Motivationsprobleme

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Kristinaa

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5. Nov. 2007
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Mein Sohn, der inzwischen 10 Jahre alt ist, nimmt seit 3 Jahren Klavierunterricht. Anfangs war die Begeisterung riesengroß. Er hat freiwillig 3-4 Stunden geübt, saß schon morgens vor 6 Uhr am Klavier, hat innerhalb kürzester Zeit Noten verinnerlicht, hat nur noch von Musik gesprochen, geträumt und kleine Stücke geschrieben. Da er in der Schule überhaupt nicht ausgelastet war, waren wir froh, endlich etwas gefunden zu haben, was ihn völlig begeistert und intelektuell fordert. Sein Klavierlehrer war auch begeistert von seinem Schüler, aber ist nie auf seine Bedürfnisse eingegangen. (Er durfte nie seine selbst komponierten Stücke vorspielen oder zeigen, was er sich selbst erarbeitet hatte, in dem er sich Noten aus dem Internet runtergeladen hat und selbst probiert hat, diese Stücke zu erlernen). Stattdessen wurden die Stücke, die der Klavierlehrer vorgegeben hat, bis zur Perfektion studiert. So hat er beispielsweise mit 9 Jahren, fast 10 Monate an der Elise gearbeitet, bis sie den Ansprüchen des Lehrers genügte. (Wir selber und Freunde von uns haben bereits nach 6 Wochen keinen Unterschied mehr gehört). Inzwischen hat mein Sohn einen Großteil seiner Motivation verloren. Er übt zwar noch täglich, aber die Freude fehlt dabei. Er hat oft keine Lust mehr, immer das gleiche Stück wieder und wieder zu perfektionieren und sieht selber keine Fortschritte. Den Lehrer wechseln will er bisher auch nicht (und wir fänden das auch sehr schade) aber ich habe Angst, dass er auf die Art und Weise vielleicht doch ganz aufhören könnte. Für ihn war die Musik, wie ein Aha-Erlebnis und aufeinmal ist es mehr pflichtschuldiges Programm. Natürlich hat er jetzt auch mehr zu tun in der Schule, er ist im Sommer auf Gymnasium gekommen, vielleicht ist diese Lustlosigkeit, ja auch schon ein Vorbote der Pubertät?
Meine Frage an Euch: Wie kann ich ihn motivieren weiter zu üben? Liegt die Freude wirklich in der Perfektion, wie es der Klavierlehrer behauptet? Muss man durch solche Phasen durch? Da er sehr begabt zu sein scheint, wäre es wirklich ein Jammer, wenn er aufhören würde!
 
Hallo Kristinaa,

Das hört sich alles sehr bekannt für mich an. Mein Sohn (Lorenz, 12) spielt Klavier seit 6 Jahren. Bei uns gabs immer wieder ups and downs was die Motivation betraf. Ich habe immer versucht mit sanftem Druck aber auch viel Hilfestellung (habe mich mit ihm hingesetzt und geübt) zu arbeiten. Es ist in jedem Fall eine Gradwanderung. Wir haben aber von Beginn an das Klavierspielen in den Tagesablauf integriert. Klavierspielen ist wie Zähneputzen: Ohne kommt man nicht ins Bett. Natürlich ist das nicht alles und nachträglich schwer umzusetzen.

Ich kann folgende Tips anbieten:
  • Zusätzlich zu den normalen Stücken auch "coole" Stücke auswählen mit denen er vor den Freunden oder der Klasse beeindrucken kann. Da gibts für diese Altersklasse in der Rock-Piano Serie von Jürgen Moser nette Stücke (siehe: http://www.abc-noten.de/noten.php?products_id=6352 ). Das kommt auch mit einer CD wo die Stücke eingespielt sind. Nette Stücke sind "Groover" oder "Manhattan Skyline". Hier der Groover eingespielt von meinem Sohn und das Solo in der Mitte von mir:
  • Klavierspieler sind Einzelkämpfer. Deshalb hilft es wenn er auch gelegentlich auch z.b. Begleitungen für Flöten oder Violinstücke einstudiert und diese dann zusammen mit der Gruppe spielt. (Das Problem dabei ist eher das Flöten und Violinen meist von Mädchen gespielt werden und in diesem Alter gibts da noch gewissen Ressentiments :-) )
  • Zusammen mit ihm vierhändig spielen. Da gibts von Manfred Schmitz den Mini Jazz 4-händig Band: http://www.amazon.de/Mini-Jazz-2-Kl...ref=pd_sim_b_shvl_title_2/302-0581401-4638447
  • Ich habe ihm zu Weihnachten mal ein Midi-Keyboard für den PC geschenkt. Zusammen mit entsprechender Software kann er dann selbst Stücke in den PC einspielen, mit Schlagzeugbegleitung versehen, loopen, drüberspielen etc. Das fördert zwar nicht das Klavier-üben unmittelbar, aber den Spaß an der Musik.
Das Alles wäre natürlch mit dem Klavierlehrer abzustimmen.

