Klavier spielen - immer noch den Hauch des elitären?

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Snitzy

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Mit 26 Jahren fang ich nun an Klavier zu spielen.
In meiner Kindheit gab es einige Kinder die Klavier lernten (lernen mussten)
und das waren immer die unbeliebten Streber Kinder deren Eltern immer
ganz besonders vornehm warten (oder taten). Die Kinder, die man immer
vor dem Unterricht in die Mülltonne geworfen hat. Oder den Ranzen
versteckte oder Kaugummi in die Löcher der Munharmonika steckte.
Oder die Kinder, die man beim Sport zuletzt gewählt hat.
Kinder mit denen man sich auf Klassenfahrten nie das Zimmer teilen wollte
und die immer ganz dicht beim Lehrer liefen.

Eigentlich fand ich diese Welt des "Hochgeistigen" immer irgendwie
unsympathisch. Auch heute merkt man noch, wenn man ein Klaviergeschäft
betritt, dass die Leute dort "irgendwie anders" sind.
Schon beim Telefonat hieß es, "man würde sich ganz außerordentlich
auf meinen Besuch freuen".

Hat Klavier spielen für Euch auch immer noch einen elitären Touch?
Woher kommt dieser elitäre Hauch?
Am Geld liegt es wohl nicht, schließlich gibt es schon günstige Klaviere
und Leute kaufen sich ja auch einen Fernseher für 3000 Euro (nagut, wenige
Leute) oder sie geben viel Geld für irgendwelchen Elektronikramsch aus.

Vielleicht liegt es auch an den Noten. Noten sind geheimnisvoll, eine
Geheimsprache. Vieles ist französisch. Französisch an sich ist ja
schon eine "elitäre" Sprache (nur für die Franzosen halt nicht).

Naja ... irgendwie ist Klavierspielen, oder überhaupt ein Intrument, sofern
es jetzt keine Gitarre oder ein Schlagzeug ist, sondern vielleicht eine
Harfe, eine Geige oder ein Chello immer mit einer "vergeistigten Welt"
und etwas elitärem verbunden.


Was denkt Ihr?
 
Hallo!
(Noch soeine interessante Frage)

Ich würde sagen, dass Klavierspielen immer noch soetwas wie ein "Statussymbol" ist.
So war ich früher auch immer der Außenseiter und wusste lange Zeit nicht, warum (ok, ich war generell "anders"). Ich erinnere mich noch an eine Situation, in der es darum ging, wer am Nachmittag Zeit hätte (es war schon ein Wunder, dass man mich soetwas überhaupt fragte).
Meine Antwort war dann, dass ich am Nachmittag zum Klavierunterricht müsste und danach noch einen Ausritt mit einer Freundin machen wollte.
Hui, was wurde ich da blöde "angemacht". Vonwegen "die dumme Angeberin", die doch bestimmt nur lügt :rolleyes:
Als ich dann heulend daheim ankam, sagte mir meine Mutter, ich dürfe soetwas nicht überall erzählen, da manche Kinder (die meisten aus meiner alten Grundschule waren Immigrantenkinder, deren Eltern mit Sozialhilfe auskommen mussten) froh sind, wenn sie eine Puppe oder ein Auto zum spielen haben...

Jetzt bin ich auf einem privaten Gymnasium (und auch nur, weil die Lehrer um Welten besser (engagierter) sind als an den staatl. Schulen hier) und da stammen die meisten meiner Mitschüler aus gesellschaftl. eher "höher gestellten Familien".
Da hat mind. jeder 2. schonmal Klavier gespielt bzw. macht es noch immer.
Ich erinnere mich an meine eine Freundin, die keine Lust auf Klavier hatte, aber spielen musste: Ihre eltern haben ihr erstmal einen super Flügel gekauft (Marke habe ich vergessen, aber billig war der nicht) und einen Klavierlehrer eingestellt, der in in Japan schon viel Erfolg hatte.
(Sie ist nie über die erste Seite von "Für Elise" hinausgekommen.)

