Schöne traurige Klavierstücke

  • Ersteller des Themas Die Pianistin
  • Erstellungsdatum

Hallo Steffi, gar nicht klassisch aber wunderschön (und nicht traurig, sondern, wie der Name sagt: Sentimental): "In a sentimental Mood" vom großen Duke.
Hier eine Piano-Version von Tim Richards:
http://www.youtube.com/watch?v=2SyUYjxpiSQ

Ach ja, und wenn ich schon mein bescheidenes "Repertoire" durchkämme: Gnossiene#1 von Satie.
 
Ein tieftrauriges Stück ist der 2. Satz des Mozartkonzertes in A-Dur, KV 488.
Das trifft für mich insbesonders auf die ersten 12 Takte Solo-Piano zu. Dort ist ja eigentlich alles schon enthalten.
mozartkv488.jpg


Bemerkenswert finde ich die Stelle in Takt 6. Dieser chromatische Vorhalt würde man ja "normalerweise" mit Io7 harmonisieren, also a d#' b#', was sich dann nach A Dur auflöst. Mozart geht hier aber einen anderen Weg. Was dabei enharmonisch umgedeutet heraus kommt ist ein A Moll Dreiklang - tp sozusagen, also eine Terzverwandtschaft ersten Grades, die sich in einen Molldreiklang eine kleine Terz tiefer auflöst. Ein für mich eher seltenes Klangerlebnis, das aber seine Wirklung zeigt. Hoch dramatisch - jedenfalls für die damalige Zeit.
 
Bemerkenswert finde ich die Stelle in Takt 6. Dieser chromatische Vorhalt würde man ja "normalerweise" mit Io7 harmonisieren, also a d#' b#', was sich dann nach A Dur auflöst. Mozart geht hier aber einen anderen Weg. Was dabei enharmonisch umgedeutet heraus kommt ist ein A Moll Dreiklang - tp sozusagen, also eine Terzverwandtschaft ersten Grades, die sich in einen Molldreiklang eine kleine Terz tiefer auflöst. Ein für mich eher seltenes Klangerlebnis, das aber seine Wirklung zeigt. Hoch dramatisch - jedenfalls für die damalige Zeit.

hallo Fred,

da haben wir also auch bei Mozart eine ungewöhnliche Notation, denn a-#b-e oder anders geschrieben a-#h-e klingt isoliert und ohne Kontext wie ein a-Moll Dreiklang. Man könnte fast versucht sein, a-#h-e mit Mollassoziation als Vorwegnahme des Wagnerschen d-#e-a zu hören - und damit würde man fehlgehen.

der wunderschöne Soloeinsatz erhält seine Geschlossenheit trotz der scheinbar weiten Ausflüge in von der Tonika fis-Moll weiter entfernte Akkorde durch mehrere "Maßnahmen":
- das nahezu ununterbrochene rhythmische Modell der Begleitung (Vierte-Achtel)
- das dreimalige Ansetzen derselben rhythmischen und melodischen Geste (punktiertes 8tel, 16tel, 8tel mit Sekundschritt rauf und runter)
- Korrespondenzen (z.B. die schönen Trugschlüsse A - fis und fis - D in den Takten 6 und 8 bzw. 58 und 60)

diese klangliche und gestische Zusammengehörigkeit wird dann zusätzlich durch eine sehr klare formale Struktur verstärkt: genau drei mal vier Takte, und jeder "Viertakter" ist natürlich ein Abschnitt für sich.

Takt 1-4 konstituiert die Tonika mit einer ganz normalen Halbschlußkadenz
Takt 5-8 "modulierend", je zwei schöne Trugschlüsse
Takt 9-12 dann eine Kadenz mit Neapolitaner (G-Dur), welche die Tonika wieder festigt.

