Pianistisches Klangideal in den letzten 100 Jahren

Lieber Rolf,

Danke für die Jahreszahlen-Korrektur! ;)
Mit Totgeburt sind auch nicht die wirklich teuren Steinways oder Bechstein Flügel gemeint - sicher auch nicht die Bösendorfers und Blüthners. (Wobei - jede dieser Firmen auch ab und zu Nieten dabei hat.)
...und für manch einen sind 3000 Euro auch schon ein halbes Vermögen - also ist das schon sehr zu relativieren.
Das entscheidende ist, dass Leute in ein Klaviergeschäft gehen und kaum einen Unterschied zwischen den einzelnen Marken ausmachen können - mit dem gekauften Instrumenten daheim unglücklich sind oder bei der Suche nach dem perfekten Klang immerzu auf ein und die selbe Leier stoßen. (Leier also Synonym für wenig Unterschied im Klangcharakter beim Aussuchen im Geschäft)

Ich finde den Begriff "Totgeburt" bei einem Klavier nicht erschütternd. Durchanalysiert bedeutet es nichts weiter als dass dieses Produkt nicht das kann, wofür es gemacht wurde. Ja klar, die Tasten bewegen sich und man kann tatsächlich Töne vernehmen, aber man empfindet sie nicht als Wohlklang, wenn man sie anhört. Ein geschickter Klaviermacher oder -bauer kann manchmal daran etwas tun - vielleicht war es ja nur scheintot.:D:D:D

LG
Michael
 
Also diese Problematik ist mir wirklich neu und für die allermeisten meiner Kunden kann ich sagen daß diese beim Kauf Ihres Klaviers sehr wohl deutliche klangliche Unterschiede bemerken und sich daran orientieren was ihnen besser gefällt.
Wir haben hier 200 neue Klaviere und Flügel vom YAMAHA bis zum Bösendorfer zur Auswahl und von Einheitsbrei kann da nicht die Rede sein.
 
Wenn ich mir die weiteren Beiträge hier so durchlese, muss ich doch nochmal etwas hinzufügen:

Wie an anderer Stelle schon einmal erwähnt, hatte ich mir vor ein paar Monaten ein Neuklavier aus der Bechsteingruppe gekauft und im Vorfeld unzählige Läden und Fachgeschäfte nach "meinem" Instrument abgesucht.

In jedem größeren Laden begann die Führung bei den Import-Instrumenten aus China. Meist lag der Preis für ein solches "Instrument" bei rd. 3000€. Was man für diesen Preis allerdings geboten bekam war absolut unterirdisch, vor allem, was den Klang betrifft.

Als ich mich damals dazu entschied, ein Klavier zu kaufen, hatte ich anfangs noch keine preislichen Vorstellungen und wusste auch überhaupt nicht, was der Markt derzeit zu bieten hat, bzw. für welche Summe man ein halbwegs anständiges Instrument bekommt.

Umso schockierter war ich also, als ich in so vielen Läden diese China-Ware für sage und schreibe 3000 € rumstehen sah.
Das muss man sich einmal vorstellen: 3000 € für ein Instrument, dass nicht einmal ansatzweise schöne Töne produzieren kann. Angesichts der Mengen, die in diesen Läden standen, werden diese Instrumente aber anscheinend nicht gerade selten verkauft. Auf Nachfrage erwiderte man mir nämlich stets: "Sie können es ruhig mal anspielen, aber wir haben die erst frisch reinbekommen, daher sind sie noch nicht ganz ausgearbeitet."
Allerdings klangen dann die ausgearbeiteten Instrumente nicht viel besser, sodass man - auch wenn ich den Begriff ziemlich grenzwertig finde - derlei Instrumente recht gut als "Totgeburt" bezeichnen kann.

Sicherlich werden solche Instrumente als Einsteigerklaviere gehandelt, und die Händler waren auch so ehrlich, das zuzugeben, als ich anmerkte, davon nicht gerade begeistert zu sein. Aber trotzdem, was kann man aus der Tatsache schließen, dass von diesem Billiginstrumenten so viele verkauft werden?
Sind die Menschen einfach nur anspruchs- oder etwa auch mittellos?

Ich selbst bin alles andere als wohlhabend, hätte mir aber eher gar kein Klavier gekauft, als so eines.

