Pianistische Klanggestaltung (war Anschlag)

Oh rolf, ich glaube, jetzt hast du bei aller Wahrheit ganz viele Leute hier unglücklich gemacht...

Und man vergisst wirklich allzu leicht, wie viele Fähigkeiten man beim Klavierspielen gleichzeitig braucht, die (besonders schwierig ab dem rationalen Lern-Alter) gleichzeitig erlernt und angewendet werden müssen.
Wie soll ein Mensch, der schon damit überfordert war, gleichzeitig auf die Straße zu gucken, zu lenken, zu schalten und seine Füße zu koordinieren, plötzlich die Noten lesen, den Rhythmus lesen, die Spielanweisung lesen, den Fingersatz lesen, sich all das merken, vorauslesen, die Tasten sehen und finden, die Finger sehen, den Fingersatz begreifen, die Finger koordinieren, wissen, welche Abstände man unter ihnen hat, 50 verschiedene Spieltechniken beherrschen und die richtige anwenden, mit rechts und links Pedal treten, hören, beurteilen, sich eine Meinung bilden, entsprechend Dinge verändern, Aufregung beherrschen?


NB - du solltest ein Klavierspiel-Nischen-Komiker werden. Bei aller Tragik des Inhaltes finde ich deine Ausdrucksweise herrlich :D
 
Oh rolf, ich glaube, jetzt hast du bei aller Wahrheit ganz viele Leute hier unglücklich gemacht...

Ich weisz nicht: Man kann @rolf s Einlassungen auch positiv interpretieren: Strengt euch nicht an, irgendetwas technisch Schwieriges herunterzustuempern, spielt stattdessen irgendetwas Leichtes schoen, das macht vielmehr Freude (dem Spieler und dem Hoerer!). Leider sind wir Laien immer ueberehrgeizig und meinen "alles" spielen zu koennen, ohne so viel wie "die Profis" ueben zu muessen. Ich werde eben nie Rach3 spielen oder Liszts h-moll-Sonate. Diese Stuecke sind einfach zu aufwendig.
Ich verstehe auch @rolf s Ratlosigkeit bezueglich des Unvermoegens mancher. Es mag am wenig ausgebildeten Gehoer liegen, aber auch am schlechten Unterricht, aber es liegt auch daran, dasz Laien selbst einfache Stuecke tatsaechlich ueben muessen und das oft nicht tun. Begruendung: "Ich kann ja die Noten."
Mich nerven manchmal "Laien-Profis", welche meinen, ohne viel ueben (insgesamt, nicht nur an dem fraglichen Stueck) oder verstehen zu muessen, hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Ich habe ja schon einmal von einer solch problematischen Situation in der Kammermusik erzaehlt. Nach einer Wiederholung einer Stelle in langsamem Tempo wird schon protestiert, dasz man doch bitte einfach spielen solle. Hinweise auf den Formbau, auf andere analoge Stellen, auf klangliche oder harmonische Besonderheiten werden einfach als verlorene Zeit abgetan, das Verstehen des Stueckes nicht als Notwendigkeit angesehen. Es ist und bleibt harte Arbeit, ein Stueck "vorspielreif" hinzubekommen.
Ich verstehe @rolf da sehr gut in seiner kompromisslosen Haltung.
Und ich bin nach wie vor der Meinung, dasz wir Laien zwar nicht wie Profis spielen aber wie Profis ueben koennen. Unsere begrenzte Zeit wird dann zwar sehr gute Ergebnisse nur bei einfachen Stuecken ergeben aber immerhin ist das dann anhoerbar. Ansonsten erzielt man Achtungserfolge, sollte sich aber der Maengel bewuszt sein (deswegen musz man aber nicht in Sack und Asche gehen).
Und es gibt so eine Art Grenze bei den Achtungserfolgen: Man spuert als Hoerer ziemlich genau, wenn jemand total ueberfordert ist.
Jannis
 
...tja [
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*) was er in seinem "Handbuch für Pianisten" auch ausführlich und ziemlich plausibel erklärt - nb sei angemerkt, dass Alexander-Tachnik keine spezielle "Klavierspiel-Technik" ist (!!!)

Nein, natürlich nicht.

Die Anwendung der Alexander- Technik ist nutzbringend für diejenigen, die sich ungünstiger " Gewohnheiten" bedienen und auf diese Weise ihre alltäglichen Handlungsabläufe nachteilig bis schädlich beeinflussen.
Lernvorgänge sollen dazu führen diese schlechten Gewohnheiten zu erkennen und zu vermeiden.

Das gilt für's Klavierspielen, Tanzen, Singen, Malen, Gartenarbeiten, Schreinern, Büroschlafen und so weiter und sofort.

