Stirbt klassische Musik irgendwann aus?

In 500 Jahren wird die Menschheit noch Bach hören... oder Beethoven... oder Chopin... aber wird sich da einer an Lady Gaga erinnern?
 
In 500 Jahren wird die Menschheit noch Bach hören... oder Beethoven... oder Chopin... aber wird sich da einer an Lady Gaga erinnern?

Gute Frage.
Vielleicht fragt man sich auch nicht, wer Lang Lang war, Vanessa Mae ist nur dafür bekannt, dass sie vom FIS (Internationaler Skiverband) für vier Jahre gesperrt wurde, Elvis war ein berühmter König und damals war Klangsynthese noch nicht im normalen Schul-Curriculum.

Grüße
Häretiker

PS:
Und heute gibt's wahrschainlich für die Mittvierziger die Techno-Compilationen aus den Anfang der 90ern. 'Damals gab's noch richtig gute Musik, nicht so wie heute!' Ummz Ummz Ummz Ummz ...
 
Who knows? Nochmals zum Thema Klassik und Jugendliche. Es ist - und daran hat sich seit meiner Jugend nichts geändert - zunächst nicht entscheidend, welche Musik ein Jugendlicher bevorzugt, sondern ob er in anderen Dingen anerkannt, vulgo: cool, ist. Es kommt also durchaus auf die Person des Hörers an und weniger auf dessen bevorzugte Musik.

Hört Heini Pickelheimer Mozart, lachen ihn die anderen aus, hört Joe Cool aber Debussy, so wird er zu Joe Supercool.

Und es fanden und finden sich in nahezu jeder Gruppe von Jugendlichen solche unglaublich coolen Säcke, die tatsächlich so abgedrehte Sachen wie Bartok hören/spielen. Genauso wie sich die Nerds finden, die beim Pickeldrücken heimlich Rachmaninov hören. Nene, da stirbt gar nix aus - auch im Jazz nicht. Nur sind sowohl Jazz als auch Klassik eben nix für Erwin und Lieschen Vollpfosten. Und das bleibt auch so.

PS. Jazz scheint - zumindest bei den Freunden meiner Kids - vorne zu liegen. Nach Party-Ende tauchen stets nicht wenige auf und erbitten die Erlaubnis zum Brennen diverser Platten aus meinem Fundus. ;-)
 
Achja:

http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Musik
und co. Der akademische Zweig hat auch wenige Liebhaber.

Das



kennt keiner, aber das DX7-E-piano kennt jeder (Whitney Houston, oder irgendeine Ballade zwischen 1983 und 1990 oder so). 'Stria' ist halt nicht eingägnig.

Grüße
Roland

PS:
Die Verbindung zwischen 'Stria' und Yamaha DX-7: FM-Snthese.
 
Zuletzt bearbeitet:
Achja:

http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Musik
und co. Der akademische Zweig hat auch wenige Liebhaber.

Das



kennt keiner, aber das DX7-E-piano kennt jeder (Whitney Houston, oder irgendeine Ballade zwischen 1983 und 1990 oder so). 'Stria' ist halt nicht eingägnig.

Grüße
Roland


Kenn ich nicht - ist mir zu intellektuell. In Darmstadt gibt es die Akademie für Tonkunst (da sagt man nicht mehr Musik dazu). Ich bin da ein paar Mal zu Konzerten gewesen. Mir erschließt sich das nicht, bestaune aber die Leute, die über ihre Stücke mit derselben Emotionalität reden wie ich über meinem kleinem Mikrokosmos an Musik.

Grüße
 
Kenn ich nicht - ist mir zu intellektuell.

Gutes Stichwort: emotionale Identifikation.

Das schreckt viele von 'Harter Klassik' (also nicht das übliche, was jeder kennt, inb der Reklame zu hören ist und Tante-Emma-Kaffeekränzchen-kompatibel ist) ebenso ab wie von 'Hartem Jazz' (als Gegensatz zu Smooth-Jazz, gern auch im Einkaufszentrumk oder Fahrstühlen anzutreffen).

'Hart' wirklich nur in Anführungszeichen ... um es von 'weich' (neudeutsch: soft) abzusetzen. Die Leute können sich damit nicht emotional identifizieren. Zu komlex oder kompliziert. Bachs Präludium in C-Dur geht da, das Italienische Konzert auch, aber das meiste ist den Leuten zu wirr. Und das bei Musik, deren Komponist seit über einem Vierteljahrtausend tot ist.