Sehr interessant fand ich dann allerdings ein Steinway-Klavier für rund 23.000 €, das im selben Laden in der Flügelabteilung stand. Als ich es anspielen durfte, erwartete ich ein klangliches Feuerwerk, war allerdings umso überraschter, als dies ausblieb. Hätte man mir vorher die Augen verbunden und mich raten lassen, ob es sich um ein Durchschnitts- oder ein Oberklasseinstrument handelte, ich hätte es dem mittleren Durchschnitt zugeordnet. Klaviere von Pfeiffer, Grotrian-Steinweg, Sauter, Schimmel, etc. die ich vorher anspielen durfte, haben mir wesentlich besser gefallen, und hier war auch durchaus ein klanglicher Unterschied zwischen den Marken erkennbar.
Dabei war es das mit Abstand teuerste Klavier im Laden und der Händler hat das Instrument (verständlicherweise) auch angepriesen bis dorthinaus. Ich hingegen habe versucht, meine Ernüchterung zu verbergen, schließlich wollte ich nicht wie ein Idiot dastehen...

Insofern kann ich die Diskussion, die hier geführt wird gut nachvollziehen, bleibe allerdings dabei, dass es durchaus auch heute noch gute Instrumente gibt, die auch über ein gutes Klangpotential verfügen. Und dafür muss man nicht unbedingt mehrere zehntausend Euro ausgeben.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ein kleines Schmankerl wie Instrumente aus verschiedenen Epochen unterschiedlich klingen können findet ihr hier.

LG
Klaviermacher
 
Hallo zusammen,

der Beitrag von Michael bringt uns noch mal zum engeren Thema zurück. Denn dies war vorderhand nicht, ob neue Klaviere/Flügel gut oder schlecht klingen, sondern die Frage steht im Raum, weshalb es die vormals übliche "Artenvielfalt" an Klangcharakteristiken nicht mehr gibt (sondern eben alles dem Steinway-Sound nacheifert). Wie sich diese Artenvielfalt anhören kann, vermittelt Fipsens Sammlung sehr anschaulich/-hörlich.
Dass neue Bösendorfer, Bechsteins, Steinways, Blüthners, Grotrians, Schimmels und natürlich Faziolis toll klingen können, wurde nicht bestritten! Vielmehr bleibt das dem Geschmack jedes einzelnen überlassen. Auffallend ist jedoch, dass landläufig, bei einer breiten Masse gerade mal drei bis vier Charaktereigenschaften überdauert haben, bzw. zur Charakterisierung herangezogen werden: warm und rund = Bösendorfer, Blüthner; brillant und deutlich = Steinway; noch brillanter und grell = Yamaha. Mir wäre es entgangen, wenn hier feinere Unterscheidungen möglich wären. Erst neulich war ich in einem großen, renommierten Klavierhaus: der Verkäufer hat mich nur verständnislos angesehen, als ich ihm in blumigen Worten mein Klangideal beschrieben habe, geschweige denn, dass er mir ein hierfür zutreffendes Instrument präsentieren konnte.
Als Berufspianist bedarf es sicher großen Mutes und finanzieller Unabhängigkeit, wenn man nach Bühnen und Auftrittsbedingungen sucht, die das Individualisieren des Klanges (in der sog. klassischen Musik) erlauben. Sind doch auch schon oft die Konzertsäle mit nichts anderem mehr zu beschallen als mit etwas vor allem Lauten. Und liebgewonne Hörgewohnheiten tun dann das Restliche... Aber müssen diese Umstände zwingend auf Privathaushalte übertragen werden, deren Räumlichkeiten so um die 7x5m aufweisen??

LG, Sesam

P.S. Den Begriff der "Totgeburt" habe ich nicht verwendet, um damit furchtbare Assoziationen zu wecken, es tut mir leid, wenn das geschehen ist. Ich dachte dabei eher an die Konzeption und Produktion eines Instrumentes, das niemals in der Lage sein kann, seinen Zweck zu erfüllen: die Musik mit Klang zu umschmeicheln. Wenn es euch besser gefällt, dann könnte man diesen Zustand auch "kastriert" nennen.
 
Dabei war es das mit Abstand teuerste Klavier im Laden und der Händler hat das Instrument (verständlicherweise) auch angepriesen bis dorthinaus. Ich hingegen habe versucht, meine Ernüchterung zu verbergen, schließlich wollte ich nicht wie ein Idiot dastehen...

