Unklarheiten über Vortragsbezeichnungen

Marlene

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Es gibt folgende Vortragsbezeichnungen:

- ritardando
- ritenuto
- rallentando

Ein Freund und ich haben vorhin über diesen Noten gebrütet...

Rit_rall.jpg

...und uns gefragt, warum es drei Wörter gibt für eine Anweisung, die den Pianisten dazu auffordert langsamer zu werden. Wir haben uns auch darüber gewundert, dass sich die verschiedenen Notenausgaben nicht einig sind über die Verwendung von rit. und rall.

Warum gibt es drei verschiedene Ausdrücke dafür? Gibt es einen Unterschied und falls dies zutreffen sollte: Welchen?

Mit dem Freund habe ich auch über die Anweisung „forte assai“ gesprochen und wir waren uns nicht einig darüber, was genau es bedeutet. Wenn hier also „sehr forte“ gespielt werden soll, wie unterscheidet sich diese Vortragsbezeichnung von f, ff oder gar fff?


Und noch eine Frage:

In einem bestimmten Stück wird „largamente“ gefordert, an einer anderen Stelle „allargando molto“. Verstehe ich es richtig, dass „allargando molto“ eine Steigerung von „largamente“ ist?
 
Es gibt folgende Vortragsbezeichnungen:
- ritardando
- ritenuto
- rallentando
  • ritardando / rallentando: (allmählich) langsamer werden.
  • ritenuto: von diesem Punkt an das Tempo zurücknehmen, also langsamer spielen (als im vorherigen Zeitmaß).

Warum es verschiedene Begriffe gibt? Ist halt wie in der Sprache: Man kann "obwohl" oder "obgleich" sagen, letztlich läuft's auf dasselbe hinaus.
 
Hallo!

Ritardando bedeutet natürlich langsamer werden.
Rallentando bedeutet zwar auch langsamer werden, aber in der Interpretation des Stückes "erschlaffend", was wieder etwas anderes ist, als einfach langsamer zu werden. Erschlaffen in dem Sinn, dass u.U. auch die Lautstärke etwas weggenommen wird.
Außerdem bedeutet rall. auch, dass man auf das folgende, langsamere Tempo, "hinführt".
Ritenuto heißt, dass das Spieltempo nicht allmählich, sondern subito gedrosselt wird.
Blöderweise ist die Abkürzung für Ritardando und Ritenuto gleich...

largamente heißt "breit", aber auch "gewichtig" spielen. Also nicht ritardando.
allargando heißt "breiter werdend", das ist auf das Tempo bezogen, nicht auf die Interpretation. Außerdem sollte man diese Dynamikbezeichnung mit einem Crescendo ausführen, wenn es das Stück verlangt.
molto als Zusatz bedeutet immer "mehr", also die bestehende Dynamikbezeichnung (rit./all./cresc.) noch stärker ausführen.

Beachten: "Breiter werdend" ist in der Interpretation nicht gleich "langsamer werdend"!

forte assai: heißt wörtlich "sehr stark"... assai heißt sowohl "sehr" als auch "viel". Ich spiele dann eben ff...

Erstaunlich, wie schwierig es für mich ist, das so theoretisch zu erklären...
:-)

LG Antje
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
die Anweisung „forte assai“ gesprochen und wir waren uns nicht einig darüber, was genau es bedeutet. Wenn hier also „sehr forte“ gespielt werden soll, wie unterscheidet sich diese Vortragsbezeichnung von f, ff oder gar fff?
Wörtlich übersetzt heißt "forte assai" sehr laut, aber es wohl eher gemeint in dem Sinne "recht kräftig" und mit Nachdruck, also den Bösendorfer und Bechstein nicht unbedingt zu Kleinholz verarbeiten.
 
Laut dtv Atlas der Musik:

largamente: breit
allargando: langsamer werdend, breiterwerdend (oft zugleich lauter)

Ich sehe das so: Wenn man etwas "breit" spielt, wird es meist auch langsamer wirken. Der primär intendierte Effekt liegt aber nicht in einer Tempoveränderung.

ritardando: langsamer werdend
ritenuto: plötzlich langsamer
Ritenuto bezieht sich meinem Eindruck nach meist auf einzelne Noten oder kürzere Stellen, soll aber nicht den Gesamtpuls nachhaltig verändern.

Was als "sehr" laut gilt, ist wahrscheinlich stärker abhängig vom jeweiligen Kontext, in dem das "forte assai" verwendet wird.

Bin gespannt, was da noch an Information kommt.

Liebe Güße
Gernot
 
Ritenuto heißt, dass das Spieltempo nicht allmählich, sondern subito gedrosselt wird.
Blöderweise ist die Abkürzung für Ritardando und Ritenuto gleich...

