Stirbt klassische Musik irgendwann aus?

Und warum sagt Ihr das, Thinman und Vögelein?

Doch weil Ihr wollt, dass die Diskussion über musikalische Qualität beendet wird, weil Ihr eine solche für nicht sinnvoll haltet, oder?
Sonst könntet Ihr Euch das doch auch sparen...
 
9 Monate Jazz im Schulunterricht behandelt??? Wo gibt's denn so was?

Oder sollte ich lieber fragen: "Wo gab's denn einst so was?"?
Denn heutzutage wäre das gar nicht mehr möglich, die engen Lehrplanvorgaben lassen das nicht zu.

Arndt-Gymnasium Krefeld, humanistisch und altsprachlich orientiert. Wir hatten einige tolle Lehrer. Naja, und einige nicht so tolle ... aber der Musikunterricht hat mich schon etwas geprägt.

Wie der Musikunterricht heute aussieht, weiss ich nicht.

Ansonsten coole Story, Häretiker. Bestätigt das, was ich schon lange denke: Dass Musikgeschmack zu einem erheblich größeren Teil eine BILDUNGSangelegenheit ist als viele es sich vorstellen können.

Das sind wir beim 'konservativen' Wertevermitteln. Und da war die Schule einerseits konservativ (Latein als 1. Sprache Pfilcht, Altgriech als 3, optional), aber andererseits stand der Mensch im Mittelpunkt (humanisitsich halt!), mit seinen individuellen Ausprägungen. Watt hamm wa uns in die Haare gekriegt mit dem Erdkundelehrer (er war Pro Atomkraft), was gab's für tolle Diskussionen in Philosophie (mein 3. Abifach), was haben wir für ein Spaß mit lateinischen erotsichen und spöttischen Gedichten gehabt.

Ja, Bildungsangelegenheit. Die Information ist ja alle da, aber manchmal muss man sie etwas an die Menschen heranführen. Das könnte genau Schule leisten. Leider nur 'könnte'. Da wird viel verschenkt an Potential. Vom Unterrichtsausfall mal ganz zu schweigen, da fällt bald im Semester mehr aus als bei mir in der gesamten Oberstufe.

Heute gäbe es
https://www.coursera.org/course/introclassicalmusic
https://www.coursera.org/course/introtoclassical
https://www.coursera.org/course/worldmusic
https://www.coursera.org/course/musichistoryperforms
oder auch
https://www.coursera.org/course/musictech
https://www.coursera.org/course/musicproduction
https://www.coursera.org/course/classicalcomp
gerna auch
https://www.coursera.org/course/musictheory
nur mal wild herausgegriffen.

Insofern ist heute nicht alles schlechter, nur anders. Ganz anders.

<hoppenstedt>
Früher war mehr Lametta!
</hoppenstedt>

Grüße
Häretiker
 
Und warum sagt Ihr das, Thinman und Vögelein?

Doch weil Ihr wollt, dass die Diskussion über musikalische Qualität beendet wird, weil Ihr eine solche für nicht sinnvoll haltet, oder?
Sonst könntet Ihr Euch das doch auch sparen...

Ich persönlich halte es eher mit:
"There are two kinds of music. Good music, and the other kind."
- Duke Ellington

Ja, und es gibt auch guten Pop oder Rock. Macht mir meistens mehr Spaß zu spielen (bin ja in zwei Bands) als zu hören, aber ist ein willkommener Ausgleich. I can my kicks playin' 'Route 66'. Im Herzen Jazzer, aber achja, die Bandbreite. :-)

Grüße
Häretiker
 
Der Spruch "es gibt nur gute und schlechte Musik" ist in einem Interview mit L. Bernstein auf die Frage: "was halten Sie von E und U Musik" gefallen.
 
Um mal beim Pathologisieren zu bleiben: Ich habe ein dezent neurotisches Verhältnis zu klassischer Musik. Sie zieht mich einfach zu sehr in ihren Bann. Musik - wie sonst nur olfaktorische Reize - gehen unmittelbar ins limbische System und aktivieren dort Gemütszustände, die sehr intensiv sein können. Schopenhauer hat es beeindruckend zu analysieren versucht.

Beim Autofahren könnte ich keine klassische Musik hören, ohne zur Gefahr im Straßenverkehr zu werden. Beethoven als Hintergrundmusik beim Essen - da krieg ich keinen Bissen runter. Ich war mal im Pantheon, ein paar gute Freunde besuchen (Voltaire, Rousseau, Hugo, Zola), da spielten die über die Beschallung plötzlich den letzten Satz der Neunten von Beethoven, woraufhin mir véritablement die Knie versagten.

Man muss sich m. E. auf klassische Musik "einlassen" können. Dazu braucht man ein bisschen Ruhe und Konzentration - vielleicht steht nicht jedem in jedem Lebensabschnitt oder in jeder Situation der Sinn danach. Vielleicht ist die Fähigkeit sich "einzulassen" auch eine Persönlichkeitsfrage? Der Sensibilität? Oder eine Frage der Sozialisation? Des hermeneutischen Bildungshintergrunds? Oder alles zusammen?
 
Vielleicht ist die Fähigkeit sich "einzulassen" auch eine Persönlichkeitsfrage? Der Sensibilität? Oder eine Frage der Sozialisation? Des hermeneutischen Bildungshintergrunds? Oder alles zusammen?
Man sagt mir nach (vor allem die Hand voll Frauen, die mich besser kennen), ich könnte mich sehr gut fallen lassen und wäre sehr sensibel.
Aber Klassik beim Auto fahren ist für mich genau das Richtige. Denn dann bekomme ich erst die Ruhe und Gelassenheit, die es in Berlin bedarf, um ungenervt anzukommen. Ich höre sie auch gerne einfach nur im Hintergrund oder zur Unterhaltung.
Bei ganz langen und ermüdenden Strecken höre ich dann lieber Musik, die mich aufpeppt und wo ich mitgröhlen kann.
 
