Qualitätsmerkmale von Musik

@Drahtkommode

Manno, manchmal fehlen mir halt auch die richtigen Worte.
Wenn ich mir. z.B. manche hochrangige Architektur ansehe, dann berührt die mich meist emotional sehr wenig bis gar nicht. Aber ich kann mich der Faszination nicht entziehen und meine Ratio wird gefordert, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die eine Hirnhälfte bleibt kalt - die andere rattert auf Höchsttouren, geht mir in der Musik z.B. bei Ligeti so...
 
Das lag sicher nur an der fehlenden Beinfreiheit. :-)
Nee, die war sogar für "meinen Rücken" perfekt. Aber ich darf Dir und "den anderen" versichern, dass diese Inszenierung immer noch "nachhallt" und täglich einige Minuten meiner Gehirntätigkeit reserviert.

DAS ist übrigens auch ein "Kunst-Merkmal" - der Nachhall!!! Sozusagen das Gegenteil von flüchtigem Genuss / Konsum. Der "Erinnerungswert"...
 
Wenn ich mir. z.B. manche hochrangige Architektur ansehe, dann berührt die mich meist emotional sehr wenig bis gar nicht. Aber ich kann mich der Faszination nicht entziehen und meine Ratio wird gefordert, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die eine Hirnhälfte bleibt kalt - die andere rattert auf Höchsttouren.

Bist Du sicher, daß es sich in diesem Fall um ein architektonisches Kunstwerk handelt...? Oder ist das nicht viel eher einfach nur ein interessantes, ausgefallenes, komplexes o.ä. Design...?

Design ist nicht per se Kunst...
 
2. Weshalb es niemals Genuss sein kann, hatte ich schon erklärt. Ich war kürzlich zum ersten Mal in der Götterdämmerung. Das war KEIN Genuss - aber ganz, ganz große Kunst.

Die Götterdämmerung ist ein wirklich extremes, schockierendes Werk. Wenn man Hagen sieht, sieht man doch Goebbels... Und die Musik ist zum Teil wie geschaffen für den Reichsparteitag... Und eingebunden in das Gesamtwerk steht sie natürlich für etwas ganz anderes.

Architektur ist ein gutes Beispiel. Nehmen wir Palladio und seine Zahlenverhältnisse. Die sind ja keine Spielerei, sondern zielen auf Harmonie. Also auf Schönheit.

Daraus können wir aber schließen, dass Schönheit nicht ausschlaggebend ist, sondern die innere Bewegung, die "Ergriffenheit".
 
Bist Du sicher, daß es sich in diesem Fall um ein architektonisches Kunstwerk handelt...? Oder ist das nicht viel eher einfach nur ein interessantes, ausgefallenes, komplexes o.ä. Design...?
Der Kölner Dom? Der Petersdom?

... welcher sich bei mir insbesondere dann einstellt, wenn ich ein künstlerisches Werk wirklich genieße bzw. genießen kann. Ansonsten ist es schnell wieder vergessen.
Völlig falsch! Das, was Dich schockt & erschüttert, ist es, was Dich nachts nicht mehr schlafen lässt. Nach Genuss schlummerst Du mit einem Lächeln.
 
Daraus können wir aber schließen, dass Schönheit nicht ausschlaggebend ist, sondern die innere Bewegung, die "Ergriffenheit".
Nee, Ergriffenheit ist auch falsch. Ich bevorzuge das neutralere "bewegt" - und zwar nur in dem Sinn, dass eben das Hirn intensiv gefordert wird, egal ob emotional oder rational.

Die Götterdämmerung hat mich nicht "ergriffen". Mir ist innerlich die Kinnlade runtergeklappt - und zwar, ohne dass ich das merkte. Ich bin sozusagen nach 5 1/2 Stunden wieder "aufgewacht" - dazwischen war ich "ich weiß nicht wo" - ahhh, vll. in einem Zustand der extremen "Achtsamkeit" - meditav sozusagen.

Übrigens war in DER Inszenierung alles sonst so beliebte "Naziartige" weg - Hagen war quasi Juniorchef eines Konzerns. Dank dieser Inszenierung wurde Wagners Werk in eine Allgemeingültigkeit ohne Geschichtsbzug verlagert. Eine Geschichte um Machtgeilheit, Verführung, Naivität, Lust, Liebe, Dummheit usw. Das Leben halt.
 
Völlig falsch! Das, was Dich schockt & erschüttert, ist es, was Dich nachts nicht mehr schlafen lässt. Nach Genuss schlummerst Du mit einem Lächeln.

