Vorsicht mit dem Metronom!

  • Ersteller des Themas pianovirus
  • Erstellungsdatum

Ach bester Dreiklang,
Du kennst doch das Wort, der Prophet gelte nichts im eigenen Lande. Ich würde an Deiner Stelle das Prophezeien einstellen oder wenigstens auf meine vier Wände beschränken und froh sein, daß ich nicht gerädert und gevierteilt worden bin. Und, bevor es gegebenfalls doch noch geschieht, ein richtig gutes, mit Doldenhopfen gebrautes Bier trinken gehen.

Wohl bekomms und gute Zeit!

Friedrich
 
Musikalische Gestaltung kann man natürlich nicht durch das Metronom erlernen. Dafür hilft: richtig, das Gefühl für Musik, das entwickelt werden muß.

Wohin das führt, hast Du seinerzeit mit dem kleinen Krieger-Menuett eindrucksvoll demonstriert – nämlich zu einer gefühligen Interpretation, die stilistisch gründlich in die Hose ging. Um musikalisch zu gestalten, ist in erster Linie Wissen über Musik erforderlich, und das ist leider weit mühsamer zu erlangen als ein diffuses Gefühl für Musik. Große Interpreten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie intellektuell begründen können, warum sie ein Werk so und nicht anders spielen. Die wissen bei jeder Note, was sie tun und warum sie es tun. Auf ihr Gefühl verlassen sich nur Dilettanten, denen das nötige Wissen fehlt. Also Leute wie Du und ich! Aber im Gegensatz zu Dir ist mir das Dilemma bewusst; und leider auch die Tatsache, dass ich in absehbarer Zeit nicht allzu viel daran ändern kann. Aber zum Glück habe ich einen Lehrer, der meine schlimmsten Gefühlsverirrungen in richtige Bahnen lenkt. Einen solchen kann ich Dir nur wärmstens empfehlen! ;-)

Grüße, Jörg
 
Ach bester Dreiklang,
Du kennst doch das Wort, der Prophet gelte nichts im eigenen Lande.
Ich würde sagen, es kommt immer auf das Land an, wie sich ja gerade gezeigt hat... ;-)

Wohin das führt, hast Du seinerzeit mit dem kleinen Krieger-Menuett eindrucksvoll demonstriert – nämlich zu einer gefühligen Interpretation, die stilistisch gründlich in die Hose ging. Um musikalisch zu gestalten, ist in erster Linie Wissen über Musik erforderlich, und das ist leider weit mühsamer zu erlangen als ein diffuses Gefühl für Musik. Große Interpreten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie intellektuell begründen können, warum sie ein Werk so und nicht anders spielen. Die wissen bei jeder Note, was sie tun und warum sie es tun. Auf ihr Gefühl verlassen sich nur Dilettanten, denen das nötige Wissen fehlt. Also Leute wie Du und ich! Aber im Gegensatz zu Dir ist mir das Dilemma bewusst; und leider auch die Tatsache, dass ich in absehbarer Zeit nicht allzu viel daran ändern kann. Aber zum Glück habe ich einen Lehrer, der meine schlimmsten Gefühlsverirrungen in richtige Bahnen lenkt. Einen solchen kann ich Dir nur wärmstens empfehlen! ;-)
Das ist alles ein ganz anderes Thema, aber: bist Du Dir sicher, daß Wissen über Musik wirklich mühsamer zu erlangen wäre, als ein perfektes und wohlausgebildetes Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung ganz allgemein?
Wissen ist grundsätzlich etwas mechanisches, und das kann prinzipiell so gut wie jeder lernen, genauso wie Technik.
Große Interpreten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie intellektuell begründen können, warum sie ein Werk so und nicht anders spielen.
Falsch... Musizieren ist weit mehr als ein Malen nach Zahlen, oder eine komplizierte Rechenaufgabe, oder ein Bauplan einer Brücke oder eines Wolkenkratzers.

Große Interpreten zeichnen sich dadurch aus, daß sie allerhöchste technische Vollkommenheit bzw. Instrumentenbeherrschung bei ihrem Spiel beweisen, in Verbindung mit einem untrüglichen treffsicheren Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung.

