Tolles Programm, tolle Musiker und kein Publikum...

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Pianojayjay

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ich muss hier mal meine Gedanken loswerden. Gestern haben Freunde von mir ein Konzert gegeben, Trios für Klavier, Oboe und Viola von Klughardt, Herzogenberg und Loeffler. Ein tolles, anspruchsvolles Programm, drei großartige junge Musiker und dann gerade mal 20 Leute im Publikum. Da habe ich mir schon meine Gedanken gemacht woran sowas liegt. Erkältungswelle? Alle fertig nach Karneval? Wetter? An der Werbung lag es sicher nicht. Es hätten so viele Leute zugesagt aber dann die zwei Tage vorher eine Absage nach der anderen. Letztendlich haben die Musiker jeder 50 Euro bekommen, die sie auch noch versteuern müssen....
 
Vielleicht wäre es sinnvoll, auch einmal über alternative Darbietungsformen, innovative Aufführungskonzepte nachzudenken. Ich meine jetzt gar nicht, dass man aus jedem Konzert ein "Event" machen soll. Aber möglicherweise gibt es an dieser Stelle Entwicklungspotentiale. Stichworte u.a. Ästhetik, Architektur.

Hier mal ein sicher ungewöhnliches Beispiel:
http://www.medienkunstnetz.de/werke/stockhausen-im-kugelauditorium/
 
Vielleicht wäre es sinnvoll, auch einmal über alternative Darbietungsformen, innovative Aufführungskonzepte nachzudenken. Ich meine jetzt gar nicht, dass man aus jedem Konzert ein "Event" machen soll. Aber möglicherweise gibt es an dieser Stelle Entwicklungspotentiale. Stichworte u.a. Ästhetik, Architektur.

Hier mal ein sicher ungewöhnliches Beispiel:
http://www.medienkunstnetz.de/werke/stockhausen-im-kugelauditorium/

Jetzt wo die Architektur ausser Würfeln keine andere Form mehr kennt sind natürlich geodätische Kuppeln alla Fuller eine willkommene Abwechslung. Wenn du mal eine brauchst, ich bau dir eine.
 
kann man das nicht als Liebhaberei betiteln? Wäre es dann steuerfrei?

zum Thema: Die Namen Klughardt, Herzogenberg und Loeffler sind anscheinend nur wenigen Insidern bekannt und damit keine große Zugnummer. Vielleicht lags daran?
"Liebhaberei" wäre es dann, wenn die Musiker keine "Profis" wären und ihren Lebensunterhalt ansonsten mit Tätigkeiten verdienten, die von der eines konzertierenden Künstlers abgrenzbar sind.

Natürlich ist es schade, dass anspruchsvolle Literatur spätromantischer Komponisten wenig Zuspruch findet - aber hätten auf dem Programm die bekannteren Namen Grieg, Mahler und Debussy aus derselben Epoche gestanden, die allerdings nicht für diese seltene Triobesetzung komponiert haben, wäre der Saal möglicherweise nicht viel besser gefüllt gewesen. Über die Gründe kann man nur Vermutungen anstellen, da einem die nicht anwesenden Besucher ja nicht die Gründe für ihr Nichterscheinen mitteilen werden - mit Ausnahme persönlich bekannter Personen, wie im Ausgangsbeitrag nachzulesen.

Mögliche Gründe? Überangebot an kulturellen Veranstaltungen? Gerade in großstädtischer Umgebung durchaus plausibel. Üppige Ausweichmöglichkeiten auf mediale Angebote? Inzwischen braucht man zum Konsumieren von Musik längst nicht mehr die eigenen vier Wände verlassen. Und so weiter und so fort.