Und: Der Klavierunterricht ist teuer ;-) Pro Stunde (45 min.) nimmt der Durchschnitt ja schon 30 Euro und das auf 4 mal im Monat hochgerechnet + evtl. Geschiwster :rolleyes:

Vielleicht sind es ja auch noch eingefahrene Modelle von gaaanz früher, wo nur die super gebildeten und adeligen Familien Instrumente erlernen konnten :cool:

lg
 
Wohl aus Deinem tiefsten Inneren. Ich frage mich ernsthaft, auf welche Schule Du gegangen bist. ;)
Ich habe niemals einen elitärischen Hauch vernommen. Im Gegenteil: Ich wurde von meinen Mitschülern respketvoll behandelt, gerade weil ich ein wenig Instrumente spielen konnte. In Betragen hatte ich aber auch immer nur eine 3 bis 4, evtl. lag´s ja auch daran. :rolleyes:
Aber im Ernst: Wer meint, das Klavier, Golf oder sonstwas eltär ist, ist schlicht und einfach voreingenommen bzw. assoziiert das Ganze mit einzelnen Personen.
 
Hallo!
Ich denke auch, dass Klavier auch heute noch einen besonderen Status hat. Wenn man heuteztage sagt, dass man Klavier spielt wird man manchmal angeschaut als käme man von einer anderen Welt. "Waaas du spielst KLaaavier?"
Ich denke das hängt einfach damit zusammen, dass es ein Luxus ist, der sich nicht jeder leisten kann; das war denk ich früher noch eher so als heute. Ich denke es kommt aber auch drauf an in welchen Kreisen man verkehrt. In bestimmten ("richtigen") Kreisen wird Klavier nicht als spießig oder ähnliches empfunden, sondern da wird dann sogar mal nachgefragt, wie lange, wie und was man denn so alles spielt und nicht wie ich es auch schon gehört hab "Klavier? Ach hau doch ab..." oder "wer bistn du dass du klavier spielst?"....
Wie das früher in meiner Kindheit war, also dass nur die "Streber" und "Ausenseiter" klavier gespielt haben weiß ich nicht. KLAvier trat erst in mein Leben als ich 13 war. Davor wusst ich eigtl nur, dass es ein großer Kasten mit Tasten ist und kannte eigtl niemand direkt der Klavier spielt (heute eigtl auch noch nicht).
Wie das mit den "höher gestellten Familien" ist, weiß ich auch nicht direkt, weil nicht aus solch einer komme. Meine Eltern sind im übetragenen Sinne einfache Bauern. Aber auf meinem Gymnasium merkt man es schon etwas, dass fast alle irgendwie vornehmer, höflicher, tolernater, intelligenter... sind. Da ists auch nichts ausergewöhnliches, wenn man KLavier spielt. Ich denke auf einer Hauptschule wärs das schon. Aus Sicht der meisten Hauptschüler gehen ja sowieso nur Streber und Spießer auf ein Gymnasium und sowas wie klavier braucht ma ja gar nicht, das is ja auch so uncool.

Also ich denke, wenn man sagt, dass man Klavier spielt, eilen einem schon gewisse Klischees voraus, wo man dann schon im vorraus in so manch eine Schublade gesteckt wird, aber ich glaube meistens auch gar nicht zu unrecht (link). Ich denke klavier spielen belibt gewissen "höheren" Kreisen vorbehalten, wobei ich da ja schon ein Gegenbeispiel dafür wär, weil ich ja eher aus einfachen Verhältnissen komme, was wohl der Grund für ist, dass ich nicht mal ein echtes Klavier hab. :-(

lg bechode
 
ein Klavier, ein Klavier

ich erinnere mich an meinen Lateinlehrer, der mal bemerkte, als ich die Hausaufgaben nicht zufriedenstellend erledigt hatte, ich hätte wohl wieder zu viel Klavier geübt. Ich traf ihn mit einem verächtlichen Blick und dachte bei mir: Was für ein Idiot.

