Tempo/Geschwindigkeit frisst Musik

Hallo Sesam,

Nichts kommt einer Wespe ähnlicher als diese Interpretation. Ich hab sie förmlich um mich schwirren hören und schon nach kanpp 10 Sekunden in dem Video unangenehm* gefühlt.

*Mir ist es leider einmal passiert, dass ich im Wald in ein Erdwespennest getreten bin als ich 12j alt war. Hinterher bin ich gelaufen um mein Leben und hab trotzdem 8 Stiche abbekommen.

Irgendwie erinnert mich genau diese Interpretation an dieses Geschehnis.:cool:
Von wegen Hummel - die sind viel gemütlicher^^

LG
Michael

edit: http://www.youtube.com/watch?v=8alxBofd_eQ&feature=related
 
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Bist du hier nicht etwas überkritisch?

Ob man auch in dieser Bearbeitung von Cziffra Hummeln erwarten darf? Es ist ja eine Übersteigerung, ein wahnwitzig (ver-)schwierig(t)es Stück Musik. Es überträgt ein musikalisches Bild und ist wunderbar gespielt. Was will man mehr :)

Dieses Stück ist sicherlich in erster Linie ein Showpiece. Eine schöne Zugabe, in der der Pianist nochmal seine ganze Virtuosität zeigen kann. Wenn das so gekonnt geschieht wie im verlinkten Video finde ich das sehr schön anzuhören :D (einen ganzen Klavierabend solcher Stücke wird man zum Glück nie finden)

lg marcus
 
Ja, einem Pianisten nicht zu nahe zu treten ist immer so eine Sache.
Man darf aber auch seine Meinung sagen ohne gleich in den Knast zu fliegen. ;)

Ich weiß nicht wer heute den Chopin-Wettbewerb gehört hat, da spielte der Russe Daniil Trifonov.
Der spielte voll auf Speed! (na gut, nicht ganz so übertrieben)
Jedenfalls waren seine Tempi gegenüber anderen Pianisten voll angezogen, das sah alles sehr spektakulär aus aber was dabei rauskam war ziemlich dünne Musik.
Ich habe die Grande Polonaise Brillante schon von hunderten anderen Pianisten musikalisch deutlich besser gehört.
Sein Scherzo cis-Moll war zwar besser aber trotzdem rhythmisch sehr vernebelt.

Das war wieder so ein Beispiel wo ich ich mir wirklich gedacht habe dass Speed die Musik dünn (und tot) machen kann.
 
Bist du hier nicht etwas überkritisch?

Ob man auch in dieser Bearbeitung von Cziffra Hummeln erwarten darf? Es ist ja eine Übersteigerung, ein wahnwitzig (ver-)schwierig(t)es Stück Musik. Es überträgt ein musikalisches Bild und ist wunderbar gespielt. Was will man mehr :)

Dieses Stück ist sicherlich in erster Linie ein Showpiece. Eine schöne Zugabe, in der der Pianist nochmal seine ganze Virtuosität zeigen kann. Wenn das so gekonnt geschieht wie im verlinkten Video finde ich das sehr schön anzuhören :D (einen ganzen Klavierabend solcher Stücke wird man zum Glück nie finden)

lg marcus


Naja, wo Hummelflug draufsteht, sollte Hummelflug drin sein :D. Der Umstand der Cziffra Bearbeitung war mir bewusst, aber das zeigt noch mal deutlicher worauf es hier ankommt: motorisch den allergrößten Schwierigkeiten trotzen! Leider bleibt diese Auffassung nicht auf "Showpieces" beschränkt. Oder wie gefällt dir das hier. Da kommt der Ausdruck der Geschwindigkeit irgendwie auch nicht so wirklich hinterher. Graf Waldstein bläst zur Jagd.
Aber das war das letzte Beispiel, ich möchte hier niemanden verunglimpfen.