Nachdenkliche Grüße von Rheinkultur
 
[..] Ein tolles, anspruchsvolles Programm, drei großartige junge Musiker und dann gerade mal 20 Leute im Publikum. [...]
So hart es klingt, so kann ich doch nur sagen: Selber schuld! Wer als Veranstalter volle Säle haben will, muß bei den auftretenden Künstlern auf einem mainstreamigen Programm bestehen oder das Publikum mit Freibier, Champagner und kostenlosem Kaviar locken (am besten Beides). Mit Namen wie Klughardt, Loeffler und Herzogenberg lockt man niemandem hinter dem Ofen hervor, es sei denn, die Veranstaltungsreihe ist selbst ein gesellschaftliches Event, oder Veranstalter und Künstler können auf einen verläßlichen Freundes- und Bekanntenkreis zurückgreifen.

Auch wir haben schon die Erfahrung machen müssen, daß bestimmte Programme (wie z.B. Wagners Wesendonck-Lieder) einfach nicht greifen wollen, selbst wenn sie auf hohem Niveau dargeboten werden. Da helfen dann auch keine Plakate, nicht einmal der Kontakt zum örtlichen Richard-Wagner-Verband. Mit Mondschein-Sonate, Pathétique und Appassionata bekommt man indes jeden Raum voll. So traurig es für ambitionierte Veranstalter und Künstler auch ist: abgestimmt wird halt mit den Füßen.
 
Oder ist anders herum das Publikum einfach nicht offen für was anderes?
 

Ein gutes hat das doch - ich bin dadurch auf die Oboen Konzerte von Klughardt (den ich davor nicht kannte) gestoßen und bin begeistert :-D- ich hab zwar eh eine schwäche für Oboe aber die Werke haben etwas vertrautes und doch originelles.
 
es sei denn, die Veranstaltungsreihe ist selbst ein gesellschaftliches Event
...und das angesprochene Publikum kommt nicht unbedingt wegen der dargebotenen Musik: "Sehen und gesehen werden". Wenn die größte am Ort befindliche Firma als Veranstalter fungiert, wäre dieses Szenario denkbar.

oder Veranstalter und Künstler können auf einen verläßlichen Freundes- und Bekanntenkreis zurückgreifen.
Wenn eine lokale Kulturvereinigung für die Veranstaltung verantwortlich zeichnet, stehen oftmals Publikum und die Akteure auf dem Podium miteinander in persönlicher Beziehung. Sonst wäre vermutlich der Saal komplett leer.

Auch wir haben schon die Erfahrung machen müssen, daß bestimmte Programme (wie z.B. Wagners Wesendonck-Lieder) einfach nicht greifen wollen, selbst wenn sie auf hohem Niveau dargeboten werden. Da helfen dann auch keine Plakate, nicht einmal der Kontakt zum örtlichen Richard-Wagner-Verband.
So ist es leider, dass das angesprochene Fachpublikum zahlenmäßig zu klein ist und durch die Vielzahl entsprechender Angebote schlicht und ergreifend übersättigt. Und es kommt noch schlimmer - vielfach glänzen die Verbandsfunktionäre selbst durch Abwesenheit, solange zu den Interpreten kein persönlicher Kontakt besteht. Was solche Erkenntnisse für den zu erwartenden Publikumszuspruch bedeuten, kann sich leider jeder selbst ausrechnen.

Mit Mondschein-Sonate, Pathétique und Appassionata bekommt man indes jeden Raum voll.
Jein. Wenn der Solist eher unbekannt ist, eventuell als Nachwuchskandidat frisch von der Hochschule kommt, müsste er zunächst auch auf einen großen Freundes- und Bekanntenkreis zurückgreifen können, um die Sitzreihen voll zu bekommen. Selbst wenn er Lang Lang pianistisch überlegen wäre, würde ihm das nicht weiterhelfen.

Oder ist anders herum das Publikum einfach nicht offen für was anderes?
"Das Publikum" gibt es leider nicht. Allenfalls gibt es eine Art "Mainstream", der mit bekannten Namen eher zu interessieren ist als mit unbekannten. Und "offen" sein setzt Interesse voraus, Interesse macht Mühe, weil man sich mit Sachen beschäftigen muss, um diese verstehen zu können. Große Teile der Bevölkerung haben dieses Interesse nicht, leiden aber auch nicht besonders unter diesem Defizit. Deshalb erfolgt die von @koelnklavier sachlich festgestellte Abstimmung mit den Füßen: Die meisten gehen eben nicht hin.