Jazz genauso. Kenny G. wurde zig-Millionen mal gekauft, ich kann das Zeug nicht ausstehen. *) Aber füs anspruchslose Anhören im Hintergrund oder einfach mal dem Alltag entfliehen funktioniert's für viele Leute. Bei Bebop hört's für die meisten auf. Da ist irgendwo diese schwer zu fassende, virtuelle Demarkationslinie.

Meine These:
Der Massengschmack wird begrenzt duch die maximale Komplexität, die noch emotionale Identifikazion auslösen kann.

Zur elektronischen Musik: Es gibt da tatsächlich Werke, denen ich fasziniert zuhören kann, mich an den Klängen erfreuen kann. Aber man hält sich im kadenzfreien Land auf.

Grüße
Roland

*)
Für mich isses nicht Jazz, sondern instrumentaler Pop. Andere Geschichte.
 
Ich finde es unglaublich, Jugendlichen, die sich für klassische Musik interessieren, automatische psychische Schäden zu attestieren.

Würde ich nicht überbewerten, es entspricht dem Zeitgeist, alles zu pathologisieren, was nicht dem Durchschnitt entspricht.
schulterzuck.gif
 

Wenn jetzt alle klassische Musik hören und praktizieren ist ja auch irgendwie langweilig....

Da ist man dann ja gar nix besonderes mehr.....
 
Man kann sich nicht in alles reinarbeiten. Dafür ist das Leben zu kurz.

Stimmt absolut.

Daher ist's doch schön, dass man so einer reichen Palette auswählen darf. Und kann - zum Antesten - auch vieles einfach durch Google-Fu, Wiki Pedi Do und Youtubin' antesten. Heute kann sich eigentlich keiner mehr in der ersten Welt damit rausreden mit 'interessiert mich ja schon, irgendwie, ich weiss aber nicht, wie ich an Informationen komme'. (Ausser Generation meine Mutter und ähnliche Leute, die noch nie im Leben einen Computer benutzt haben. Und für die Kanzlerein isses ja noch #Neuland.)

Aber- wie heisst es so schön: L-shaped skills. Als Programmierer muss ich ein paar Kerndinge in die Tiefe kennen, aber eine breite Basis an Grundwissen in fast allen Bereichen haben. Keiner kann Experte in allen Gebieten sein. Sollte er das doch sein, kann man ihn nicht bezahlen. :-) Naja, ich beschäftige mich mit Thema seit 35 Jahren (erster programmierbarer Taschenrechner), sieben Jahre weniger, als ich mit aktiv Musik beschäftige (erster Klavierunterricht).

Grüße
Häretiker
 
Ich finde das Thema echt interessant und lohnenswert, sich genauer damit zu beschäftigen. Sowohl was die nicht-klassischen Jugendlichen angeht als auch die neu-klassischen mittelalten Klassikgänger.
Es ist ja noch nicht so lange her, dass ich selbst so ein komisches Kind in der Schule war, das Klavier gespielt und sich in seiner Freizeit mit merkwürdigen Dingen beschäftigt hat.
auch wenn sie selbst klassische Musik "anstrengend und langweilig" finden.
Ich würde da noch ein "deshalb" einfügen: Anstrengend und DESHALB langweilig. Es gibt wohl auch nicht so wahnsinnig viele 15jährige, die frewillig Anna Karenina lesen oder den Steppenwolf.
Schon aus den Diskussionen über Pop-, Volks- und Klassische Musik liest man heraus: "Die Musik" erfüllt vollkommen unterschiedliche Aufgaben. Das ist wie beim Essen oder bei "farbigen Bildgebungen zum Aufhängen". Warum hängt man ein Lady Gaga Poster auf? Warum eins von einem Fohlen? Vom letzten Strandurlaub? Von Picasso, Van Gogh, Escher oder Vermehr? Wohin hängt man sie und welchen ideellen und reellen Wert haben sie und welche Botschaft versenden sie an den Betrachter?
Warum isst man Pizza, einen Hamburger, einen Kaugummi, Bonbon, Müsliriegel, Austern, Haifischflosse, Kalbsnuss? Mit wem isst man das, wo isst man das, wie lange dauert das?