Ansonsten muss ich mich ganz Peter anschliessen. Das Elitäre, wenn es wahrgenommen ist, geht von einem selber aus. Wer Klavier aus Freude spielt und einen Klavierunterricht besucht, sollte sich keinesfalls irgendwie besonders fühlen. Denn die Anmeldelisten der staatliche Schulen (Jugend-Stadtmusischulen - Konservatorien) sind absolut voll. Überall gibt es Wartelisten, wenn die schule einen guten Ruf hat. Es ist genauso normal wie Tennisspielen oder Turnen.

Dass es dann einige gibt, die aufgrund besonderen Talents ihrem Klavierspiel bereits in der Jugend viel mehr Zeit widmen als üblich, nimmt sie natürlich aus der Menge heraus und sie haben einen Sonderstatus, meinetwegen auch den des Strebers. Aber damit müssen alle Hochbegabten rechnen.

Bei der weltweiten Einführung der Keyborads waren viele entsetzt, was jetzt wohl aus den ganzen KLavieren werden würde und ob die Kinder noch Lust hätten, das zu erlernen. Zum Glück hat die Industrie selbst dafür gesorgt und ständig in ihren Instrumenten dem perfekten Klavierklang hinterherkonstruiert. Die aussagen widerholten sich : Unsere Klaviersounds wurden auf einem echten Steinway mehrfach gesampelt. Dadurch hat es auch der Dümmst gemerkt. Das Best ist halt ein richtiges Klavier. Und die Höhrer Tochter, die aus gesellschaftlichen Gründen Klavierunterricht bekommt, gibt es kaum noch.

Klavierspielen ist also was ganz Normales. Erst wenn der Klavierspieler durch Leistung aufsteigt, dann kann er zur Elite gehören.
 
Ich denke mal, Profis sollte man beiseite lassen, die sind logischerweise Elite - und zwar im ganz klassischen Sinne, halt die Auswahl, die es bis zum oberen Ende geschafft hat.

Ansonsten hat Klavier spielen definitiv einen elitären Touch, genau wie Tennis, Turnen und Golf. Für große Teile der Jugend gehört klassische Musik in die großen dunklen Konzertsäle wo man nicht husten darf und sein Handy ausschalten muß, ansonsten spielt man vor Freunden vielleicht mal die fünfte von Beethoven ab weil man gerade Clockwork Orange gesehen hat oder Hungarian Rhapsody von Queen "weil bei denen auch Klassik geil rüberkommt". Wer nicht elitär sein will, muß auch als Bandmitglied "Keyboard" statt "Klavier" sagen. Ansonsten wird es mit Klassik assoziiert, eben mit den obigen Auswirkungen.

Wie schon von anderen gesagt, gehört Klavierspielen auch nicht gerade zu den billigen Hobbies. Fernseher und Autos sind Statussymbole und Gebrauchsgegenstände, denen man sich oft mehrere Stunden pro Tag widmet, daher geben Leute so viel dafür aus. Aber wir wissen ja auch "Geiz ist... " (abgewürgt)! Daß sich Menschen mit geringerem Einkommen einen Fernseher für 3000 Euro kaufen, ist ja wohl auch nicht die Regel.

So, das ganze bezieht sich - etwas inkonsequent - vor allem auf Jugendliche. Dort gilt vermutlich auch heute noch, wer nicht die entsprechenden Eltern hat, die auf musikalische Bildung wert legen, wird es schwer haben, Klavier zu lernen. Ein E-Gitarrenstarterset kostet heute um die 200-300 Euro und ist im Freundeskreis viel cooler (jedenfalls solange man nicht spielt). Ich denke mal, das ist eher der Bereich, in dem Eltern bereit sind, ihre Kinder zu fördern.

