Musik, die einem nahe geht

Wie ihr Euch unschwer vorstellen könnt, ist das für mich ganz anders:D

Absolut nicht unschwer! Ich kann es mir eigentlich garnicht vorstellen ^_^

Ich vergleiche in Nachfolgendem absolut identisch 1:1 Sprache und Musik!
Was hinter Sprache steckt, steckt im Grunde auch hinter Musik.

Da gibts aber, zumindest aus meiner Sicht, einen gewaltigen Unterschied:

Sprache bezieht sich auf eine vorhandene Realität bzw. Erfahrung. Ich gebe etwas in Worten wider, das real ist oder das ich wenigstens quasi-real erlebt habe (z.B. Polts Traum als römischer Kaiser :D )



Zuerst einmal: Wie lernt man Sprache? Natürlich einmal die Buchstaben, dann Wörter, einfache Sätze, dann, mit der Zeit und genügend Wortschatz einen komplizierteren, verschachtelten Text. Man lernt sie hörend und man lernt sie zu erzählen usw. bis man ein Buch (vor)lesen kann. Dann kann man noch Atemtechniken als Sprecher erlernen wie ein Fernsehansager. Das alles fällt in die Kategorie "erlernbar" - Das ist was ein Sprachlehrer vermittelt.

Die Realität existiert auch ohne daß man Buchstaben und Worte lesen/schreiben kann. Musik existiert auch, ohne daß man Noten und Musiktheorie kennt. Soweit stimmt der Vergleich.


Kommen wir nun zu den Inhalten: Sprache vermittelt Ideen, Absichten, Werte, Gefühle, Emotionen etc. eine Beschreibung von der inneren und der äußeren Welt des Sprechenden. Das heisst, die Wörter sind nicht aneinandergereihte Buchstaben, sondern gefüllt mit Inhalten, die der Sprecher dem Zuhörer mitteilt.

Jetzt die große Frage: was ist der Inhalt der Musik?
Lieder haben zumindest einen Textinhalt, aber was ist z.B. der Inhalt eines Menuetts oder eines Ragtimes? Der Inhalt einer Fuge oder einer Sonate?

Ich denke, Musik teilt erstmal sich selbst mit, Gefühle, die beim Hörer ausgelöst werden, sind ein Nebenprodukt, das eigentlich nichts mit der Musik zu tun hat. Musik ist Rhythmus, Melodie und Harmonie (Akkorde).

Die Idee, daß Musik im Grunde nichts anderes sei als eine Gefühlsäußerung, ist ja von den Romantikern gehegt und gepflegt worden. Aber wenn man sich die Kompositionen anschaut, dann ist da sehr viel Rationalität drin.

Die Emotionalität ist in erster Linie ein Ergebnis der Interpreten, und man kann mit ein und demselben Stück ganz unterschiedliche Gefühlslagen ausdrücken.

Das Erstaunliche: Die Buchstaben, sogar die Wörter sind eigentlich ganz nebensächlich, wenn der Inhalt befördert wird.

Wenn du die in einer Interpretation vermittelten Gefühle als Inhalt der Musik betrachtest, dann kann man das natürlich so sehen.

Diese Art von Inhalt interessiert mich persönlich aber eigentlich nur am Rande - hängt natürlich auch vom jeweiligen Stück ab. Mich interessiert aber vor allem die Struktur der Musik, also die melodischen und rhythmischen Motive und die Harmonik.
 
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Also ich bin sehr gegen die Annäherung von Sprache und Musik, denn Musik hat keine Semantik! Musik ist eben kein Zeichensystem. Ich denke, ihre Verwendung zum Ausdruck irgendwelcher Dinge beruht praktisch ausschließlich auf ihrer Fähigkeit, emotionale Auswirkungen zu haben, oder sonst auf anderweitigem Weltwissen (musikalische Parodie oder sowas).
 
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Jetzt die große Frage: was ist der Inhalt der Musik?
Lieder haben zumindest einen Textinhalt, aber was ist z.B. der Inhalt eines Menuetts oder eines Ragtimes? Der Inhalt einer Fuge oder einer Sonate?
Das ist relativ einfach erklärt: Wie schafft es ein Maler mit einem einzigen Bild, welches genau genommen nur der kürzeste Abschnitt von fortlaufender Zeit ist, emotionales Geschehen, Bewegung und Geschwindigkeit im Auge des Betrachters hervorzurufen? Eine komplette Geschichte, wie sie ein Bild erzählen kann, benötigt nicht bewegte Sequenzen.

