Vorsicht mit dem Metronom!

  • Ersteller des Themas pianovirus
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Tatsächlich ist die Spieltechnik in Wirklichkeit das Geringste, was Amateure von wirklichen Könnern unterscheidet.
Da bin ich anderer Meinung. Die Technik ist vielmehr der wesentliche Unterschied zwischen professionellen Musikern und Amateuren. Gar nicht so selten erlebe ich bei Amateuren ein treffenderes Gespür für musikalische Gestaltung, als bei Profis, die vor lauter Kopfwissen anscheinend gar nicht mehr in der Lage sind, ein Stück schlicht und einfach musikalisch reizvoll und schön darzustellen...?
Der entscheidende Unterschied liegt in der Qualität, Musik zu verstehen. Und „verstehen“ ist etwas völlig anderes als „fühlen“.
Sehe ich ebenfalls ganz anders. Ohne "Fühlen" und "Gefühl" gibt es keine Kunst, das ist ganz generell so. Kunst hat (unter anderem) den Zweck, Menschen zu berühren. Wissen bzw. Erfahrung, Kunst"Verständnis" ist natürlich ebenfalls vonnöten, und nicht zu knapp - aber vom Faktor Gefühl unmöglich zu trennen, beides gehört zusammen.
Die Frage ist völlig unsinnig. Gould wusste, was er tut und wieso - sowohl in jungen Jahren als auch in höherem Alter.
Wir sollten auch großen Interpreten nicht die Fähigkeit (und auch Notwendigkeit) absprechen, zu reifen. In aller Regel wächst das Musikverständnis mit fortschreitendem Alter, auch bei Musikern von Weltruhm.
Musik ist keine exakte Wissenschaft, deshalb gibt es so viele verschiedene Möglichkeiten, ein Werk zu spielen.
Keineswegs jede Intepretation ist gleich gut, und trifft den Kern dessen, was gute bzw. schöne Musik ist, gleichermaßen. Und selbst Laien hören schon recht gut Unterschiede zwischen "verkopft" gespielten, intellektuell überfrachteten, musikalisch "unstimmigen" Interpretationen und solchen, die besser dem Wesen schöner Musik entsprechen.
Aber eine gute Interpretation beruht immer auf profundem Wissen und einer intellektuellen Auseinandersetzung mit der Sache.
Jein - eine gute Interpretation ist immer aus einem treffsicheren Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung heraus entstanden. Eine solche Interpretation bewegt. Fehlt das, dann verschenkt eine Interpretation musikalische Wirkung, sie wird minderwertiger.
Man darf sogar alle Regeln übertreten und sich größte Freiheiten bei der Interpretation nehmen - aber dazu muss man die Regeln erst mal kennen und verinnerlicht haben. Alles andere wäre pure Beliebigkeit. Der darf man sich als Amateur sicher auch hingeben, aber mit Kunst hat das dann nichts zu tun.
Kunst spricht für sich selber. Und schöne Musik folgt tatsächlich Regeln, die man verinnerlicht, und verstanden haben sollte, wenn man musizieren möchte. Nur leider finden sich diese Regeln weniger in Büchern, weil sie sich kaum oder gar nicht verbalisieren lassen. Eine solche Regel ist zum Beispiel, daß man ein trauriges Stück nicht mit einem Ausdruck spielt, den man einem fröhlichen Stück geben würde.
Jeder Zuhörer mit auch nur etwas musikalischer Erfahrung würde gefühlsmäßig diese Unstimmigkeit heraushören.
Ein guter Interpret schwelgt niemals in Gefühlen, sondern kennt die erforderlichen Mittel, um bei seinen Zuhörern bestimmte Gefühle auszulösen.
Laß' das lieber keinen Profi hören... selbstverständlich hat ein Musiker bei seinem Spiel Gefühle. Idealerweise generiert er in sich beim Spiel die Gefühlsfacetten, die die Komposition wirklich enthält, oder die besonders gut zu ihr passen, und drückt sie durch sein Spiel hör- und fühlbar für den Zuhörer aus.
Er läßt sich bloß nicht von seinen Gefühlen übermannen - er ist immer Herr der Lage.
Man erkennt das sofort bei einfachen Stücken, die keine spieltechnischen Anforderungen an den Interpreten stellen: ein Könner klingt auch da völlig anders als jeder Amateur.
Ein Irrtum... mach' mal einen Blindtest. Wenn technisch keine Unterschiede mehr zu hören sind (unbewußt sucht man stets nach solchen), und ein Amateur muskalisch gut durchdacht spielt, kann er durchaus schon mal einen Profi schlagen. Es ist schon passiert, daß ein Amateur oder Halbprofessioneller ein Musikstück besser darzustellen versteht, als eine Latte weltberühmter Pianisten...
Wenn András Schiff das einfache Krieger-Menuett spielen würde, wäre der Unterschied zu Dreiklang gewaltig. Und obwohl viele den Unterschied vielleicht gar nicht genau beschreiben oder erklären könnten, würde doch jeder die enorme Überlegenheit eines Herrn Schiff feststellen.
Weiß man nicht... vielleicht würde auch genau das Gegenteil geschehen? Es gab irgendwo auf Youtube eine "professionelle" Einspielung des Stückes. Klingt grauenhaft in meinen Ohren - gegen das Wesen und den Charakter des Stückes gespielt (ich meine den Charakter, den es wirklich hat).
 
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