Hallo Sabri
Es kann sein, dass ähnliche Dinge ein Grund sein könnten, wie sie oben von andern beschrieben wurden (zB Test, zeigen dass du zuviel willst, etc).
Dann wars gut gemeint, didaktisch aber weniger gut gemacht.
Wüsste ich nur von dieser Begebenheit, würde ich auch eher zu soner Erklärung tendieren. Sonst würde ich dies absolut nicht nachvollziehen können.
Ich habe allerdings schon mehrmals bei Posts von dir (oder PN-Wechsel, zB Bach-Diskussion, weisst du noch? ;)) einige Dinge von deiner Lehrerin erfahren, und ich habe schon mehrmals den Verdacht geäussert, dass deine Lehrerin nicht wirklich eine grosse Ahnung von Unterrichten hat und nicht wirklich gut für dich ist.
Ich kenne sie nicht, ich kenne dich nicht, ich habe noch nie gesehen wie sie arbeitet und wie du spielst.
Aber wenn eine Lehrerin tatsächlich glaubt, dass ein Schüler innert einem Tag (also ca 24h) diese Dinge schaffen soll, dann hat sie keine Ahnung von Didaktik.
1. Das Hirn kann verdammt viel! Aber es muss das üben. Es muss lernen, sehr schnell sehr viel aufzunehmen. Das braucht jahrelanges Training.
2. Lernen heisst repetieren. Dazu gehören Pausen. Deshalb bringt es nicht viel, wenn du 8h am Stück übst. Dieselbe Aufgabe innert einer Woche wäre noch immer extrem hart, aber rein neuropsychologisch gesehen sinnvoller und machbar.
3. Auswendig lernen benötigt sehr viel Zeit, wenn man es richtig macht.
Man muss nämlich
wissen und
verstehen. Das dauert auch bei mir Tage und Wochen. Und ich habe ein extrem gutes Gedächtnis!
Weisst du, es gibt da 2 Dinge, die gerade in der Musik resp. im Zusammenleben von Kla4Lehrer und Kl4Schüler immer wieder vorkommen können. Und das nicht mal selten!
Ich habe etwas den Verdacht, dass die bei dir zutreffen könnten, vielleicht auch nur zum Teil:
1. Klavierunterricht/Klavierspielen/Musik ist etwas extrem Intimes und Persönliches. Man opfert manchmal einen grossen Teil seines Lebens dafür. Deshalb ist auch der Umgang resp. der Kontakt/die Arbeit mit dem Lehrer/Schüler sehr persönlich und intim. Klavierlehrer neigen manchmal dazu, die Musik/das Klavier als Mittelpunkt der Welt zu sehen. Und somit sehen sie sich selber auch als diesen.
Schüler (vor allem jüngere, in der Persönlichkeit noch nicht so sehr gefestigte)neigen dazu, dies zu akzeptieren und dies sogar aktiv mitzumachen. Je ehrgeiziger, desto mehr die Tendenz, den Lehrer als unfehlbaren Alleswisser zu sehen, der der einzige Mensch auf Erden ist, der dein Leben dorthin bringen kann, wo du möchtest. Es entsteht so eine fatale Beziehung, die zu einem Teil auf sachlicher Arbeit am Klavier beruht, aber zum viel grösseren Teil auf emotionaler und vor allem unsachlicher Abhängigkeit.
Fazit:
a) Der Schüler bewundert den Lehrer und kann ihn deshalb nicht mehr objektiv einschätzen.
b) Der Lehrer liebt es, bewundert zu werden und ist deshalb nicht objektiv, es kommt zu Selbstüberschätzung (oder zumindest zu massiv gestörter Selbsteinschätzung).
Bei a) wird der Schüler jegliche Kritik (ob gerechtfertigt oder nicht, sachlich oder nicht, positiv oder negativ) ohne Zögern akzeptieren und selten hinterfragen.
Wenn der Schüler hinterfragt, dann wird sein Fazit fast immer auf ihn zurückfallen, egal wie die Ausgangslage war.
