasserfall.
Neulich: " Herr Klavierlehrer, ich denke jeden Morgen, dass ich sterbe:" Ich: " Herr Soundso, das geht nicht, nächste Woche ist Schülervorspiel."
@Klein wild Vögelein
und Nachtrag zum hier zitierten ( meinem) Beitrag:
letzte Woche, mein ziemlich dementer, aber dabei hochintelligenter Schüler:
"Wissen Sie, früher war Chopin meine liebste Musik, aber jetzt ist es Elvis Presley. Abba finde ich auch gut, aber schon ziemlich schwierig..."
DAS erwarte ich nun keineswegs von einem Schüler, ich versuche eher den umgekehrten Weg zu gehen ! Aber hier. Nix wie ran. Er möchte das Dampflokomotivenführerlied lernen. Love Me Tender.
Ich weiß noch nicht, ob wir uns gemeinsam an die Einübung des berühmten Hüftschwungs machen sollen..
NB: wie Kenny Wheeler einst sagte: " I wish Elvis Presley was still alive and his music was dead."
Aber wenn es den Gehirnfunktionen aufhilft...
 
@Klein wild Vögelein
Ich weiß noch nicht, ob wir uns gemeinsam an die Einübung des berühmten Hüftschwungs machen sollen.....

Klasse! :ballon:

Schön zu lesen, wie du auf deinen Schüler eingehst, der im hohen Alter und trotz seiner Erkrankung sich Neuem gegenüber aufgeschlossen zeigt. :super:

Letzteres würde ich dringend empfehlen. Ich wette darauf, dass es für euch ein unvergessliches Erlebnis sein wird.
Davon kann man ein Leben zehren! :-)
 

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