Genau diesen Unterschied hatte ich in meinem aktuellen Stück falsch gedeutet und bin plötzlich schneller geworden anstatt allmählich. Woran erkenne ich denn, was gemeint ist, wenn mal wieder nur "rit" angegeben ist? Muss man es sich selbst aus dem Zusammenhang erschließen?
 
Laßt mich an dieser Stelle noch "moriendo" und "perdendosi" anfügen, wo die Geschwindigkeit gemeinsam mit der Lautstärke verringert wird. Wo liegt der Detail-Unterschied zwischen diesen beiden? Ich interpretiere sie bisher synonym.
 
Genau diesen Unterschied hatte ich in meinem aktuellen Stück falsch gedeutet und bin plötzlich schneller geworden anstatt allmählich. Woran erkenne ich denn, was gemeint ist, wenn mal wieder nur "rit" angegeben ist? Muss man es sich selbst aus dem Zusammenhang erschließen?

Ritardando und ritenuto heißen beide Male langsamer werden, nicht schneller! Bei Letzterem wird man sofort langsamer (ritenuto kommt von "ritenere", das heißt "zurückhalten" und führt meist auf ein langsameres Tempo im Werk hin, so kann man es meist erkennen. Wenn das nicht der Fall ist, ergibt es sich aus dem Charakter des Stückes.)

@Bernhard Hiller
morendo (oder auch moriente) heißt "ersterbend", im Sinne von langsamer werden.
perdendosi heißt zwar leiser werdend, aber im Sinne von "sich verlierend", auch in der Lautstärke, also extrem leise werden.
Beides sind völlig unterschiedliche Arten der Interpretation, die sich aus dem Charakter des Stückes ergeben.
Das sind unterschiedliche Begriffe, die eine unterschiedliche Interpretation erfordern.

Praktisch erklärt:
Langsamer werden beim Autofahren: Man kann vom Gas gehen, bremsen, übers Runterschalten langsamer werden, oder den Motor (eher unbeabsichtigt) abwürgen.
;-)

Ich habe noch einen kleinen Tipp, sozusagen für die Hosentasche - da passt das Büchle nämlich rein! Ich habe es als Anfängerin gerne mit mir rumgetragen und darin rumgeblättert, wenn ich Zeit hatte.
(ist zwar schon älter, leider, aber die Begriffe sind zu 99% immer noch die gleichen)
http://www.amazon.de/Musik-Wörterbuch-Musikwörterbuch-Fachworterklärungen-Musikzeichenkunde-Musikinstrumente/dp/3920476212/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1459013613&sr=8-1&keywords=musiklexikon
Nachteil: Die Begriffe werden meist nur mit einem Wort erklärt (also die wörtliche Bedeutung), und es steht nicht genau darin, wie man diese Begriffe interpretiert. Man kann für genauere Definitionen umfangreichere Werke kaufen...
Oder den KL-Lehrer fragen :-)

LG Antje
 
Unser Chorleiter erläuterte einst die Tempobezeichnung 'mässig langsam' am Anfang von Bruckners
f-moll-Messe:
saumässig langsam :lol:
 
"assai" bedeutet nicht nur "sehr", sondern auch "ziemlich". "forte assai" kann also auch "ziemlich laut" heißen - das müsste man jeweils aus dem Zusammenhang erschließen. Im 17. und 18. Jahrhundert war die Bezeichnung "fortissimo" noch unüblich, hier würde ich eher "sehr laut" vermuten. Im 19. Jahrhundert dann eher "ziemlich laut".
 
Zuletzt bearbeitet:
Ritenuto heißt, dass das Spieltempo nicht allmählich, sondern subito gedrosselt wird.
Das mit dem Spieltempo ist ein wichtiger Hinweis:
rallantando - kurz vor dem Abpfiff: die Mannschaft, die in Führung ist
ritenuto - zur Einleitung der 'Schwalbe'
allargando - die Fans auf den billigen Rängen
perdendosi - na, wer wohl?
morendo - der Zuschauer vor seinem Gerät
 
Zuletzt bearbeitet:

Speziell Chopin scheint ritenuto eigentlich immer in Verbindung mit einem crescendo zu benuetzen. Es dient also, um ein "Stauen" um den Hoehepunkt herum anzuzeigen. rall. und ritard. gehen oft mit descrescendo einher. Es gaebe auch noch "slentando" (langsamer werdend).
Es gibt natuerlich nicht nur einen Begriff fuer jede "Vortragsbezeichnung". Diese sind ja nicht genormt. Schumann verwendet oft lange deutsche Beschreibungen, z.B. "Durchaus fantastisch und leidenschaftlich vorzutragen" fuer den ersten Satz der C-Dur Fantasie. Dazu gibt's jetzt auch keinen Standard. Skrjabin ist fuer seine poetischen Vortragsbezeichnungen ebenfalls sehr bekannt.
Jannis
 
Vielen Dank für Eure hilfreichen Rückmeldungen.

