Klavierschulen

Eben. Zur Etablierung des audiomotorischen Regelkreises - das heißt, dass das Ohr stets die Führungsinstanz beim Spielen ist, was die einzig musikalische Weise des Musizierens ist - ist es unabdingbar, zunächst OHNE NOTEN mit Vorspielen & Nachspielen sowie Improvisieren zu beginnen.

Bei Letzterem ist z.B. ein hervorragender Einstieg, Melodien zu ergänzen: Lehrer spielt "Frage"-Motiv (in sehr einfachem Tonraum, z.B. wenige schwarze Tasten), Schüler improvisiert "Antwort" (die ihm sein Ohr vorgibt - eine Antwortphrase innerlich zu hören ist leicht, jeder kann das, das "Problem" ist lediglich, die dem Gehörten entsprechenden Tasten zu finden). Kann man im weiteren Verlauf erweitern z.B. dadurch, dass man zum Schüler sagt: "So, jetzt spielst DU mal die Frage, und ich muss antworten".

Die Notenschrift kann man dann später am besten so einführen, dass man den Schüler das, was er sich gerade als einfache Melodie erdacht hat, notieren lässt. (Dazu natürlich nicht mit schwarzen Tasten arbeiten.)
 
@Viva la musica

Bei mir als erwachsenem Anfänger lässt mich mein KL bei Barockstücken die Wiederholungen immer als leichte Veränderungen spielen, so dass der Grundcharakter der Gleiche bleibt, aber eben nicht die selben Noten gespielt werden sollen.
Und ich muss äh, darf mir gerade eine eigene Romanesca ausdenken. Nachdem wir 2 Übungsstücke in der RKS in dieser Form "gefunden" haben.
Ach ja, Tonleitern harmonisieren und mit den entsprechden Akkordtönen eine Melodien drüber klimpern gehört vermutlich auch in diese Rubrik. Das Ergebnis der letzten Übung ist aber noch eher so hmmmm.
 
Vielen Dank für all die tollen Beispiele!! Das klingt wirklich spannend! Ich wünschte unsere KL würden so was auch mal machen (oder hätten das mal gemacht..)

Nach euren Antworten fürchte ich aber nun schwer, dass unsere ganze Familie leider durch notenorientierten Musikunterricht ohne jede Improvisation musikalisch schon vollkommen verhunzt ist... :015:

Ich muss auch sagen, dass ich erst durch Lesen in diesem Forum überhaupt für das Thema sensibilisiert worden bin. Wenn mir ein/e KL meiner Kinder gesagt hätte, er/sie arbeitet erstmal ohne Noten, hätte ich vielleicht sogar gedacht, was ist denn das für ein Wischiwaschi-Musikunterricht?

Hm, und jetzt? Sind wir (also ich und meine zwei gut notenlesenden Kinder 7 und 9) musikalisch noch zu retten? :016:

Ist das, was ihr hier so skizziert eigentlich üblich im "klassischen" Unterricht (also haben wir einfach "die anderen" Lehrer erwischt) , oder fließt hier auch eure Jazzerfahrung mit ein? So wie ich das aus euren Forumsbeiträgen herauslesen, kommt ihr ja teilweise auch aus dieser Richtung? Sollte man sich also Lehrer suchen, die auch Jazz machen oder sollte Improvisation eigentlich bei jedem Lehrer zu erwarten sein?
 
Was "wir hier skizzieren", steht schon seit vielen Jahrzehnten in den Schriften berühmter Pädagogen - z.B. Neuhaus oder Martienssen oder auch Heinrich Jacoby oder Abby Whiteside. Diese haben alle mit "Jazz" oder "Pop" gar nichts zu tun.

Die Grundlagen von Musik & Musizieren und auch von "Technik" sind völlig stilunabhängig.
 
Niemand ist
ohne jede Improvisation musikalisch schon vollkommen verhunzt
Es ist nie zu spät, damit anzufangen. Setze dich z.B. mal ans Klavier und spiele einen Ton. Horche ihm nach. Spiele dann einen anderen Ton. In welchem Verhältnis steht er zum ersten Ton? Welche Stimmung erzeugen die beiden Töne? Entscheide dich dann, ob du in der Stimmung weitermachen willst oder ob du einen Kontrast setzen möchtest. Überlege dir, wodurch du das bewirken kannst und so weiter. Schon bist du mitten im bewusst wahrnehmenden Improvisieren.
 
