Warum haben Schimmelklavier und Flügel einen nicht sehr guten Ruf?

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Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Steingräber & Söhne, Modell T122. Zwei Punkte zeichnen es technisch aus: zweiter Resonanzboden (mehr Klang) und Magnete in der Hammernuss ("flügelgleicher Repetitionspunkt", Mechanikneuheit des Jahres 2008). Das hat einen Wert für das Klavierspiel. Deutsche Wertarbeit steht hier für eine außergewöhnliche Qualität und sichert Langlebigkeit. Für das Image "Bühnenklavier im Festspielhaus Bayreuth und der Scala in Milano" möchte ich möglichst nicht zahlen.
@ehenkes vermutest oder unterstellst du, dass das unterstrichene "Image" sich im Preis niederschlägt, oder kannst du das nachweisen?
 
Das ist nicht der Punkt. Ich habe reagiert auf die rein ideellen Werte (Geschichten, Kunst, Emotion) und betont, dass ich nicht für das Image, sondern möglichst nur für das Klavier zahlen möchte. Im Endeffekt lässt sich das faktisch nicht trennen. Preise orientieren sich an fixen und variablen Kosten, an Nachfrage und Angebot, und nicht zu vergessen, der Konkurrenz.

Wie sehen andere das mit Qualität, Leistung und Preis?

Die Steingräber-Klaviere gehören eindeutig zu den besten Klavieren made in Germany. Nur damit das klar ist. Die Mechanik mit den Magneten ist im UVP des 122 T noch nicht enthalten, soweit ich das verstanden habe, also ein mögliches Extra, das sich eher in den großen Klavieren (130, 138) findet. Das 138 K-SFM liegt dann im UVP über 37 T€.
SFM (Steingraeber-Ferro-Magnet): http://www.steingraeber.de/instrumente/sfm_727.html

siehe auch: https://www.clavio.de/threads/stein...ahrungen-spielwerkvarianten-mit-magnet.22445/
 
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In einem anderen Thread hieß es:
Viele Fachhändler haben uns gesagt, man bezahlt für Steinway min. 15000€ nur für den Namen.
Ist es wirklich so? :denken:
Das ist sicher übertrieben, aber das Image von Steinway & Sons ist sehr ausgeprägt und wird gepflegt.

Hier findet sich eine interessante Dokumentation, die die schwierige Lage im Klavierbau zeigt, selbst bei Steinway (Steingräber ab 6min.):


View: https://www.youtube.com/watch?v=b6mSbrYbXVk
 
Zuletzt bearbeitet:
und betont, dass ich nicht für das Image, sondern möglichst nur für das Klavier zahlen möchte. Im Endeffekt lässt sich das faktisch nicht trennen. Preise orientieren sich an fixen und variablen Kosten, an Nachfrage und Angebot, und nicht zu vergessen, der Konkurrenz.

Wie sehen andere das mit Qualität, Leistung und Preis?

Die Steingräber-Klaviere gehören eindeutig zu den besten Klavieren made in Germany. Nur damit das klar ist. Die Mechanik mit den Magneten ist im UVP des 122 T noch nicht enthalten, soweit ich das verstanden habe, also ein mögliches Extra, das sich eher in den großen Klavieren (130, 138) findet. Das 138 K-SFM liegt dann im UVP über 37 T€.

Im obersten Segment brauchst Du gar nicht nach techn. Features zu schielen - die spielen da nämlich kaum eine Rolle. Das sind dann nette Add-ons, die dem einen gefallen, dem anderen nichts bedeuten. Da ist es definitiv das einzelne Instrument, das Dich umhaut oder eben nicht.

Dort zahlst Du für ebendieses "Erlebnis", diesen Klang, Du zahlst für eine am Maximum orientierte Qualität, für Individualwünsche, bzw. das reine Angebot dieser Extras, für Service, der noch Kulanz kennt, für VIP-Behandlung und nicht zuletzt kannst Du auch darauf setzen, dass diese Hersteller meist jährlich Ihre Preise um 3-5%, teilweise sogar mehr, heraufsetzen, was sich auf den Wiederverkaufswert auswirkt. Und wer sich dieses Paket leisten kann, dem sind diese Möglichkeiten und das "Markenversprechen" meist (!!!) auch den Preis wert.