Viele große Musiker haben das bewiesen. Aber wie gesagt, das ist ein anderes Thema.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tja, da hast Du es selbst auf den Punkt gebracht. Ein musikalisches Gefühl erfordert Ausbildung.
in Verbindung mit einem untrüglichen treffsicheren Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung.
Und genau das setzt ein großes Maß an Intelligenz und Fleiß voraus. Dem ganzen Gespür und Gefühlskram geht nämlich das Musikverständnis voraus.
Wer den Text eines Gedichtes nicht versteht, wird es niemals mit dem richtigen Gefühl vortragen können.
 
Ich glaube schon daran, daß es menschen gibt, die rein intuitiv wesentlich bessere Musik machen, als ein rein intellektueller klugscheißer. Leider wird Gefühl hier immer gleich mit duselei verwechselt...

Lg lustknabe
 
Das ist alles ein ganz anderes Thema, aber: bist Du Dir sicher, daß Wissen über Musik wirklich mühsamer zu erlangen wäre, als ein perfektes und wohlausgebildetes Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung ganz allgemein?

Worauf beruht denn ein Gespür für musikalische Gestaltung - wenn nicht auf Wissen? Amateure, die meinen, sie wären die tollsten Musiker und es fehlt ihnen eigentlich nur an der Technik, um ihre Genialität für alle hörbar zu machen, gibt es viele. Aber was für ein grandioser Irrtum ist das! Tatsächlich ist die Spieltechnik in Wirklichkeit das Geringste, was Amateure von wirklichen Könnern unterscheidet. Der entscheidende Unterschied liegt in der Qualität, Musik zu verstehen. Und „verstehen“ ist etwas völlig anderes als „fühlen“. Ein Zuhörer muss nicht zwingend die Architektur und Bauart einer Komposition in allen Einzelheiten verstehen - er kann Musik auch auf einer reinen Gefühlsebene genießen. Ebenso ein Amateur, der im stillen Kämmerlein für sich spielt. Aber zu einer „Interpretation“ im künstlerischen Sinne reicht diese Gefühlsebene lange nicht aus. Da gehört jede Menge Wissen dazu, das man sich mühsam und langwierig aneignet und vor allem richtig anwenden können muss. Letzteres, das richtige Anwenden des Erlernten, ist übrigens das Entscheidende - und das ist keineswegs etwas Mechanisches. Diese Transferleistung ist es, die uns Amateure von guten Profis unterscheidet. Das ist übrigens auf anderen Gebieten ähnlich: auch der Fleißigste wird keinen Nobelpreis erlangen, wenn ihm das kleine Quäntchen Genialität fehlt - da kann er noch so viele Bücher studieren und Tag und Nacht lernen. Ebenso wird ein genial Begabter nichts Erreichen, wenn er nicht den Fleiß aufbringt, sich erstmal enormes Wissen anzueignen, auf dessen Grundlage dann seine Geistesblitze entstehen.

Grüße, Jörg
 
Leider wird Gefühl hier immer gleich mit duselei verwechselt...
Hier ging es aber weder um Gefühl noch Duselei sondern um ein treffsicheres Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung.
So was haben auch ganz junge Leute wie Earwig oder Joe Alexander. Ich gehe aber ganz fest davon aus, dass die ganz genau wissen was sie wann warum tun und nicht einfach "nach Gefühl" vor sich hinduseln. ;-)
 
Ich habe es nicht mehr genau in Erinnerung, aber es ging vor allem um falsche Triller und unangemessene Rubati. Über die Suche wirst Du den Faden sicher noch finden.

Grüße, Jörg

Muss ich mal bei Gelegenheit suchen gehen. Ich habe das Menuett (A-moll) damals nach der 3klang Einspielung gelernt und spiele es immer noch gerne. Triller hat es keine, zumindest die Version, die ich gelernt habe.

Es ist ein wirklich schönes Menuett und gut lernbar.

LG 40er
 
@Peter, @Jörg:

Wenn ich von treffsicheren Gefühl und Gespür für musikalische Gestaltung spreche, dann meine ich damit natürlich neben dem (angeborenen) Gefühl auch ein großes Maß an Erfahrung mit der Gestaltung von Musik. Ich würde es lieber Erfahrung, als Wissen nennen. Denn ich muß nicht bei einem schönen komplexen harmonischen Ablauf eine korrekte Harmonieanalyse machen können - ich muß aber genau hören können, was da passiert, die Schönheit, Spannungen, Absicht hinter einem solchen Ablauf erkennen können. Ebenso sollte man erkennen können, ob man eine traurige, triumphale, usw. Passage vor sich hat, und Strukuren innerhalb von Musikwerken erkennen können, Übergänge, Blöcke, und so weiter... ohne solche Dinge geht es natürlich nicht. Und das kostet sicher Jahre. Das Gefühl kommt dann ins Spiel, wenn man sich z.B. fragt, wie man eine traurige, triumphale usw. Passage denn am besten traurig, triumphal usw. darstellt. Das kann man besser, oder schlechter machen.
Was war damals an dem Krieger Menuett denn so verkehrt?
Nichts, denn ich hatte ja von Anfang an klar gemacht, daß ich meine eigene Form der Interpretation gewählt habe. Da diese aber einer heute gültigen Interpretationspraxis widersprach, kam es zu einer längeren Diskussion.
 