Etwas anders sieht es wohl in höheren Schichten und Lehrerfamilien aus. Dort wird eben entweder auf Prestige oder auf Bildung Wert gelegt und Klavierunterricht gilt ja als eine wertvolle Komponente in der Erziehung. Ein Flügel im Salon und dann noch die (eigentlich nicht so) hübsche Tochter, die für Elise fast fehlerfrei vorträgt, daß beeindruckt dann sogar die japanischen Geschäftsfreunde! Das Beispiel ist natürlich Blödsinn aber ich glaube schon, daß ähnliche Gedanken bei der Image-Bildung des Klavierspielens ablaufen.
 
die hässliche tochter

manche sehen aber auch echt süss aus.

Hi Guendola, irgendwie hast du auch Recht, aber gerade deshalb kämpfe ich gerne gegen dieses Denken an. Man muss nicht jeden dahingeplapperten Blödsinn als fundierte Meinung nehmen. Über den Musikschulbetrieb und deren Freunde und auch weitere Bekannte habe ich recht viel Kontakt zu Jugendlichen - auch innerhalb unserer Familie - .

Es ist wahr, dass Klavierkauf, Unterricht die finanziellen Möglichkeiten vieler Familien übertreffen, aber das liegt nun an unserer Kulturpolitik und betrifft vieles andere ebenso. Ich will jetzt nicht zu politisch werden, aber die Benachteiligung weiter Schichten am unteren Rande ist beabsichtigt und leider politisch gewollt. Fragt die Lobbyisten.

Im Grunde sind aber die meisten eher an Instrumenten und auch am Klavier interessiert. Ich gehe eben leicht auf Menschen zu und bringe sie in Kontakt mit Klavierspiel. Wie ich das mache: Wenn Jugendliche Freunde in meiner Familie da sind, biete ich an, was zu spielen. Ich habe noch nie ein "Nein" gehört. Ich schicke den Leuten, die ich kenne interessante links mit Klavierspiel oder Ähnlichem. Und noch einiges mehr.

Viele werden natürlich nicht erreicht und wir täten gut daran, diese künstlerischen ressourcen besser zu nutzen. Dass im KOnzertbetrieb einiges geändert werden sollte, denke ich auch. Aber KLavierspiel auf hohem Niveau erfordert nun mal auch konzentriertes Zuhören. Das kann ich aber meinen jungen Freunden immer gut erklären.

die villa mit dem Flügel wird es weiterhin geben, die haben dann auch Porsche u. dgl. in den Garagen, aber um die geht es nicht.

Es gibt Viva, Mtv und andere - aber wo ist Klassik TV im free TV ?
 
...aber gerade deshalb kämpfe ich gerne gegen dieses Denken an...

Ich glaube, wir sind uns ziemlich einig. Du denkst voraus, ich beschreibe die Gegenwart.

Es ist aber ja tatsächlich so, daß man für 350 Euro bereits ein Digitalpiano kaufen oder ungefähr 11 Monate Klaviermiete bezahlen kann (ich gehe vom Minimum aus). Bei uns in Hamburg gibt es Klavierunterricht ab 20 Euro pro Stunde, also nochmal 80 Euro pro Monat extra. Ein Jahr Klavierunterricht kostet also inklusive Transport des Mietklaviers ab 1500 Euro oder 125 Euro pro Monat.

Vergleichsrechnung E-Gitarre, was vielleicht populärer ist:

250 Euro für ein Starterset, Unterricht kostet das gleiche. 1210 Euro für das erste Jahr, ca. 100 Euro im Monat, und es bleibt noch das Instrument übrig.

Der Unterschied beträgt also gerade mal 300 Euro pro Jahr bzw. 25 Euro im Monat. Das ist für eine schlecht verdienende Familie ein merklicher Unterschied aber eigentlich wirklich kein Grund, Klavier als elitär anzusehen.

Bleibt also nur noch das Image, an dem zu arbeiten ist...
 