Klar, so was kann man auch machen. Die meisten finden das aber sehr schnell uninteressant bzw. wissen nicht, wie sie da dann weitermachen sollen.

Besser ist immer, von Vorgaben auszugehen: Z.B. zu einer Melodie eine Begleitung finden. Oder eine vorliegende kleine Melodie fortführen. Oder eine Akkordfolge hernehmen und probieren, wie man die "ausmalen" kann etc.

Was Du vorschlägst, ist für die meisten zu abstrakt und für die meisten zu wenig mit deren konditionierten Vorstellungen von "Musik machen" vereinbar.
 
@hasenbein
Es war als Beispiel für eine sehr niedrigschwellige Herangehensweise gemeint, wenn man befürchtet, „verhunzt“ zu sein. Ich hatte auch kurz überlegt, ob ich zusätzlich das Improvisieren mit Ostinatobässen erwähnen sollte.
 
Hm, und jetzt? Sind wir (also ich und meine zwei gut notenlesenden Kinder 7 und 9) musikalisch noch zu retten?

Diese Frage stelle ich mir auch seit ein paar Tagen. Daher finde ich die hier geführte Diskussion spannend.

Leider habe ich bisher auch keinen Instrumentalunterricht (gehabt), der mich ausgehend vom Hören (inneren Hören) zum Musizieren geleitet hat. Bisher ging insbesondere um die Wiedergabe von Notentext.
Nachdem ich mich nun mal wieder mit Musiktheorie beschäftigt habe und ich an dem Punkt bin, dass ich losgelöste (ohne Kontext) Tonabstände trainierend hören sollte, regte sich in mir Widerstand und hatte ich das Gefühl, dass ich auf einem Irrweg bin. Hat das etwas mit Musik machen zu tun?
Meine Idee ist jetzt, die Melodie bekannter Kinder- und Volkslieder auf dem Klavier zu spielen. Also von der Melodie zum Spiel und in einem zweiten Schritt Begleitungen dazu zu finden.
Ich merke auch, dass ich zwischen meinen verschiedenen Harmoniebüchern hin- und her"eiere".
Ich sehe hier ein Dilemma: Gehe ich den Weg des Ausprobierens und erschließe mit z. B. Harmonien selbst, ist dies ein langer Weg mit Irrungen und Wirrungen. Nehme ich das Fachbuch, ist der Weg kurz, aber ich verknüpfe das Geschriebene nicht mit einer Erfahrung. Es ist irgendwie verkopft.
Habt ihr Tipps?
 
@Piassion
Es gibt Bücher zur Harmonielehre, die direkt die Theorie mit der Praxis verbinden. Im klassischen bzw. allgemeinen Bereich wäre das z.B. https://www.amazon.de/Harmonielehre-H-Andreas/dp/3889790216

Hier gibt es einen Sachteil, einen Aufgabenteil mit Kadenzübungen und einen Lösungstteil (insgesamt 3 Bände).

Und für den Jazz-Bereich haben sich die Bücher von Mark Levine als gute Verknüpfung von Theorie und Praxis bewährt.
 
wenn man befürchtet, „verhunzt“ zu sein.
Nehmen wir mal die Parallele Sprache: Man lernt die Laute, die Worte, die Grammatik, man lernt Schreiben. Aber wann wird man flüssig und schlüssig eigene Texte schreiben? Wenn man Sprache kann. Und es ist nicht wichtig ob man in jedem Stadium viel rumprobiert hat oder erst bei Beherrschung formuliert. Es gibt Kinder die erfinden ihre Babysprache, andere wirken zunächst sprachlos, kommen aber dann plôtzlich mit richtigen und sinnvollen eigenen Sätzen heraus. Ist das 2. Kind jetzt benachteiligt, da es keine Ausweichmanöver für schwierige Worte erfindet, sondern wartet bis es sich selbst reif fühlt?
 

Vielen Dank für die vielen Anregungen, damit habe ich ja einiges, mit dem zumindest ich mich jetzt ja mal beschäftigen kann.
Aber was mache ich mit den Kindern?

Tiere, die auf dem Instrument nachgemacht werden, und zwar die von ihnen erzeugten Klänge (z.B. Vögel, Löwen) und ihre Bewegungsarten (z.B. Nilpferd, Hase, Maus, Schlange
Lehrer spielt "Frage"-Motiv (in sehr einfachem Tonraum, z.B. wenige schwarze Tasten), Schüler improvisiert "Antwort" (die ihm sein Ohr vorgibt

Das wären tolle Ideen, aber ob ich (die das ja selbst erst Lernen will) sinnvoll mit den Kindern machen kann? (Und mein Gott, noch ein Homeschoolingfach hätte mir ja auch gerade noch gefehlt...).