Ein ziemliches Paket also, das um so schmäler wird, je weiter Du im Preissegment nach unten kletterst. Ganz unten bekommst Du ein momentan bespielbares Klavier zu einem Superpreis. Nicht mehr und nicht weniger.

Wer bei Klavieren anfängt, dem RATIONALEN Vergleich zu viel Raum einzuräumen, wird m.E. nicht glücklich.
 
@ehenkes das verstehe ich jetzt nicht so ganz: meinst du, man bekommt keine reale Gegenleistung (recte kein sehr gutes Instrument), wenn man tief in die Tasche greift und einen Steingraeberflügel kauft?
Vorausgesetzt die Tasche ist überhaupt tief genug zum Reingreifen. Ansonsten bleibt das "sehr gute Instrument" eben im Laden und der Asiate liefert.
 
Ich glaube das war eher vor 50 Jahren so. Heute fehlt nur noch ein Quäntchen, und China ist technologisch die Nr. 1 der Welt. Und nicht nur das, sie sind ja sehr geschickt, wenn es um Handelsbeziehungen geht, wo sie keinerlei moralische Bedenken kennen.

Wie ich sagte: Bei Elektronik liefert China inzwischen gute Ware (hörst Du, @rolf ?). Im Bereich der Mechanik oder im Handwerk gar würde mich das überraschen. Wenn BMW heute Komponenten in China zukauft, dann bei Unternehmen, die JAHRELANG geschult wurden und die permanent kontrolliert werden. Diesen Aufwand betreibt man nicht ohne Not!

Mittlerweile gibt es sogar Zweiräder, meist Roller, aus China. Oftmals als Schnäppchen im Baumarkt zum 1/3 - 1/2 Preis vergleichbarer Japan- oder EU-Produkte. Das ist auf den ersten 500 km noch ganz lustig - spätestens beim ersten (nicht lieferbaren) Ersatzteil werden die Gesichter lang. ICH würde mein Lben keinem solchen Gefährt anvertrauen - denn das Thema Sicherheit und "Moral" ist in China ziemlich untergeordnet. Klar verkaufen die hier ihr Zeugs - aber meist nur einmal.
 
Oftmals als Schnäppchen im Baumarkt zum 1/3 - 1/2 Preis vergleichbarer Japan- oder EU-Produkte. Das ist auf den ersten 500 km noch ganz lustig - spätestens beim ersten (nicht lieferbaren) Ersatzteil werden die Gesichter lang.
Also wer einen Roller im Baumarkt kauft, braucht sich nicht wundern, wenn es mit den Ersatzteilen hapert. Da kann man auch gleich ein Klavier im Baumarkt kaufen (hats alles schon gegeben). Ersatzteile für Chinaböller gibt es zu Hauf. Berlin ist voll mit den Böllern und irgend wie fahren die auch alle.
 
Leica ist einer der wenigen Kamerahersteller, der aktuell schwarze Zahlen schreibt und das mit Produkten die von ihrem Leistungsumfang selten an ihre asiatische Konkurrenz herankommen.

Allerdings war Leica am Abgrund und konnte nur durch geschickte strategische Partnerschaften mit asiatischen Unternehmen, die viel Knowhow und zusätzliche Absatzkanäle einbrachten, überleben. Als Beispiel, wie man sich als kleines, feines deutsches Unternehmen allein auf dem Weltmarkt behauptet, kann Leica daher in keiner Weise dienen.
 

Mal ne blöde Frage: Warum ist ein chinesisches Klavier schlechter?
Die Vorstellung ist, dass das von angelernten chinesischen Wanderarbeitern zusammengetackert wird.
Okay. Aber: Klavierbau ist keine Geheimwissenschaft. Alles, was man wissen muss, um ein Spitzenklavier zu bauen, ist dokumentiert. Man kennt das Lastenheft für jedes Bauteil. Es gibt Produktionsstraßen mit Industrierobotern. Wenn die Fertigungstoleranzen richtig eingestellt sind, kann die Teile jeder Hilfsarbeiter zustammenstecken. Spezialisten braucht man nur noch für den Resonanzboden und die Endkontrolle.
Nur mal so als Laie in den Raum geworfen.
 
