L. v. Beethoven - Sonate #1

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Hallo Ihr Lieben,

meine KL hat vor den Ferien einen Ausblick ins nächste Unterrichtsjahr gegeben und möchte, dass ich mal "was Größeres" mache. Einer der Vorschläge war die erste Beethovensonate. Und zwar ganz.

Ich bin noch nicht überzeugt, dass ich mir das antue. Nach mehrmaligem Hören und Mitlesen bin ich zum Schluss gekommen, dass dieses Werk sehr schön und lohnend ist. Technisch vielleicht auch beherrschbar. Aber ziemlich umfangreich deshalb und mit dem Zeitbudget eines vielreisenden Familienvaters mit eher schlechtem Gedächtnis eher inkompatibel.

Trotzdem hab ich mir jetzt erstmal relativ willkürlich eine Aufnahme zugelegt, nämlich die von András Schiff. Und deshalb schreibe ich hier:
  • Ich finde, Schiff geht recht frei mit dem Tempo um. Damit meine ich, dass er häufig am Ende einer Phrase verzögert, auch wenn im Text keine Fermate oder Ritartando stehen. Ich finde, dadurch fällt das Werk teilweise etwas auseinander. Oder spielt man das üblicherweise so?
  • Was haltet Ihr von der Aufnahme, welche Alternativen sollte man sich anhören?
Ach, und falls ich mich tatsächlich durchringen sollte - gibt's ne Empfehlung für eine Ausgabe mit "guten" (ja, ja, ich weiß schon) Fingersätzen? Ich besitze die dreibändige Ausgabe aller Beethovensonaten von Peters (mit dem grünen Leineneinband). Spricht da was gegen?

Danke für Eure Tipps!
- Karsten
 
Lieber Karsten

Vielleicht ergibt sich aus seinen "Lectures" über die Klaviersonaten Beethovens eine Antwort auf Deine Frage nach seiner Interpretation.

Ich schätze Friedrich Gulda als Beethoveninterpreten. Weilt leider nicht mehr unter uns :-(

Zu Deinem generellen Problem: Verstehe ich gut. Andererseits bestehen die Sonaten ja aus mehreren Sätzen, die man nicht alle gleichzeitig angehen muss. Ich würde es an Deiner Stelle aber mal versuchen. Man wächst mit den Herausforderungen ;-)

Was stand denn noch zur Auswahl?

Liebe Grüße
Gernot
 
Hallo Karsten,

ich habe diese Aufnahme auch und kann aus der Erinnerung deine Eindrücke nicht recht bestätigen. Schiff nimmt sich bei den Beethovensonaten eher wenig Freiheiten und bleibt nahe am Notentext, und das geht auch aus den (wirklich sehr empfehlenswerten) Lectures hervor. Darin sagt er auch, dass er die Angabe "espressivo" auch als Tempoverlangsamung interpretiert. Das Einzige, was mir sonst einfällt, ist die Fermatenstelle gleich am Anfang des ersten Satzes: hier steht kein "rit.", aber es ist üblich, den Vorhalt auf e etwas zu halten. (Ich hab's auch immer so gemacht, weil ich dachte, es geht nicht anders, bin mir jetzt aber auf einmal gar nicht mehr sicher.)

Ansonsten musst du bei der Entscheidung für oder gegen die Sonate beachten, dass der letzte Satz deutlich schwerer ist als die ersten drei. Wenn du also entweder die komplette Sonate oder gar nichts davon spielen willst, würde ich vielleicht mit dem letzten Satz anfangen und schauen, ob der machbar ist. Wenn du noch kein Stück mit ähnlich hoher technischer Schwierigkeit gespielt hast, wäre es vielleicht auch besser, zunächst ein etwas kürzeres Stück zu suchen. Die Gefahr bei dieser Sonate ist zumindest, dass du letztlich die ersten drei Sätze nach langem Üben einigermaßen hinkriegst, am letzten scheiterst und du dann womöglich etwas frustriert bist. So ging es bei mir zumindest ein bisschen, als ich die Sonate das erste Mal gespielt habe.

Wenn du schon die Peters-Ausgabe hast, würde ich aus der spielen. Ich kenne speziell diese Ausgabe zwar nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie unbrauchbar schlecht ist. Auf die Fingersätze würde ich es nicht ankommen lassen; wenn du zum ersten Mal ein Projekt in dieser Größenordnung angehst, dann wirst du so oder so so viel Zeit damit verbringen, dass die (vermeintliche) Zeitersparnis durch Fingersatzangaben wohl vernachlässigbar sein wird.
 
Hi,

hast Du die von Arrau herausgegebene Peters-Ausgabe? Hier finde ich die Fingersätze oftmals sehr sehr gut (ich hab da aber nur den zweiten Band, beim ersten weiß ich es streng genommen nicht, da hab ich eine andere Ausgabe).
 