Mit ihrer Klavierlehrerin haben sie ja auch erst vor ein paar Monaten angefangen und sind da grad ganz gut angekommen. Sie macht auch vieles sehr schön mit den Kindern... Ich versuche den Kindern eigentlich auch zu vermitteln, dass man nicht ständig beim ersten Zweifel gleich aufgibt oder wechselt, sondern etwas auch Zeit geben muss, sich zu entwickeln - sei es der Kindergarten mit der ungeliebten Kindergärtnerin, der Sportverein oder eben jetzt die KL... ich kritisiere vor den Kindern auch nie ihre schullehrer, dieses allgemeine Lehrerbashing und ständige Beschwerden finde ich eigentlich ganz unmöglich von vielen Eltern..

Bei meiner Tochter zeichnet sich ohnehin schon ein starkes Interesse an anderen Instrumenten ab. Ich denke, da wird klavier auch eher Sprungbrett werden... also einfach erstmal laufen lassen? Und dass sie durch Musikunterricht unmusikalischer werden, selbst wenn er vielleicht nicht ideal ist, ist ja hoffentlich nicht zu befürchten? :konfus:

Hm, vielleicht teste ich selbst mal für mich ein paar andere KL und schau mal, wie die das so machen?

Oh je, ich werd doch noch zur helikopternden Tigermum...:blöd:
 
Gib's auf, Du hast schlicht keine Argumente.
Doch : was will der Schüler, der explizit teuren Klaviereinzelunterricht nimmt:

A) ganzheitliche Ausbildung zum Musiker, der sofort über jedes Thema nach Regeln der Kunst auf seinem Instrument improvisieren oder gar komponieren kann. (Ein ziemlich unrealistisches Ziel für den durchschnittlichen Schüler)

B)Klaviertechnik erwerben und Klavierliteratur angemessen kennenlernen und spielen/interpretieren können. (Individuell so zugeschnitten, dass jeder Schüler in seinem möglichen Rahmen sein Ziel erreicht)

Ich auf jeden Fall erwarte nicht Spielchen aus der frühmusikalischen Erziehung oder reine Theorievorträge, sondern ich möchte das Handwerkszeug lernen, aus Noten ein Stück einstudieren und technisch/interpretatorisch umzusetzen.

Kompositorische Übungen gehören in Zusatz(gruppen)unterricht zur Musiktheorie,( wenn nicht gar ganz gesondert, )was übrigens auch Musikschulen im Paket mit Instrumentalunterricht anbieten (in Russland ist es m.E. Standard z. B.).

Klaviertechnikbücher wie zum Beispiel der Kratzert sind da mein Maßstab für den Klavierunterricht.
 
Zuletzt bearbeitet:
was will der Schüler, der explizit teuren Klaviereinzelunterricht nimmt:

A) ganzheitliche Ausbildung zum Musiker, der sofort über jedes Thema nach Regeln der Kunst auf seinem Instrument improvisieren oder gar komponieren kann. (Ein ziemlich unrealistisches Ziel für den durchschnittlichen Schüler)

B)Klaviertechnik erwerben und Klavierliteratur angemessen kennenlernen und spielen/interpretieren können.
Am sinnvollsten ist Möglichkeit C), die wir hier und in anderen Threads bereits ausführlich erläutert haben. Die von dir genannte Möglichkeit A) hast du bewusst so formuliert, dass sie unrealistisch und absurd ist.
 
Ich auf jeden Fall erwarte nicht Spielchen aus der frühmusikalischen Erziehung oder reine Theorievorträge, sondern ich möchte das Handwerkszeug lernen, aus Noten ein Stück einstudieren und technisch/interpretatorisch umzusetzen.

Und wieso gehst Du davon aus, dass "Spielchen" (ich verwende jetzt mal Deinen Ausdruck, auch wenn es bessere Beschreibungen dessen gibt, was diesbezüglich gemacht wird und möglich ist) Dich nicht zu diesem Handwerkszeug bringen?