So ganz kann ich dem nicht folgen. Genuss heißt für mich "positiv" ergriffen zu werden, also durchaus von der Schönheit eines Werks. Aber vielleicht liegt es an der Abgeschmacktheit des Begriffs "Genuss", den ich auch eher mit einem Steak assoziiere. Vielleicht erläutert @Dreiklang den Begriff aus seiner Sicht noch mal näher?!
 
... täusche Dich da mal nicht! Bekanntestes Beispiel: die Partnerwahl unter Menschen. Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien, die ein als äußerlich attraktiv geltend wollender Partner erfüllen muß bzw. sollte.
Und diese teils sehr komplexen Kriterien werden von so ziemlich allen Menschen unseres Kulturkreises geteilt.
kaum einer von uns wird klassische asiatische Musik als schön empfinden, aber kaum jemand wird deren hohe Ästhetik bezweifeln.

Ich habe ein Problem mit dem Begriff "Ästhetik". Der kann alles oder nichts bedeuten... frag hundert Leute auf der Strasse danach; wenn man von zehn davon irgendeine Antwort bekommt, muß man wohl schon froh sein. Mit dem Begriff "Schönheit" hingegen kann jeder etwas anfangen.

Bzgl. asiatischer Musik: dieser würde ich nicht die Eigenschaft/Qualität "Schönheit" absprechen. Wenn man diese Schönheit nicht hören/spüren/einschätzen kann, dann liegt es wohl eher an der mangelnden Erfahrung mit Musik aus anderen Kulturkreisen.

Und auch hier nochmals die Götterdämmerung: Das war nicht schön! Das war "groß" und ästhetisch perfekt.

Wenn die Götterdämmerung (bzw. deren Inszenierung) nicht schön war, dann hat sie sich nicht gelohnt (so einfach ist das). Vielleicht fehlt Dir - und das soll keineswegs ins Persönliche gehen! - einfach die Fähigkeit, die "Schönheit" einer Inszenierung einzuschätzen... ?
 

Der Begriff kommt aus der schon oben erwähnten Poetik des Aristoteles. Er meint damit, dass der Zuschauer in irgendeiner Form (durch besonders schöne, tragische, schreckliche Momente) in der Kunst berührt wird. Er wird vom Kunstwerk ergriffen, oder, um es zuzuspitzen, das Kunstwerk "greift den Rezipienten an".

EDIT @sla019 Machte mich darauf aufmerksam, dass der Begriff bei Aristoteles nicht vorkommt. Sagen wir einfach: ICH verstehe darunter.... ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:

@Dreiklang Asthetik ist nun mal der Begriff der Wahl, wenn es darum geht, herauszufinden, worum es hier geht. Wir sind ja hier nicht auf der Straße... Wenn wir anfangen, dass jeder seine Begriffe für sich zurechtbastelt, kommen wir nicht weiter...
 
Glaube mir, @ Dreiklang, wenn ich eines kann, dann Schönheit in fast jedem Ding zu sehen!

Dein Partnerwahlbeispiel ist genau der Beweis - Danke! Wenn ale die gleicehn Kriterien teilen würden, müssten da draussen wohl 90% aller Menschen todunglücklich mit ihrem eben nicht schönen Partner sein.

Wenn Dir Ästheik alles oder nichts bedeudet, so liegt das an mangelnder Ausbildung - da bist Du, wie diue meisten, mit "Schönheit" besser bedient. Daraus entsetehen dann dioe sogenannten Bildungsbürger ;-). Ist schön , ist Kunst. Ist nicht schön, ist nicht Kunst.

Asiatische Musik (nicht China-Lestaulant!): Wenn Du die nicht jahrelange gehört hast, kannst Du die niemals als schön empfinden - Du empfindest sie vermutlöich als ästhetisch und bist nicht in der lage diese Begriffe auseinanderzuhalten.

Und noch mal: Die Götterdämmerung war NICHT schön! Ein Film, in dem z.B. jemand vergewaltigt wird, kann NIEMALS schön sein. Er kann aber ästhetisch sein, bei allem Schmerz und leid. Bezeichnest Du eine Szene, bei der im Krieg Menschen hingemetzelt werden, als schön? Dennoch ist Apocalypse now ästhetisch.

Ein Panzer ist nicht schön. Aber oftmals höchst ästhetisch. Und - nach Beuys - manchmal auch "mehr" Kunst als so manche "echte Kunst".
 

