Luftklavier

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19. Juni 2013
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Wer die Anzahl meiner Beiträge in den letzten Tagen als zu gering empfunden hat, dem sei im Nachhinein die Ursache meiner Enthaltsamkeit verraten: der Besuch des Tastatur-Festivals in Niederkappeln. Aber von diesem mediokren Ereignis werde ich nicht berichten – wer Auftrags-Lobeshymnen hören will, blättere in der lokalen Presse nach (frech ist nur, daß man dafür als Leser nochmals bezahlen darf!), und wer sich Pianisten als dressierte Zirkustiere vorstellen kann, wie in Saint-Saens' „Carneval des Animaux“, der weiß, daß er in Niederkappeln nichts verpaßt hat – bis auf eines: nämlich den am selben Ort und fast zur selben Zeit ausgetragenen Ersten Deutschen Luftklavierwettbewerb, und dafür hat sich die Reise gelohnt!

Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis nach „Piano Hero“, „Rock Band 3“ und „Wii - Piano Music“ die Idee des Luftklavierspiels wettbewerbstauglich wurde. Die Regeln sind denkbar einfach: Ein Stuhl oder Klavierhocker ist das einzig zugelassene Requisit. Arbeitskleidung (Frack oder das kleine Schwarze) ist erlaubt, aber nicht zwingend notwendig. Fingersätze oder Fragen der Anschlagskultur interessieren hier nur am Rande. Die Jury besteht aus dem Publikum – ähnlich wie beim Poetry Slam. Und das Publikum straft jedes billige Chargieren ab (mit zéro points und Buhrufen), vorallem übertriebenen Körpereinsatz, augenrollenden Stummfilm-Expressionismus und das unwürdige Gehampel von Rock 'n' Roll-Pianisten.

Überhaupt war es für mich der eigentliche Clou des Abends, daß hier Vertreter der kopflastigen Avantgarde die Preise abgeräumt haben: Cyrus Miller, ein alter Audiatiker, für den die Verschriftlichung vor über tausend Jahren die Ursünde der abendländischen Musikentwicklung gewesen ist und dem die Konsequenzlogik der deutsch-österreichischen Musik Brechreiz verursachte, dessen anarchische Schallereignisse die Sinnsubversion zum Ziel hatten (deren Sinn erst nachträglich vom ordnenden Bewußtsein des Hörers konstruiert wird) – er hat jetzt dem letzten Rest von Schallproduktion entsagt; was blieb, waren Gesten der Tonerzeugung, die Musik als visuell erfahrbares Lebewesen präsentiert haben: dritter Preis.

Oder Phol T. Schapiro, ein alter Tacetist aus der Cage- und Scelsi-Ecke, dessen Schweigeminuten selten mal von einem Ton als letztem, peinlich zu tragenden Erdenrest unterbrochen wurden – er versenkte sich ganz in den Nachhall des Nichterklingenden und erhielt dafür den wohlverdienten zweiten Preis.

Der erste Preis ging an Mirco Bruhns, einst Drummer bei den Hamburger „Thinking Heads“, die sich alle tönenden Ereignisse bei ihren Auftritten nur vorstellten und deren Musik nur von medial begabten Menschen wahrgenommen werden konnte – er hat der norddeutschen Verstandesmusik entsagt und muß keine zerebralen Höchstleistungen mehr erbringen; es reicht ihm, seine Stücke mit einer guten musikalischen Idee zu versehen und mit einem passenden musikalischen Bogen attraktiv und schön darzustellen. Denn letztlich sind doch alle Musiker – Darsteller, und das hat dieser schöne Abend aufs Schönste bewiesen. Der Finalist repräsentiert Deutschland im August beim Europäischen Luftklavierwettbewerb In Avignon – und wir drücken ihm die Daumenmelodie.

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... vielleicht ist das so ähnlich wie mit Ligeti, dessen Poème Symphonique gewisse Leute ja mal unwissend-oberflächlich-leichtfertig als "spät-neodadaistischen Scherz" bezeichnet haben. Ich finde so etwas immer recht amüsant - wenn ein berühmter Künstler eine künstlerische Idee ein Leben lang mit sich herumträgt, diese dann endlich irgendwann einmal konkret realisiert - und diese dann als Scherz [sic] abgetan wird (und heutzutage zu seinen bekannten Werken zählt, welche auch aufgeführt werden).