Der Spass daran ist, dass dem Betrachter etwas Freiraum bleibt. Es muss nicht Überladen sein mit Gefühlen und Massen. Das Geheimnis liegt in der Einfachheit der Dinge. Eine einzige Idee über das Thema, was auch immer - aber präzise, das heisst vollkommen von A nach B übertragen, und das kann genausogut die verrückte Idee sein, dass ich die Kaiserin bin, die gerne diesen Tanz tanzt, kann der Inhalt eines Menuetts sein. Das Gefühl halte ich aufrecht vom Beginn des Stückes bis zum Ende bzw. bis der letzte Zuhörer den Sinn verstanden hat.

Musik ist Rhythmus, Melodie und Harmonie (Akkorde).
Das ist die Struktur der Musik nicht das Warum der Musik. Hinter dem Warum steckt die Idee - es kann natürlich reine Lebensfreude und Bewegungsfreude hinter Rhytmus stecken, aber es steckt dahinter.


Mich interessiert aber vor allem die Struktur der Musik, also die melodischen und rhythmischen Motive und die Harmonik.
Das ist eine legitime Betrachtungsweise, sowie 'Kleines Cis' die Semantik der Sprache wichtig ist. All dies ist sehr spezialisiert!

Wenn ich ein Gebäude betrachte, interessiert mich als Architekt, wie die Proportionen der Einzelteile zueinander stehen, als Mediziner, welche Materialien verwendet wurden und ob die Raumluft erträglich ist, als Ingenieur, wie die statische Konstruktion ist und ob sie hält, als Feuerwehrmann, ob genügend breite Ausgänge vorhanden sind, aber als Beobachter ohne Spezialhintergrund betrachte ich es ganz ohne dem Drumherum und sage OH - ist das schön!

Ich sehe deswegen nicht weniger, sondern vielleicht sogar mehr bzw. ganz andere Dinge an diesem Gebäude - und genau so sollte es sein, wenn man Musik hört, denn dann ist es egal, ob es sich um Jazz, Romantik, Klassik oder Pop handelt, man wird die dahinter befindlichen Ideen erfassen können und mitschwingen lassen.

Als bedeutender Molekularbiologe kann ich mitunter nur mehr mit ein paar Dutzend Leuten auf dieser Erde sprechen. Es mag gut und weltverändernd sein, aber es geht an den meisten Leuten vorbei.:wink:

Mache ich Musik für Menschen oder Spezialisten? Das ist eine wie mir scheint sehr wichtige Frage.


LG
Michael
 
hallo,

ich weiss nicht (ehrlich nicht!!), ob man sich dem Phänomen "berüherende, nahe gehende Musik" nähern kann - ich bezweifle auch, dass sich das, was ein Musikstück bewirkt bzw. ausdrückt, tatsächlich versprachlichen lässt.

Als Exempel: Wagner hat das Orchester-Vorspiel (andere Komponisten nennen so etwas Ouvertüre oder wenns kurz ausfällt Preludio, z.B. Verdi) zu seinem "Musikdrama" (es ist eine Oper, nicht mehr, aber auch nicht weniger!) Tristan und Isolde komponiert, daran besteht kein Zweifel, und es ist fantastische Musik (woran auch kein Zweifel besteht, allerdings muss es nicht jedem gefallen); später hat er sprachlich versucht, den "Inhalt" oder "Gehalt" dieses Vorspiels darzustellen - - - das Musikstück selber sagt freilich viel mehr, als diese erwähnte Versprachlichung.

bräuchten wir Musik, mit all der Mühe, die sie bzgl. der Aufführung macht, wenn man sie einfach "erzählen" könnte? ich glaube nicht, dass wir sie dann tatsächlich (noch) bräuchten. (((drei Klammern auf: freilich kann man sich auch auf den Standpunkt stellen, dass man keine Literatur braucht, wenn man selber das lesen aufgegeben hat - es ist also auch immer die Frage, wer was mit welchem Interesse frägt... :) drei Klammern zu)))

ob allerlei "Kulturleistungen" sich aus evolutionistischer und biologischer Perspektive auf die quasi Schulterbehaarung von Gorillas reduzieren lassen, bezweifle ich - sicher ist der Aspekt "Kultur als Gunsterwerbstechnik" auch vorhanden, aber er erklärt gewiss nicht restlos alles (ebenso wie die Überlegungen der Neurobiologie zum "freien Willen" nicht alles erklären, sondern lediglich einen interessanten Ansatz der Beschreibung aus einer einzigen Perspektive bieten - bedenkenswert allemal, aber keine absolute Wahrheit)