Was im mittleren Abschnitt passiert, ist für "Klassik-gewohnte" Ohren nicht ungewöhnlich und auch nicht täuschend: der Klang a-#h-e ist eindeutig ein chromatischer Vorhalt zu A-Dur, und so wundert der Trugschluß von A-Dur nach fis-Moll überhaupt nicht. Das liegt aber daran, dass die Takte 5-6 ganz eindeutig eine neue Tonika anvisieren: A-Dur. In Takt 5-6 werden die "neuen" oder alternativen Funktionen deutlich gemacht: das Thema setzt neu ein, die Begleitung spielt D-Dur - E-Dur7 - A-Dur - Trugschluß fis-Moll - diese Zusammengehörigkeit liegt schlichtweg an der längst vollzogenen Gewohnheit Kadenzen zu hören, zu erwarten und damit kleine Abweichungen halt einfach als Abweichungen (z.B. Trugschlüsse) wahrzunehmen und nicht als neue oder andere Klänge. Deshalb hört hier das "Klassik-gewohnte" Ohr S-D7-T/Tp - ein normaler Trugschluß.

Unter dieser Voraussetzung ist dann auch Takt 7 nicht mehr abweichend oder gar zu ungewöhnlich: nach dem Trugschluß in Takt 6 wird die Doppeldominante H-Dur-7 eingesetzt, scheinbar um so wieder zurück nach A-Dur kommen zu können, aber jetzt macht die Dominante der ursprünglichen Tonart fis-Moll sich wieder bemerkbar und pocht auf ihr Recht: in der zweiten Takthälfte erinnert Cis-Dur7 daran, dass wir eben doch in fis-Moll zu Hause sind. Die Trugschlußwendung in Takt 8 mit chromatisch abwärts gleitender Melodie über Quarte, erhöhte (also große) Terz, kleine Terz ist eine von Mozart häufig angewendete Floskel (allerdings bei ihm eine sehr expressive Formel!! Chopin verwendet diese auch gern, z.B. in der Fantasie)

der Verlauf ist also:
traurige Halbschlußkadenz in fis-Moll
das Ausweichen in hellere Dur-Gefilde (A-Dur) klappt nicht so recht (d.h. die Musik bleibt traurig, umso mehr, als das Dur-Paradies eben nicht erreicht werden soll, sondern als irrealer Traum klarmacht, wie furchtbar traurig es in fis-Moll ist)
konsequent die abschließende Kadenz mit dem Neapolitaner G-Dur, welche fis-Moll nun noch unausweichlicher und trauriger wirken lässt.

Ich kann mir vorstellen, dass Dir Takt 7 wie das Nebeneinander von zwei Septimakkorden vorkommt (H-Dur7 neben Cis-Dur7) - aber hier sind es die eindeutigen Funktionen, die eben Doppeldominante von A-Dur und Dominante von fis-Moll bedeuten (also keinesfalls ist hier das für klassische Kadenzen und Harmonik total ungewöhnliche Modell S mit kleiner Septime D mit kleiner Septime und t gemeint). H-Dur ist hier DD von A-Dur, h-Moll Subdominante von fis-Moll - ganz klassisch funktional gedacht und gemeint. --- Ich finde gerade diese Stelle, also Takt 7, ganz besonders tragisch: hier bricht der schöne A-Dur Traum zusammen, und das ganz plötzlich und gnadenlos, ausweglos. Das macht diese Musik so unendlich traurig.

ich hab das ein bissel ausführlich beschrieben, weil ja schon öfter mal das unterschiedliche Wahrnehmen von Akkorden/Harmonien aus unterschiedlichen Perspektiven ("Klassik" - "Jazz") diskutiert worden ist.

Gruß, Rolf

ist da in der linken Hand im vorletzten Takt kein Druckfehler? ich meine, es müsste dort #c-#c1 und danach #c-h heißen)
 
Hi Rolf,

also zunächst mal, ganz großes Kompliment und Dankeschön für dieser erbauliche Schilderung harmonischer Abläufe. Wirklich ganz hervorragend!


da haben wir also auch bei Mozart eine ungewöhnliche Notation, denn a-#b-e oder anders geschrieben a-#h-e klingt isoliert und ohne Kontext wie ein a-Moll Dreiklang. Man könnte fast versucht sein, a-#h-e mit Mollassoziation als Vorwegnahme des Wagnerschen d-#e-a zu hören - und damit würde man fehlgehen.
Ich wußte nichts vom Wagnerschen d e# a, aber Mozarts a b# e hat für mich eine ähnliche Klangwirkung und das war auch der Grund, der mich Aufhorchen ließ - Kleinterzverwandte Mollakkorde haben für mich etwas "Mystisches". Dass es schlußendlich ein chromatischer Vorhalt, ich bezeichnete diesen Akkord als Io7, ist, wird spätestens bei seiner Weiterführung klar. Du hast auch sehr schön alle anderen Faktoren aufgeführt die diese Tatsache bekräftigen.





