Position Flügelrollen

Hallo fisherman,

physikalisch ist das völlig korrekt, man muß aber noch berücksichtigen, ob die Rollen auf dem Boden frei beweglich sind oder in Gummi-, Kautschuck- oder Glasuntersetzern fixiert sind. Interessant ist der erste Fall: Dann haben die Rollen nämlich die Tendenz, bei Belastung von oben seitlich auszuweichen. Wenn nun die Rollen nach innen stehen, werden sich nach innen bewegen, und entsprechend der Befestigungspunkt des Beines am Rahmen nach außen. Das Bein wird also nach innen (minmal) gedreht, und demzufolge wirkt auf den Rahmen ein Drehmoment innen nach oben! (Stell Dir vor, du drückst das Bein unten gewaltsam nach innen). Stell Dir nun vor, das Bein wirke direkt auf den Resonanzboden: Dann würde die Wölbung des Resonanzbodens verstärkt. Wie stark der Effekt tatsächlich ist, hängt von den wirkenden Kräften ab und von der „zwischen“ Resonanzboden und Flügelbein befindlichen Konstruktion (Rahmen).
Zu den Kräften läßt sich immerhin etwas abschätzen (ich gebe nicht ganz korrekt mal kg als Einheit an, dann wird es anschaulicher): Von oben wird jedes Bein mit 100 bis 200 kg belastet. Der seitliche Versatz der Rolle dürfte bei 3 – 7 cm je nach Rolle liegen, die Länge des Beines bei ca. 60 cm. Dann dürften die seitlich am Rahmen wirkenden Kräfte zwischen 5 und 20 kg liegen (also – zur Verschaulichung – im Bereich von 1/2 bis 2 Eimer Wasser).
Fazit: Wenn die Rollen unten frei beweglich sind, kann die Ausrichtung nach innen u.U. einen schlappen Resonanzboden etwas auffrischen(?) – zumindest, wenn die Gesamtkonstruktion etwas von diesen Kräften an den Resonanzboden weiterleitet.

Wenn die Rollen unten fixiert sind, ist der Effekt geringer, da überwiegend seitliche Zugkräfte nach außen auf den Rahmen wirken.

Wichtiger scheint mir die Warnung zu sein, die Rollen nicht nach außen zu drehen: Wenn nämlich (bei frei beweglichen Rollen) über lange Zeit hinweg permanent Kräfte am Rahmen in der entgegengesetzten Richtung wirken, also der Resonanzbodenwölbung entgegen!!, kann das (rein physikalisch gesehen) durchaus langfristig zu Schäden führen.

Aber wie gesagt: Ob sich das alles wirklich hörbar auswirkt, sei dahingestellt. Immerhin können Flügel ja von mimosenhafter Empfindlichkeit sein, und wenn das Gewicht hoch, die Rollen groß und die Konstruktion die Kräfte vom Rahmen an den Resonanzboden weitergibt, kann ich mir das gut vorstellen.

LG

Pennacken
 
ob sich die Rollenprobleme bei Konzertflügeln, welche ja hin- und hergezerrt werden (und dafür auch konstruiert sind), minimieren, wenn man die Rollen einmal im Jahr weihen und segnen läßt? :mrgreen:
 
Arbeitet immer noch und ist immer noch mit Steinway in bester Verbindung - ist übrigens vereidigter Gutachter und ist als Solcher immer auf dem neusten Stand !
Ich hatte deshalb nachgefragt, weil meine Informationen von einem Kollegen stammen, der die Steinway Akademie besuchte und der von den dortigen Mitarbeitern erfahren / gelernt hat die Rollen einzurichten, wenn er am D-Flügel reguliert. Wir hatten uns ausführlich darüber unterhalten...

Über die tatsächlichen Unterschiede der Spielladenebene bei unterschiedlicher Rollenstellung habe ich selbst keine Messungen vorgenommen, daher habe ich in meinen Postings lediglich geschrieben "kenne die Problematik" und nicht "meine Messergebnisse". Ich hatte mich übrigens auch sehr gewundert was dort unterrichtet wird, aber wenn man es rein physikalisch betrachtet ergibt es Sinn... Die Füße werden ja etwa zur Hälfte direkt an der Unterseite der Spiellade abgestützt.