eine andere Frage ist: brauchen wir Wissen, gar "Insider-Wissen" (Harmonielehre, Musiktheorie, Musikästhetik, Musikgeschichte; überhaupt kulturgeschichtliche Kenntnisse), um Musik verstehen zu können oder wenigstens, um für sie empfänglich sein zu können bzw von ihr berührt werden zu können? -- ich fürchte (sic), wir brauchen das tatsächlich teilweise, und zwar in dem Sinn, dass wir kulturell geprägt sind. so wie z.B. mir die Schönheit einer "Peking-Oper" sich nicht selbstverständlich erschließt, so kann es einem Menschen aus gänzlich anderer Kultursphäre völlig unverständlich sein, dass wir "Abendländer" eine Klaviersonate von Mozart schön finden. ---- es gilt also gewiss auch (nicht nur), zu berücksichtigen, in welchem soziokulturellen Umfeld die hier gestellte Frage beleuchtet wird.

in diesem Sinne ist unser "freier Wille" partiell eben auch kulturell vorgeprägt, beeinflusst (was jetzt allerdings nicht heisst, dass die Neurobiologie 100%ig recht hätte) :) ...ja unsere Empfindungen und Wahrnehmungen sind auch teilweise "kulturell" gefärbt (man könnte da bei Kleist manches lesen)

aber wie auch immer das von außen erscheinen mag: innen gibt es das Phänomen des "von Musik gerührt seins" auf jeden Fall. Es kommt tatsächlich bei manchem vor, dass er/sie von einem Musikstück "wie erschlagen" ist.

freuen wir uns darüber!!!

Gruß, Rolf
 
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Mache ich Musik für Menschen oder Spezialisten? Das ist eine wie mir scheint sehr wichtige Frage.

Für wen macht man Musik - das ist tatsächlich eine zentrale Frage.
Jeder Musiker wird seine eigene Antwort darauf geben.
Ich mach ganz bestimmt keine Musik für Spezialisten. In erster Linie mache ich Musik, weil sie mich interessiert, also für mich. Wenns anderen gefällt, schön, wenns ihnen nicht gefällt, dann gefällts ihnen halt nicht. Das ist nicht mein Problem. Wenns überhaupt niemandem gefällt, dann gibts immer noch einen, dems gefällt und der weiß, was er tut und warum er es tut. In der Hinsicht bin ich schon ziemlich arrogant ^_^
 
Klaviermacher, Du triffst absolut des Pudels Kern. Sehr schön durchdacht und anschaulich dargestellt. Du hättest Professor werden sollen!
Danke! Warum eigentlich Professor? Ich hab gar nicht so einen großen Wortschatz und meide lat. und ganz besonders franz. Wörter ;)

ob allerlei "Kulturleistungen" sich aus evolutionistischer und biologischer Perspektive auf die quasi Schulterbehaarung von Gorillas reduzieren lassen, bezweifle ich
*rofl*


In erster Linie mache ich Musik, weil sie mich interessiert, also für mich... In der Hinsicht bin ich schon ziemlich arrogant ^_^
Ein echter Klaviergott eben:D:rolleyes:

LG
Michael
 
Hallo Rolf,
*rofl" - Rolling on (the) floor laughing von hier
Gorilla und Kultur genügt mir :wink: - Ich ließe mir auch gerne erklären was eine Mikrobe mit Beethovens 9ter am Hut hat.

LG
Michael
 
Zitat Klaviermacher:
Warum eigentlich Professor? Ich.... meide lat. und ganz besonders franz. Wörter

Genau deswegen, Klaviermacher. Dich versteht man wenigstens, während ich doch einige Profs erlebt habe, die stolz darauf waren, wenn die Studenten nicht einmal ihre Fragen verstanden hatten. Es hob ihren Scheffel noch ein wenig höher, aber unter guter Lehre verstehe ich eher die Art Deiner Ausführungen, egal ob hier im philosophischen Bereich oder an anderer Stelle bei Themen der Klavierwartung.

So und nun zurück zum eigentlichen Thema......
 
Hmm, ich glaube kaum, dass man eindeutig festellen kann warum manche Stücke berühren und andere nicht. Ich persönlich finde es auch garnicht so wichtig. Musik hat teilweise eben etwas Mystisches, unergründliches, auch wenn es dadurch nicht gleich "beliebig" wird.

