Hi,
hab mal Niecks, beide Bände, ( pdf ) etwas abgeklopft, auf Begriffe wie "moll", "slaw..", "zigeu..", "Tonleiter" und so. Etwas friemelig... . Band 1: Nix dolles. Band 2: immerhin etwas.
Empfehle auch, da einige Jahre ins Land gegangen sind seit Niecks, eventuelle neuere Forschungsergebnisse nicht auszuschließen, beim Lesen.
Also: Niecks, Fryderyk Chopin, Band 2 , Seitenzahlen 236 / 237 des BUCHES immerhin erstmal folgendes:
[...] Es ist ein Irrthum, jede Eigenthümlichkeit, welche seine Musik von der anderer Meister unterscheidet, auf Rechnung seiner Nationalität zu setzen und in der polnischen Nationalmusik verfolgen zu wollen; andererseits aber ist nachdrücklich zu betonen, dass dieselbe ihn mächtig inspirirt und in seiner Entwickelung geleitet hat. Die beiden einzigen Gattungen seiner Compositionen, in denen sich auch die nationale Form ausprägt, sind seine Mazurka's und Polonaisen, und zwar, was nicht zu übersehen ist, entschiedener in der ersteren, dem Tanze des Volkes, als in der letzteren, dem Tanz der Aristokratie.
In Chopin's Mazurka's finden wir nicht nur viele der charakteristischen Rhythmen, sondern auch viele nicht weniger charakteristische melodische und harmonische Züge dieses beliebtesten aller polnischen Tänze.
Die polnische Nationalmusik schliesst sich im Wesentlichen der die moderne Musik beherrschenden Tonalität, d. h. unserem Dur und Moll an, theilweise aber erinnert sie auch an andere Tonarten, z. B. an die alten Kirchentöne und an die der Musik Ungarns, der Wallachei und benachbarter Länder, ( 1, Fußnote ) Der Melodieschritt der übermässigen Quarte und der grossen Septime erscheint häufig, der der übermässigen Secunde gelegentlich.
Terzensprünge nach oder vor einem oder mehreren Secundenschritten sind nicht selten. Bezüglich dieser Terzensprünge sei erwähnt, dass sich auch Melodien finden, welche augenscheinlich auf eine, einer Stufe unseres Dur und Moll ermangelnde, d. h. statt eines Secundenschrittes einen Terzenschritt enthaltende Scala gegründet sind. ( 2, Fußnote ) Die Anfangs- und Schlussnote steht oft im Verhältniss einer Secunde, zuweilen auch in dem einer Septime. Die zahlreichen melodischen Eigenthümlichkeiten sind nicht wohl auf eine Tonart oder ein einfaches Tonarten-System zurückzuführen. Zeit und Art des Ursprungs haben Antheil an der Gestaltung einer Melodie; auch müssen politische, sociale und locale Einflüsse, sowie unmittelbar musikalische — die mittelalterliche Kirchenmusik, die orientalische Nationalmusik — mit in Betracht gezogen werden. Von den meisten polnischen Melodien kann man sagen, dass sie ebenso capriciös wie pikant sind.
Jeder Versuch, sie unserm Tonsystem entsprechend zu harmonisiren, muss misslingen; viele von ihnen würden, da sie wesentlich melodisch und nicht harmonischen Ursprungs sind, durch jegliche Art der Harmonisirung verdorben werden. ( 3, Fußnote ) Um jedoch diesen Gegenstand erschöpfend zu behandeln, würde man ganzer Bände bedürfen und sich gründlicher mit ihm beschäftigt haben müssen, als ich es gethan.
Die folgenden Melodie-Proben werden das Gesagte bis zu einem gewissen Grade illustriren, obwohl sie weniger zu dem Zwecke gewählt sind, die polnische Nationalmusik selbst, als vielmehr Chopin's Verhältniss zu derselben zu charakterisiren:
( Notenbeispiel Niecks, siehe unten als kleine Datei ).
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1 ) Die streng diatonischen Kirchentonarten (welche nicht mit den gleichnamigen altgriechischen Octaven-Gattungen zu verwechseln sind) unterscheiden sich von einander durch die Lage der beiden Halbtöne: Die Jonische entspricht unserm C-dur; die Dorische, Phrygische, Lydische, Mixolydische, Aeolische etc. sind die Tonleitern von d, e, f, g, a etc., aber ohne Versetzungszeichen. Das charakteristische Intervall der ungarischen Scala ist die übermässige Secunde (a, h, c, dis, e, f, gis, a).
2 ) Kenner der schottischen Nationalmusik werden in der polnischen mancherlei zu einem vergleichenden Studium der beiden Gattungen Anregendes finden.
3 ) Zum gründlicheren Studium dieses Gebietes kann Oskar Kolberg's Piesni Ludu Polskiego (Warschau, 1857) als die werthvollste Sammlung polnischer Volksgesänge empfohlen werden. Charles Lipinski's Sammlung, Piesni Polski e Ruskie Ludu Galicyjskiego ist, wenn auch weniger bedeutend, doch ebenfalls bemerkenswerth.
LG, Olli
PS.: Ich persönlich glaube, dass diese, für manche etwas "fremdartigen" Klänge bei einigen einfach " da sind ", sie sind seit der Geburt "im Ohr", sei es, durch das Aufwachsen in schöner Natur, Steppenlandschaften, durch die der Wind pfeift, das Hören uralter Volkstümlicher Melodien, die noch älter sind, als sogar der älteste Slawe, könnten ebenso mit eine Rolle spielen, oder "Naturtöne", die man irgendwie "hört", zwischen dem Rauschen des Windes, oder dem Plätschern eines Baches oder so, und so finden wir dies bei Chopin, und auch, wie Rolf sagte, ganz oft bei Liszt, und ein sehr schönes Beispiel bei Liszt ist zum Beispiel die eine a-Moll-Rhapsodie, die so langsam beginnt, die 13. ( Aber nat. auch mannigfaltige andere, meines Erachtens. )