So, und wie ist das mit der Musik? Ich hab die letzten Tage in einem Raum geübt, wo gleichzeitig zwei Menschen Büroarbeiten durchgeführt haben, jeweils etwa 1-3 Stunden. Hauptsächlich konzertreif durchgespielt, aber auch ein wenig "geübt". Das war teilweise auch recht laut (Chopinballade f-moll Coda etc.). Niemals hätte ich (!) dabei irgendwelche Arbeiten erledigen können, bestenfalls noch den Boden putzen. Von den Leuten bekam ich aber die Antwort, dass das Arbeiten ja so schön wäre bei der Musik, viel angenehmer. So unterschiedlich kann Wahrnehmung sein.

Zurück zu den Jugendlichen: Musik kann so viel sein: Stilletöter (!!!), Stimmungsmacher, Langeweileüberbrücker, stärkt das Zugehörigkeitsgefühl, Heimelichkeit und Vertrautheit (ähnlich wie eine Serie z.B.), tröstet, identifiziert mit den Musikern (Teeniebands etc.), sie drückt Gefühle aus, v.a. auch über die Sprache, und sie soll sofort verstanden werden.
Ich hörte mal über die Wise Guys, dass ihre Musik leider "zu kompliziert" sei, um sie im Radio häufig zu spielen. Zu unterschiedliche Metren, anspruchsvolle Texte (weil Deutsch) und Harmonien (weil 5stimmig).
Und nun gehts zur Klassik: Da gibt es keinen Text und keine Anleitung, es ist ein großer Klangwust an undurchschaubarer Information, der teilweise mal 30 Minuten am Stück dauert. Was soll man bitte damit anfangen? Ich verstehe das. Ich hätte vielleicht auch keine Lust, mir das anzuhören. Woher soll ich wissen, dass sich dieses Chaos einem erschließen und öffnen kann und dann ungeahnte Welten und Genüsse eröffnet? Das sagt einem im Musikunterricht keiner (!).
Es ist - und daran hat sich seit meiner Jugend nichts geändert - zunächst nicht entscheidend, welche Musik ein Jugendlicher bevorzugt, sondern ob er in anderen Dingen anerkannt, vulgo: cool, ist. Es kommt also durchaus auf die Person des Hörers an und weniger auf dessen bevorzugte Musik.
Das kommt dazu: Als Jugendlicher ist man auf der Suche. Vor allem nach Identifikation und Zugehörigkeit und besonders nach sich selbst. Da schmerzt es doch, wenn man auf Unverständnis trifft oder gar Ablehnung, und es ist so viel einfacher, dem Mainstream nachzugeben. Ich weiß noch, wie sich das anfühlt.
Jetzt, knapp 10 Jahre später, weiß ich besser wer ich bin, was ich habe und kann und will und bin selbstbewusster. Das kommt aber nicht einfach so, das muss wachsen.
Ja, aber man kann wenigstens darauf verzichten, sich in die verkehrten Sachen "reinzuarbeiten", dann hat man für die besseren mehr Zeit...
Das Dumme ist: Dass es verkehrt war, weiß man erst, wenn man sich reingearbeitet hat ;) Du weißt doch, Fehler muss man selbst begehen.

Im Übrigen habe ich die Erfahrung gemacht, dass wenn man sich in etwas "reinarbeitet" da meistens besondere Welten und Inhalte zu Tage treten, die die Sache interessant, anspruchsvoll und wertvoller machen. Wenn das nicht so ist, gibts oft auch nicht wahnsinnig viel zum zeitintensiven reinarbeiten...
 
Wenn jetzt alle klassische Musik hören und praktizieren ist ja auch irgendwie langweilig....

Da ist man dann ja gar nix besonderes mehr.....

Naja, ich definiere mich nicht darüber, was ich mache und die anderen nicht. Und wehe, mein Nachbar hört Jazz, dann werde ich dem mal die Meinung sagen!!

Ästhetischer Elitarismus ist mir fern, btw. einfach keine bewusste Wahl. Manchmal denke ich mir, wieviel einfacher mein Leben wäre, wenn ich Massengeschmack hätte. Einfach Bravo-Hits kaufen oder 08/15 streamen lassen, gut is'. Nee, ich muss mir das Leben schwerer machen. Mit Einschränkung potentieller Geschlechtspartner und allen Äusserungen 'Du hörst was? Damit kann ich ja gar nix anfangen!'