Brecht hat mal gesagt "Zerpflücke eine Blume, und jedes Blatt ist schön". Intakte Blüten finde ich aber doch etwas schöner.
 
Genau deswegen, Klaviermacher. Dich versteht man wenigstens, während ich doch einige Profs erlebt habe, die stolz darauf waren, wenn die Studenten nicht einmal ihre Fragen verstanden hatten. Es hob ihren Scheffel noch ein wenig höher, aber unter guter Lehre verstehe ich eher die Art Deiner Ausführungen, egal ob hier im philosophischen Bereich oder an anderer Stelle bei Themen der Klavierwartung.

So und nun zurück zum eigentlichen Thema......
Danke, Klimperline!

Ich will das Thema nun abkoppeln von Dingen, die Zufall sind und die man nicht groß beinflussen kann, von jenen Dingen, die man tun kann, und das Ergebnis beeinflussen.

Zufälle sind: Stromausfall, ein Saite reisst während des Vortrags, im Publikum kippt jemand zusammen, ein Blitz schlägt in das Gebäude ein, und das Pedal beginnt zu quitschen und knarren, etc.

Keine Zufälle sind: Ich habe genügend geschlafen und habe ausreichend gegessen und getrunken vor dem Konzert. Mein Programm ist mir bekannt, und ich habe mich darauf technisch bestens vorbereitet. Ich habe alle Phrasierungen auswendig im Kopf und kann jederzeit von jedem beliebigen Punkt einsteigen in das Stück, etc. etc.

Ein wesentlicher Punkt zum Thema "keine Zufälle", und darauf ziehlt der gesamte Thread ab, ist: Ich weiss wie, und dass ich das Publikum/den Zuhörer erreichen kann. Erreichen im Sinne von innerlich treffen, erschüttern, erschlagen, rühren etc. - die Musik wird in seinem Kopf lebendig.

Das ist nicht nur ein Thema aus Langeweile, und es steckt sicher nichts Mystisches dahinter. Es geht schlicht und weg darum, mit der Tätigkeit des Musizierens, Gedanken, Ideen und Gefühle so zu befördern, dass sie ankommen. Das sollte keineswegs in komplizierter Weise geschehen. Alles was es dazu braucht ist eine in gewisser Weise erlernbare Fähigkeit.

Wieviele MusikerInnen stellen sich vor, wenn Orchesterstellen frei werden wie hier? Sind es 300 oder 400, mehr? Man muss natürlich sein Instrument excellent beherrschen, das ist klar;) Und wenn man alle nötigen Unterlagen beigebracht, alles gut vorgespielt hat und kein einziger Fehler im Aufnahmeprogramm war....liegt es dann am Gesicht, wenn man nicht genommen wird? Braucht es Glück? Braucht es einen der hinten anschiebt? Nichts davon, auch wenn allgemein kolportiert wird, es wäre so. Das Geheimnis, der "Gral" findet sich genaugenommen schon in diesem Thread.

LG
Michael
 

Ein wesentlicher Punkt zum Thema "keine Zufälle", und darauf ziehlt der gesamte Thread ab, ist: Ich weiss wie, und dass ich das Publikum/den Zuhörer erreichen kann. Erreichen im Sinne von innerlich treffen, erschüttern, erschlagen, rühren etc. - die Musik wird in seinem Kopf lebendig.

Sorry, daß ich mich doch nochmal einmische.

Natürlich gibt es das pianistische Handwerkszeug. In bezug auf die Technik genauso wie auf die musikalischen Ausdrucksmittel.

Aber die Frage ist halt, ob das wirklich reicht. Ob Musik tatsächlich so machbar ist, wie es von einigen Lehrern (ich bin jetzt ganz vorsichtig und nenne keine Namen ;) ) verkündet wird.

Auch die besten Pianisten haben gute Tage und schlechte Tage. Obwohl sich an ihrer grundsätzlichen Fähigkeit zum Klavierspielen nichts ändert, springt am einen Tag der Funke über zum Publikum, an einem anderen gelingt das nicht.

Ob das wirklich nur daran liegt, ob jemand gut ausgeschlafen ist und akkurat geübt hat?

Ich behaupte: da wo's wirklich an das Innerste in der Musik geht, da ist nur sehr, sehr wenig beeinflußbar - meistens bewirkt dann ein Zuviel an Gut-Spielen-Wollen genau das Gegenteil.