Meine Äusserung ist nicht dogmatisch gemeint!
Beruflich fließen die oben genannten Beratungsangebote seit Jahren in meine Arbeit ein., bevor ich überhaupt wusste, dass es eine Alexander- Technik gibt. Hiervon habe ich erstmalig in R. Kratzers Buch gelesen.

Ein Beispiel: Rückenschmerzen

ich frage einen Patienten, ob er einen Hund oder Katze hat. Wenn dies bestätigt wird bedeutet dieses schon mal die halbe Miete, denn die Vierbeiner können als Eselsbrücke dienen. Meine nächste Frage bezieht sich auf das morgendliche Aufstehen. Aha, wenn der Wecker schellt springen aus dem Bett und .......
Okay, was macht ihr Haustier? Bei dieser Frage kommt, wie aus der Pistole geschossen die Antwort:"strecken"
Aha, das Tier bringt seinen Körper sozusagen auf Betriebstemperatur, bevor dieser in Bewegung gesetzt wird.

Die meisten Menschen haben die die schlechte Gewohnheit dieses zu unterlassen. Nicht gut!

Im alltäglichen Leben gibt es viele Handlungsabläufe, aber auch Gedanken die durch ungünstige Gewohnheiten negativ beeinflusst werden.

Um aufs Klavierspiel zurückzukommen: Ehrgeiz ist etwas Gutes! Übertriebener oder unrealistischer Ehrgeiz eher nicht, welcher eher hemmt.
Gesellschaftlich sin die meisten von uns auf Leistungserbringung getrimmt. Das macht Drück, was bis zu einem gewissen Maß nicht schlechtes ist. Zu viel Druck hemmt aber auch hier, insbesondere wenn wir ihn selbst aufbauen. Dann kann sich Hartnäckigkeit auch in der negativen Definition einstellen.

Starre Handgelenke, Arme , Schultern und vieles mehr gehören ebenfalls in diese Reihe .

Innehalten, nachdenken, vermeiden ( Alexander ) ist dabei hilfreich. Lernvorgänge können sich in Bewegung setzen oder nicht.

Leider ist zu sagen, dass wir dazu neigen in alte Gewohnheiten zurückzukehren, aber da helfen Eselsbrücken!

Wenn mir das passiert und ich es bemerke, sag ich zu mir " Ma-chen, was haste denn gestern dem Herrn Sowieso geraten?" Das ist meine Eselsbrücke :-)

Die gute Nachricht: Bei zunehmender Lernerfahrung treten die schlechten Gewohnheiten seltener auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Feine Anschlagsdifferenzierung zu erlernen, damit zu experimentieren usw - das ist nicht schwer. Man braucht dazu nicht mehr als Klangvorstellung, ganz normale Hände und völlig normalen Verstand.

Freude herrscht. Stolz und euphorisch blicke ich in die Zukunft. Machbar ist das Geforderte, der Erfolg wahrscheinlich!

Langsame leichte Stücke (was weiß ich, Schumanns von fremden Menschen und Ländern oder Bach Sinfonia e-Moll) sollte eigentlich jeder genauso klangschön wie die Profis hinkriegen können. [...]
Und nochmals: das 3. Scherzo ist innerhalb dessen, was technisch virtuos ist, ziemlich harmlos!!!

Das halte ich für eine Minimalanforderung, ganz ohne weitschweifiges Blabla wie man diesen oder jenen Ton binden oder absetzen oder sonstwie gestalten soll - wer solche Stücke nicht hinkriegt, der stümpert und stochert halt herum. peng aus.

Um dann wie eine Seifenblase zu zerplatzen…

Das Chopin Scherzo in cis moll Opus Nr. 39 wird von Henle als „schwer (Stufe 7,8)“ beschrieben. Und auch die Sinfonia in e moll weist eine Schwierigkeit von 5 nach Henle auf, was auch noch über meinen Möglichkeiten liegt.

Und damit versage ich schon bei den Mindestanforderungen. Wie breit die Spanne doch ist ! und wie gut, dass der (individuelle) Wert sich nicht rein rational bestimmen lässt. (Und nein, ich bin nicht beleidigt, eher erstaunt, beeindruckt. Und ich lerne,- mach ich gern:)
 
Hm, @rolf wenn die von dir genannten Dinge so leicht sind, woran liegt es dann, dass so viele sie nicht beherrschen? Das meine ich so:

"Leicht" ist Definitionssache.
Definiert man es am Vermögen der Leute, ist das leicht, was viele erlernen oder können, z.B. Zähneputzen. Das trifft auf die von dir gelisteten Klavierspielfähigkeiten nicht zu.
Zieht man eher eine "absolute" Messlatte heran und bezeichnet etwas als leicht, das viele nicht können, gibt es zwei Fragen:
1. Wer legt die Messlatte fest und was sind die Kriterien?
2. Wenn es gute Gründe für die Kategorisierung als "leicht" gibt: Warum können es dann so viele nicht?

