Subdominante in der lydischen Tonleiter?

aths

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In der lydischen Tonleiter ist die vierte Stufe erhöht, C-Lydisch hat also Fis als vierte Stufe. Wird ein Subdominant-Dreiklang trotzdem mit F gespielt, oder wird der mit leitereigenen Tönen, also Fis gespielt? Fis-A-C ergibt einen verminderten Dreiklang und dürfte kaum noch die Wirkung eines Subdominantdreiklanges entfalten, also kaum eine Strebewirkung zu C haben.
 
Wenn man die Funktionsharmonik auf Kirchentonarten anwendet, können schon sehr komische Sachen rauskommen :)

Die Begriffe Tonika, Subdominante und Dominante machen eigentlich nur in einer Dur- oder Molltonart einen Sinn.
 
Der Tonika-Begriff dürfte in Lydisch etc. anwendbar sein, man hat ja eine Tonleiter dessen Stufen Sinn ergeben sowie einen ordentlichen Dreiklang auf der ersten Stufe. Wenn ich das richtig sehe, wird die Funktionsharmonik bereits für Moll etwas gedehnt, da die Dominante meistens in Dur gespielt wird und den leiterfremden Leitton enthält. Streng formal müsste man die Dominante einer Molltonika in Moll spielen.

In diesem Zusammenhang ist mir nicht klar ob in Lydisch die in der Praxis verwendete Subdominante die leiterfremde reine Quarte enthält oder ob man sich hier streng an die Akkordbildung aus leitereigenen Tönen hält. Ich vermute dass die dominantischen Funktionen bereits genutzt wurden als die Kirchentonleitern noch aktuell waren, finde aber nichts dazu wie Dominante (in Mixolydisch) oder die Subdominante (in Lydisch) gespielt werden.
 
Die "Subdominante in Lydisch" ist von der Bezeichnung her äußerst problematisch=unsinnig, weil
die ♯IV. Stufe in Lydisch keine Kadenzfunktion hat. (Spielt man C-Lydisch mit F statt Fis, dann spielt
man nicht Lydisch.)
 
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Die "Subdominante in Lydisch" ist von der Bezeichnung her äußerst problematisch=unsinnig, weil
die ♯IV. Stufe in Lydisch keine Kadenzfunktion hat. (Spielt man C-Lydisch mit F statt Fis, dann spielt
man nicht Lydisch.)
Das hast Du sehr gut beschrieben. Ich kenne nur eine Person, die auch dann noch Lydisch spielt, selbst wenn es in C-Dur geht... :D :D :D
:cool:

LG
Michael
 
Sagt man dann, dass Lydisch keine Subdominante hat? Nutzt man solche Tonleitern dann nur für die Melodie und arbeitet in der Regel ohne Akkordbegleitung, oder beschränkt man sich auf die Akkorde welche die Tonleiter zulässt? Der Dominantdreiklang ließe sich in Lydisch ja bilden.
 
Sagt man dann, dass Lydisch keine Subdominante hat? Nutzt man solche Tonleitern dann nur für die Melodie und arbeitet in der Regel ohne Akkordbegleitung, oder beschränkt man sich auf die Akkorde welche die Tonleiter zulässt? Der Dominantdreiklang ließe sich in Lydisch ja bilden.
Funktionsharmonik hat sich erst im Generalbasszeitalter herausgebildet, Rameau hat es dann zusammengefasst und uns den theoretischen Unterbau geliefert. In früherer Musik gibt es einfach keine Subdominanten etc.

Monte
 
Ich komme mir vor wie der Noob (Anfänger) der ich bin; aber wird Lydisch nicht unter anderem heute im Jazz verwendet? Wenn ja, verzichtet man dort dann auf Akkorde mit Subdominant-Charakter?
 
Ich komme mir vor wie der Noob (Anfänger) der ich bin; aber wird Lydisch nicht unter anderem heute im Jazz verwendet? Wenn ja, verzichtet man dort dann auf Akkorde mit Subdominant-Charakter?
ob Kirchentonleitern oder andere alterierte Skalen (z.B. Zigeunertonleiter) : natürlich werden die als harmonische Färbungen im 19. Jh. (z.B. Chopin und Liszt) und bis heute verwendet - und wenn ein Komponist dabei entscheidet, dass er halt jetzt einen Leitton oder ein nicht alterierte 4. Stufe haben will, dann macht er das.
Im Unterschied zum späteren Gebrauch solcher Skalen waren die Kirchentonleitern in einem ganz anderen harmonischen und symbolischen Kontext geschaffen worden, und da gab es das denken und hören mit unserer funktionalen Dur-Moll-Harmonik nocht nicht.
etwas pointiert gesagt: im Sinne der spätmittelalterlichen Harmonik ist der heutige Gebrauch der Kirchentonarten falsch :)
 
wenn ein Komponist dabei entscheidet, dass er halt jetzt einen Leitton oder ein nicht alterierte 4. Stufe haben will, dann macht er das.
Gibt es Richtlinien, was man in der Regel macht wenn die lydische Tonleiter, zum Beispiel im Jazz, verwendet wird? Verzichtet man dann eher auf Subdominantakkorde, oder spielt man sie eben mit erhöhter Quarte, oder nimmt man für den Akkord eher die leiterfremde Quarte?
 