LG
Michael
 
[…]
Der Flügel (S&S D274) wird herbeigeschoben und die Rollen stehen irgendwie...
Grüße
Toni
Vermutlich standen die Rollen alle in die selbe Richtung, vorzugsweise gegen die Richtung in welcher der Flügel geschoben wurde. Also kann man annehmen, sie seien neutral gestanden. Genau das war hier:
[…]
Nein - die achten nicht drauf und machen es automatisch richtig, weil immer alle Rollen in eine Richtung zeigen und neutral stehen - […]
schon geschrieben worden.

Grüße
Thomas
 
Hallo.
Der Eifer, mit dem hier über die notwendige oder sinnvolle Flügelrollenstellung philosophiert wird, verblüfft mich etwas, aber hat wohl seine eigene Logik und eine gewisse Magie.
In aller Nüchternheit stelle ich fest: Der Einfluss der Rollenstellung auf Statik, Klang und Regulierung eines Flügels ist wohl ganz bestimmt kein Ergebnis konstruktiver Planung. Sondern ggf. ein seit Jahrzehnten mitlaufender und - sofern tatsächlich wirksam - zu wenig beachteter Nebeneffekt. Und damit, schlicht gesagt, ein Konstruktionsmangel. Gleich wie lange es schon so gemacht wird. Es wird viele geben, die sagen "hamwaimmasogemacht machmerweidaso". Aber vielleicht kommt ja jemand auf die gar nicht schwierige Idee, es fortan anders zu machen - sprich: so, dass keine Philosophien mehr nötig sind.

Die von thomas1966 gezeigten Transportrollenträger gehen in die richtige Richtung, wenngleich sie (sofern unter einer "normalen" Rolle platziert) statisch-kräftemäßig nichts ändern. Es sollte aber ohne größere Probleme möglich sein, ansprechend gestaltete, wertige und stabile Rollenträger für eine Festmontage ab Werk zu entwickeln, bei denen unter einer Trägerplatte pro Bein drei Rollen arbeiten. Oder es sollte, im Zeitalter der Computerlösungen, möglich sein, drehbare Rollen senkrecht unter den Beinen anzubringen, die dann mithilfe eines Sensor-Auslegers und eines Stellmotors die angestrebte Schieberichtung der Rolle erkennen und automatisch ansteuern. In beiden Fällen, und womöglich noch bei anderen Lösungen, wären die hier besprochenen Stellungs-Empfehlungen nicht mehr nötig.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Das Problem dürfte weniger bei den als Konzertflügel genutzten Instrumenten liegen: Die werden ohnehin ständig verschoben und transportiert, sind also ständig wechselnden Belastungen ausgesetzt. Problematischer scheint mir der Fall zu sein, daß ein Instrument über einen langen Zeitraum, Monate oder gar Jahre einer gleichbleibenden Spannung durch ungünstige Stellung der Rollen ausgesetzt ist, also bei Instrumenten, die in Wohnräumen u.ä. stehen. Das wäre besonders der Fall, wenn alle drei Rollen auswärts gerichtet sind: Dann würde (theoretisch) der Resonanzboden (sofern der Rahmen die Kräfte weitergibt) gegen die Wölbung gespannt und der Spieltisch wäre nach unten gewölbt. Aber wer würde an seinem Flügel, nachdem er seinen Platz gefunden hat, bewußt alle drei Rollen nach außen drehen (sieht doch auch häßlich aus)? Trotzdem: Die Spannungen sind da, solange nicht der Flügel ohne Rollen auf dem Boden steht, und da Instrumente ... eine Verbindung von Material und Physik - nicht von Seele und Glauben...sind (90 Jahre KB), kann man allenfalls über die Quantität des Effektes spekulieren, qualitativ ist er da.

LG

Pennacken
 
eine Verbindung von Material und Physik - nicht von Seele und Glauben...sind (90 Jahre KB), kann man allenfalls über die Quantität des Effektes spekulieren, qualitativ ist er da.
Und deshalb brauchen wir endlich mal verlässliche Fakten. Wer besorgt mir einen Steinway D, damit ich die entsprechenden Messungen durchführen kann? :mrgreen:
 
Zu guter letzt:
gestern abend, Stuttgart Liederhalle Beethovensaal.
Rach 4 mit Alexei Lubimov als zweites Progammstück.
Der Flügel (S&S D274) wird herbeigeschoben und die Rollen stehen irgendwie...
Grüße
Toni
nur um das 'irgendwie' zu präzisieren:
vom Spieler aus gesehen: linke Rolle auf vier Uhr, rechte Rolle auf halbsechs Uhr hintere Rolle auf drei Uhr...
passiert so, wenn man(n) den Flügel am hinteren Ende nochmals nach links schiebt.
Gruß
Toni
 
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