Aber: Klavierbau ist keine Geheimwissenschaft.
Zum Teil schon. Da steckt viel Intuition von jahrelangen Mitarbeitern darin, die durch kein Lastenheft (haha!) ersetzt werden kann. Wäre es so einfach, gäbs jede Menge hervorragender Klaviere, exzellenter Streich- und Zupfinstrumente. Vermutlich gilt das sogar für alle Instrumente mit Naturmateriialien.

Das ist auch der Grund, weshalb die wirklich exzellente Premiumklasse der Japaner (nahezu) preisgleich ist mit S&S & Co. Weil eben nur die besten Instrumentenbauer mit langjähriger Erfahrung MANUELL daran arbeiten können.

Geh mal eine deutsche Manufaktur besuchen (Steingräber bietet sich wegen der Überschaubarkeit an!) und Du wirst merken, dass das eben nicht so einfach reproduzierbar ist. Der Grund für die Menge an Handarbeit ist nicht, dass die Mittelständler sich keine Automaten leisten könnten, sondern die Tatsache, dass bloße Reproduktion beim Klavierbau eben bestenfalls (!!!) ein oberes Mittelklasseinstrument hervorbringt.

Bist Du Ingenieur? Dann wirst Du das nicht verstehen (wollen/können) :-D

Wer jetzt glaubtt, dass es dann halt mal noch 30 Jahre dauert und dann seinen die Chinesen auch soweit, der ist m.E. auf dem Holzweg. Wir in DE können nämlich auch in 30 Jahren keine exzellenten chinesischen, arabische oder indische Instrumente bauen, weil uns dafür jahrhundertealtes Klangverständnis fehlt. Das könnte nur dann funktionieren, wenn man die Arbeiter 30 Jahre lang zusätzlich mit entsprechender Musik beschallt...
 
Gerade die Handfertigung bringt nicht ausschließlich exzellente Instrumente hervor. Auch dort muß dann am Schluß nochmal selektiert werden: Zwischen den wirklich guten und den weniger gelungenen Exemplaren.
 
Ja, das Land entwickelt sich, aber das Wachstumstempo der Wirtschaft darf man nicht mit qualitativem Wachstum gleichsetzen. Früher hat China billiges Blechspielzeug exportiert - heute ist es halt billiger Plastikscheiss. Dazwischen liegen aber FÜNFZIG Jahre!!!

Zweifellos gibt es immer noch viele qualitativ minderwertige Waren, die aus China kommen. Inzwischen gibt es aber in vielen Bereichen hervorragende und sehr hochwertige Waren. Obwohl Japan in China nicht gerade beliebt ist, dient es China als Vorbild in Sachen Qualität, dessen Standard man bald erreichen will.

Die Chinesen sind sich auch durchaus bewusst, dass sie früher die Innovationsführer waren. Vieles aus dem täglichen Leben wurde ursprünglich in China entwickelt, wie das Papier, die Teigwaren, der Buchdruck (nein es war nicht Gutenberg), das Porzellan, die Stahlverhüttung, der Kompass, das Papiergeld, das Schwarzpulver, .... Die Liste liesse sich fast endlos weiterführen.
Die Anzahl der Patentanmeldungen chinesischer Firmen übersteigt inzwischen wieder diejenige der aller übrigen Industrieländer. Es ist deshalb kein Zufall, dass fast alle grossen Firmen inzwischen Forschungszentren in China errichtet haben.

Die Anzahl der Klavierfabriken in China liegt im 3stelligen Bereich und all diese Anbieter werben um die Gunst der Käufer. Man kann sich vorstellen wie hart der Konkurrenzkampf auf dem Heimmarkt ist. Die Situation ist ähnlich wie zu den Blütezeiten des europäischen (und amerikanischen) Klavierbaus zum Ende des 19. und Anfangs des 20. Jahrhunderts mit Hunderten von Klavierfabriken. Die Konkurrenz hat dazumal zu einer enormen Innovationkraft geführt. Aus dieser Zeit stammen fast alle wichtigen Patente im Klavierbau. Die Konkurrenz der chinesischen Klavierbaufirmen wird wohl auch heute zu einer Fülle von Innovationen führen, welche die Position der chinesischen Anbieter weiter stärken wird.