Diese Darstellung verdeutlicht auf wunderbar ehrliche Weise (DANKE!!), wie es geschehen kann, dass sich ein bewusster Verzicht auf DAS Klangideal heutiger Zeit so selten ergibt (zumal beim Erstkauf): man will halt nicht wie ein Idiot dastehen, weil man am Ende brillante, laute Härte nicht zu schätzen weiss. Nur Leute, die vom Klavierspiel keine Ahnung haben, wissen das nicht zu schätzen :rolleyes:
 
(1)
Als Berufspianist bedarf es sicher großen Mutes und finanzieller Unabhängigkeit, wenn man nach Bühnen und Auftrittsbedingungen sucht, die das Individualisieren des Klanges (in der sog. klassischen Musik) erlauben.
(2)
Sind doch auch schon oft die Konzertsäle mit nichts anderem mehr zu beschallen als mit etwas vor allem Lauten. Und liebgewonne Hörgewohnheiten tun dann das Restliche...
(3)
Aber müssen diese Umstände zwingend auf Privathaushalte übertragen werden, deren Räumlichkeiten so um die 7x5m aufweisen??

zu (1)
primär braucht es dazu ein sehr gutes Instrument, welches dann möglichst adäquat gespielt wird: in aller Regel findet so etwas in großen Sälen statt. Dort steht recht gerne ein gut gewarteter Konzertflügel: der genügt völlig individuellen Klang.
zu (2)
hast Du noch nie piano und pianissimo in einem Klavierabend in einem richtig großen Saal gehört? Die angeblich vornehmlich lauten Instrumente bieten riesige dynamische Unterschiede von ppp bis fff.
zu (3)
dass ein Konzertflügel eigentlich zu groß für ein durchschnittliches Wohnzimmer ist, ändert ja nun nichts daran, dass ein solches Instrument dennoch das klanglich, mechanisch und dynamisch beste von allen Klavieren ist.

Klangschönheit entsteht unter anderem durch das deutliche Abstufen simultaner Klänge - hier taugen folglich Instrumente mit größeren dynamischen Unterschieden mehr als solche mit kleineren (einfach weil die mit den größeren mehr Abstufungen erlauben). Vorausgesetzt ist natürlich eine entsprechende Bedienung des Instruments.

Leinwand und Farben müssen ok sein - danach zeigt sich, wie gut darauf gemalt worden ist. Wenn aber auf der Leinwand schon ein Hintergrund aufgedruckt ist und "Ausmal-Linien" vorgegeben sind, wird das Bild hinterdrein keinen allzu individuellen und auch keinen sonderlich günstigen Eindruck hinterlassen. - - so ähnlich ist es mit Instrumenten: manche haben vorweg einen "schönen" Klang, mit dem sich aber nicht viel gestalten lässt (das gilt besonders für Schimmel Instrumente: die sind wie Ausmallinien und vorgefertigter Hintergrund)

Gruß, Rolf
 
Hallo Rolf,

dein Hinweis auf die Bedeutung der "Handhabung" des Instrumentes sei unbestritten; aber gilt das nicht für alle Zeiten? Ich sehe darin kein Argument, das für die verbreitete Klangmonokultur spricht. Die Qualitäten heutiger Konzertflügel will niemand in Abrede stellen, denn noch einmal: es geht nicht um die Frage, ob neue Flügel/Klaviere etwas taugen oder nicht. Einzig würde ich gerne auch mal etwas anderes hören, als den überpräsenten Steinway Klang. Und meinetwegen soll der das Konzerttreiben auch dominieren, aber muss deshalb jeder Wald- und Wiesenflügel so klingen? Vergibt man sich da nicht den großen Genuß eines breitgefächerten Klangeindrucks? Ist es nicht auch für Pianisten schöner, aus einem breiteren Spektrum an Klangkörpern zu wählen? Ich für meinen Teil würde jedem Stück gerne das passende Instrument "zuordnen". Nicht jeder Flügelklang ist für Bach geeignet, wo er an anderer Stelle so wunderbar zu Brahms passt. Das kann man doch nicht einfach übergehen und Steinway samt Pseudosteinway dank seiner technischen Perfektion und Zuverlässigkeit drüberstülpen. Nur weil es halt alle so machen :rolleyes:

LG, Sesam
 
Zur Ehrenrettung von Schimmel möchte ich anmerken, dass die neuen Flügelmodelle für mich persönlich mit das Beste und Schönstklingende sind, was ich seit langem gespielt habe.