LG, Sesam
 
Ich steh' wohl gerade auf dem Schlauch. Was sollte mich davon abhalten bei Punktiertes Viertel = 96 einfach Punktiertes Viertel = 48 zu spielen? (abgesehen vielleicht von sowas wie Sinn fürs Tempo :D )

lg marcus

um Dir vom Schlauch herunter zu helfen:
Frau Wehmeier erklärt in ihrem Buch, dass jede Metronombezeichnung vor 1850 so zu verstehen seie, dass das Metronom zweimal tickt: wenn es also irgendwo "Halbe = 80" heisst, so soll man in Musik vor 1850 das Metronom zwar auf 80 einstellen, es aber für jede Halbe zweimal ticken lassen - - für uns wäre das dann freilich halbe = 40
Diese Halbierung inklusive des doppelten Tickens ist halt problematisch, wenn man es für die Zählzeit mit dreigeteilten Einheiten wie z.B. punktierten Vierteln zu tun hat: da wäre es doch lästig, wenn das Metronom zweimal tickt, während man drei Achtel spielt... :) :) :)
 
Robert Schumann, Sonate Nr.2 g-moll ---> So rasch wie möglich ...Schneller...Noch schneller... :D:D:D

tja, Neapolitaner, da hast Du eine sehr individuelle Tempovorgabe zitiert - so weit ich weiss, taucht sie nur dort auf, ist also einmalig :D
...meine Lieblingstempoangabe ist Viertel = 144 im Finale der op.106 Sonate, denn das hat schon für sehr viel Ungemach und Buhuhu gesorgt...
 
Oder wie gefällt dir das hier. Da kommt der Ausdruck der Geschwindigkeit irgendwie auch nicht so wirklich hinterher. Graf Waldstein bläst zur Jagd.

was soll das? ich finde das Tempo ok - noch mehr für "allegro con brio" gefällt mir das hier:
http://www.youtube.com/watch?v=f3nnYGPZlp0&p=96A21C2CF53DE5C6&playnext=1&index=27
...jetzt bin ich mal gespannt, ob es Einwände gegen Friedrich Guldas Tempowahl und Spielweise gibt...

für den Fall, dass das noch nicht bekannt war: mit der Sonate op.53 hat Beethoven ein dezidiert virtuoses, konzertantes Werk voller Spiel- und Lebenfreude komponiert - da geht es zur Sache, und das muss man auch darstellen!
 
Die Tempowahl des jungen Pianisten finde ich auch passend.

Zu Guldas Spiel kann man bemerken, dass diese Interpretation einen Grenzfall darstellt.

Es ist richtig, dass diese Sonate virtuose Spielfreude ausdrücken soll aber mit der Freude ist es Gulda nicht so gelungen- Es klingt doch zu sehr forciert.

Die Relationen stimmen nicht mehr. Das Seitenthema in E-dur kann sich nicht entfalten und atmet kaum. In den Triolenteilen merkt man kaum, dass hier akzente auf 2 und 4 liegen.

Und im dritten Satz ist das kein Allegretto mehr, sondern durch die häufig vorkommenden 16tel Triolen wird hier bereits Presto erreicht und dadurch erfährt die dann eigentliche prestissimo Stelle zum Schluss kaum noch eine Steigerung.

wie gesagt- toll gespielt aber für mich nur als Eperiment anhörbar. Ansonsten thema verfehlt.
 

Das exakt meine ich. Wie schade, welche Energieverschwendung.

Das sehe ich nicht ganz so. Warum sollte ein guter Pianist nicht auch mal seine Virtuosität in den Vordergrund stellen dürfen, solange die Musik nicht darunter leidet. Außerdem glaube ich durchaus, daß es Musik gibt, die auch von der Virtuosität lebt. Die kann dann natürlich auch nur von wenigen Musikern gemeistert werden.
 
Ich finde beide vorgestellten Interpretationen der Waldsteinsonate haben (noch) nichts von einer "Speedmentalität".

Die etwas langsamere Version finde ich auch besser eben gerade wegen des Seitenthemas.
In diesen Takten ist dann zwar nichts mehr von einem Allegro con brio zu spüren, aber das soll ja ein Kontrast sein.
Das Thema beginnt dann wunderschön zu "fliegen" und das passt phantastisch in den Satz hinein.