Ne, eigentlich finde ich das sogar gröbste Mißachtung künstlerischen Schaffens. So geschehen kürzlich hier im Forum.
But we all know - the world isn't perfect at all... ;-)
 
... vielleicht ist das so ähnlich wie mit Ligeti, dessen Poème Symphonique gewisse Leute ja mal unwissend-oberflächlich-leichtfertig als "spät-neodadaistischen Scherz" bezeichnet haben. Ich finde so etwas immer recht amüsant - wenn ein berühmter Künstler eine künstlerische Idee ein Leben lang mit sich herumträgt, diese dann endlich irgendwann einmal konkret realisiert - und diese dann als Scherz [sic] abgetan wird (und heutzutage zu seinen bekannten Werken zählt, welche auch aufgeführt werden).

Ne, eigentlich finde ich das sogar gröbste Mißachtung künstlerischen Schaffens. So geschehen kürzlich hier im Forum.

Tja, Dreiklang, da es in diesem Thread um Windmacherei geht, ist Dein schöner Beitrag sogar on-topic.

Das hast Du instinktiv gespürt, nicht wahr? Zusammen mit Deinem ersten Beitrag, auf den Du rekurrierst:


Dann schau dir doch mal an, was Ligeti ansonsten so komponiert hat. Das Metronom-Ding hat in Ligetis Lebenswerk ungefähr denselben Stellenwert, den "Für Elise" in Beethovens Schaffen hat. Eine Petitesse, mehr nicht.

Soso, ein "spät-neodadaistischer Scherz" von ihm war das also...


Weißt Du eigentlich, was Ligeti selbst über dieses Stück sagte:


Die Idee einer mechanisch tickenden Musik verfolgt mich seit meiner Kindheit; sie verbindet sich mit Phantasien eines klingenden Labyrinths und mit den in der Unendlichkeit sich verlierenden Bildern, die entstehen, wenn man sich in zwei gegenüber aufgestellten Spiegeln betrachtet. Ich entwarf das Stück für einhundert Metronome 1962 während der Arbeit an Adventures. Bei der Ausarbeitung der damaligen Spielanweisung half mir Franz Willnauer; er schlug auch den leicht ironischen Titel Poème Symphonique vor. – György Ligeti


Quelle: http://www.schott-musik.de/news/archive/show,9137.html


Hat mich bloß ein paar Minuten Recherche gekostet.


Dieses Stück muß demnach also vielmehr als ein Lebenswerk Ligetis betrachtet werden, ein Herzens-Anliegen... mit einem wie auch immer gearteten "Scherz" hatte das nichts zu tun...


ist er ein schöner Beleg für Deine vorlaute Geschwätzigkeit und Ignoranz.

Du hast nicht den blassesten Dunst einer Ahnung – aber Du sprichst drüber.

Du kennst Ligetis Musik nicht, sonst kämest Du gar nicht auf die Idee, das „Poème“ zu einem Hauptwerk umzudeklarieren. Mick hat Dir das bereits gesagt:


Dann schau dir doch mal an, was Ligeti ansonsten so komponiert hat. Das Metronom-Ding hat in Ligetis Lebenswerk ungefähr denselben Stellenwert, den "Für Elise" in Beethovens Schaffen hat. Eine Petitesse, mehr nicht.


Du kennst nicht den Unterschied zwischen Dadaismus und Neodadaismus/Fluxus. Du weißt nichts von Cages Einfluß auf die europäische Nachkriegsavantgarde, der so stark war, daß die meisten davon betroffenen Komponisten anfingen, ihn zu leugnen. Quellenkritik ist ein Dir völlig fremder Begriff, den Du jetzt auch erst in Wikipedia nachschlagen mußt. Wenn Du das getan hast, fehlt Dir immer noch jede Erfahrung im Umgang mit künstlerischen Selbstzeugnissen. Es hat Dich bloß ein paar Minuten Zeit gekostet, dem Komponisten auf den Leim zu gehen, weil Du nicht weißt, daß Ligeti der Cage-Einfluß (am drastischsten sichtbar in den „Trois Bagatelles“ für Klavier, einer schlichten 4'33''-Imitation) im Nachhinein etwas peinlich wurde.