Abgesehen davon habe ich es mir abgewöhnt, nach Instrumenten zu suchen, die "meinem Klangideal" entsprechen. Wenn Grundbedingungen hinsichtlich Dynamik, Tonlänge und Geläufigkeit erfüllt sind, lasse ich mich gerne von unterschiedlichen Klängen überraschen, die erheblich vielfältiger sind, als es sich meine kleine Phantasie a priori vorzustellen vermag.
 
Sehr interessant fand ich dann allerdings ein Steinway-Klavier für rund 23.000 €, das im selben Laden in der Flügelabteilung stand. Als ich es anspielen durfte, erwartete ich ein klangliches Feuerwerk, war allerdings umso überraschter, als dies ausblieb. Hätte man mir vorher die Augen verbunden und mich raten lassen, ob es sich um ein Durchschnitts- oder ein Oberklasseinstrument handelte, ich hätte es dem mittleren Durchschnitt zugeordnet.

Ich habe diese Erfahrung mal mit einem Bechstein-Klavier gemacht. Das Stück kostete über 28.000 EUR, klang aber für diesen Preis sehr bescheiden - und repetierte noch nicht einmal besonders gut. :( Da hab ich mir damals gedacht: schön blöd, wer das kauft.

Grüße von
Fips

PS: Danke, Michael, für die Verlinkung. Freut mich, wenn meine Aufnahmen mal wieder gehört werden. ;)
 
...was wieder mal beweist, dass es um das EINZELNE Instrument geht. Ich hatte seinerzeit 5 Steinway-Klaviere zur Auswahl. Davon wollte ich vier nicht geschenkt. Aber eines ... :p

@ Sesam: Geh mal in ein Konzert, in dem sehr unterschiedliche Stile und Epochen angespielt werden. Wenn da ein/e Könner/in sitzt, wirst Du Rolf recht geben, dass es der Pianist ist, der einem Instrument die Farbe verleiht. Und genau das ist ist der Grund für die große Verbreitung einer bestimmten Marke in Konzertsälen - weil man darauf sehr vielfältig spielen kann und der Grundcharakter eben nicht eindeutig festgelegt ist.

Das ist gleichzeitig der Grund, weshalb ich mich als Anfänger-Dilettant an meinem (klanglich "einfarbigeren") Feurich wohler fühle, als am hochwertigeren Steinway. Ich hoffe, dass sich das in zwanzig Jahren ändert.:rolleyes:

@ Ragtimer: Zur unterirdischen Klangqualität der Chinesen: Entweder war der Verkäufer schlecht oder man wollte zu den teureren Klavieren lotsen. Ein guter Verkäufer spielt Dir ein China-Klavier so, dass Neulinge/Eltern gerne zuschlagen. Leider.

Fazit: Ein Könner kann jedes Instrument gut klingen lassen. Und wenn er ein seeehr gutes Instrument vor sich hat, dann kann er es auf hunderterlei Arten spielen. Ob das mit den "alten" Instrumenten wohl auch so geht? Ich bezweifle es. Aber ich mag sie trotzdem. Eben wegen des klaren Charakters, der nicht sooo variierbar ist ...
 

Ich habe diese Erfahrung mal mit einem Bechstein-Klavier gemacht. Das Stück kostete über 28.000 EUR, klang aber für diesen Preis sehr bescheiden - und repetierte noch nicht einmal besonders gut. Da hab ich mir damals gedacht: schön blöd, wer das kauft.

... und ich habe diese Erfahrung gerade eben mit einem Blüthner-Klavier (neu) für 17TEuro gemacht - keine Ahnung, wer sowas kauft. Aber der Händler war (ich glaube, das war sehr ehrlich) absolut begeistert von diesem Instrument. Ich finde das schön, daß jeder seine eigene Vorstellung hat !

Ein Wort noch zur hier offenbar durchgängigen Verurteilung der chiensischen Einsteigerinstrumente: Ich bitte darum, nicht zu vergessen, daß die meisten dieser Instrumente von engagierten Eltern für ihre Kinder als Erstklavier gekauft werden, und wer weiß, wie es um die finanzielle Situation junger Familien bestellt ist (von Erben und "Berufs" -söhnen bzw. -töchtern rede ich hier nicht), der wird hier sicher nicht verurteilen, sondern zustimmend nicken, daß ein Instrumentalunterricht überhaupt ermöglicht wird. Wie schon der "Klavierladen" von langer Zeit schrieb (freies Zitat): "Wer auf einem Samick oder Ravenstein die Grundzüge des Klavierspiel nicht erlernt, der wird dies auch nicht auf einem Steinway ...".