Der von mir erwähnte Pianist war übrigens ein Einzelfall im Wettbewerb bisher. (von den Ausschnitten die ich gesehen hatte)
Insofern sehe ich keinen um sich greifenden Virus.
 
Hallo,

@Neapolitaner: seh` ich genauso, ein Einzelfall (klang durch den Zitiermodus als auf den gesamten Wettbewerb bezogen). Den "Virus" bitte nicht so wörtlich nehmen. Ich meine damit eher die fragwürdige Begeisterungsfähigkeit und Verführbarkeit (vor allem) der Hörerschaft durch Tastenakrobatik.

@Rolf u. Klavigen: wenn ihr genau lest, dann steht meinerseits auch nichts darüber, dass das Tempo zu langsam sei; ich habe geschrieben, dass der Ausdruck dem Tempo nicht standhalten kann. Das ist ein kleiner und trotzdem gravierend hörbarer Unterschied.
Was den Gulda betrifft, keine Einwände: Tempo und Gestaltung sind einander, wenn ich das so sagen darf, gewachsen.

Zitat von Rolf:
...meine Lieblingstempoangabe ist Viertel = 144 im Finale der op.106 Sonate, denn das hat schon für sehr viel Ungemach und Buhuhu gesorgt...

Scheinbar bin ich gegen derartige Kraftmeierei immun, eher abgeschreckt. Ist das also etwas ganz Tolles, wenn man hier sogar 150 schafft, oder wie? Bekommt man dann einen Pokal?? Kommt mir vor, wie ein Bildhauer, der anstatt das Bildnis die Mühsal der Meisselschläge und Steinbearbeitung im Allgemeinen bei seiner Kunstbetrachtung anführt.
Und der, der nur 130 schafft, muss der in der Ecke stehen und sich schämen? Natürlich mag er das nicht, deshalb gibt er Gas, Hauptsache es kommen 140 raus. Geschafft!! Er ist ein Virtuose! Hurra! Sesam hält sich jetzt die Ohren zu. Egal!

Zitat von Guendola:
Warum sollte ein guter Pianist nicht auch mal seine Virtuosität in den Vordergrund stellen dürfen, solange die Musik nicht darunter leidet.

Ein Missverständnis: ich habe nirgends geschrieben, dass Virtuosität verboten gehört. Nur habe ich hin und wieder das Gefühl, dass virtuoses Spiel mit gutem Spiel verwechselt wird.

Zitat von ROlf:
Zitat von Sesam Beitrag anzeigen
Und wenn man es allegro spielt? Was ja ganz gerne einmal passiert.

LG, Sesam

dann ist es nicht ganz so falsch, wie wenn man es presto spielt - - Adjektive lassen sich steigern: falsch - falscher - am falschsten

die Antwort ist zwar lustig, aber lenkt elegant am Kern der Frage vorbei ;) Bitte nochmal nacharbeiten :D


Nochmal zurück zur Waldsteinsonate in der Version von diesem Herrn. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich erschüttert, dass sich offensichtlich niemald an dem Brei stört, der hier vorgetragen wird. Was hört ihr denn da? Oder: hört ihr es denn nicht??? :confused: Aha, das Tempo passt.... alles klar. Kann ich mir bei eurer Expertise nicht ganz vorstellen :!:

LG, Sesam
 
.. deshalb gibt er Gas, Hauptsache es kommen 140 raus. Geschafft!! Er ist ein Virtuose! Hurra! Sesam hält sich jetzt die Ohren zu. Egal! ...
...aber vielleicht hätte Beethoven sich doch über 144 gefreut. Aber wie Rolf schon sagte, darüber hat es schon viel Buhuhu gegeben.
Michael Korstick hat es schon gewagt das so schnell zu spielen. Ich habe gerade mal bei Amazon nachgesehen, die CD enthält Waldstein und Hammerklavier, ist aber leider da nicht mehr verfügbar. Schade, ich hätte das sonst mir gerne mal angehört.