LG von Rheinkultur
 
Ein gutes hat das doch - ich bin dadurch auf die Oboen Konzerte von Klughardt (den ich davor nicht kannte) gestoßen und bin begeistert :-D- ich hab zwar eh eine schwäche für Oboe aber die Werke haben etwas vertrautes und doch originelles.
Ich lernte diesen Komponisten auf dem Umweg über ein Bläserquintett kennen, das sein bisweilen noch gespieltes Bläserquintett im Repertoire hatte - ich hatte einen Kompositionsauftrag für das Ensemble und konnte mein Stück neben diesem Opus gespielt hören. Oboisten mit kammermusikalischem Faible schätzen die "Schilflieder", obgleich wie bei manchen anderen romantischen Kammermusikwerken statt der Oboe auch die Violine besetzt werden kann. Trios für Violine, Viola und Klavier gibt es beispielsweise von Reger, Bruch und Mendelssohn-Bartholdy.

LG von Rheinkultur
 
Diese Erfahrung scheint eine durchgängige zu sein. Ich durfte ein Konzert mit 2 tollen jungen finnischen Musikern organisieren, das gestern stattfand und gerade mal 30 Leute zog, von denen einige in der Pause das Weite suchten, nachdem die letzten Töne von Rautavaaras Ugrischen Dialogen für Violine und Cello verklungen waren. Kann man auch sagen: selber schuld, das ist für die hiesigen Heidjer ( spezieller Menschenschlag) zu schwere Kost, irritiert die Gehörsnerven.
Man kann aber auch das Ding durchziehen, weil man davon überzeugt ist und immer zumindest einige Leute erreicht, die neuen Erfahrungen nicht abgeneigt sind.
Auf jeden Fall muss man das Lamentieren sein lassen und soweit es geht,in der kulturellen Abwärtsspirale ( Verflachung auch der Klassikradioprogramme, Zusammenstreichen der Orchesterstellen, Kürzung de des Musikunterrichts an den Schulen etc.) nicht aufzugeben.
Ludwig Wittgenstein hat seine Texte vor drei Leuten gelesen. Aber er hat es gemacht.
 
@Rheinkultur : die Schilflieder standen gestern auch auf dem Programm. Vor ein paar Wochen haben die drei übrigens vor vollbesetztem Haus gespielt, es wurden sogar Besucher abgewiesen. Interesse scheint ja durchaus da zu sein...
 
... und zur Ergänzung:

Mittwoch, 17.02.2016 20:00 Uhr
Beethoven-Saal
Ludovico Einaudi & Ensemble

Klassik/Kultur Konzert ist ausverkauft!
 
Ja, TEY ist die neue Klassik. :bomb:Ein Publikumsmagnet ohnesgleichen. :bomb:Wie oft bin ich schon gefragt worden, ob ich nicht dieses oder jenes Stück von TEY spielen würde. Und wenn ich dies verneint habe, ob ich es nicht lernen würde. Das wäre ja endlich einmal Klassik zum Anhören.

Wenn vor ein paar Wochen das Haus vollbesetzt war und jetzt nicht lohnt es sich vielleicht, sich zu vergegenwärtigen, welche Parameter sich verändert haben. Anderes Programm? Gleichzeitige Veranstaltungen? Vielleicht ist die Sachlage aber auch ganz einfach. Alle die, die das Programm interessant fanden, sind schon beim ersten Mal hingegangen. Und jetzt, beim zweiten Mal, waren nicht mehr genug Interessenten übrig. Ich habe auch schon die Erfahrung machen müssen, dass es Leute gibt, die keinerlei Interesse an klassischer Musik haben, dies aber aus diversen Gründen nicht aussprechen wollen. Und so sagen sie, dass sie zu einer bestimmten Veranstaltung gerne kommen. Und dann hatten sie Kopfweh, der Babysitter sprang ab, ...

LG Terri
 

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