Insofern: Liefern wir uns hier bitte weiter die Luxusdiskussion über hochwertigste Instrumente, die wir dann gerne noch aufs Äußerste kritisieren (auch ich, ganz klar! Ist ja auch interessant, die Unterschiede herauszuarbeiten und zu besprechen), aber seien wir uns bitte bewußt, daß es eben eine absolute Luxus-Diskussion ist ! Die übrigens so nur in Deutschland bzw.Mitteleuropa stattfindet, schaut bitte mal in die angelsächsischen Länder, wo deutsche Klaviere grundsätzlich als "German Luxury Pianos" beworben werden.

Gruß
Rubato
Rubato
 
Gut geschrieben, Rubato!

Wer auf einem Samick oder Ravenstein die Grundzüge des Klavierspiel nicht erlernt, der wird dies auch nicht auf einem Steinway ...".
oder: Wer es auf einem China-Klavier zu was bringt, der wird auf einem German Luxury Piano später brillieren! So isset!
 
@ Sesam: Geh mal in ein Konzert, in dem sehr unterschiedliche Stile und Epochen angespielt werden. Wenn da ein/e Könner/in sitzt, wirst Du Rolf recht geben, dass es der Pianist ist, der einem Instrument die Farbe verleiht. Und genau das ist ist der Grund für die große Verbreitung einer bestimmten Marke in Konzertsälen - weil man darauf sehr vielfältig spielen kann und der Grundcharakter eben nicht eindeutig festgelegt ist.
[...]
Fazit: Ein Könner kann jedes Instrument gut klingen lassen. Und wenn er ein seeehr gutes Instrument vor sich hat, dann kann er es auf hunderterlei Arten spielen. Ob das mit den "alten" Instrumenten wohl auch so geht? Ich bezweifle es. Aber ich mag sie trotzdem. Eben wegen des klaren Charakters, der nicht sooo variierbar ist ...

Dazu hätte ich dann gerne die Aussage eines Klavierbaufachmannes.
Ich zweifle nicht daran, dass durch pianistisches Können dem Klang unterschiedliche Farben zu verleihen sind, aber dennoch bleibt ein Grundcharakter. Es wäre ja auch äußerst wundersam, wenn der Steinway heute klingt wie Steinway, morgen wie Steingaeber, übermorgen wie Blüthner und nächste Woche wie Bösendorfer.

Die von Rolf und fisherman angesprochene Variierbarkeit des Klanges sehe ich nicht unbedingt nur vorteilhaft. Ferner entzieht es sich meiner Vorstellung, weshalb ein "vorgegebener" Klangcharakter das Spielen beeinträchtigen sollte. Kann mir das mal jemand erklären? Demnach wäre ja der beste Flügel derjenige, der nach buchstäblich nichts klingt. Je weniger "Eigenklang" umso höher die Variabilität? Tabula rasa zugunsten pianistischen Ausdrucks? Naja, eine gewöhnungsbedürftige Sichtweise, die ich nur theoretisch nachvollziehen kann. Praktisch ist mir immer noch nicht klar, weshalb dieser Vorzug letztlich doch zu Einheitsklängen führt. Und wir sprechen hier vom Klang (nicht von unterschiedlicher Interpretation).

LG, Sesam
 
Nun, das Argument mit der Dynamikbreite, das Rolf angeführt hat, muß man absolut gelten lassen. Und es gibt natürlich Instrumente mit vielen Möglichkeiten, den Klang unterschiedlich einzufärben, und solche, die "monochromer" sind, klar.

Was aber den "Eigenklang" (äußerst merkwürdiges, geradezu absurdes Wort!) betrifft: Daß es einige gibt, die bestimmte Klaviere für "klangneutraler" halten, liegt daran, daß diese lediglich einen bestimmten Klang (z.B. Steinway) gewohnt sind und diesen daher für eine Art klanglichen Nullpunkt halten, von dem alle anderen abweichen. Das ist natürlich Unsinn.

Bei Hosen könnte man ja auch sagen, Blue Jeans seien der neutrale Nullpunkt, alle anderen Hosen Besonderheiten, Abweichungen - es ist aber evident, daß es sich lediglich um eine global-kulturelle Entwicklung handelt, eine weltweite Geschmackskonvergenz (wie z.B. auch bei Anzügen oder Gestaltung von Shopping-Malls).