zu (1): Ein Kriterium könnte sein, dass die Tätigkeit ähnlich zu einer anderen, gemeinhin als leicht geltenden ist, z.B. ein einfaches, aber unbekanntes Origami. Das ist beim Klavierspielen eher nicht so, auch wenn man darin viele "Alltagsbewegungen" anwendet.
zu (2): In dem Fall wäre der Grund, dass viele es nicht können, dass das Origami erst erklärt werden muss. Meinst du, dass das Unvermögen am schlechten Unterricht liegt? Dann wäre quasi das Problem verlagert von "leicht zu spielen" auf "(nicht) leicht zu lehren".
 
Seit geraumer Zeit beschäftigt mich eine Frage, die vielleicht keine Antwort kennt. Mit der Suchfunktion bin ich auch nicht fündig geworden, aber vielleicht könnt ihr mir ja weiterhelfen...

Wenn ich einer anderen Person beim Klavierspielen zuhöre, kann ich auf Grund der Varianz und Kontrolle des Anschlags oft sagen, ob es sich bei der Person um einen Anfänger oder einen erfahrenen Klavierspieler handelt. Da mit der Spielzeit auch die Erfahrung zunehmen sollte, würde ich jetzt bei Personen, die schon Jahrzehnte regelmässig Klavier spielen, erwarten, dass sie über die entsprechende Anschlagskontrolle verfügen. Dies scheint aber nicht so zu sein?

In meinem Bekanntenkreis kenne ich einige Personen, die schon mehr als 40 Jahre spielen. Einige hatten als Kinder und Jugendliche Unterricht und spielten damals schwere Stücke. Heute ist ihr Spiel angenehm. Sie spielen Stücke im mittelschweren Bereich und es klingt.. nett. Die vielen Jahre Erfahrung höre ich aber nicht...

Müsste nicht nach so vielen Jahren (mit Interesse) am Klavier, anschlagstechnisch mehr drin sein oder sind meine Erwartungen zu hoch?
Ich kommentiere das mal als jemand, der (nach ein bißchen Unterricht in grauer Vorzeit) auch schon Jahrzehnte immer wieder mal auf elektronischen Tasteninstrumenten gespielt hat: Vor einigen Jahren habe ich mir ein Hammermechanik-Digitalpiano zugelegt*), mit dem Ziel, an genau dieser Klangkontrolle zu arbeiten. Diese ist besser geworden, was ich in erster Linie auf die verbrachte Übezeit am Instrument zurückführe - die ist nämlich erheblich gestiegen. Es macht halt einfach mehr Spaß und mit Kopfhörern kann man auch rund um die Uhr üben.

*) Ein Klavier habe ich noch nie besessen.
 
Um dann wie eine Seifenblase zu zerplatzen…
...das ist ja durchaus typisch für Seifenblasen...
@Clavica damit du nichts missverstehst:
- die wunderlichen Henle-Schwierigkeitszahlen kannst du getrost vergessen (!!)
- das cis-Moll Scherzo von Chopin ist pianistisch betrachtet eher harmlos, denn verglichen damit sind zahlreiche andere beliebte Konzertstücke turmhoch schwieriger - aber dieses Scherzo sowie das in b-Moll und die g-Moll Ballade werden gerne von Hobbyspielern plump und ungelenk zerdroschen... Ich habe das cis-Moll Scherzo als warnendes Exempel (W. Busch) erwähnt: für die meisten Laien ist dieses Stück zu schwierig, man hört die Überforderung am zu trägen Tempo, am versagen bei der Klangkontrolle usw.
- die dreistimmige e-Moll Invention (Sinfonia) ist eher ruhig als beweglich, sie ist die leichteste der dreistimmigen; Bach war kein Idiot :-) Notenbüchlein sowie zwei- & dreistimmige Inventionen hat er für Anfänger bis fortgeschrittene Anfänger konzipiert. Ganz andere Kaliber aus Bachs Feder sind dann italienisches Konzert, WTK, Partiten und Goldbergvariationen ;-)

Leichte bis mittlere Klavierstücke klangschön, klanglich ausbalanciert, ausdrucksvoll & musikalisch zu spielen, sollte jedem Hobbyspieler möglich sein, sofern er 1. viel und akribisch und selbstkritisch übt und 2. durch guten Unterricht angeleitet wird bei seinen Bemühungen*). Und z.B. ein prächtig gespielter cis-Moll Walzer von Chopin ist allemal Lichtjare besser als ein cis-Moll Scherzo, dem man die überfordernde Mühe anhört (also wo man den Eindruck hat, dass da einer gerade so noch über die Hürde gekrochen ist, wo andere einfach drüberspringen...)

verständlich dargestellt?

