Systematische Klaviermethodik

Kann ich auf die Schnelle gar nicht sagen. Dieses Buch flasht mich jedenfalls nicht, im Gegensatz zum Beispiel zu dem von Neuhaus oder von Abby Whiteside.
 
Das kenne ich nicht - kannst du dazu etwas mehr sagen?
Ich habe Heilbut sehr gern gelesen, weil es so wahnsinnig kurzweilig und bisweilen lustig, in jedem Fall unterhaltsam geschrieben ist und sich von irgendwelchen hochgestochenen Verklausulierungen fernhält. Mich kriegt man mit sehr guter, anschaulicher, aber normaler Sprache, die nicht aufgeblasen wirkt. Abgesehen davon, dass natürlich die Inhalte gut sein müssen.
 
Ich kann @hasenbein (so schwer es mir fällt) nur beipflichten. Auch bei mir liegt das Buch seit einigen Monaten auf dem Tisch, und ich bin trotz mehrerer Anläufe über die ersten knapp hundert Seiten noch nicht hinausgekommen. Was mich befremdet: Es wird nicht recht deutlich, worum es Pohl geht: Übestrategien? pianistische Technik? Pohl zerlegt und "atomisiert" Klanggestaltung und Bewegungsabläufe und macht (wenigstens bisher) nicht deutlich, daß Klavierspielen eine ganzheitliche Angelegenheit ist. Zudem sind seine Äußerungen, was den Klangerzeugung betrifft, sehr unpräzise. Da ist von "Druck in die Tasten nach dem Anschlag" die Rede, sehr undifferenziert von "Geschwindigkeit" und "Beschleunigung". Bislang macht es den Eindruck, daß das Bedürfnis des Autors, Klavierspiel in Spiegelpunkte und Unterpunkte zu zergliedern, überhand genommen hat. - Es wird sicherlich noch eine geraume Zeit dauern, aber ich habe durchaus vor, mich bis zur letzten Seite durchzuarbeiten.

Wenn es um Klaviertechnik geht, sind Rudolf Kratzert (Technik des Klavierspiels. Ein Handbuch für Pianisten) oder Penelope Roskell (The Complete Pianist. From healthy technique to natural artistry) die bessere Wahl. Für letzteres wünschte man sich eine kompetente deutsche Übersetzung.

Wenn es um Übetechniken geht: Gerhard Mantel ist hier schon oft erwähnt worden. Für Anfänger gut geeignet ist Uli Molsen (Kurs "Richtiges Üben". Erfahrungen und Anregungen in Modellen und Literaturbeispielen). Wer tiefer einsteigen möchte in die Thematik, welche Möglichkeiten des Übens, der musikalischen Aneignung es gibt, dem kann ich Michael Wessel (Die Kunst des Übens. Wegweiser zu inspiriertem Üben und Interpretieren) empfehlen.
 
Aber das wirft eine für mich sehr spannende Frage auf: Was braucht ein Buch, um Lust darauf zu machen, es zu lesen bzw. durchzuarbeiten?
Das eigene Interesse am Thema, würde ich denken. Und die Vermutung, dass man daraus etwas lernen kann, was man noch nicht weiß und was man vielleicht brauchen kann. Was man vielleicht sogar dringend braucht. Was einem fehlt. Was einen weiterbringt. So wäre es jedenfalls bei mir.

Allerdings fände ich es gut, wenn man auch bei Sachbüchern (bei Romanen u.ä. gelten andere Regeln) die Regel befolgen würde, die hier im Forum immer fürs Klavierüben genannt wird: sehr kleine, beherrschbare Abschnitte. Und nicht alles auf einmal, nicht alles erschlagen wollen, was es überhaupt gibt. Denn Sachbücher kann man nicht einfach nur lesen, die muss man durcharbeiten. Einen 1000-Seiten-Roman hat man vielleicht in relativ kurzer Zeit durch und sucht nach dem nächsten (es gibt Leute, die im Internet danach suchen, habe ich gesehen. "Bitte Empfehlungen für Romane über 1000 Seiten" ;-)), aber ein 1000-Seiten-Sachbuch nimmt man vermutlich nicht so schnell in die Hand.

Insofern fände ich es praktischer, ein Buch (oder aus ebenfalls praktischen Gründen vielleicht eher ein E-Book) zu haben, das einzelne Themen im Detail beleuchtet, aber nicht alles in einem Buch. Sodass man nicht das ganze Buch kaufen muss, wenn einen nur ausgesuchte Themen daraus interessieren. Kleine Büchelchen, die jeweils sehr fokussiert auf ein Thema eingehen, das fände ich ideal, und die hat man auch schnell durch, nimmt sie vielleicht auch mal nebenbei in der Mittagspause in die Hand, statt sie ewig liegenzulassen, weil einen die Länge abschreckt.
 
Insofern fände ich es praktischer, ein Buch (oder aus ebenfalls praktischen Gründen vielleicht eher ein E-Book) zu haben, das einzelne Themen im Detail beleuchtet, aber nicht alles in einem Buch.
Und die vor allem nicht jedesmal wieder erklären wie das mit Adam, Eva, dem Paradies und der Schlange war. Das steht eh in der Bibel und muss nicht in jeder Klavierschule wieder stehen.
 