@SingSangSung: Da ich Sammler bin, hab ich schon zu DDR-Zeiten die repräsentative Ausgabe in Leinen erworben. Die ist herausgegeben von Max Pauer, nach den Quellen neu durchgesehen von Carl Adolf Martienssen. Die erste Seite trägt ein Copyright 1927. Klingt nicht so nach Arrau ...

@Chaotica: Auf den ersten Blick sieht das alles nicht so schwer aus, aber es geht dann ja recht flott zur Sache und da könnte ich mir schon ganz gut vorstellen, dass die Tremoli einige Mühe machen werden. Meine Aussagen zum Tempo werde ich gelegentlich versuchen zu präzisieren, da müsste ich in Ruhe noch mal reinhören mit den Noten in der Hand. Jetzt grad keine Zeit dazu ...

@Gernot: Danke für den Hinweis auf die Lectures.

Zur Auswahl stand noch Chopin Ballade #2. Ich glaube, das war von ihr ins Unreine gesprochen, also keine verbindliche Planung, eher so 'ne spontane Idee. Wobei ich jetzt mal selbstsicher unterstelle, dass sie mir die Sonate zutraut (ich selber tu mich schwer, die Schwierigkeit vom Notenbild einzuschätzen). Sie unterstellt vermutlich, dass ich irgendwie "weiterkommen" will, wenn ich bei ihr Unterricht nehme. Das ist ja auch verlockend. Aber eigentlich will ich lieber mein Repertoire erweitern, und das geht effizienter mit kleineren, leichteren Stücken. Ich hab jetzt erst mal den Chopin Walzer op. 64#3 eigenständig angefangen, #2 davon hab ich grade durch und #1 hatte ich früher mal gespielt und könnte es reaktivieren. Und danach hatte ich eigentlich mal vor, am anderen Ende der Schwierigkeits-Skala zu grasen und mir den ersten Band der Lyrischen Stücke von Grieg vorzunehmen ... Mit der (ganzen) Sonate hätte ich sicher Stoff für 2 Jahre ...

Mal sehen, das wird erst im September ein Thema.

Ciao und gute Nacht
- Karsten
 
Hi,

ich hab den ersten Band von 1948, der basiert auf dem Pauer. Da finde ich die Fingersätze eher schlecht. Also sind sie bei Deiner Ausgabe vielleicht noch schlechter (oder aber besser). Wie gesagt, die in der von Arrau herausgegebenen Peters-Ausgabe finde ich verblüffend gut.

Und der Schwierigkeitsgrad: Das Stück wird viel von Klavierschülern gespielt (der erste Satz vor allem). Diese Sonate richtig gut zu spielen, ist schwer, aber Spaß machen kann sie auch auf einem anderen Niveau. Es ist schon eine der eher einfacheren Beethoven-Sonaten.
 
Mein Tip wg. Fingersätzen: Besorge Dir zunächst eine Ausgabe ohne Fingersätze (notfalls tut es die alte Beethoven-Gesamtausgabe bei IMSLP oder in gedruckter Form bei Dover) und suche selbständig nach Lösungen. Erst wenn Du Fingersätze gefunden hast, die Dich überzeugen oder wenn Du überhaupt nicht mehr weiter weißt, dann andere Ausgaben konsultieren, und zwar so viele, wie irgend möglich. Nicht jeder gedruckte Fingersatz ist für jede Hand geeignet.

"Ketzerischer" Vorschlag für das Trio des dritten Satzes: die Quartenpassage der rechten Hand "umstricken", indem man die Unterstimme der Quarten von der linken Hand mitspielen läßt, d.h. die LH spielt Terzen, was um einiges angenehmer ist.

Was den zweiten Satz anbelangt: Beethoven hat den langsamen Satz ebenfalls in seinem Klavierquartett C-Dur, WoO 36,3 verwendet. Die Aufteilung von Klavier-Solo mit "begleitendem" Streicherklang erlaubt sicherlich Rückschlüsse, wie Beethoven sich die rein solistische Ausführung gedacht hat.
 
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Zur Auswahl stand noch Chopin Ballade #2.
...die ist technisch allerdings bedeutend schwieriger als die erste Beethovensonate... (dazu musst du gar nicht erst die presto Abschnitte anschauen, sondern die Coda allein genügt...)

bzgl. der Fingersätze empfehle ich dir die Tipps von @koelnklavier -- und wenn du nicht weiter weißt, dann probier die Schenkerausgabe aus (gibts bei imslp) ((da ist zwar manches ungewöhnlich, aber oft sind die Fingersätze doch recht praktikabel (natürlich sollte man Standardsachen wie Akkordbrechungen und Skalen drauf haben))
 
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Hallöle!

@Chaotica: Ich habe mir Schiffs Aufnahme heute in der Bahn noch mal in Ruhe angehört und mitgelesen. Eigentlich kann ich den von mir erwähnten "freien Umgang mit dem Tempo" auch nicht mehr so recht nachvollziehen. Nach mehrmaligem Anhören gefällt mir die Aufnahme nun doch sehr gut.