Der Vergleich mit Gitarre hinkt ein wenig. Es bleibt nie bei dem Gitarreneinsteigerset (es sei denn, man gibt nach ´nem Jahr auf). Gitarre kann richtig teuer werden. Halbwegs vernünftige Gitarre, guter Amp, eine zweite klassische Gitarre...da kommt man eigentlich nicht dran vorbei. Schaut man sich in den Foren um, stecken Jugendliche Ihr ganzes Vermögen rein.
Dagegen war mein erstes Klavier für umsonst (lange danach gesucht). Mein zweites (viele Jahre später) hat 500,- DM gekostet. Man muss es sich einfach irgendwie nur einrichten. Alle ernsthaft betriebenen Hobbys kosten irgendwann richtig Geld, selbst Angeln.
Ich bin übrigens der Meinung, dass (Sport)Bowling eines der teuersten Hobbys ist. So viel Geld wie dort habe ich noch nirgends gelassen. Und trotzdem richten es sich selbst arme Leute ein, diesem Hobby nachzugehen.
 
In der der Zeit in der ein Klavierspieler ein Notenheft für 24,90€ durcharbeitet habe ich zwei paar Laufschuhe à 120€ runtergelaufen... Ich denke das Klavier ist der große Batzen. Danach kommt nicht mehr allzu viel.

Grüße
 
Ich glaube nicht, dass das Klavierspiel vordergründig mit finanziellen Aspekten verknüpft wird. Klar denken viele, dass der Klavierunterricht recht teuer sei, was bei genauerer Betrachtung allerdings nicht stimmen muss. Ich bezahle zum Beispiel nur 37,50 Euro pro Monat(staatl.Musikschule), bei 60 Min. in der Woche. Auch mein Digitalpiano war nicht teurer als eine Playstation 3. Und die Noten, die mich interessieren, bekomme ich meistens als freien Download und neu gesetzt, weil das Urheberrecht dort nicht mehr greift. In meinen Augen ist es eher das Klavierspiel an sich, die Schönheit und Einzigartigkeit der Musik, die einen besonderen Touch hat, denn es gibt wohl wenige Tätigkeiten , bei denen man so viel Zeit investieren muss, um ein annehmbares Resultat hervorzubringen. Einen Verkehrsflugzeugführer auszubilden dauert bei der Lufthansa etwa 2 1/2 Jahre, dann hat derjenige das Rüstzeug, um im internationalen Luftverkehr zu bestehen und 100 Tonnen sicher von A nach B zu bringen. Eine pianistische Ausbildung dauert wohl mindestens 15-20 Jahre, und selbst dann entscheidet neben Fleiß und "handwerklichem Geschick" letztendlich das Talent darüber, ob man den Beruf des Pianisten ausüben darf oder nicht. Was ich damit sagen will ist, dass das Klavierspiel ein Lebenswerk ist, bei dem man jeden Tag aufs neue an seine Grenzen stößt und eigentlich nie den Zustand der Perfektion erreicht, ganz gleich, wie viel Geld man investiert. Jemand, der meisterhaft spielen kann, dafür aber aus einfachen Verhältnissen kommt, erscheint mir sehr viel elitärer, als jemand, der stümperhaft auf einem Steinway klimpert, weil Mutti oder Vati es eben so wollte.
 

Zu den Schularten muss ich jetzt natürlich auch was sagen.

In meinen ganzen Jahren als Lehrerin an der Hauptschule ist mir nur ein einziger Schüler begegnet, der Klavierunterricht hatte und nach Jahren schließlich ein einfaches modernes Stückchen leidlich spielen konnte. Da er in der Klasse insgesamt einen guten Stand hatte, wertete ihn das auf, und die anderen bewunderten ihn dafür.
Wenn in einer Hauptschulklasse überhaupt ein/e Schüler/in privat mit einem Instrument in Kontakt kommt, ist das die große Ausnahme! Und wenn, dann ist es fast immer Keyboard, evtl. vielleicht auch mal E-Gitarre. Eine Schulband hatten wir als Hauptschule nicht.