Ich empfinde es so wie Barrat, gröhlen im Auto und Klassik lieber bewusst hören.

Was die Klassik angeht glaube ich, daß sie, nachdem sie schon soviele Generationenlücken überlebt hat, nicht so bald aussterben wird.
Wobei es mit Lady Gagas Musik, welche nicht meine ist, ähnlich gehen könnte.

Nachdem Andreas Kümmert vor einigen Tagen haushoch beim Vorentscheid
für den ESC gewonnen hat, räume ich auch der Rockmusik gute Chancen ein.

Ich finde es schade, dass er in Wien nicht dabei sein kann.

Viele Grüße
Marion
 

Aber Klassik beim Auto fahren ist für mich genau das Richtige. Denn dann bekomme ich erst die Ruhe und Gelassenheit, die es in Berlin bedarf, um ungenervt anzukommen. Ich höre sie auch gerne einfach nur im Hintergrund oder zur Unterhaltung.

Heisst das, dass du dir die Eroica von Beethoven, den Elias von Mendelssohn, oder Mazeppa von Liszt anhörst und dabei runterfahren kannst?:coolguy:
Oder hörst du dir dann den Kanon in D mit Vogelgezwitscher im Hintergrund in der 3h Fassung an?:blöd::müde::schlafen:
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann aus einem diffusen "Bauchgefühl" heraus argumentieren. Man kann aber auch einfach mal ein paar Fakten zusammentragen. Hier einige Zahlen der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung):
  • Klassische Konzerte und Opernauffführungen erzielten mit 712 Mill. Euro bundesweit einen stärkeren Umsatz als der gesamte (!) Pop-Bereich.
  • Zwar sind 74 Prozent der Klassik-Fans über 60 Jahre alt. Immerhin bezeichnen sich aber auch 21 Prozent der 10- bis 19-Jährigen als Klassik-Fans.
Ich finde, zum Lamentieren gibt es keinen Grund. Vielleicht lohnt ja auch ein Blick in die "jüngere" Kulturgeschichte: Im 18. Jahrhundert waren auf deutschen Theaterbühnen vor allem die "Hanswurstiaden" populär, Theaterstücke niederster Soap-Qualität (und wahrscheinlich genauso dargeboten). Gottsched, Lessing, die Bemühungen der Prinzipalin Caroline Neuber waren zu ihrer Zeit erst einmal belächelte Exoten.

Oder die Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts: Heinrich Heine lästerte über das klingelnde Virtuosentum vom Herz und Hünten. Aber dies waren die Salonkomponisten, die allenthalben gespielt wurden. Bei einem Schumann zuckte man mit den Schultern: krauses Zeug! Was um 1900 in den "musikalischen" Haushalten am Klavier dargeboten wurde: Man sehe sich einmal die unzähligen Bände "Sang und Klang" aus dem Verlag Tonger an, die eine enorme Verbreitung hatten. Opernpotpourris, Gebete einer Jungfrau und ähnliches - man kann das Gruseln kriegen.Mit der Kulturnation Deutschland war es auch damals nicht so weit weit her.

Ich wage die Behauptung, daß heutzutage mehr Menschen an der "Hochkultur" partizipieren, als dies früher der Fall war. (Und das aus meinem Munde, der ich den Untergang dees Abendlandes täglich diagnostiziere.)
 
Opernpotpourris [...] man kann das Gruseln kriegen.

Künsterisch gewiß. Aber der didaktische Nutzen ist meiner Erinnerung nach nicht zu unterschätzen. Ich hatte als Kind einen ganzen Stoß solcher Noten aus (Ur)omas Zeiten, in denen ich gerne herumspielte, weil sie relativ einfach waren. Und dabei habe ich von einer ganzen Galerie von Opern erfahren, die heutige Klavierschüler kaum mehr dem Namen nach kennen, und lange, bevor ich sie in der Oper sehen und hören könnte: Postillon von Lonjumeau von Adam, Dame blanche von Boïeldieu, Meyerbeers Hugenotten etc. etc. Das erstgenannte Stück habe ich übrigens bis heute noch nirgendwo hören können ...
 
Ich denke die klassische Kompositionen von Bach, Mozart, Beethoven Schumann etc. etc. werden sehr lange gespielt. Es sind die sog. Klassiker-Evergreens. So ist es in der populären Musik und so wird es in der klassischen Musik sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Kompositionen des neueren Datums z.B. von Stockhausen, Schönberg u.ä. in Vergessenheit geraten. Aber "who knows" was noch alles in der Klassik geschehen wird.
Tatsache ist, z.Z. sind die Konzertsäle gut ausverkauft (man bekommt kaum eine Karte) ..... vorausgesetzt die Orchester sind gut und die Solisten ebenfalls. Also, keine Panik ausbrechen lassen!
 
Das erstgenannte Stück habe ich übrigens bis heute noch nirgendwo hören können ...

Das liegt vielleicht daran, dass große Bühnen solche Konversationsstücke nicht spielen und kleinere Bühnen, die solches Repertoire ja grundsätzlich aufführen, sich keinen Tenor leisten können, der diese Partie halbwegs singen kann. Das d'' in der Arie ist äußerst unangenehm - auch, weil jeder nur darauf wartet, dass man die Stelle verkackt.

LG, Mick
 
Ergänzung: JEGLICHE Art von "Geschmack" ist eine (Aus-)Bildungssache!
 

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