Wieviele MusikerInnen stellen sich vor, wenn Orchesterstellen frei werden wie hier? Sind es 300 oder 400, mehr? Man muss natürlich sein Instrument excellent beherrschen, das ist klar;) Und wenn man alle nötigen Unterlagen beigebracht, alles gut vorgespielt hat und kein einziger Fehler im Aufnahmeprogramm war....liegt es dann am Gesicht, wenn man nicht genommen wird? Braucht es Glück? Braucht es einen der hinten anschiebt? Nichts davon, auch wenn allgemein kolportiert wird, es wäre so. Das Geheimnis, der "Gral" findet sich genaugenommen schon in diesem Thread.

klaviermacher, du sprichst in Rätseln ^_^

Klar, gute Musiker spielen besser als mittelmäßige, und nur die besten werden genommen. Aber wir wissen immer noch nicht, was eigentlich der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Musiker ist.
Am Tempo allein kann es nicht liegen. ^_^
 
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Ob Musik einen tief bewegt, umhaut, trifft oder wie immer man es nennen will, hängt für mich davon ab, wie sehr sie die "Saiten" in uns zum Schwingen bringt, die die ganz starken Emotionen auslösen. Ich stelle mir uns Zuhörer dabei wie Instrumente vor, die eben nur dann richtig zum Klingen gebracht werden, wenn sie - technisch gesagt - an der resonanten Stelle gezupft oder angeschlagen werden. Und diese Resonanz hängt von der nie gleichen Stimmung im doppelten Sinn des Wortes ab (schließlich haben nicht einmal auf Resonanz hin konstruierte technische Dinge wie Antennen ganz zuverlässige Resonanzfrequenzen).
Für die sich mühenden Musiker ist das wahrscheinlich undankbar, wenn selbst der jeweilige Zuhörer nie sicher sein und vorhersagen kann, ob ihn jetzt ein bestimmtes Stück oder eine bestimmte Interpretation so richtig "umhauen" oder anrühren wird oder er es "nur" schön oder anregend finden wird. Ok, bestimmt können jetzt Musikpsychologen und Profi-Komponisten sagen, mit welchen Kunstgriffen sich zuverlässig eine Annäherung auf +/- 17,3% der Resonanzfrequenz bei 85,4% der Zielgruppe generieren lässt... Aber den Wow-Effekt können sie doch nicht garantieren.
Gerade weil es immer wieder diese überraschenden packenden Momente aus heiterem Himmel und unerwarteten musikalischen Ecken gibt, habe ich es aufgegeben, ernsthafter nach den jeweiligen Faktoren zu suchen (diese kleinen Grale kommen hoffentlich immer wieder zuverlässig angetapst;))
cw4ever
 
Gerade weil es immer wieder diese überraschenden packenden Momente aus heiterem Himmel und unerwarteten musikalischen Ecken gibt, habe ich es aufgegeben, ernsthafter nach den jeweiligen Faktoren zu suchen (diese kleinen Grale kommen hoffentlich immer wieder zuverlässig angetapst;))
cw4ever
Dieses Überraschungsmoment und das Unerklärliche daran sind mE gerade das, was es so besonders macht. Deshalb finde ich es fragwürdig, diese Faktoren aufdecken zu wollen. Nichts tötet für mich musikalischen Genuß so sehr wie blanke Vorhersehbarkeit

lg marcus
 
Dieses Überraschungsmoment und das Unerklärliche daran sind mE gerade das, was es so besonders macht. Deshalb finde ich es fragwürdig, diese Faktoren aufdecken zu wollen. Nichts tötet für mich musikalischen Genuß so sehr wie blanke Vorhersehbarkeit

lg marcus

Das Aufdecken ist kein Problem. Denn "machen" kann man es deshalb trotzdem nicht. Ich denke, man kann sehr wohl beschreiben, was passiert. Nur kontrollieren kann man es nicht.



Ich will noch einmal das Bild vom Acker und den Steinen bemühen. Das Gras kann nur von selber wachsen. Das heißt, das "Wunder" des Berührtseins und der Verbundenheit zwischen den beteiligten Menschen (Komponist, Musiker, Zuhörer) kann man nicht "machen" oder planen, es kann nur von selber geschehen.

Was man als Musiker und Zuhörer aber tun kann, ist, die Steine aus dem Acker zu entfernen, also für möglichst gute Bedingungen sorgen. Dazu gehört für den Spieler, dass er das musikalische Handwerk möglichst gut beherrscht (Beherrschung der musikalischen Ausdrucksmittel und der Spieltechnik, auch Wissen über Musiktheorie, Musikgeschichte etc.). Auch ausgeschlafen zu sein, richtig gegessen zu haben usw. gehört dazu.

