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Doch : was will der Schüler, der explizit teuren Klaviereinzelunterricht nimmt:
A) ganzheitliche Ausbildung zum Musiker, der sofort über jedes Thema nach Regeln der Kunst auf seinem Instrument improvisieren oder gar komponieren kann. (Ein ziemlich unrealistisches Ziel für den durchschnittlichen Schüler)
B)Klaviertechnik erwerben und Klavierliteratur angemessen kennenlernen und spielen/interpretieren können. (Individuell so zugeschnitten, dass jeder Schüler in seinem möglichen Rahmen sein Ziel erreicht)
Ich auf jeden Fall erwarte nicht Spielchen aus der frühmusikalischen Erziehung oder reine Theorievorträge, sondern ich möchte das Handwerkszeug lernen, aus Noten ein Stück einstudieren und technisch/interpretatorisch umzusetzen.
Kompositorische Übungen gehören in Zusatz(gruppen)unterricht zur Musiktheorie,( wenn nicht gar ganz gesondert, )was übrigens auch Musikschulen im Paket mit Instrumentalunterricht anbieten (in Russland ist es m.E. Standard z. B.).
Klaviertechnikbücher wie zum Beispiel der Kratzert sind da mein Maßstab für den Klavierunterricht.
Liebe Ellizza,
der ist ja auch gut. Selbstverständlich ist dein B) ein wichtiges Ziel des Klavierunterrichts. Nur: wie erwirbt man denn technische Grundlagen und Grundlagen zur Interpretation eines Stücks?
Darüber, dass man weiß, wie es klingen soll. Das Ohr bzw. die innere Klangvorstellung führt und wenn es nicht so klingt, wie man will, muss man an der technischen Ausführung, an seinen Bewegungen und der Koordination derselben etwas ändern und wird sie dabei verbessern.
Man kann das Pferd auch mal von hinten aufzäumen: das größte Problem bei Wiedereinsteigern ist aus meiner Sicht eine häufig unzureichende Klangvorstellung. Ich hoffe, hier mitlesende Wiedereinsteiger nehmen mir das nicht übel!
Aber sich zuzuhören, überhaupt eine innere Klangvorstellung oder musikalische Vorstellung vom Stück zu haben, zu wissen, wie man ein Stück gestaltet und welche musikalischen Parameter dazu zur Verfügung stehen, ist oft nicht genügend ausgebildet. Sehr oft ist eine Vorstellung "die Note - die Taste" etabliert, anstatt "die Note - das Ohr/wie klingt diese Note bzw. das, was da steht - die Taste" (audiomotorisch). Der Raum zwischen den Tönen, die Intervalle, Dissonanzen, Konsonanzen, Strebe- und Leittöne mit ihrer Auflösung werden nicht/zu wenig wahrgenommen und gehört. Es kann dann kein B) geben.
Die Grundlage von Musik sind das zu hören und zu wissen, was Musik ausmacht. Außerdem hört man Musik. Deshalb muss die Schulung des Gehörs und der musikalischen Fähigkeiten an erster Stelle stehen. Daraus folgt automatisch eine Beschäftigung mit dem Klang und aus der klanglichen Arbeit ergibt sich genauso automatisch die Beschäftigung mit einer sinnvollen und grundlegenden Klaviertechnik. Erstaunlich ist oft, dass Kinder, die ohne Noten in das Klavierspiel eingeführt werden, nach einiger Zeit klanglich schön spielen, sich ganz natürlich auf der Klaviatur bewegen, den Arm richtig führen und locker im Handgelenk sind. Natürlich helfen da auch kleine Übungen und Spiele. Aber Ziel muss es sein, dass der Schüler hört, wenn es nicht gut klingt, denn sonst kann er nicht selbständig am Klang arbeiten.
Und um diese audiomotorische Herangehensweise zu etablieren, ist es nötig, ohne Noten zu beginnen und von der ersten Stunde an die gesamte Klaviatur einzubeziehen samt Pedal. Lieder nach Gehör spielen, die das Kind kennt (innere Klangvorstellung ist schon da), die eigene Erlebniswelt und die eigenen Emotionen in Musik umsetzen durch Improvisation ist wichtig. Denn auch eine Beethoven-Sonate braucht diese Erlebniswelt und die Emotionen des Interpreten. Intervalle hören, Dissonanzen und Konsonanzen hören und nicht nur wie in manchen Schulen eine Einengung des wunderbar großen Tonumfangs des Klaviers auf ein paar Töne.....das macht Laune und schult das Gehör. Kreativität ist übrigens auch bei jeder Interpretation sehr, sehr wichtig.
Des Weiteren sollte man als Lehrer auch berücksichtigen, wie der Schüler lernt. Kinder lernen ganz anders als Erwachsene, sie lernen über Bewegung und mit allen Sinnen. Auch Rhythmusgefühl lernt man über Bewegung. Mit denen einen verkopften Unterricht zu machen, bei dem sie nur am Instrument sitzen, würde viele Kanäle des Lernens brach liegen lassen und das ist aus meiner Sicht schlechter Unterricht und führt genau nicht zu B).
Liebe Grüße
chiarina