Gruss
Manfred
 
Hallo Sesam,

Scheinbar bin ich gegen derartige Kraftmeierei immun, eher abgeschreckt. Ist das also etwas ganz Tolles, wenn man hier sogar 150 schafft, oder wie? Bekommt man dann einen Pokal?? Kommt mir vor, wie ein Bildhauer, der anstatt das Bildnis die Mühsal der Meisselschläge und Steinbearbeitung im Allgemeinen bei seiner Kunstbetrachtung anführt.
Und der, der nur 130 schafft, muss der in der Ecke stehen und sich schämen? Natürlich mag er das nicht, deshalb gibt er Gas, Hauptsache es kommen 140 raus. Geschafft!! Er ist ein Virtuose! Hurra! Sesam hält sich jetzt die Ohren zu. Egal!

Prüfen wir zunächst die Quelle für diese Bezeichnung. Es ist ein Brief Beethovens an Ries in London. Der betreffende Teil des Briefes lautet:

"Wien, 16. April 1819.
Hier, lieber Ries, die Tempos der Sonate.
Erstes Allegro, allein Allegro, das assai muß weg. Maelzels Metronom Halbe =138.
Zweites Stück Scherzoso. M. Metronen Halbe = 80.
Drittes Stück M. Metronom Achtel = 92.
Viertes Stück. Introduzione largo. Maelzels Metronom Sechzehntel = 76.
Fünftes Stück dreiviertel Takt und letztes Maelzels Metronom Halbe = 144."

Quelle

Ich habe im Moment leider keine Zeit den ganzen Text durchzulesen (ich hoffe er ist gut), ich glaube der Verfasser stört sich ein bisschen an den Viertel = 144, ich finde dieses Tempo dagegen angemessen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe im Moment leider keine Zeit den ganzen Text durchzulesen (ich hoffe er ist gut), ich glaube der Verfasser stört sich ein bisschen an den Viertel = 144, ich finde dieses Tempo dagegen angemessen.

Hallo Neapolitaner,

wenn ich J. Kaiser richtig im Kopf habe, ist Viertel=144 in der Fuge der Hammerklaviersonate sehr, sehr schnell. Sehr viele Pianisten spielen das langsamer. Von Schnabel soll es eine Aufnahme geben, die sich in diesen Temporegionen bewegt. Kennst Du weitere ?

Grüße,
Kristian
 
Ich find das Tempo o.k, Klangbrei kann ich da auch nicht vernehmen. Ein paar Ungenauigkeiten.... naja.

Würdest du das langsamer spielen?

Drüber steht Allegro con brio.
http://imslp.info/files/imglnks/usimg/f/f7/IMSLP51155-PMLP01474-Op.53_Manuscript.pdf

LG
violapiano

mancheiner spielts noch schneller:
http://www.youtube.com/watch?v=f3nnYGPZlp0

Nein, ich würde es nicht langsamer spielen. Wie gesagt, mir geht es nicht um die absolute Geschwindigkeit, sondern darum, welche Art von Musik damit (noch) transportiert werden kann (wenn über den persönlichen technischen Verhältnissen schnell gespielt wird, weil es die Community so vorschreibt).
Im vorliegenden Fall empfinde ich die Darbietung als "drüber gehudelt". Von Klangrede jedenfalls keine Spur. Und dieser Umstand ist m.E. unter anderem dem Tempo geschuldet, das bei Nicht-Beherrschung keine Gestaltung mehr zulässt. Mir kommt es so vor, als würde mir vor der Klasse ein Gedicht in aufgeregt schnellem Tempo aufgesagt, die Poesie vernuschelt. Ja, auch Allegro con brio ist Poesie.
Die Frage nur: warum entscheidet sich der Pianist für dieses Tempo, wenn er es offensichtlich (anders als Gulda) nicht formen kann? Na, weil es halt so gehört, langsamer würde er sich ja einen Zacken aus der Pianistenkrone brechen :rolleyes: Was auch nicht heißt, dass er ein Adagio draus machen muss (für alle, die mich missverstehen wollen ;)). Manchmal wirkt eine minimale Temporeduktion Wunder!

LG, Sesam
 

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