Takt 5-8 "modulierend", je zwei schöne Trugschlüsse
da hast Du das Wort "modulierend" sicher im übertragenden Sinne gemeint.

Takt 9-12 dann eine Kadenz mit Neapolitaner (G-Dur), welche die Tonika wieder festigt.
Obwohl die Tonika selbst nicht in Erscheinung tritt!

Was im mittleren Abschnitt passiert, ist für "Klassik-gewohnte" Ohren nicht ungewöhnlich und auch nicht täuschend: der Klang a-#h-e ist eindeutig ein chromatischer Vorhalt zu A-Dur, und so wundert der Trugschluß von A-Dur nach fis-Moll überhaupt nicht.
Ja, da gebe ich Dir Recht. Aber wäre der Regelfall an dieser Stelle nicht a d# b# -> a e c#?

Das liegt aber daran, dass die Takte 5-6 ganz eindeutig eine neue Tonika anvisieren: A-Dur. In Takt 5-6 werden die "neuen" oder alternativen Funktionen deutlich gemacht: das Thema setzt neu ein, die Begleitung spielt D-Dur - E-Dur7 - A-Dur - Trugschluß fis-Moll - diese Zusammengehörigkeit liegt schlichtweg an der längst vollzogenen Gewohnheit Kadenzen zu hören, zu erwarten und damit kleine Abweichungen halt einfach als Abweichungen (z.B. Trugschlüsse) wahrzunehmen und nicht als neue oder andere Klänge. Deshalb hört hier das "Klassik-gewohnte" Ohr S-D7-T/Tp - ein normaler Trugschluß.

Das ist alles sehr gut nachvollziehbar. Trotzdem stach mir der a b# e in's Auge. :)

Unter dieser Voraussetzung ist dann auch Takt 7 nicht mehr abweichend oder gar zu ungewöhnlich: nach dem Trugschluß in Takt 6 wird die Doppeldominante H-Dur-7 eingesetzt, scheinbar um so wieder zurück nach A-Dur kommen zu können, aber jetzt macht die Dominante der ursprünglichen Tonart fis-Moll sich wieder bemerkbar und pocht auf ihr Recht: in der zweiten Takthälfte erinnert Cis-Dur7 daran, dass wir eben doch in fis-Moll zu Hause sind.
Aber hört man an dieser Stelle nicht die DDv (B7) als IV7 von F# Moll? Aus Hörgewohnheit im Jazz heraus höre ich 2 sich in Ganztonabstand folgende Dominanten als IV7 -> V7 in Melodisch Moll.

Die Trugschlußwendung in Takt 8 mit chromatisch abwärts gleitender Melodie über Quarte, erhöhte (also große) Terz, kleine Terz ist eine von Mozart häufig angewendete Floskel (allerdings bei ihm eine sehr expressive Formel!! Chopin verwendet diese auch gern, z.B. in der Fantasie)
Diesen Akkord mit "erhöhter" Terz höre ich als Sekundärdominante auch wenn er keine Septime beinnhaltet. F#7 würde sich dann trugschlussmäßig nach D Dur auflösen anstatt nach IV- (B-).


der Verlauf ist also:
traurige Halbschlußkadenz in fis-Moll
das Ausweichen in hellere Dur-Gefilde (A-Dur) klappt nicht so recht (d.h. die Musik bleibt traurig, umso mehr, als das Dur-Paradies eben nicht erreicht werden soll, sondern als irrealer Traum klarmacht, wie furchtbar traurig es in fis-Moll ist)
konsequent die abschließende Kadenz mit dem Neapolitaner G-Dur, welche fis-Moll nun noch unausweichlicher und trauriger wirken lässt.