Aber am wichtigsten - für den Spieler und den Zuhörer - ist die Fähigkeit zur Entspannung, zum Loslassen, zum Sich-einlassen, eben zum Geschehen-lassen, das was bei Kindern die Fähigkeit zum Staunen und Sich-Überraschen-lassen ist. Das ist etwas, was in unserer Gesellschaft ziemlich schwierig ist. Unsere Welt ist so technisiert und so aufs "Machen" konzentriert, dass wir alle mehr oder weniger stark gestresst und angespannt sind und deshalb nur schwer loslassen können.

Etwas anderes, was ich für sehr wichtig halte und was mit dem Loslassen verwandt ist, ist die Bereitschaft, sich berühren zu lassen. Das heißt, dass man Musik nicht wie eine "Sache" konsumieren darf, sondern sich von ihr berühren und verändern lassen muss. Diese Offenheit für Berührung und Veränderung ist in unserer Gesellschaft ebenfalls schwierig, weil wir in einer so auf Wettbewerb und Kampf eingerichteten Welt leben, dass wir alle einen inneren Schutzwall brauchen.

Die durch die Berührung von außen ausgelöste innere Veränderung ist jedoch nichts passives, sondern etwas aktives. Es ist die Antwort des Organismus auf die Berührung. Diese Aktivität kann man aber nicht willkürlich "machen", sie ist die natürliche Folge echter Berührtheit. Man muss also erst einmal alles scheinbar Aktive loslassen - machen, planen, prognostizieren, kontrollieren -, um berührt werden zu können und dadurch zum wirklich Aktiven zu kommen, nämlich zu dem Gefühl, dass sich innerlich "etwas rührt", etwas Schöpferisches, etwas Kreatives, etwas Verbindendes. Dieses Gefühl ist das eingangs bezeichnete "Wunder", von dem auch Klaviermacher spricht (jedenfalls verstehe ich ihn so).

Man sollte also üben, Musik nicht zu konsumieren (was leider viel zu großen Raum einnimmt...), sondern ihr wirklich zuzuhören. Musikhören als Meditation. Als Spieler genauso wie als Zuhörer.

Der Musik können wir - unter anderem aus entwicklungspsychologischen Gründen, die ich hier aus Platzgründen besser nicht ausführe - am ehesten erlauben, uns (trotz der widrigen Gesellschaftsbedingungen) durch unseren Schutzwall hindurch zu berühren. Der Mensch ist nun mal ein spezielles "Tier" und braucht die Berührung von außen und die dadurch ausgelöste innere Entwicklung. Deshalb ist die Musik für die psychische Gesundheit unabdingbar und wird grundsätzlich von fast allen Menschen als sehr wichtig empfunden.

Grüße von
Fips
 
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Was aber am wichtigsten ist, ist die Fähigkeit zur Entspannung, zum Loslassen, zum Sich-einlassen, eben zum Geschehen-lassen, das was bei Kindern die Fähigkeit zum Staunen und Sich-Überraschen-lassen ist. Das ist etwas, was in unserer Gesellschaft ziemlich schwierig ist. Unsere Welt ist so technisiert und so aufs "Machen" konzentriert, dass wir alle mehr oder weniger stark gestresst und angespannt sind und deshalb nur schwer loslassen können.

Etwas anderes, was ich für sehr wichtig halte und was mit dem Loslassen verwandt ist, ist, dass man bereit sein muss, sich berühren zu lassen. Das heißt, dass man Musik nicht wie eine "Sache" konsumiert, sondern sich von ihr berühren und verändern lässt. Diese Offenheit für Berührung und Veränderung ist in unserer Gesellschaft ebenfalls schwierig, weil wir in einer so auf Wettbewerb und Kampf eingerichteten Welt leben, dass wir alle einen inneren Schutzwall brauchen.

hallo Fips7,

verzeih mir, dass ich nicht alles zitiere - es wäre es wert!

ich ergänze Deinen verständigen Beitrag lediglich um eine zusätzliche Perspektive: man muss für Musik empfänglich sein und das auch wollen - sich passiv abwartend hinzusetzen mit der Forderung "so nun zeig was du drauf hast, Frau Musica, und berühre mich mal" wird nicht funktionieren.