Der Kölner Dom z.B. zählt ganz sicher zu den architektonischen Kunstwerken. Vor dieser Kathedrale bin ich schon in natura gestanden - und ich war emotional überwältigt von der Schönheit, den Details, dem gewaltigen, in den Himmel ragenden Bauwerk, über Jahrhunderte von Menschenhand geschaffen... "Kalt" bleibt bei mir da gar nichts... und ich denke, vielen Menschen geht es ähnlich.

Und auch hier:
Völlig falsch! Das, was Dich schockt & erschüttert, ist es, was Dich nachts nicht mehr schlafen lässt.

Ich behaupte einfach mal, den meisten Menschen geht es nicht darum, sich auf fast schon traumatische Art und Weise selbst zu schocken, zu erschüttern usw., sondern sie wollen emotional eher als angenehm geltende Gefühle bei einem Kunstgenuß mit in der Erinnerung nach hause nehmen.
 
Der Begriff kommt aus der schon oben erwähnten Poetik des Aristoteles. Er meint damit, dass der Zuschauer in irgendeiner Form (durch besonders schöne, tragische, schreckliche Momente) in der Kunst berührt wird. Er wird vom Kunstwerk ergriffen, oder, um es zuzuspitzen, das Kunstwerk "greift den Rezipienten an".
Wenn Du das so belegen kannst und Ergriffenheit immer noch so verstanden wird, dann gebe ich Dir 100%recht. Für MEIN bescheidenes (und SUBJEKTIVES) Sprachverständniss war E. zu emotional gefärbt. Nach Deiner Definition gibt es dann natürlich auch eine "rationale" Ergriffenheit, die aber Otto Normalverbraucher wohl eher abstreitet, wenn er von Ergriffenheit (schluchz, Tränen, etc.) spricht.
 
Der Kölner Dom z.B. zählt ganz sicher zu den architektonischen Kunstwerken. Vor dieser Kathedrale bin ich schon in natura gestanden - und ich war emotional überwältigt von der Schönheit, den Details, dem gewaltigen, in den Himmel ragenden Bauwerk, über Jahrhunderte von Menschenhand geschaffen...

(1) "Kalt" bleibt bei mir da gar nichts... und ich denke, vielen Menschen geht es ähnlich.

Und auch hier:

Ich behaupte einfach mal, den meisten Menschen geht es nicht darum, sich auf fast schon traumatische Art und Weise selbst zu schocken, zu erschüttern usw., (2) sondern sie wollen emotional eher als angenehm geltende Gefühle bei einem Kunstgenuß mit in der Erinnerung nach hause nehmen.

Letzter Versuch, dann kannste weiter"philosophieren":

1. Das mag sein. Ich bleibe aber kalt - ist der Kölner Dom dann keine Kunst? Oder vll. nur nicht für mich? Ist er aber - und wieso? Kapierst Du jetzt was?

2. Es ist der Kunst scheißegal, was "die" Leute wollen. Das ist ziemliche Nazi-Denke, was Du hier äußerst. Schön und erbauend soll es sein - das ist Spießbürgertum per se. Die Leute, die "missliebige" Kunst verbrennen möchten, sie aber zumindest nicht als Kunst bezeichnet haben wollen. Tja, der Kunst ist das aber wurscht.

Der "Schrei" von Munch - schön? Ich bitte Dich! Mit sowas erschreckt man Kinder. Dennoch: Kunst.

Ligeti: Oma und Onkel Erwin flippen aus. Können danach gar nicht einschlafen Also keine Kunst?

Clockwerk Orange? Die Blechtrommel? Archipel Gulag? Alles keine Kunst?
 
Da gebe ich Dir vollkommen recht. Musik ist aus seiner Natur heraus ein akustisches Erlebnis, bei strengem Wortgebrauch sind Partituren keine "Musik" (sondern eben Partituren). Sie müssen erst durch den Interpreten zu Musik gemacht werden (und daß jeder Interpret - ganz bewußt - der Musik seine ganz eigene Prägung gibt, ist ebenfalls ein altbekanntes Faktum. Und auch Instrument, Raum und Aufnahmetechnik beeinflussen nicht unwesentlich die Musik, die dabei entsteht).

Das, was (in Deinem, oder meinem) Kopf gedanklich passiert, rechne ich nicht zu Kunst, oder zu Musik. Weil es nicht direkt durch andere Menschen erlebt und geteilt werden kann, und das ist ein wesentliches Merkmal von Kunst.
Zur Kunst gehört, daß sie auch sinnlich (optisch, akustisch, ...) von anderen Menschen wahrnehmbar ist.