Denn ich muß nicht bei einem schönen komplexen harmonischen Ablauf eine korrekte Harmonieanalyse machen können - ich muß aber genau hören können, was da passiert, ... Spannungen, Absicht hinter einem solchen Ablauf erkennen können.
Ist ja im Prinzip eine Harmonieanalyse, auch wenn Du die einzelnen Harmonien nicht genau benennen kannst.
 
Immer dieser Genialitätswahn.... grausam... welcher Amateur ist so wahnsinnig und stellt sich auf eine solche Stufe.

Und ja Technik ist wirklich ein Problem womit Späteinsteiger kämpfen ungeachtet der Musikalität die auch immens viel Aufmerksamkeit bedarf. Denn wenn die binnendehnung nen strich durch die Rechnung macht, provoziert es förmlich probleme in der Gestaltung. Es macht einen Riesen unterschied ob ich z.b. Oktaven geschmeidig über 4 und 5 im Melodieverlauf binden kann oder nicht.

Keine Ahnung, warum alle so negativ an Musik rangehen. Die wichtigste Komponente Genialität doch erstmal zuzulassen, ist es spielerisch an die Dinge zu gehen ohne Zwang und mit Eifer. Hier zerreden doch viele alles nur und ne Menge davon lassen sich beeinflussen.

Lg lustknabe
 
Ist ja im Prinzip eine Harmonieanalyse, auch wenn Du die einzelnen Harmonien nicht genau benennen kannst.
Sozusagen, ja... eine "intuitive Harmonieanalyse" über das Ohr, wenn man so will. Die Klassik ist ja voll von solchen mehr oder weniger komplexen und genialen Übergängen und Konstrukten... man kann sie in den entsprechenden Aufnahmen und Interpretationen hören, und deren Charakter, interpretatorische Gestaltungsmöglichkeiten und musikalische Wirkung erfahren.
 
Hat eigentlich der junge oder der alte Glenn Gould die Goldberg-Variationen missverstanden?

Die Frage ist völlig unsinnig. Gould wusste, was er tut und wieso - sowohl in jungen Jahren als auch in höherem Alter.

Musik ist keine exakte Wissenschaft, deshalb gibt es so viele verschiedene Möglichkeiten, ein Werk zu spielen. Aber eine gute Interpretation beruht immer auf profundem Wissen und einer intellektuellen Auseinandersetzung mit der Sache. Man darf sogar alle Regeln übertreten und sich größte Freiheiten bei der Interpretation nehmen - aber dazu muss man die Regeln erst mal kennen und verinnerlicht haben. Alles andere wäre pure Beliebigkeit. Der darf man sich als Amateur sicher auch hingeben, aber mit Kunst hat das dann nichts zu tun.

Ich stelle das in meinem Unterricht regelmäßig fest. Wenn ich etwas neu gelernt habe, mich dabei auf mein „Gefühl“ verlasse und das dann meinem Lehrer vorspiele, kann er mir zu beinahe jeder Note einen längeren Vortrag halten, warum man sie auf eine bestimmte Weise anders spielen sollte. Natürlich gibt es oft auch mehrere Möglichkeiten - in dem Fall kann er mir auch zeigen, welche Vor- und Nachteile bzw. Konsequenzen die verschiedenen Varianten haben. Und dabei geht es nicht um irgendwelche persönliche Vorlieben, sondern um knallharte Fakten, die entweder im Stück selbst zu finden sind oder auch in der jeweils zeitgenössischen Musikpraxis begründet sind. Ein guter Interpret schwelgt niemals in Gefühlen, sondern kennt die erforderlichen Mittel, um bei seinen Zuhörern bestimmte Gefühle auszulösen. Und das ist weit mehr eine intellektuelle Arbeit als ein emotionales Sich-Dahingeben. Und letztlich macht das meiner Meinung nach den wesentlichen Unterschied zwischen Amateur und Profi aus. Man erkennt das sofort bei einfachen Stücken, die keine spieltechnischen Anforderungen an den Interpreten stellen: ein Könner klingt auch da völlig anders als jeder Amateur.