loslassen, zulassen, empfänglich sein - bereit sein und sich gegebenenfalls auch darum bemühen zu wollen (sic! Musik ist nicht immer automatisch sofort verständlich, sie gibt viel, aber sie manchmal fordert sie auch viel)

liebe Grüße, Rolf
 
Aber am wichtigsten - für den Spieler und den Zuhörer - ist die Fähigkeit zur Entspannung, zum Loslassen, zum Sich-einlassen, eben zum Geschehen-lassen, das was bei Kindern die Fähigkeit zum Staunen und Sich-Überraschen-lassen ist. Das ist etwas, was in unserer Gesellschaft ziemlich schwierig ist. Unsere Welt ist so technisiert und so aufs "Machen" konzentriert, dass wir alle mehr oder weniger stark gestresst und angespannt sind und deshalb nur schwer loslassen können.

Etwas anderes, was ich für sehr wichtig halte und was mit dem Loslassen verwandt ist, ist die Bereitschaft, sich berühren zu lassen. Das heißt, dass man Musik nicht wie eine "Sache" konsumieren darf, sondern sich von ihr berühren und verändern lassen muss. Diese Offenheit für Berührung und Veränderung ist in unserer Gesellschaft ebenfalls schwierig, weil wir in einer so auf Wettbewerb und Kampf eingerichteten Welt leben, dass wir alle einen inneren Schutzwall brauchen.

da ich nicht weiss, wie man nachträglich Zitate ändern kann, nochmal mein Beitrag - und auch hier, nach Fips7s Korrekturen, bleibt es bei meiner Zustimmung.

Gruß, Rolf
 
Also ehrlich, ich glaube das Märchen vom Mystizismus nicht, und wenn ihr einmal mit einem Zauberer redet, werdet ihr feststellen, dass er für alle zwischenmenschlichen Angelegenheiten eine Technik hat, eine Illusion zu erzeugen. Er transportiert diese Illusion während er mit den Leuten spricht, ihnen Dinge zeigt und ihren "Verstand" lenkt. Vielleicht sollte uns Zauberei wenigstens in dieser Hinsicht zum Vorbild werden.

Auch die besten Pianisten haben gute Tage und schlechte Tage. Obwohl sich an ihrer grundsätzlichen Fähigkeit zum Klavierspielen nichts ändert, springt am einen Tag der Funke über zum Publikum, an einem anderen gelingt das nicht.
Das ordne ich fehlender (Funkspring)Technik zu :D

Klar, gute Musiker spielen besser als mittelmäßige, und nur die besten werden genommen. Aber wir wissen immer noch nicht, was eigentlich der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Musiker ist.
Am Tempo allein kann es nicht liegen. ^_^
Ich glaube, viele (gute) Musiker transportieren die Idee der Musik einfach zufällig, das heisst nicht bewusst und unwillkürlich. Daher kommt es bei Ihnen so sehr auf die Tagesverfassung an.
 
Gerade weil es immer wieder diese überraschenden packenden Momente aus heiterem Himmel und unerwarteten musikalischen Ecken gibt, habe ich es aufgegeben, ernsthafter nach den jeweiligen Faktoren zu suchen (diese kleinen Grale kommen hoffentlich immer wieder zuverlässig angetapst)
cw4ever
Wenn man nicht weiß, wo man suchen muss, ist das mehr als verständlich - um das mal ernsthafter zu beleuchten, habe ich diesen Faden ins Leben gerufen.
 
 
Dieses Überraschungsmoment und das Unerklärliche daran sind mE gerade das, was es so besonders macht. Deshalb finde ich es fragwürdig, diese Faktoren aufdecken zu wollen. Nichts tötet für mich musikalischen Genuß so sehr wie blanke Vorhersehbarkeit
Als Musiker bist Du der Zauberer. Wenn Du Dich von Deinem eigenen Zaubertrick überraschen lassen willst, dann hast Du schon verloren.
 