Fishi, ich denke, man kann sagen, daß ein essentielles Merkmal von Kunst (und damit auch Musik als Form der Kunst) die emotionale Wirkung ist. Menschen wollen etwas schaffen, das andere Menschen bewegt, berührt.
Menschen führen sich Kunst zu Gemüte, um bewegt zu werden. Das ist ein ganz zentraler Punkt.

Und emotional bewegt zu werden, ist in diesem Fall gleichbedeutend mit Genuß. Nach diesem Genuß wird gesucht. Also dann doch: Genuß.

Bei der Schönheit wird es schwieriger. Niemand konnte bisher mathematisch oder sonstwie ergründen, warum manche Melodien Evergreens wurden, und andere ein Strohfeuerchen waren. Es kann nur daran liegen, daß die Evergreens den Menschen besser gefallen, und besser gefallen heißt für mich: die Menschen finden sie einfach schöner. Aus welchen Gründen auch immer.

Also dann doch: Schönheit als Qualitätsmerkmal in der Kunst und Musik (auch wenn Schönheit noch so schwer "faßbar" ist).

Also weißt Du, Dreiklang, wenn aus diesem Faden etwas werden soll, mußt Du auf Par-ordre-du mufti-Festlegungen verzichten. Natürlich gibt es Künstler, die ihr Publikum bewegen wollen, und natürlich gibt es Menschen, die durch Kunst bewegt werden wollen, aber zwingend ist das bei weitem nicht. Ebenso verbreitet dürfte das Bedürfnis nach Kulinarik sein, sprich nach dem problemlosen Konsum, und es gibt ja eine ganze Industrie, die dieses Bedürfnis bedient. Und wie bitte kommst du zu der Gleichung "Emotion = Genuß" außer durch assoziativen Sprung? Hast Du schon einmal von der wirkungsästhetischen Kategorie des Pathos gehört? Im traditionellen Verständnis ist das ein Mittel der Einschüchterung des Gegners oder der Erschütterung des Publikums, bei dem die Vorstellung von Genuß fernliegt. Und Dein Satz zur Schönheit als Qualitätsmerkmal (»Evergreens ... die Menschen finden sie einfach schöner«) läuft doch darauf hinaus, daß Schönheit und folglich auch Qualität durch den Massengeschmack definiert wird. Das größte Problem dabei übergehst Du mit einem Aus welchen Gründen auch immer. Aber erst wenn diese Gründe aufgedeckt sind, könnte Deine Gleichung Erfolg haben. Die Gründe könnten aber auch solche sein wie mangelndes Urteilsvermögen infolge ungenügender Vergleichsbasis, Bequemlichkeit und Hang zur Kulinarik. Und dann bekommt dein Qualitätsbegriff ein Problem.
 
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Es ist der Kunst scheißegal, was "die" Leute wollen.

Falsch. Wenn "die Leute" ein Kunstwerk nicht wollen, genug Leute es nicht wollen, gerät es schlicht und einfach in Vergessenheit. Irgendwann erinnert sich niemand mehr daran. Ist halt so, schon vielen Künstlern und deren Werken passiert.
Das ist ziemliche Nazi-Denke, was Du hier äußerst.
Starker Tobak. Solche Gedanken liegen mir fern, und verbitte ich mir auch.
Der "Schrei" von Munch - schön? Ich bitte Dich! Mit sowas erschreckt man Kinder. Dennoch: Kunst.
Ligeti: Oma und Onkel Erwin flippen aus. Können danach gar nicht einschlafen Also keine Kunst?
Clockwerk Orange? Die Blechtrommel? Archipel Gulag? Alles keine Kunst?

ist sicher Kunst - genügend qualitative Merkmale künsterischen Schaffens vorhanden.
 
Glaube mir, @ Dreiklang, wenn ich eines kann, dann Schönheit in fast jedem Ding zu sehen!

Einige Szenen sind sicher nicht schön, aber jetzt erinnere dich mal zum Beispiel an den Anfang des dritten Aktes.

...die drei Damen im Swimmingpool...in kurzen Sommerkleidchen...reiben sich mit Sonnencreme ein..."Frau Sonne sendet lichte Strahlen...Wei-a-la-la..." Das hast du nicht schön gefunden?

Wenn man Hagen sieht, sieht man doch Goebbels...

Ach nööö...******-Wotan, Goebbels-Hagen und SS-Walküren kann ich echt nicht mehr sehen...
 

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