Hoffe das hilft etwas.

Ciao // Tom
 
Das ist ein Forum für Klavierlehrer. Ich verschiebe den Beitrag in das Forum Klavierspielen...
 
ein paar Punkte hast du ja schon genannt:

Da er in der Schule überhaupt nicht ausgelastet war...
Wie du selbst gesagt hast, hat sich das geändert.

Sein Klavierlehrer war auch begeistert von seinem Schüler, aber ist nie auf seine Bedürfnisse eingegangen. (Er durfte nie seine selbst komponierten Stücke vorspielen oder zeigen, was er sich selbst erarbeitet hatte, in dem er sich Noten aus dem Internet runtergeladen hat und selbst probiert hat, diese Stücke zu erlernen)

Das finde ich sträflich von dem Lehrer. Musik lebt von Interesse, Motivation und Eigeninitiative. Ein Schüler, der einfach nur das macht, was von ihm erwartet wird, ist für einen gestressten Lehrer sicherlich bequemer aber darauf sollte es selbstverständlich nicht ankommen. Wenn man solche Aktivitäten wie selbst komponieren oder Stücke alleine einzuüben ablehnt oder ignoriert, ist das wie ein Schlag ins Gesicht mit garantiertem Totschlageffekt. Das gilt nicht nur für 10-jährige Kinder sondern auch für Erwachsene. Der Junge fragt einen Fachmann und wird die Ablehnung nur in einer Weise verstehen können: "Das ist schlecht". Das macht Sinn bei der Ausbildung von Soldaten, weil die keine Persönlichkeit mit ins Schlachtfeld bringen dürfen. Ein Musiker braucht aber genau das - Persönlichkeit!

So hat er beispielsweise mit 9 Jahren, fast 10 Monate an der Elise gearbeitet, bis sie den Ansprüchen des Lehrers genügte.

Ich fand es früher nicht besonders befriedigend, Stücke immer nur halbwegs gut spielen zu können. Das Salz in der Suppe ist natürlich ein wachsendes Repertoire, das man auch mal vorspielen kann, wenn irgendwo ein Instrument herumsteht. Deswegen muß man aber nicht monatelang nur an einem Stück arbeiten, schon garnicht mit 10 Jahren. Sicherlich kann man monatelang an einem Stück herumfeilen, hier noch eine Nuance einbauen, dort noch etwas im Anschlag verbessern etc. Es macht auch Sinn zu lernen, wie viele Feinheiten in einem Stück vorhanden sind, die man beim Spielen alle berücksichtigen kann. Das darf aber doch nicht die einzige Arbeit über Monate sein. Ein Langzeitprojekt, dazu immer wieder kleine Nebenprojekte, so bleibt der Spaß, man hat das Gefühl, weiter zu kommen und lernt nebenbei auch noch viel mehr, weil ja fast jedes Stück neue Anforderungen mit sich bringt. Das Langzeitprojekt profitiert also von den "Rivalen" auch noch.

Mein Vorschlag wäre es, mit dem Lehrer zu sprechen und ihm genau das vorzutragen, was du hier geschrieben hast. Vielleicht zusammen mit deinem Sohn, vielleicht auch alleine, das kannst du besser beurteilen.

Vielleicht liege ich auch falsch, vielleicht sieht der Lehrer in deinem Sohn einen zukünftigen erfolgreichen Konzertpianisten und die Ausbildung muß so laufen. Ich kann es mir aber nicht vorstellen (daß es so laufen muß), da müßte jetzt mal die Profis etwas zu sagen. Davon ganz abgesehen wäre die Voraussetzung für eine solche Tortur, daß dein Sohn damit einverstanden ist.
 

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