Schiffs Lectures konnte ich noch nicht anschauen - keine Gelegenheit. Heute ist zwar Zeit (Hotelaufenthalt), aber es gibt kein vernünftiges Internet, um Videos anzuschauen.

Der Tipp, mit dem vierten Satz anzufangen, ist wertvoll. Ich vermute, die größten Schwierigkeiten werde ich mit den Tremoli in der linken Hand haben. Die kommen ja im ersten und im vierten Satz vor, aber im vierten wirklich schon ziemlich schnell. Aus den Diskussionen zur Pathetique habe ich bereits mitgenommen, dass man die mit der "richtigen" Technik spielen muss. Da ich so was bisher noch nicht hatte, werde ich die auf jeden Fall mit meiner KL erarbeiten.

Ciao,
- Karsten
 
das Trio des dritten Satzes: die Quartenpassage der rechten Hand [...]

Hi Wolfgang,

kurze, rein formale Ergänzung :

Das ist übrigens in der Könemann-Ausgabe eine der ganz wenigen Stellen mit Fingersätzen ( und ich glaube, wenn dort welche angegeben sind, sind sie von Beethoven ) .

Hier lauten sie: ( ab Takt 59 des Menuetts, 1. Griff b-e : )

[...] 1-3, 1-4, 2-5 || 1-5, 2-4, 1-5, 2-4, 1-5, 1-5 || 2-5, 1-5, 2-4, 1-5, 2-4, 1-3 || 2-4, 1-5, 2-4, 1-3, 2-4, 1-5 ||

Ob man das so machen möchte, oder Deine Idee ausführt, l.H. Terzen zu spielen, oder sich was anderes ausdenkt, wird eh jeder für sich abwägen, mir fiel die Stelle halt nur auf, weil es eine der wenigen befingerten ist. :super:

LG, Olli

PS: @ genannte Ballade: Wesentlich schwerer als Sonate von Beethoven.
 

Hallöle!

@Chaotica: Ich habe mir Schiffs Aufnahme heute in der Bahn noch mal in Ruhe angehört und mitgelesen. Eigentlich kann ich den von mir erwähnten "freien Umgang mit dem Tempo" auch nicht mehr so recht nachvollziehen. Nach mehrmaligem Anhören gefällt mir die Aufnahme nun doch sehr gut.

Hätte mich gewundert, wenn es anders wäre. Ich habe von Schiff nur die Bach-Einspielungen in einer Sammelbox. Die früheren, das WTK hat er ja glaube ich vor kurzem neu eingespielt. Ich habe ihn aber einmal mit den Diabelli-Variationen live erlebt :-)
Der Tipp, mit dem vierten Satz anzufangen, ist wertvoll. Ich vermute, die größten Schwierigkeiten werde ich mit den Tremoli in der linken Hand haben. Die kommen ja im ersten und im vierten Satz vor, aber im vierten wirklich schon ziemlich schnell. Aus den Diskussionen zur Pathetique habe ich bereits mitgenommen, dass man die mit der "richtigen" Technik spielen muss. Da ich so was bisher noch nicht hatte, werde ich die auf jeden Fall mit meiner KL erarbeiten.

Nun, das klingt ja schon sehr motiviert :super:Ich mag die erste Sonate von Beethoven sehr gerne. Hoffe ich werde sie auch einmal spielen können.

Frohes Schaffen!
Gernot
 
Lieber Karsten,

a) Ich habe leider nicht so viel Zeit und versuche gleich auf Deine Fragen einzugehen. Herr Schiff spielt Beethoven-Sonaten tatsächlich in einem ziemlich freien Rhytmus. Seine Interpretationen sind deswegen für mich manchmal ziemlich fremd. Ich muss allerdings zugeben, dass ich trotzdem einen immensen Respekt vor ihm und seinen musikalischen Befunden habe, weil alles sehr gründlich durchdacht gespielt wird und vor allem sehr organisch und natürlich empfunden wird. Sowohl aus seinen Einspielungen als auch aus den bereits erwähnten Vorlesungen über Betthoven'sche Sonaten kann man immer was neues lernen auch wenn Du im Grunde diese Werke anders interepretieren wirst.

b) Die Aufnahme von Schiff ist toll. Bei Beethoven (und vor allem der 1. Sonate) schätze ich die Aufnahmen von Svjatoslav Richter besonders hoch, obwohl seine Beethoven-Interpretationen sich sehr stark von denen von Schiff unterscheiden. Gerade die 1. Sonate hat Richter mehrmals aufgenommen und, meines wissens, immer wieder in den Konzertet aufgeführt hat.

c) Alexander Goldenweiser hat sehr schöne Ausgabe gemacht! Ich habe vor kurzem an der Sonate op. 10 Nr. 1 gearbeitet und fand den Goldenweiser um einiges besser als Peters und Henle: Da gab es nicht nur "klugere" fingersätze, sondern auch viele Tipps bzdl. der Verzierungen etc. Leider habe ich selber die Noten nicht und weiß nicht, ob diese Ausgabe leicht zu finden ist.

Viel Erfolg!

Alex
 

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