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Wer die Anzahl meiner Beiträge in den letzten Tagen als zu gering empfunden hat, dem sei im Nachhinein die Ursache meiner Enthaltsamkeit verraten: der Besuch des Tastatur-Festivals in Niederkappeln. Aber von diesem mediokren Ereignis werde ich nicht berichten – wer Auftrags-Lobeshymnen hören will, blättere in der lokalen Presse nach (frech ist nur, daß man dafür als Leser nochmals bezahlen darf!), und wer sich Pianisten als dressierte Zirkustiere vorstellen kann, wie in Saint-Saens' „Carneval des Animaux“, der weiß, daß er in Niederkappeln nichts verpaßt hat – bis auf eines: nämlich den am selben Ort und fast zur selben Zeit ausgetragenen Ersten Deutschen Luftklavierwettbewerb, und dafür hat sich die Reise gelohnt!
Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis nach „Piano Hero“, „Rock Band 3“ und „Wii - Piano Music“ die Idee des Luftklavierspiels wettbewerbstauglich wurde. Die Regeln sind denkbar einfach: Ein Stuhl oder Klavierhocker ist das einzig zugelassene Requisit. Arbeitskleidung (Frack oder das kleine Schwarze) ist erlaubt, aber nicht zwingend notwendig. Fingersätze oder Fragen der Anschlagskultur interessieren hier nur am Rande. Die Jury besteht aus dem Publikum – ähnlich wie beim Poetry Slam. Und das Publikum straft jedes billige Chargieren ab (mit zéro points und Buhrufen), vorallem übertriebenen Körpereinsatz, augenrollenden Stummfilm-Expressionismus und das unwürdige Gehampel von Rock 'n' Roll-Pianisten.
Überhaupt war es für mich der eigentliche Clou des Abends, daß hier Vertreter der kopflastigen Avantgarde die Preise abgeräumt haben: Cyrus Miller, ein alter Audiatiker, für den die Verschriftlichung vor über tausend Jahren die Ursünde der abendländischen Musikentwicklung gewesen ist und dem die Konsequenzlogik der deutsch-österreichischen Musik Brechreiz verursachte, dessen anarchische Schallereignisse die Sinnsubversion zum Ziel hatten (deren Sinn erst nachträglich vom ordnenden Bewußtsein des Hörers konstruiert wird) – er hat jetzt dem letzten Rest von Schallproduktion entsagt; was blieb, waren Gesten der Tonerzeugung, die Musik als visuell erfahrbares Lebewesen präsentiert haben: dritter Preis.
Oder Phol T. Schapiro, ein alter Tacetist aus der Cage- und Scelsi-Ecke, dessen Schweigeminuten selten mal von einem Ton als letztem, peinlich zu tragenden Erdenrest unterbrochen wurden – er versenkte sich ganz in den Nachhall des Nichterklingenden und erhielt dafür den wohlverdienten zweiten Preis.
Der erste Preis ging an Mirco Bruhns, einst Drummer bei den Hamburger „Thinking Heads“, die sich alle tönenden Ereignisse bei ihren Auftritten nur vorstellten und deren Musik nur von medial begabten Menschen wahrgenommen werden konnte – er hat der norddeutschen Verstandesmusik entsagt und muß keine zerebralen Höchstleistungen mehr erbringen; es reicht ihm, seine Stücke mit einer guten musikalischen Idee zu versehen und mit einem passenden musikalischen Bogen attraktiv und schön darzustellen. Denn letztlich sind doch alle Musiker – Darsteller, und das hat dieser schöne Abend aufs Schönste bewiesen. Der Finalist repräsentiert Deutschland im August beim Europäischen Luftklavierwettbewerb In Avignon – und wir drücken ihm die Daumenmelodie.
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Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis nach „Piano Hero“, „Rock Band 3“ und „Wii - Piano Music“ die Idee des Luftklavierspiels wettbewerbstauglich wurde. Die Regeln sind denkbar einfach: Ein Stuhl oder Klavierhocker ist das einzig zugelassene Requisit. Arbeitskleidung (Frack oder das kleine Schwarze) ist erlaubt, aber nicht zwingend notwendig. Fingersätze oder Fragen der Anschlagskultur interessieren hier nur am Rande. Die Jury besteht aus dem Publikum – ähnlich wie beim Poetry Slam. Und das Publikum straft jedes billige Chargieren ab (mit zéro points und Buhrufen), vorallem übertriebenen Körpereinsatz, augenrollenden Stummfilm-Expressionismus und das unwürdige Gehampel von Rock 'n' Roll-Pianisten.
Überhaupt war es für mich der eigentliche Clou des Abends, daß hier Vertreter der kopflastigen Avantgarde die Preise abgeräumt haben: Cyrus Miller, ein alter Audiatiker, für den die Verschriftlichung vor über tausend Jahren die Ursünde der abendländischen Musikentwicklung gewesen ist und dem die Konsequenzlogik der deutsch-österreichischen Musik Brechreiz verursachte, dessen anarchische Schallereignisse die Sinnsubversion zum Ziel hatten (deren Sinn erst nachträglich vom ordnenden Bewußtsein des Hörers konstruiert wird) – er hat jetzt dem letzten Rest von Schallproduktion entsagt; was blieb, waren Gesten der Tonerzeugung, die Musik als visuell erfahrbares Lebewesen präsentiert haben: dritter Preis.
Oder Phol T. Schapiro, ein alter Tacetist aus der Cage- und Scelsi-Ecke, dessen Schweigeminuten selten mal von einem Ton als letztem, peinlich zu tragenden Erdenrest unterbrochen wurden – er versenkte sich ganz in den Nachhall des Nichterklingenden und erhielt dafür den wohlverdienten zweiten Preis.
Der erste Preis ging an Mirco Bruhns, einst Drummer bei den Hamburger „Thinking Heads“, die sich alle tönenden Ereignisse bei ihren Auftritten nur vorstellten und deren Musik nur von medial begabten Menschen wahrgenommen werden konnte – er hat der norddeutschen Verstandesmusik entsagt und muß keine zerebralen Höchstleistungen mehr erbringen; es reicht ihm, seine Stücke mit einer guten musikalischen Idee zu versehen und mit einem passenden musikalischen Bogen attraktiv und schön darzustellen. Denn letztlich sind doch alle Musiker – Darsteller, und das hat dieser schöne Abend aufs Schönste bewiesen. Der Finalist repräsentiert Deutschland im August beim Europäischen Luftklavierwettbewerb In Avignon – und wir drücken ihm die Daumenmelodie.
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