Und die vor allem nicht jedesmal wieder erklären wie das mit Adam, Eva, dem Paradies und der Schlange war. Das steht eh in der Bibel […]
So wenig bibelfest, wie die Menschen in diesem unserem Land sind, ist das gar nicht mal so verkehrt. Und wenn man mitbekommt, welch abstruse, vorsintflutige methodische und didaktische Vorstellungen in den Köpfen mancher KlavierlehrerInnen immer noch herumspuken, kann man die „Fundamentals“ nicht oft genug wiederholen.
 
Du meinst Fundamentals wie "die Finger müssen gebogen sein, als hielte man ein Bällchen", "wenn man eine Münze auf den Handrücken legt, darf sie nicht herunterfallen", "der Anschlag erfolgt aus den Fingern bei ruhigem Arm" usw.?
 
Wenn es um Klaviertechnik geht, sind Rudolf Kratzert (Technik des Klavierspiels. Ein Handbuch für Pianisten) oder Penelope Roskell (The Complete Pianist. From healthy technique to natural artistry) die bessere Wahl.

Wenn es um Übetechniken geht: Gerhard Mantel ist hier schon oft erwähnt worden. Für Anfänger gut geeignet ist Uli Molsen (Kurs "Richtiges Üben".

Interessanterweise kenne ich all diese Empfehlungen aus dem Forum bis auf eines, was für mich das beste dieser Bücher ist, nämlich "The Complete Pianist" (einen Einblick habe ich weiter oben verlinkt). Dieses Buch wurde von Torsten Eil empfohlen.
 
Warum hebst Du hervor, was irgendein Torsten Eil, offenbar 08/15-KL, zu einem Buch sagt?
 

Finde ich immer lustig, wenn die gleichen, die sonst so was sagen wie: "Woher hast denn den Quatsch? Wohl von der Youtube- und Telegram-University?", bei solchen Themen ausgerechnet "er ist Youtube-Star" als Qualitätskriterium heranziehen :005:
 
Insofern fände ich es praktischer, ein Buch (oder aus ebenfalls praktischen Gründen vielleicht eher ein E-Book) zu haben, das einzelne Themen im Detail beleuchtet, aber nicht alles in einem Buch.

Weil es Pohls Buch nicht als E-Book gibt, kommt der Kauf für mich nicht infrage. Für 89,00 werde ich es aber auch nicht kaufen und professionell einscannen lassen. Das ist zerstörungsfrei möglich und daher habe ich bereits mehrfach machen lassen. Ein weiterer Vorteil des E-Books ist die Suchmöglichkeit und das ordentliche Markieren (Hervorhebungen).

Gerhard Mantels "Einfach üben" gibt es übrigens als E-Book.
 
Warum hebst Du hervor, was irgendein Torsten Eil, offenbar 08/15-KL, zu einem Buch sagt?
Vielleicht weil er einer der YouTube Stars in dem Genre ist?

Nein, weil er hier nicht gut gelitten ist (siehe Zitat Hasenbein!). Von ihm kommt aber trotzdem der ein und andere wirklich gute Tipp. Neben viel Banalem. Und andererseits, um zu betonen, dass ich exakt diesen Tipp nirgendwo auf Clavio gelesen habe.
 
Finde ich immer lustig, wenn die gleichen, die sonst so was sagen wie: "Woher hast denn den Quatsch? Wohl von der Youtube- und Telegram-University?", bei solchen Themen ausgerechnet "er ist Youtube-Star" als Qualitätskriterium heranziehen :005:
YouTube ist ja erst mal nur eine Platform. Da gibt es Videos jeder Qualität. Von Schwurbeleien über schlechte zu guten und hervorragenden. Über Torsten Eil habe ich kein Urteil, da fehlt mir das Wissen für. Aber um nur mal zwei Beispiele für wertvolle Videos anzuführen: Das sind die von Prof. Harald Lesch und Dr. Mai Thi Nguyen.
 
Tatsächlich hab ich es noch nicht mal aufgeschlagen, weil ich einfach noch keine Zeit hatte... Es hatte also noch keine Chance, mich zu überzeugen.
Aber das wirft eine für mich sehr spannende Frage auf: Was braucht ein Buch, um Lust darauf zu machen, es zu lesen bzw. durchzuarbeiten?

Liebe Blüte,

Das hängt m.E. von mehreren Faktoren ab:

1. Objekt/Buch
a) Inhalt/Thema/Inhaltsverzeichnis
b) Dicke
c) Cover/Ästhetik
d) Autor
e) Qualität und Darstellung des Inhalts

2. Subjekt/LeserIn
a) Interesse
b) Vorbehalte
c) Zeit und Muße, sich damit zu beschäftigen
d) Erfüllung der Erwartungshaltung beim Lesen
e) Neugier auf weitere Kapitel


Mich sprechen alle Punkte zu 1. an. Da ich Pohls erste Website vor vielen Jahren studiert habe und sehr begeistert darüber war, ihn außerdem mittlerweile kennen gelernt habe als einen sehr intelligenten, zugewandten und humorvollen Menschen, der mit Sprachkunst (das ist sie wirklich!) sehr klar Dinge vermittelt, der Impulse geben möchte ohne ein starres Konzept, bin ich von seiner Person äußerst überzeugt und möchte von ihm lernen.