Blöderweise ist die Abkürzung für Ritardando und Ritenuto gleich...

Die Abkürzung für ritenuto ist meines Wissens „riten.“. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Erstaunlich, wie schwierig es für mich ist, das so theoretisch zu erklären...

Ich finde, dass Du es anschaulich erklärt hast. :-)

Wörtlich übersetzt heißt "forte assai" sehr laut, aber es wohl eher gemeint in dem Sinne "recht kräftig" und mit Nachdruck, also den Bösendorfer und Bechstein nicht unbedingt zu Kleinholz verarbeiten.

Ich werde es schon aus Rücksicht auf meine Hände nicht übertreiben. ;-)

Der Komponist fordert an einer anderen Stelle des Stückes (es ist selbstverständlich nicht das Stück im Foto oben) nur forte. Dort hätte ich eher das „forte assai“ vermutet, denn diese Stelle ist derart ausdrucksstark (ich empfinde sie als den Höhepunkt des Stückes), dass ich mich beherrschen muss, da nicht mit vollem Körpereinsatz „reinzugehen“.


Klar, das ist ein guter Tipp. Aber mal vergisst man es, im Unterricht nach etwas zu fragen. Oder man arbeitet an anderen Dingen, oder man möchte nicht bis zum nächsten Unterricht warten, weil man ja weiter üben möchte.
:-)
 
@mick
Ich finde es immer wieder toll, wieviel fundiertes Wissen Du jetzt besitzt! Und du tust das nicht besserwisserisch kund, sondern man merkt, wieviel Dir dieses Wissen selber gibt. Behalte Dir das!
:super:

Ich habe eine recht interessante Seite entdeckt, auf der die Vortragsbezeichnungen erklärt werden. Ich stelle das einfach mal hier rein, muss mich aber selber noch gründlicher einlesen.
www.operone.de
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@Marlene
sowohl als auch, es gibt beide Bezeichnungen. ich weiß nicht, welche von den beiden als erste notiert wurde.
Der Tipp mit dem KL war allgemein gehalten :-)
 
sowohl als auch, es gibt beide Bezeichnungen. ich weiß nicht, welche von den beiden als erste notiert wurde.

  • 9/4-Takt
  • Takt 1: "con pedale"
  • Takte mit Achteln: sempre con pedale, tranquillo und dolcissimo.
Meine Ohren hören einen Klangbrei, wenn das Pedal unten bleibt. Aber ich wüsste gerne, wie es sich der Komponist denkt, wenn er "immer" fordert.
 
Zuletzt bearbeitet:
(...)exakt das hat Liszt einmal sehr schön und deutlich ausgedrückt:

Herrn Liszt war aber vermutlich klar, dass verständiger Pedalgebrauch nicht vom Himmel fällt.

Interessant - in Bezug auf meine Frage - ist, dass ich Klangbrei höre, wenn man in jedem dieser Achtel das Pedal unten lässt. Hingegen sagt ein Klavierspieler, der schon Jahrzehnte spielt, dieser von mir empfundenen Klangbrei sei das vom Komponisten geforderte "tranquillo" und "dolcissimo".

Meine Frage nach dem Pedal ziehe ich hiermit zurück, weil es dabei tatsächlich sinnvoller ist, sich das vom Klavierlehrer erklären zu lassen.

edit: Ich muss allerdings hinzufügen, dass es sich bei mir wie "Klangbrei" anhört - vermutlich, weil ich das Stück noch sehr langsam spiele. Vielleicht ist das der Grund für die verschwimmenden Klänge.
 
Zuletzt bearbeitet:
Herrn Liszt war aber vermutlich klar, dass verständiger Pedalgebrauch nicht vom Himmel fällt.
@Marlene die Herren Liszt, Mendelssohn, Schumann hätten aus Zeitgründen nicht einmal ein Drittel ihrer Werke komponieren können, wenn sie überall den Pedalgebrauch so minutiös eingetragen*) hätten, dass kein Anfänger nachfragen muss ;-)
Was den Klangbrei innerhalb größerer Pedalflächen betrifft: ja, sowas entsteht, wenn man das Pedal zwar richtig einsetzt, aber die Differenzierung der Tonstärkenrelationen nicht beherrscht. (salopp gesagt: wird schlecht gespielt, nützt selbst der beste Pedaleinsatz nichts)
_____________________
*) möglichst exakte Darstellung des Pedaleinsatzes hat Bartok mittels Klammern in seiner "Klavierschule" Mikrokosmos probiert.
 

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