Ich bin nun seit Jahren an einer Gesamtschule und weiß in dieser Zeit nur von 3 Schüler/-innen der Schule (ca. 600 Schüler), die ein Klavier angepackt haben. Eine hat bei ihrer Abschlussfeier ganz nett schülerhaft etwas vorgespielt, ein anderer ist bis zum ersten Satz der Mondscheinsonate gekommen - und erzählte mir ein Jahr nach seiner Mittleren Reife zu meinem Entsetzen, dass er nun Klavierunterricht gäbe!!! - und eine dritte konnte nach sieben Jahren Unterricht nicht mal die ersten Takte der "Elise" spielen, die sie aber durchgenommen hatte.
Seit Sommer habe ich ein neues 5. Schuljahr, da scheint es leichte Silberstreife am Horizont zu geben. Ein Junge hat seit 3 1/2 Jahren Schlagzeugunterricht und hat letzte Woche eine tolle Schau hingelegt, da waren wir alle ganz begeistert. Ein Mädchen spielt Saxophon, und eine bekommt Klavierunterricht und will uns nach den Ferien "Freude schöner Götterfunken" vorspielen. Unsere Gesamtschule hat eine Schulband und keine Nachwuchssorgen.

Was das "Elitäre" angeht, so denke ich, dass hier auch der Respekt vor der Leistung eine Rolle spielt. Auch der größte Ignorant weiß, dass Klavierspielen nur durch große, dauerhafte Anstrengung zu erreichen ist. Das gilt selbstverständlich für jedes Instrument, aber beim Klavier ist es vielleicht für alle am erkennbarsten. Egal, ob einem das gerade vorgespielte Stück nun gefällt oder nicht, man muss zugestehen, dass hier jemand etwas kann, was man selbst nicht kann. Darauf kann man nun auf verschiedene Arten reagieren:
- Man bekommt Appetit und will das selbst auch lernen. Als Kind muss man dann allerdings seine Familie entsprechend überzeugen (ich selbst habe als Kind über ein Jahr lang betteln müssen, bis man mir endlich vertraut hat, dass mein Wunsch nach Klavierunterricht keine Laune war).
- Man bewundert das neidlos, weiß dabei, dass man selbst dafür nicht geeignet wäre, stattdessen aber andere Talente hat, und baut diese mit gleicher Energie aus. Die eigenen, anders gearteten Fähigkeiten geben einem genug Selbstbewusstsein.
- Man hat selbst nicht viel, mit dem man "punkten" und das eigene Selbstbewusstsein stützen kann. In sozial schwachen Schichten ist Durchhaltevermögen wenig ausgeprägt, so dass Kinder diese Tugend auch kaum lernen können - ganz zu schweigen, von der Unterstützung und Toleranz, die die Umgebung beim notwendigen Üben aufbringen müsste. Die mangels Durchhaltevermögen nicht zu erreichende Anerkennung über Leistung muss deshalb mit (ohne solche Anstrengung zu erreichenden) Gütern kompensiert werden, z. B. Handy, Piercing, usw... Klavierspielen und die für gewöhnlich dazugehörige Musik (wie auch bei der Geige) stellt hier eine "andere Welt" dar. Diese mit entsprechenden Verhaltensweisen "abzuwehren", ist vielleicht auch eine Art von Selbstschutz...

Gruß
Tosca
 
Vielleicht darf ich auch mal was dazu sagen.
Ich habe einen Lebenslauf wie "Jack London" und komme aus ärmlichen Verhältnissen. Ich weiss heute eigentlich noch nicht wie ich zum Klavierspielen gekommen bin, gut meine Mutter spielte auch Klavier war aber nur bei mir am rummnörgeln, du machst ja alles falsch, vielleicht dachte ich, jetzt erst recht!
Als ich dann eines Tages, besser spielen konnte als sie, war sowieso Feierabend. Ich liess mich aber nicht beirren und machte trotz schlecher Lehrer weiter.
Heute ist Klavierspielen meine Welt.