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*) und was spieltechnisch darüber hinaus geht, das sollte man den eher rar gesäten musikalischen & manuellen Talenten überlassen - die gibt´s: das sind die, die bei JuMu die Preise kassieren (und teilweise beachtlich geschickt virtuose Konzertliteratur darbieten)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hm, @rolf wenn die von dir genannten Dinge so leicht sind, woran liegt es dann, dass so viele sie nicht beherrschen?
@Stilblüte ich weiß nicht, woran das liegt.

Ohren hat jeder.
Verstand auch (zumindest glaubt das jeder von sich)
Und wer Wert darauf legt, guten Unterricht zu nehmen, der kann solchen finden.

Kurzum: eigentlich sollten die Bedingungen, um klanglich differenziert klavierspielen zu können, zumeist herstellbar sein. Aber völlig richtig (!) bemerkst du, dass trotz dieser Bedingungen das erwünschte Ergebnis nur selten erzielt wird.

Ungeduld ist eine sehr häufige Ursache...
 
OT: Als ich heute erstmals den Titel des Themas las dachte ich nur: Bitte nicht schon wieder. Erschreckend, wie weit das Tagesgeschehen Einfluss auf die eigenen Assoziationen hat.

Mir geht es genauso (und das jedes Mal, wenn ich die neuen Themen aufrufe und dieses Thema dort erscheint).

Ein Wort, eine Assoziation. Fürs Klavier spielen finde ich diesen Ausdruck (wer auch immer ihn ins Spiel gebracht hat) unpassend. Wer schlägt denn auf seine Tasten (mit Ausnahme einiger, die auch seltsame Dinge in die Saiten stecken).
 
@Marlene
Ja, du hast Recht, ein schlechtes Wort. Habe den Titel geändert;)
 

@rolf

Ich habe Dich schon verstanden :) trotzdem Danke für die Erläuterungen!

Aber Rolf, Dein Ohr ist eine andere Klasse als das Ohr der Oma, Tante und vielleicht auch des Klavierlehrers. Bis etwas für Deine Ohren prächtig tönt muss Ottonormalverbraucher wahrscheinlich deutlich mehr Arbeit in ein Stück stecken als bis die „normalen“ Zuhörer es abnicken…

*grin* und jetzt stelle ich mal die These in den Raum, dass diejenigen, die tatsächlich einen für Dich prächtigen cis moll Chopin Walzer spielen können auch an dem Scherzo nicht zu brutal scheitern würden, - wohingegen die bemühten aber überforderten Scherzisten vielleicht auch schon dem Walzer keine Pracht gäben…



@Stilblüte

Leicht, schwer - das ist immer abhängig vom Standpunkt und der Erfahrung.

Im Karate (SKR) heisst es „Schwarzgurt machen ist nicht schwer. Jeder kann Schwarzgurt werden“ denn gemessen wird, wie gut der Karateka sein Potential „erfüllt“. Das dieses bei einem 20 jährigen athletischen Jungspund anders aussieht als bei einem 50jährigen bauchigen Familienvater versteht sich von selbst. Dementsprechend werden die Ansprüche angepasst. Mindestvoraussetzung ist aber jahrelanges Training und eine hinreichend korrekte Technik (was sich mit dem Training ergeben sollte).

Ist es nun leicht den Schwarzgurt zu machen oder nicht? *Ich* finde alles bis zum 4. Dan (ab da muss man vorgeschlagen werden und es wird politisch) „leicht“. Aber das sehen wahrscheinlich sehr viele anders als ich...
 
Die ganze Klammer muss weg. Das "war" ist nur im Deutschen harmlos.
 
@Marlene ,@Klavirus

Hatte zuerst keinen Verweis auf den alten Titel, dann aber überlegt, dass jemand der den Namenswechsel nicht mitbekommen hat, verwirrt werden könnte, und deshalb auf den alten Namen verwiesen... "Pianistische Klanggestaltung und Anschlag" neben einander erschien mir dann auch nicht als so assoziativ brutal.

Natürlich ist der "Kriegsanschlag" auch nicht das Gelbe vom Ei aber Ich habe fast das Gefühl, dass ich das mit dem Titel nicht mehr zu aller Zufriedenheit flicken kann :(

Auf Dauer entferne ich aber gerne die Klammer.
 
Nu lass mal wie es ist. Wenn hier Handlungsbedarf bestehen würde, hätten Troubadix oder ich schon was gemacht. Haben wir aber nicht, weil es nicht falsche Worte sondern falsche Assoziationen sind.
 

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