Aber selbst mit fünf Flaschen Bier intus kann ich bestimmte Musik nicht ab. Geht einfach nicht. Allerdings bei entsprchendem Abhottwillen in Party-Laune geht noch eine ganze Menge, die ich mir sonst nocht so einfach anhören würde. (Siehe 'I got High'.)

Grüße
Häretiker
 
Das sagt einem im Musikunterricht keiner (!).

Ich bedaure zutiefst, dass die meisten einen Musikunterricht erlebten/erleiden durften, der die Leute so motiviert, wie Sport-Unterricht: i.A. eher zum Abgewöhnen.

Ich habe einen tollen Musikunterricht in der Schule gehabt und wir haben überall mal reingeschnupprt. Und uns intensiv mit Bach und Händel (Gemeinsamkeiten und Unterschiede), Alben Bergs 'Wozzek', Mahler, Jazz, Bluesform, Schumann, ... beschäftigt, das bewegende 'Ein Überlebender aus Warschau berichtet' von Schönberg (Gänsehaut!) gehört, ...

Kommentarfrei Schnul-Jazz zu hören bekommen (Jazzige Variation der Träumerei von Schumann), fanden viele toll, dann 9 Monate über Jazz gesprochen, dann selbe Platte aufgelegt, alle 'urgxh' ... genial.

Oder Blues: Kommentarfrei ein Blues von Mangelsdorff, Posaune solo, mit Multiphonics. Keiner wusste so recht was damit anzufanegen. Dann mal ein paar Monate über Blues gesprochen. Zum Abschluss gleiche Platte ... und alle wusten, was da abgeht, haben es gehört und gefühlt.

Sprich: Wir haben Feedback davon bekommen, wie sich unser Geschmack entwickelt hat! Und das Feedback kam lehererseits kommentarfrei, wir haben's selbst gemerkt!


Aber meistens sieht der Musikunterricht wohl anders aus. Verschenkte Chance ...

Grüße
Häretiker
 
Hauptziel sollten bei Musik doch immer ästhetische Erfahrungen sein.
Ein von TEY ergriffenes Mädchen kann Rotz und Wasser flennen, und ein Helene Fischer-Fan kann zur Musik berrauscht auf einem Tisch tanzen.
Beides birgt große Ästhetik. Und damit können Menschen glücklich werden.
Unter diesem Aspekt verstehe ich jeden der diese Musik mag.
Letztendlich mögen wir diese Musik doch nur nicht, weil sie uns zu platt ist. Weil wir Musik gewohnt sind (von Kindheit an), oder weil uns irgendwann die Komplexität und Ausgefeiltheit, der Musik fasziniert hat, was dann dazu führt, dass alles andere so belanglos und fast schon dümmlich wirkt.
Statt uns also über die popular-Musik zu ärgern und zu sagen dass "unsere Musik" viel toller ist, sollten wir uns eher überlegen, wie man es schafft, 1. diese komplexere Musik anderen zu vermitteln, und 2. wie man wieder eine breitere Akzeptanz gegenüber klassischer Musik entwickeln kann.
 
9 Monate Jazz im Schulunterricht behandelt??? Wo gibt's denn so was?

Oder sollte ich lieber fragen: "Wo gab's denn einst so was?"?
Denn heutzutage wäre das gar nicht mehr möglich, die engen Lehrplanvorgaben lassen das nicht zu.

Ansonsten coole Story, Häretiker. Bestätigt das, was ich schon lange denke: Dass Musikgeschmack zu einem erheblich größeren Teil eine BILDUNGSangelegenheit ist als viele es sich vorstellen können.
 
wenn ich meinen Senf dazu geben darf:
Ich finde, man sollte jedem die eigene Meinung und auch den eigenen Geschmack lassen und ohne diesen Missionierungsgedanken durchs Leben gehen.
Wenn jemand den Wendler mag, so what? Ist doch sein Problem. ;-) Der (oder die) flippt aus, wenn der Wendler mit halb offenem Hemd schwitzend auf der Bühne steht und singt. "Sie liebt den DJ".

Bei manch anderer Dame herrscht Aquaplaning, wenn Hansi Hinterseher auftritt. Ist doch o.k.

Ich selbst bin jetzt kein sooooo großer Freund von klassischer Musik, aber manchmal, wenn ich in der richtigen Stimmung bin, gibt es gar nichts anderes als Klassik. Eine Stunde später liegt Ry Cooder oder die Texas Tornados im Schacht. Und das ist doch gut so.

Jeder Jeck ist anders.
 

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