Wenn András Schiff das einfache Krieger-Menuett spielen würde, wäre der Unterschied zu Dreiklang gewaltig. Und obwohl viele den Unterschied vielleicht gar nicht genau beschreiben oder erklären könnten, würde doch jeder die enorme Überlegenheit eines Herrn Schiff feststellen. Man erkennt nämlich auch als Laie recht schnell, ob eine Interpretation Kunst ist oder nicht.

Grüße, Jörg
 
Ich stelle das in meinem Unterricht regelmäßig fest. Wenn ich etwas neu gelernt habe, mich dabei auf mein „Gefühl“ verlasse und das dann meinem Lehrer vorspiele, kann er mir zu beinahe jeder Note einen längeren Vortrag halten, warum man sie auf eine bestimmte Weise anders spielen sollte.

Jetzt bin ich neugierig.

persönliche Vorlieben, sondern um knallharte Fakten,

Ja, es gibt sinnigere Methoden zu gestalten und auch unlogische, das dein kl das aufzeigt ist doch gut.

Anforderungen an den Interpreten stellen: ein Könner klingt auch da völlig anders als jeder Amateur.

Dieser Satz attestiert die komplette Unfähigkeit überhaupt die sache Musik ernstzunehmen! Ab wann ist man ein Könner? Und ab wann noch Amateur? Scheitern manche induvidien hier auf clavio zum beispiel nicht eher an ihrer mangelnden technik, als an der intellektuellen tiefgründigkeit ein Werk zu durchleuchten, wenn man es so nennen mag.
Deine Intelligenz und deinen Sachverstand in allen Ehren, aber ich vermute eine wesentliche Zutat des musizierens ist dir noch nicht in deinen Kochbüchern genannt worden. Gefühlsduselei ist schrott, es taugt allemal um das Publikum zu verarschen, aber viel wichtiger ist es so sensibel wie nur möglich zu werden, jeden Eindruck, den Musik in DIR auslöst aufzusaugen und diese Vorstellung in jedem Atemzug zu verinnerlichen.
Und jetzt kommst jk.... es muss im leben nicht immer darum gehen einen Status ala Profi zu bekommen. Gerade Musik ist jedermann zugänglich, sie ist doch überall. Und dem starrsinn vieler Komponisten und Musiker zum trotz, erfreuen sie sich doch über das Dilettantentum, vor was zu kuschen??? Das ich nicht mehr professionell Musik wahrnehmen werde in diesem Leben? Das ich nicht beliebig in ein Regal x greifen kann und es dann nur eine frage des abzuarbeitenden Materials ist???

Musik lebt doch nicht nur von Profis und irgendwelchen alten Säcken, für die es zum guten Stil sich schickt, das und jenes mal gehört zu haben.

Lg lustknabe
 
LK, wogegen sträubst Du Dich? Du lebst doch ganz genau das, was jk beschreibt. Du hörst Dir Sachen sehr analytisch an, beschäftigst Dich intensivst mit dem Aufbau, den Strukturen... und verarbeitest Gehörtes intelligent (intellektuell ... das Wort mag ich nicht). Ich behaupte, Du gehst analytischer an Musik heran als ich (was ich gut finde!). Das schließt ja nicht aus, dass die Musik wahre Ausbrüche an Gefühlen in Dir auslöst. Aber Dein Spiel und Dein Üben überlässt Du doch auch weniger dem Gefühl als viel mehr dem Wissen.

Es steht natürlich außer Frage, dass das im Amateurbereich genau so möglich ist und Würzburg hat bewiesen, dass man nicht unbedingt einen Unterschied zu Profis hört.
 
Zuletzt bearbeitet:

Weil mir der absolutheitsanspruch irgendwie missfällt...

Du lebst doch ganz genau das, was jk beschreibt.

Ja, weil ich unmusikalisch bin, irgendwo muss man ja anfangen nachzuahmen, und wenn schon, dann bei den "profis".
Im Grunde gebe ich jk ja auch recht. Man sollte schon wissen, warum etwas so und nicht anders komponiert wurde.

Lg lustknabe
 

Zurück
Top Bottom