Ich zitiere zur korrekten Beantwortung deiner Fragen aus Frank Sikora "Die neue
Jazzharmonielehre" (S.168f ):

"Jeder Modus hat seine eigene harmonische Dynamik, enthält Tonika- oder Kadenzklänge
und typische kadenzielle Wendungen. Wir müssen uns dabei aber von der Vorstellung
lösen, dass die uns vertrauten Grundkadenzen in Dur und Moll (V-I, IV-I, II-V-I usw.)
auch für andere Modalitäten gelten. Jeder Modus folgt seinen eigenen Gesetzen."

Als Kadenzverhalten der einzelnen Stufen in Lydisch wird folgendes angeführt:
(T...Tonikafunktion, K...Kadenzfunktion)

Imaj7 - II7 - III-7 - #IV-7(♭5) - Vmaj7 - VI-7 - VII-7
...T......(K).....T............-............-..........T........K

II7 ist gefährlich, da II7-Vmaj7 und II7-III-7 ionische Assoziationen wecken;
das eine als V-I und das andere als V-VI Verbindung. Vmaj7 entspricht der
ionischen Tonika und wird deshalb gemieden.

Weiters:
"Lydisch ist vermutlich der Modus, der am schwersten kadenziell zu etablieren ist.
Zum einen gibts es einfach zu wenig Kadenzfunktionen, die mit ihrer Auflösung
ein klares Tonikagefühl auslösen würden. Zum anderen ist das Ohr sehr schnell
bereit Imaj7 als IVmaj7 in ionisch zu hören."
 
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Danke, langsam fällt der Groschen. Anstatt also die Kadenzen immer auf Stufe V und IV zu suchen, analysiert man leitereigene Akkorde auf Funktion. Hierbei ist offenbar eine Abwägung notwendig inwieweit die Akkordinterpretation durch Hörgewohnheiten beeinflusst wird. Eine Akkordbegleitung in Lydisch (oder anderen Modi) ist möglich, nur kann man sich nicht darauf verlassen dass die bekannte IV-V-I-Kadenz funktioniert.
 
"Bleiben als Kadenzen nur die folgenden Funktionsfolgen (F-Lydisch):

Imaj7 II Imaj7
.FΔ7..G..FΔ7

Imaj7 VII-7 Imaj7
.FΔ7...E-7...FΔ7

Was man ebenfalls häufig hört ist ein stehender Grundton, über dem sich die
Funktionen in Lydisch verschieben: z.B. F und G/F im Wechsel." (S.170)

"Es muss also euer Ziel sein, einen Modus nicht nur melodisch, sondern auch
harmonisch als eigenständige Farbe wahrzunehmen. Die Gefahr dabei ist, dass
unser Ohr - den Weg des geringsten Widerstands gehend - schnell dazu neigt,
in die jeweilige parallele ionische oder äolische Tonart umzuschalten. Wir spüren
ein tonales Zentrum grundsätzlich zuerst da, wo unsere Hörgewohnheiten liegen -
und die kommen nun mal aus dem traditionellen Dur/Moll-System.
[...]
Vergleichen wir beispielsweise die Tonika- und Kadenzfunktionen in C-Dorisch
und B♭-Ionisch. [...] Was in B♭-Ionisch Tonikafunktion war, hat in C-Dorsch
Kadenzwirkung - und umgekehrt. Das beweist, wie wichtig es ist, eingefahrene
Hörgewohnheiten aufzubrechen." (S.171)

Beim Arbeiten mit Modalitäten ist die Etablierung eines tonalen Zentrums wichtig.
G-Ionisch und C-Lydisch haben etwa dasselbe Tonmaterial, ihre Anordnung
verursacht aber ein anderes tonales Zentrum (im ersten Fall G, im zweiten C),
welches das Ohr als Bezugspunkt wahrnimmt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Vielen Dank für die Zitate und Ausführungen.
 
"Es muss also euer Ziel sein, einen Modus nicht nur melodisch, sondern auch
harmonisch als eigenständige Farbe wahrzunehmen
. Die Gefahr dabei ist, dass
unser Ohr - den Weg des geringsten Widerstands gehend - schnell dazu neigt,
in die jeweilige parallele ionische oder äolische Tonart umzuschalten. Wir spüren
ein tonales Zentrum grundsätzlich zuerst da, wo unsere Hörgewohnheiten liegen -
und die kommen nun mal aus dem traditionellen Dur/Moll-System.
" (S.171)

da haben wir aus berufenem Mund die Bestätigung: die Verwendung von Kirchentonarten (als quasi exotischen Skalen), auch gewürzt mit den typischen Jazzakkorden und bemüht in der Herstellung tonaler Zusammenhänge, ist eine koloristische - und streng genommen hat sie mit den alten Kirchentonarten und deren damaliger Verwendung eigentlich nicht viel zu tun.

die Ausgangsfrage, nämlich nach der Subdominante - brauchen wir eigentlich immer und überall eine? - bestätigt übrigens, was Sikora über die Hörgewohnheiten sagt :)

wo gelegentlich in der romantischen Musik die lydische Skale auftaucht, hat sie folkloristischen Kontext und wirkt "bissel schief" - ein hübsches Beispiel ist der Mittelteil der Mazurka F-Dur op.68 Nr.3 posth. (und der gewitzte Chopin verzichtete da auf die Subdominante) :)
 
Im Moment bin ich etwas knapp bei Kasse, aber das Buch der neuen Jazzharmonielehre habe ich mir vorgemerkt.
 

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