Künstler leugnen gerne mal die Quellen ihrer Inspiration – dieser Sachverhalt ist fast so alt wie der Originalitätsbegriff, der die Künstler zu solcher Camouflage nötigt. Aber selbst wenn man Ligetis Geschichte von der ihn schon ein halbes Leben lang verfolgenden idée fixe glaubt, sind Deine Schlußfolgerungen falsch: Denn ein Scherz ist höchtens für Dich etwas Leichtgewichtiges, aber nicht in den Händen eines Künstlers. Ferner: Künstler wie Ligeti wurden selten nur von einer Idee obsessiv verfolgt – aber um das festzustellen, müßtest Du sein Werk kennen. Schlußendlich: Nirgendwo in dem von Dir zitierten Text bezeichnet Ligeti das „Poème“ als eines seiner Hauptwerke – das hast Du einfach hineingelesen.


Und warum? Das interessiert mich doch noch einmal: Warum betreibst Du diese naseweise Besserwisserei, ohne es besser zu wissen? Ohne überhaupt nur die Grundlagen parat zu haben: Allgemeinbildung – und vor allem den Respekt vor und die Liebe zu dem jeweiligen Thema, die einen davor bewahren sollten, ohne Kenntnis einfach draufloszuschwadronieren.

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Tja, Dreiklang, da es in diesem Thread um Windmacherei geht, ist Dein schöner Beitrag sogar on-topic.
Meine Idee, eigentlich schon gestern, war, diesen Faden hier fortan als den "Gomez-Kritik-Faden" zu verwenden (dem Gomez de Riquet hier und dort mal den Spiegel vorzuhalten, bzgl. seines Verhaltens, und so weiter).

Weitergehende Fachdiskussionen würde ich lieber andernorts führen (dort, wo sie hingehören).
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Was meinst Du, warum ich in dem Faden, in dem es um dieses Ligeti-Werk ging, nicht weiter (fachlich) diskutiert habe? Weil mir, zunächst einmal, zum Thema alles als gesagt erschien.
Du kennst Ligetis Musik nicht, sonst kämest Du gar nicht auf die Idee, das „Poème“ zu einem Hauptwerk umzudeklarieren.
Das hab ich doch nie getan. Was meinst Du, warum ich ganz bewußt den Ausdruck "Lebenswerk" gewählt habe...? Ein Lebenswerk ist etwas, das einem Künstler sehr wichtig war. Und das hat Ligeti ja deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein Hauptwerk ist grundsätzlich etwas anderes: ein Werk mit herausragender künstlerischer Bedeutung. Ein Beispiel für ein Hauptwerk wäre Liszts h-Moll-Sonate.

Aber selbst wenn man Ligetis Geschichte von der ihn schon ein halbes Leben lang verfolgenden idée fixe glaubt, sind Deine Schlußfolgerungen falsch: Denn ein Scherz ist höchtens für Dich etwas Leichtgewichtiges, aber nicht in den Händen eines Künstlers.
Davon wirst Du mich in diesem Fall niemals überzeugen können. Ein "Scherz" ist etwas deutlich Abwertendes, etwas per se bedeutungsloses. Davon kann man im vorliegenden Fall aber nicht sprechen.

Es gäbe sicher noch mehr zu diskutieren (oder meinethalben schwadronieren) über dieses Musikstück - aber dazu ist im Augenblick nicht die rechte Zeit und der rechte Ort, finde ich.

Und bitte: erzähle mir nicht, was ich kenne, was ich weiß, und was ich nicht weiß, und was ich ab wann weiß oder gekannt habe. Das weiß ich selbst schon besser...
 
Was meinst Du, warum ich in dem Faden, in dem es um dieses Ligeti-Werk ging, nicht weiter (fachlich) diskutiert habe?

Weil Du es nicht kannst.

Und Ligetis "Poème" interessiert Dich überhaupt nicht. Du hast es erst durch Rheinkultur kennengelernt und angeführt, um Deine reduktionistische Definition von Musik als "organisiertem Schall" mit irgendetwas zu belegen.

Wie Du weißt, gebe ich Dir bei Deinem Unfug immer gern Mengenrabatt, sage also: Selbst wenn Ligetis "Poème" sein chef-d'oeuvre wäre, wär es nur ein Werk in einer speziellen Unterströmung der Neuen Musik, die mit den intonarumori der Futuristen begann und über Varèse, Cowell und Cage hin zur musique concrète u.ä. führte und deren Wesensmerkmale mit dem Begriff Bruitismus mehr schlecht als recht zusammengefaßt werden. Aber selbst dieser Bruitismus ist ein so kleines Subsegment in dem Subsegment Neue Musik, daß er Dir nicht erlaubt, all das auszublenden, was Musik (sogar bruitistische Musik) definiert, nämlich die schöpferische Intention.