Ich habe als Jugendliche mal Klavier "unterrichtet", weil die Nachbarstochter es lernen sollte laut ihren Eltern und weil ich ja gut spielen konnte (laut meinen Eltern) und dabei ziemlich viel falsch gemacht, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte. Da ich selbst "Spielchen" nicht kannte, kam ich nicht auf die Idee, das zu machen.
Aber als ich mehr über Didaktik und Methodik lernte und Peter Heilbut und Gertrud Meyer-Denkmann kennenlernte, öffnete sich eine völlig neue Welt. Auch für die Schüler:innen, die ich später hatte. Und das waren beileibe nicht nur Vorschulkinder.

Natürlich sollte man eine Unterrichtsidee nicht stur durchziehen, sondern schauen, was die jeweiligen Schüler:innen so brauchen und worauf sie anspringen, aber wie gesagt, vielleicht magst Du es in Erwägung ziehen, dass es auch für "Spiele" im Instrumentalunterricht sowohl einen Platz als auch einen Sinn gibt. Selbst wenn Du persönlich anders tickst.
 
Ellizza ist schlicht völlig unkreativ und kann weder komponieren noch improvisieren noch selber Begleitungen erfinden, und deshalb erklärt sie die zu hoch hängenden Trauben für sowieso vergammelt. Nichts anderes ist hier los.
 
Ja, ganau wie 99% aller Hobbyklavierspieler.

Bei anderen Instrumentengattungen hat man (eigneltich nicht so) estaunlicher Weise ein ganz anderes Verhältnis zwischen Nur-Noten-Lesern und solchen, die auch mal eben einfache Stücke aus dem Gehörspielen können.

Preisfrage:
a) Ist das so, dass das Instrument "Klavier" angezogen wird von Leuten, die nicht nach Gehör spielen können und/oder wollen?
b) Ist das eine Frage der Klavierpädagogik?
c) Kann ich den Publikumsjoker nehmen?
d) Spielen die Erwartungshaltungen der Eltern eine Rolle?

Ich persönlich habe es "für das normalste der Welt" gehalten, auch Musik nach dem Gehör zu spielen. Es gibt nicht immer Noten, ich habe nicht immer Noten, es gibt Musik, die funktioniert ohne Noten ... wer sich auf Noten beschränkt, beschränkt sich halt. (Ich höre gerade in meinem Hinterkopf ein "Peng, aus!")

Warum können mehr als 1% (100% minus die oben erwähnten 99%) aller durchschnittliche 08/15 Katezendarmzupfer besser nach Gehör spielen und/oder improvisieren als Tastenmenschen? Ah, stimmt auch nicht, die Synth-Spieler spielen auch selten nach Noten, anderes Thema.

Grüße
Häretiker
 
Preisfrage:
a) Ist das so, dass das Instrument "Klavier" angezogen wird von Leuten, die nicht nach Gehör spielen können und/oder wollen?
b) Ist das eine Frage der Klavierpädagogik
@demian:Bin kein KL, habe aber meine Kinder selbst unterrichtet (wegen JWD Lage).
Es gibt ausgesprochene Begleitinstrumente wie die Klampfe und Melodieinstrumente, und in einer anderen Liga das Klavier. Keyboards werden auch als Klampfen zum Begleiten unterrichtet, aber das Klavier kann ganze Orchesterstücke sinngemäß wiedergeben, es gibt unerschöpfliche Sololiteratur. Schon allein die Beherrschung des Instrumentes geht weit über das Maß anderer (Melodie-)instrumente hinaus (selbst Geigespielen ist weniger komplex), auf der anderen Seite kann mit relativ wenig Können schon ansprechend Musik gemacht werden.
Motivation, Klavierspielen zu lernen ist in den meisten Fällen z. B. Chopin selbst zu spielen.
Freude am Improvisieren/Komponieren kann sich dann ergeben.
Hier im Forum fragen die Leute nach Fingersätzen, nach Übemethoden, passender Literatur ec. Nach Hilfe zu Komposition fragen wenige, und diese sind entweder Berufsmusiker oder wollen es werden.
Klavier zu lernen, um mal ein Lied mit Albertibässen zu begleiten ist nicht Ziel (und wenn gewollt auch nicht schwer zu lernen)
Nach Gehör spielen ist was ganz anderes, d.h. bekannte Popsongs nachsingen und nachspielen und eventuell zu harmonisieren. Kreativ ist das nicht, aber dem einen fällt es leichter, der andere muss das üben (gehört ja mit zu Aufnahmeprüfungen - im weitesten Sinne) und hat nichts mit dem gekonnten Interpretieren von Literatur zu tun.
Das zum Interpretieren natürlich auch eine innerliche Klangvorstellung gehört ist natürlich selbstverständlich.
 

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