Beispiel: Du hast verdammt viel geübt und in der Stunde vorgespielt. Du dachtest es sei recht gut gewesen. Der Lehrer scheisst dich zusammen und zerpflückt jede Phrase und lässt kein gutes Haar an dir.
Du gehst heim und denkst darüber nach. Du kannst auf verschiedene Folgerungen kommen:
- ich habe zu wenig geübt oder bin einfach zu wenig talentiert. Deshalb wars so schlecht.
- ich habe schon viel geübt, aber es reicht halt doch nicht, ich hätte ja noch mehr üben können. Der Tag hat 24 Stunden.
- ich kann mich nicht richtig einschätzen. Sicher habe ich falsch geübt.
- ich war gut, der Lehrer will aber nur das Beste für mich, deshalb ist er nie zufrieden und spornt mich so an, noch besser zu sein (!)
- was erwarte ich überhaupt Lob? Ich mache es ja für mich. Also ist es richtig, dass der Lehrer alles runtermacht. Das ist sein Job. Wenn ich das nicht akzeptiere, kann ich ja gehen.
Bei b) wird der Lehrer zwei Dinge verlieren: Er verliert die Fähigkeit und den Willen zur objektiven Selbstkritik und er verliert den Realitätssinn. Einerseits für die Fähigkeiten seiner Schüler, andererseits für seine eigenen Fähigkeiten.
2. Viele Klavierlehrer hatten einmal mehr oder weniger stark das Verlangen/den Traum/den Wunsch, ein berühmter Konzertpianist zu werden. Aus irgendeinem Grunde scheint dies nicht geklappt zu haben. Deshalb müssen diese Lehrer jetzt unterrichten, was generell unter ihrer Würde ist. Es sei denn, sie hätten Schüler, die den Weg gehen könnten, den sie selber nicht oder nicht genug weit gegangen sind.
Also werden diese Schüler mit oft absolut hirnverbrannten und völlig falschen Methoden gedrillt und gequält. Damit meine ich nicht nur Quantität und Intensität des Übestoffes, sondern vor allem die Art und Weise, wie mit einem umgegangen wird (Methodik, Umgang, Vokabular, mangelnde Distanz und Ignorieren der Privatsphäre).
Viele Lehrer glauben, der Zweck heiligt alle Mittel! Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass ein Anruf einen Tag vor der Stunde, wie du es geschildert hast, absolut daneben ist und von der gänzlichen pädagogischen Inkompetenz deiner Lehrerin zeugt. Sowas geht entschieden zu weit!
Du allerdings akzeptierst dies und suchst den Fehler zuerst bei dir (lies mal dein 1. Post durch).
Und du suchst dir noch hier im Forum Rat.
Viele Lehrer haben mit dem Verlust der Illusion, Pianist zu werden, gleich noch zwei weitere Dinge über Bord geworfen: Erstens das Wissen um die Tatsache, dass nicht alles eine Fleissfrage ist. Es gehört auch Talent dazu. Interessanterweise gibt es fast nur Leute, die Pianisten geworden wären, wenn sie mehr geübt hätten... Ich jedenfalls kenne niemand, der sagt, er hat es nicht geschafft, weil er zu untalentiert gewesen sei.
Zweitens die Fähigkeit, zu akzeptieren, dass ein Schüler nicht unbedingt mehr kann und mehr arbeitet, wenn man mehr verlangt. Es hat nämlich auch damit zu tun,
wie man es verlangt und vermittelt (wieder Methodik!).
Abschliessend (diese Sitzung ist wie immer gratis
) kann ich dir von ganzem Herzen nur raten:
1. denk sehr gut darüber nach, was ich geschrieben habe.
2. überleg dir mal, ob es diese Lehrerin wirklich bringt. Meiner Meinung nach nicht! (auch aufgrund anderer Indizien, die ich von früher habe)
3. sei dir ganz klar bewusst, dass deine Lehrerin nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, der dir zum Seelenwohl und zur Erleuchtung verhelfen wird/kann. Ziemlich sicher ist sie aber der falsche.
Ich kenne viele solcher und ähnlicher Geschichten, und ich habe selber auch sowas erlebt.
Liebe Grüsse, Stephan