Gruß Chief
 
Ich will noch mal was ergänzen, schon wieder was aus meinem Privatleben.
Meine 4 Kinder, drei Jungs ein Mädchen, hatten die optimalen Bedingungen das Klavierspielen zu lernen.
Wir hatten einige Klaviere und ein Flügel im Haus.
Dazu kam eine Sakral Orgel und ein Harmonium.
Papa hat sich angeboten als Klavier Lehrer.
Und was war.

"NICHTS"

Macht mich im Nachhinein irgendwie traurig.

Gruß Chief
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi,
ich glaube, es kommt auch sehr auf das Umfeld an, in dem man lebt. Ist man in einem Umfeld, in dem fast alle Klavier spielen, wird der elitäre Touch verloren gehen. Anders herum wird er mit Sicherheit bleiben.
Ich denke, im Allgemeinen ist das Denken von früher doch noch geblieben. Klavier spielen gehörte teilweise schon zu einer guten Erziehung und konnte nur für besser getuchte Menschen möglich werden. Ich glaube, dieses Denken hat sich auch noch heute gehalten. Ich finde das auch nicht unbedingt richtig.
Leider ist es aber so, dass Klavier spielen im Verhältnis gesehen teuer ist. Erst einmal muss man schon ganz schön sparen, wenn man sich das Instrument kauft. Damit ist es jedoch oft nicht getan. Ich finde auch, dass Klavierunterricht im Verhältnis zu anderen Instrumenten teuer ist. Als Kind konnte ich deswegen auch keinen Unterricht bekommen. Auch jetzt merke ich, dass ich mir wegen meinen Unterricht nicht mehr so viel anderes leisten kann. Ich verzichte gerne darauf, werde manchmal aber schon für verrückt erklärt. Ich wohne in einem Dorf und die Leute sind der Meinung, dass ich den Blick für das WEsentliche verloren hätten. Ich solle mir dann doch lieber was schönes zum Anziehen, etc. kaufen. Oft habe ich auch schon gehört, dass ich jetzt in 'anderen Sphären' schweben würde. Ich kann nicht sehen, dass ich seit dem Klavier spielen meinen Charakter geändert habe. Aber selbst von meinen Onkel und Vater werde ic mitunter 'verächtlich' angeschaut. Sie meinen auch, mit dem Klavier würde ich über meinen Verhältnissen leben. Das kann ich so nicht bestätigen. Ich mache nie Miese, sondern spare auch noch. Ich spare eben nicht am Klavierunterricht, sondern an Kino, ausgehen, Kleidung, etc. Da das viele nicht verstehen, und zwar diejenigen, die noch dieses alte Denken haben, werde ich verächtlich angeschaut.

LG

Siri
 
Siri,
in welch einem Dorf lebst du denn?
Züchtest du auch Rosen?

Gruß Chief
 
Klavierunterricht ... ich denke da muss man auch die Augen aufhalten und
kann verhandeln. Meine Klavierlehrerin (die ich zwar noch nicht kenne) aber mit der ich mich nächste Woche treffe, nimmt 16 Euro die Stunde, obwohl sie
Musik studiert hat, also qualifiziert sein dürfte.

Angenommen als Anfänger hat man dann 3 Stunden a 16 Euro, dann sind
das 48 Euro. Ein günstiges Mietklavier kostet ab 30 Euro.
Rechnen wir mal 100 Euro im Monat ... soviel geben Andere (Unterschicht?)
im Monat für Playstationspiele oder Internetsurfen aus. Oder für
Handy-Klingeltöne, die dann fast so gut klingen wie ein Bösendorfer.
 
Och das wärs doch noch:

"Jamba! featured by Bösendorfer"
 
Meine "Aurelia Proskura" kommt sehr gut, ist eine Herbstrose.

Mein Klavier blüht auf, immer Probleme mit der Blumenvase auf dem Flügeldeckel.

Gruß Chief
 

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