Bei Klavieren ist es ganz genauso.

LG,
Hasenbein
 
Jetzt wird es interessant ...
 
Ferner entzieht es sich meiner Vorstellung, weshalb ein "vorgegebener" Klangcharakter das Spielen beeinträchtigen sollte. Kann mir das mal jemand erklären? Demnach wäre ja der beste Flügel derjenige, der nach buchstäblich nichts klingt.

was soll das polemische sich ereifern?

hör Dir doch einfach mal das hier http://www.youtube.com/watch?v=aXBHF1iFoqc an, und zwar mit ganz besonderer Aufmerksamkeit im p Teil ab 1.19 und nochmehr dann ab 2.30

das Instrument ist ein typischer Steinway Konzertflügel, dessen Klaviatur stets extra leichtgängiger eingestellt war und der durchaus stets brillant gestimmt und intoniert war - - bei allen Teufeln: das klingt wärmer und voller, als andere Instrumente!!!

übrigens ist es auch eine polemische Behauptung, dass die Konzertflügel von Steinway "unpersönlich" und gar "neutral" klingen - die Wahrheit ist vielmehr: wenn auf denen gut gespielt wird, klingen die besser als die meisten anderen (auch dann, wenn auf denen gut gespielt wird). Dass andere Hersteller bestrebt sind, vergleichbare Instrumente zu bauen, ist eigentlich ganz normal. Der Steinway Klang ist keine neutrale Norm, sondern fantastisch - warum sonst werden solche Konzerte wie das Moskauer von Horowitz auf so einem Instrument gespielt? Glaubst Du gar, dass Horowitz ein Esel war, wenn es um das Aussuchen des Instruments ging?? Also: das kann ich mir nicht vorstellen!

und zu Deiner Frage: nur wenige andere Instrumente bieten dem Spieler dieselben Möglichkeiten - Bechstein und Steingraeber sind da ziemlich ähnlich und mechanisch ebenso verläßlich, Fazioli und Bösendorfer teilweise (für Rachmaninovkonzerte sind die nicht ideal). "vorgegeben" ist bei Steinway die Möglichkeit, alles von eiskalt-metallisch perkussiv bis warm und dunkel realisieren zu können - viele andere Instrumente haben diese Palette nicht: da kann man dann zwar sehr schön Chopinnocturnes spielen, aber Prokovevs Suggestion oder Mussorgskis Baba Yaga klingen etwas zu tantenhaft brav-sonor.

Gruß, Rolf
 
Hallo mal wieder -
was Rolf sagt, lässt bei mir Beipflichtung aufkommen. Hat lange gedauert, bis ich anfing, mich ohne Verkrampfung vor Steinway-Instrumenten zu verbeugen. ist aber am ende umso begründeter.
Was hasenbein sagt, macht mich zunehmend nachdenklich. An der Geschmackskonvergenz globaler Art könnte wohl was dran sein - und wäre womöglich gar nicht verwerflich.
Zum Vergleich: Orgeln sind heutzutage immer noch höchst individuell und unterschiedlich. Geigen, Bratschen, Trompeten, Pauken, wasauchimmer... sind einfach was sie sind, mit (im Publikum) recht marginal wahrnehmbaren, wenn auch in der Anschaffung bisweilen astronomischen Unterschieden. Saxofone haben die Klarinetten nicht überholt oder ersetzt, sondern ein eigenes Genre aufgemacht.
Wie wird es in hundert Jahren mit den Pianos sein? - Meine Ahnung ist diese: Entweder, alles konvergiert auf einen, anerkannt optimalen, Klangtyp hin. Oder, es schälen sich einige wenige, dann aber unüberhörbar deutlich unterscheidbare, Klangtypen heraus, die in je unterschiedlichen Situationen zum Einsatz kommen.
Und die ganze kostbare Vielfalt, wie wir sie von ca. 1870-1970 kennen, findet nur noch spielerisch mittels der Schaltknöpfe serienmäßig ausgestatteter Digis statt... sofern eine/r der Besiter/innen diese Knöpfe in Anfällen von Langeweile oder Müßiggang betätigt.........................

Gruß
Martin
PianoCandle


... was wird aus dem Klang?
 
Also, rolf, was ist denn "tantenhaft brav-sonor" für ein Klangbild ??:D

Tanten sind doch selten sonor....:lol:
 

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