Womit wir zum Hauptthema dieser und vieler anderer zumeist fruchtloser Diskussionen der letzten Monate kommen. Auch Hundegebell ist organisierter Schall - hab ich schon mal zu bedenken gegeben. Deine Definition von Musik ist so unsinnig wie die Behauptung, Literatur sei nichts als eine Aneinanderreihung von Buchstaben oder Piktogrammen - unsinnig deshalb, weil sie die schöpferischen Intentionen des Künstlers ausblendet, der sich das Material, den Werkstoff in jeweils einzigartiger Weise zurechtformt, und wenn wir über Kunst reden, dann über diesen individuellen Umgang mit dem Material.

Und es ist konsequent, daß Du in Deiner Definition von Musik diese schöpferischen Intentionen ausblendest, weil sie genau das sind, womit Du (siehe Deinen "Hör"-Thread) als Hörender überhaupt nicht zurechtkommst.

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Was meinst Du, warum ich ganz bewußt den Ausdruck "Lebenswerk" gewählt habe...? Ein Lebenswerk ist etwas, das einem Künstler sehr wichtig war. Und das hat Ligeti ja deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein Hauptwerk ist grundsätzlich etwas anderes: ein Werk mit herausragender künstlerischer Bedeutung

Nun sag mal, sollte Deine bevorzugte Bildungsquelle Wikipedia wirklich keine Definition von "Lebenswerk" bereithalten? Dann mußt Du für diesmal leider woanders Auskunft suchen. Aber Du solltest es.
 

@Friedrich: der Begriff "Lebenswerk" schien mir einfach passend zu sein, in diesem Kontext.

@Gomez: das führt schnurstracks in möglicherweise endlose (und auch nicht nutzbringende) Diskussionen. Auch wenn zum Beispiel die Neue Musik ein hochinteressantes Thema ist - zumindest darüber dürften wir uns beide einig sein.
 
Weitergehende Fachdiskussionen würde ich lieber andernorts führen (dort, wo sie hingehören).

Es gäbe sicher noch mehr zu diskutieren (oder meinethalben schwadronieren) über dieses Musikstück - aber dazu ist im Augenblick nicht die rechte Zeit und der rechte Ort, finde ich.

Na, ein Glück, Dein Antwort-Generator funktioniert noch.

der Begriff "Lebenswerk" schien mir einfach passend zu sein, in diesem Kontext.

Heute noch kein Wikipedia retard ® genommen?

das führt schnurstracks in möglicherweise endlose (und auch nicht nutzbringende) Diskussionen.

Nutzlos nur für Dich.

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Merksatz: Diskussionen mit Dreiklang sind IMMER nutzlos.

Schnell auswendig lernen, bevors gelöscht wird!
 
erzähle mir nicht, was ich kenne, was ich weiß, und was ich nicht weiß, und was ich ab wann weiß oder gekannt habe. Das weiß ich selbst schon besser...

Und niemand sonst wills wissen.

Weitergehende Fachdiskussionen würde ich lieber andernorts führen (dort, wo sie hingehören).

Ab zur Fremdenlegion - da gehnse zusammen scheißen.
 
Halt, Stop, Pause. - Auszeit.

Kommen wir zurück zum eigentlichen Zweck dieses Fadens: die fachlich/sachliche Gomez-Kritik...

Eine zweite Sache, die mir unangenehm aufgestoßen ist, war diese Diskussion hier seinerzeit:

https://www.clavio.de/klavierforum/threads/arvo-paert-etc.17822/page-3#post-321705

in deren Folge Gomez, Schigolch (vormals: pppetc) und rolf sich stritten. Es ging um den analytischen Aufbau eines Musikstückes.

Wer glaubt, daß rolf hier schlicht und einfach recht hatte - und ned die anderen...?

rolf: studierter Musiker, erfolgreich, extrem belesen in Fachliteratur usw.
Gomez: Amateurbeschäftigung mit Musik
Schi-ppetc: irgendwo dazwischen (?)

Und am Ende dieses Fadens wurden die anderen beiden Leute (also nicht rolf) auch noch etwas garstig.

Wollt' ich nur mal so gesacht ham...
 
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