Das heißt ja nicht, dass ich alles gut finden muss - auch jetzt schon habe ich Fragen. Aber seine "Klaviermethodik" ist so angelegt, dass man besonders den ersten Teil, aber auch die folgenden vier Lerngebiete untereinander kreuz und quer lesen kann, er betont in seinem Vorwort (das man unbedingt lesen sollte, bevor man das Buch zu lesen beginnt), dass er seine Übemodelle als exemplarische Anleitungen versteht, die jeder individuell so anwendet, wie es seinem Stand, Können und Verständnis von Musik entspricht. Er schreibt vom "Gestaltungsplan" des Übens und das Buch bietet dazu sehr viele Anregungen. Man braucht es noch nicht einmal ganz zu lesen - es lohnt sich, sich auch erst einmal nur mit einem Lerngebiet, einem Konzept zu beschäftigen!

Und daher eignet es sich ab dem Stadium des Spiels von Literatur. Das Besondere an dem Buch ist ja, dass es keine theoretischen Modelle, sondern sofort eine systematische Anleitung in der Praxis bietet! Ein Schüler von mir hat sich Lernkarten ausgedruckt und die helfen auch schon beim Album für die Jugend oder Menuetten von Mozart. Sich erstmal zu beschränken unter Anleitung der/des Klavierlehrerin/Klavierlehrers ist sehr sinnvoll. Dabei ist die erwähnte "Digitale Klaviermethodik" besonders hilfreich, weil im Unterricht die Dinge bereits mit der/dem KlavierlehrerIn erlebt und besprochen wurden und die Videos für das häusliche Üben eine sehr anschauliche Orientierung bieten. Wir alle kennen, das zu Hause dann doch wieder anders geübt wird als es im Unterricht als positive Erfahrung erlebt wurde. Oft wird kritisiert, dass der Unterricht zu wenig die digitalen Medien nutzt, hier sind sie wertvolle Ergänzung.

Was die Herangehensweise der Ganzheitlichkeit angeht, spricht das Vorwort für sich. Mehr kann ich dazu sagen, wenn ich das ganze Buch gelesen habe. Wir kennen aber alle das Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit nach Mantel. Ein Aufführungsaspekt wird in den Vordergrund gestellt und dazu kann man in diesem Bucht sehr viel erfahren in einer Systematik, die ich noch nicht kennen gelernt habe und die ihre Grundlage in dem hat, was Musik ist und was ihre Sprache ist. Das Buch soll Freude bereiten, inspirieren und bereichern, es gibt keine Enge. Es muntert dazu auf, das eigene Üben zu hinterfragen und stetig zu verbessern. Das alles kann nur gelingen, wenn der/die LeserIn 2 a), c), d), e) mitbringt. Wenn jemanden das Buch nicht anspricht, kann dies auch ganz an der eigenen Person liegen. Das Buch muss deshalb noch lange nicht schlecht sein.

Ein letzter Punkt an @hasenbein: Artikulation bezeichnet neben der Spielweise und Gestaltung/Erzeugung einzelner Töne vor allem die Art und Weise der Verbindung von Tönen. Die kleinste Einheit sind dabei die Verbindung zweier Töne. Es ist also keineswegs zwangsläufig so, dass eine Artikulation wie in der Mozart-Sonate ein Einzelton-Denken als Hintergrund hat. In der Zeitschrift "Üben und Musizieren" stand am Anfang das Hören, Erleben und Spielen zweier, später mehrerer Töne. Die Artikulation besagter Sonate war der letzte Schritt dieses Aufbaus. Ich bin gespannt, was ich denke, wenn ich alles gelesen habe.

Liebe Grüße

chiarina
 
Chiarina, in der Tat war der von mir gewählte Ausdruck "Einzelton-Denken" in diesem Falle nicht richtig. Was ich vielmehr meine, ist eine Atomisierung eines nur im Gesamtzusammenhang und auch einer Gesamt-Bewegung zu begreifenden Phänomens (musikalische Phrase) in lauter separat zu beachtende Einzelpunkte.

Überdies halte ich seine Gleichsetzung "kantables Legato = die Töne überlappen sich ein wenig, sprich, man lässt die vorherige Taste erst einen kleinen Moment nach dem Anschlag der nächsten los" für schlicht falsch.

Legato ist ein Phänomen, das sich in der Schallwelle und im konkreten Raum, in dem sich diese ereignet, abspielt. Daher machen irgendwelche pauschalen Anweisungen darüber, wann man die Taste loslässt, keinen Sinn, sondern die im konkreten Fall notwendige Aktion wird vom Ohr gesteuert.
 

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