 
Das Aufdecken ist kein Problem. Denn "machen" kann man es deshalb trotzdem nicht. Ich denke, man kann sehr wohl beschreiben, was passiert. Nur kontrollieren kann man es nicht.
Alles, was man nicht kontrolliert, kontrolliert einem genau in diesem Ausmaß. Man erfindet sozusagen "Höhere Mächte" um damit zu leben. Es entsteht ein Klima, wo Mystizismus angebetet wird. Ich distanziere mich aus praktischen Gründen davon und bin überzeugt, dass da gar nichts mystisches stattfindet. Stell Dir vor, ich repariere ein Klavier, und weiß nicht schon vorher, was dabei heraus kommt. Eine Mandoline vielleicht? ;-)

Die durch die Berührung von außen ausgelöste innere Veränderung ist jedoch nichts passives, sondern etwas aktives. Es ist die Antwort des Organismus auf die Berührung. Diese Aktivität kann man aber nicht willkürlich "machen", sie ist die natürliche Folge echter Berührtheit. Man muss also erst einmal alles scheinbar Aktive loslassen - machen, planen, prognostizieren, kontrollieren -, um berührt werden zu können und dadurch zum wirklich Aktiven zu kommen, nämlich zu dem Gefühl, dass sich innerlich "etwas rührt", etwas Schöpferisches, etwas Kreatives, etwas Verbindendes. Dieses Gefühl ist das eingangs bezeichnete "Wunder", von dem auch Klaviermacher spricht (jedenfalls verstehe ich ihn so).
In einer Weise hast Du recht. Wenn jemand nicht hypnotisiert werden will, dann funktioniert die Sache nicht. Aber so weit wollte ich gar nicht gehen. Niemand muss gezwungen werden ein Wunder zu erleben ;-) Jemand, der aktiv zu einem Konzert geht, ist in gewisser Weise bereit sich "hypnotisieren" zu lassen. Der Punkt, an dem er aktiv losgelassen hat ist sozusagen schon längst überschritten.
 
 
...sich passiv abwartend hinzusetzen mit der Forderung "so nun zeig was du drauf hast, Frau Musica, und berühre mich mal" wird nicht funktionieren.
S
elbst da - wenn ich nochmal den Vergleich vom Zauberer bemühe, kann ein gewisses Erstaunen nicht ausgeschlossen werden. Wenn ich mit der Einstellung auf die Show gehe, "der macht ja nur Tricks und kann in Wirklichkeit nicht wirklich zaubern - und außerdem ist er mir nicht sympatisch - ich mag seine Stimme nicht" - so frage ich mich zwischendurch "Was war das? - das ist cool!" Ich kann den Trick anerkennen und eine Nähe dazu bekommen.

Liebe Grüße
Michael
 
Das ordne ich fehlender (Funkspring)Technik zu :D

Genial gekontert :D



Ich glaube, viele (gute) Musiker transportieren die Idee der Musik einfach zufällig, das heisst nicht bewusst und unwillkürlich. Daher kommt es bei Ihnen so sehr auf die Tagesverfassung an.


Kann schon sein. Aber wo ist der Gegenbeweis? Also: welchem Musiker gelingt es immer gleich gut, die Zuhörer zu verzaubern und in Bann zu schlagen? ;)
 
Kann schon sein. Aber wo ist der Gegenbeweis? Also: welchem Musiker gelingt es immer gleich gut, die Zuhörer zu verzaubern und in Bann zu schlagen? ;)
Nicht immer! Aber es gibt solche, bei denen es als "normal" angesehen wird, dass es ihm gelingt, ohne dass man darauf besonderes Augenmerk legt.

Wie gesagt, es handelt sich sicherlich um eine spezialisierte Tätigkeit, aber nicht um eine sehr schwer Erlernbare, oder sehr Komplizierte. Dadurch, dass sie unsichtbar ist, nehmen wir vordergründig an, dass sie zum tatsächlichen Tun nicht viel beiträgt.

Wenn ich Eure Beiträge durchsehe, dann spricht niemand davon, dass es so etwas nicht gibt, sondern nur davon, dass es: nicht beeinflussbar / weiters nicht wichtig ist / möchte gar nicht wissen / ist mystisch / alles weitere bleibt Zufall / eine Gralssuche / ist ein Wunder / erschliesst sich nur Auserwählten / geht nur, wenn.. / usw... und nicht davon: "es ist Klaviermachers Hirngespinst";)

Weitere Schlussfolgerungen außer acht lassend, stelle ich folgendes fest:
Es ist für jeden etwas vorhanden, was den Unterschied von "nicht nahegehender Musik" und "nahegehender Musik" ausmacht, es existiert nicht nur für mich, ist also nicht blos eine besondere Krankheit von mir. Weiters stelle ich fest, und ich wusste das auch schon vorher, dass es bisher kein passendes Studiengebiet gibt bzw. irgendein Zweig oder eine Autorität genaue Anweisungen erteilt, wie dieser Unterschied für den Musizierenden zum Vorteil genutzt werden kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was ich an früherer Stelle bereits erwähnt habe, trifft immer noch zu.

LG
Michael
 

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