Anders die Situation bei den deutschen Klavierbauern (absichtlich polemisch formuliert). Diese nennen sich seit einigen Jahrzehnten Manufakturen (so muss man weniger in moderne Produktionsmethoden investieren) und bauen nach 100jährigen Entwürfen immer die gleichen Klaviere und feiern Kleinigkeiten wie eine Tastenklappenbremse als grossen Durchbruch. Sie leben im Wesentlich von den Innovationen der alten Klavierkonstrukteure wie Theodor Steinweg und dem Ruf der noch aus dieser Zeit stammt. Das kann natürlich nicht ewig gut gehen.

Wer die Chinesen allgemein mit einer Motorrad-Motor-Story schlecht redet, verkennt die Situation dramatisch und spielt so den ungeliebten chinesischen Herstellern letztendlich in die Hände. Der Qualitätsvorsprung wird in wenigen Jahre massiv zusammenschrumpfen, so wie das in anderen Branchen bereits geschehen ist. Die verbleibenden nicht-asiatischen Klavierbauer müssen sich ziemlich gut überlegen, wie sie der chinesischen Konkurrenz begegnen wollen. Mit guter Handwerkskunst allein wird dies sicherlich nicht klappen.
 
Gerade die Handfertigung bringt nicht ausschließlich exzellente Instrumente hervor. Auch dort muß dann am Schluß nochmal selektiert werden: Zwischen den wirklich guten und den weniger gelungenen Exemplaren.

Das ist der Preis, der für Top-Qualität gezahlt werden muss. M.E. ist die Qualitätsstreuung bei den Premiummarken sogar besonders hoch.
 
Die Chinesen sind sich auch durchaus bewusst, dass sie früher die Innovationsführer waren. Vieles aus dem täglichen Leben wurde ursprünglich in China entwickelt, wie das Papier, die Teigwaren, der Buchdruck (nein es war nicht Gutenberg), das Porzellan, die Stahlverhüttung, der Kompass, das Papiergeld, das Schwarzpulver, .... Die Liste liesse sich fast endlos weiterführen.

Dazwischen hat man aber mal flugs die ganze Intelligenzia ausradiert....

Nota bene: Zähle mal zusammen, was die "Wüstenstaaten" einst hervorbrachten: Mathematik, Medizin, Philosophie u.v.m. Und heute? Öl... Historie ist kein Garant für Revitalisierung.


However: Das ist eine spannende Diskussion - und ich lerne gerne dazu. Gefühlsmäßig kann ich Dir folgen, aber der Kopf will da noch nicht mit. Nenne mir doch mal einige hervorragende chinesische Produkte außerhalb der Elektronik/Feinstmechanik.

Diese nennen sich seit einigen Jahrzehnten Manufakturen (so muss man weniger in moderne Produktionsmethoden investieren)

Nein! Weil sie wissen, dass mit Automatisierung die Qualität nach unten geht. Im unteren und mittleren Preissegment könnte das eine vernünftige Option sein, aber die DE-Hersteller, die sich dort noch tummeln, sind so geschwächt, dass vermutlich das Geld fehlt.
 
Da steckt viel Intuition von jahrelangen Mitarbeitern darin, die durch kein Lastenheft (haha!) ersetzt werden kann.

So hat Rolls-Royce und Bentley auch lange gedacht: Nur jahrzehntelange Erfahrung und handgetriebene Karosserieteile sind nötig, um Spitzenfahrzeuge zu produzieren. Sie waren damit so erfolgreich, dass Rolls Royce BMW übernahm und Bentley Volkswagen. Oder ging die Story anders ...
 
Das waren keine Naturprodukte! Und lukrative Übernahmen sind kein Indiz für Erfolglosigkeit, sondern einfach der Lockruf des Gelds. Man kann in seiner Nische sehr erfolgreich manuell bauen und gutes Geld verdienen. Morgan macht das und Du wartest dann halt auf dein Auto und liebst es umso inniger.

Ich warte noch auf die exzellenten Produkte aus China ;-)
 

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