Das ist total klasse beschrieben. Kompliment!
 
off-topic

(1)
Ich wußte nichts vom Wagnerschen d e# a, aber Mozarts a b# e hat für mich eine ähnliche Klangwirkung und das war auch der Grund, der mich Aufhorchen ließ - Kleinterzverwandte Mollakkorde haben für mich etwas "Mystisches".
(2)
Obwohl die Tonika selbst nicht in Erscheinung tritt!
(3)
Aber hört man an dieser Stelle nicht die DDv (B7) als IV7 von F# Moll? Aus Hörgewohnheit im Jazz heraus höre ich 2 sich in Ganztonabstand folgende Dominanten als IV7 -> V7 in Melodisch Moll.
(4)
Diesen Akkord mit "erhöhter" Terz höre ich als Sekundärdominante auch wenn er keine Septime beinnhaltet. F#7 würde sich dann trugschlussmäßig nach D Dur auflösen anstatt nach IV- (B-).

Hallo Fred,

ein paar kleine Anmerkungen noch (ich will die traurigen Klavierstücke nicht über Gebühr mit Harmonik unterbrechen)
zu (1)
in den eingschlafenen verrückten Akkorden findest Du die. Übrigens freut mich, dass Dir dieser Vorhalt bei Mozart als ungewöhnlich aufgefallen ist - dass Du ihn als Moll-Akkord hörst, kann ich nachvollziehen (aber wie beschrieben ist es ein Vorhalt zum A-Dur Akkord).
Kleinterzverwandte Mollakkorde direkt nebeneinander sind mir bei Mozart noch nicht aufgefallen, aber bei Liszt, Ravel usw.
zu (2)
direkt nach dem Neapolitaner kommt die Tonika fis-Moll im vorletzten Takt, dann natürlich Cis-Dur 7 und fis-Moll Tonika. davor ist sie aber auch präsent als Bezugspunkt.
zu (3)
so ähnlich hatte ich mir gedacht, dass Du es hörst :)
zu (4)
das ist wirklich "nur" eine melodische Formel, aber eine, die Mozart sehr gerne verwendet hatte und sehr expressiv zu verwenden wusste. Gegen Ende des Preludes e-Moll von Chopin findest Du diese Wendung auch.

liebe Grüße, Rolf

______________________________________________________

ok, noch ein paar traurige Klavierstücke:
Chopin: Nocturne op.48 Nr.1 c-Moll
Schumann: "fast zu ernst" (aus den Kinderszenen)
Bach: Sinfonia e-Moll
Scarlatti: Sonata f-Moll (sehr chopinesk, viel 3 zu 2)
 
Woran erkennt man ein "trauriges Stück" ?:confused: Muss man dabei Tränen vergießen? :( . Nicht jedes "unfröhliche" Stück ist traurig. Viele der hier aufgeschriebenen Stücke empfinde ich nicht unbedingt als traurig. Langsam, gefühlvoll, "Moll-Charakter" .... ist für mich nicht gleichbedeutend mit "traurig"...
 
Manche empfinden jedes in Moll stehende Stück als traurig (hab so einen hier zu hause):confused:

Du spielst immer so traurige Stücke! sagt er immer, das war eben der cis-moll Walzer, sogar mein Schubert Impromptu Es-Dur findet er traurig.:confused:

Wirklich traurig ist doch die 6. Sinfonie von Tschaikowski, aber auch das hat doch Charme.
http://www.youtube.com/watch?v=M1J5912WbAQ
 

@gubu
Ein trauriges Stück erkenne ich daran, dass es eine traurige Stimmung in mir hervorrufen kann, obwohl ich mich nicht in einer solchen Stimmung befinde. Tränen müssen dabei allerdings nicht vergossen werden. :cool:
Zugegeben, ein sehr subjektives Auswahlverfahren. Gibt es ein anderes?

Traurig finde ich auch das Lacrimosa aus dem Requiem von Mozart.

----
 
Hallo,

das sehr bekannte Gondellied von Felix Mendelssohn (Lieder ohne Worte: Op. 30, No 6) ist eins der traurigsten und zugleich schönsten: ein beunruhigendes düsteres Gegrummel im Hintergrund und darüber diese tolle Melodie. Die anderen Nummern haben aber auch jede für sich etwas ganz besonderes.
 
Hmm... Prelude in e-Moll... ein wunderschönes Stück Melancholie! : )
 
Hallo Novemberregen,

vielleicht hilft Dir weiter, dass es die Filmmusik aus dem Film "Ghost - Nachricht von Sam" ist.

lg
Nora
 

Zurück
Top Bottom