J. S. Bach swingen?

  • Ersteller des Themas J. S. Schwach
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Hier angehängt mein neuster Versuch.

Beim vorigen Versuch fiel es immer nach vorne, hier scheint es allzu "von hinten fest gezogen". Was dabei unrichtig ist, scheint mir der "Doppelakzent" auf zwei nacheinanderfolgenden Tönen zu sein. Ich glaube, je betonter die "off-beat note" ist, desto kleiner die Lücke zur nächsten auch sein muss. Auch sollten die Onbeats öfter zurückgenommen werden als ich es getan habe.

Das Swinggefühl improvisierend zu gestalten gelingt mir komischerweise schätzungsweise viel natürlicher wenn ich nur eine Stimme spiele; sobald der Rhythmus durch verschiedene Stimmen verteilt wird verliert es leicht an Lebendigkeit und Varietät.

Beim nächsten mitgeschnittenen Konzert probiere ich es nochmal...
Klingt sehr schön!

Auch ich habe kein Patent-Rezept, außerdem gibt es keine Abkürzung geschweige denn einen Quick-Fix auf dem Weg zum besseren Swingen. Bei Dir klingt es trotz korrekter triolischer Rhythmisierung nach dem, was die Jazz-Polizei gerne (zurecht) "zickig" nennt. Aus meiner (Amateur-) Sicht liegt das an Deiner Phrasierung und Akzentuierung. Du spielst:

Ta - a - ta - Ta - a - ta - Ta - a - ta - Ta - a - ta ...

oder manchmal auch angedeutet :

ta - a - Ta - ta - a - Ta - ta - a - Ta - ta - a - Ta ...

oder beides gemischt

Versuche mal alternativ:

du - (u) - BAH-du - (u) - BAH-du - (u) - BAH-du - (u) - BAH ....

und stell Dir die Triolen nicht als lange Linie vor sondern als Kreisbewegung.

Es müsste dann deutlich geschmeidiger und relaxter Swingen, das ist jedenfalls meine Erfahrung.

Möglicherweise würde man aber damit ein E-Musik-geprimetes Publikum überfordern oder verschrecken. In diesem Kontext ist "Ta - a - ta..." vielleicht die sicherere Variante. Heraus kommt dann eben angejazzter Bach und nicht bachiger Jazz.

Hoffe, Du kannst mit meiner Nomenklatur etwas anfangen.

LG

TJ
 
Empfehlung meines Saxophonlehrers: Oscar Peterson.

Oh, big Like und großes YESSS! :-)

Auch Count Basie vor der Bebop-Phase. Dort klingen die gleichen Stücke von vorher nämlich total swinglos.

Gute Beispiele: Splanky, mit Ella in Japan: Shiny Stockings

Oder das Album: Ella and Louis (Band: Oscar Peterson Trio)
Besonders: They can't take that away from me.

Edit: Hymn to Freedom (auf Night Train) ist auch ein Muss
 
Ich kriege ja den Swing dienstags hart einmassiert: Big Band Probe. :-) Wobei unser Leader mehr auf der Ellington-Schiene unterwegs ist.

Grüße
Häretiker
 
Ich frage mich, ob es überhaupt sinnvoll ist, diesen Contrapunctus als Swing aufzufassen. Wenn etwas im Barock vergleichbar ist mit dem Swing, dann sind das zwar die berühmt-berüchtigten notes inégales des französischen Stils; allerdings meinten die Franzosen nach meiner Kenntnis immer scharfe Punktierungen (piqué), wenn sie punktierte Noten in geraden (gemeint sind: nicht ternäre) Taktarten schrieben. Weiche, ungefähr ternäre Punktierungen (louré) wurden dagegen als normale Achtel notiert.

Bach war natürlich kein Franzose, und er war auch nie in Frankreich - den französischen Stil kannte er also nicht vom Hören, jedenfalls nicht aus erster Hand. Allerdings hat er den französischen Stil kompositorisch meisterhaft umgesetzt - das spricht dafür, dass er sich doch sehr eingehend damit auseinandergesetzt hat. Zudem gab es nachweislich einen Briefwechsel zwischen Couperin und Bach - für mich ist deshalb kaum vorstellbar, dass Bach um die "richtige" Spielweise französischer Musik nichts wusste.

So interessant ich das Swing-Experiment auch finde - ich würde diesen Contrapunctus scharf punktiert und abgesetzt spielen. Es klingt für mich einfach richtiger.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich frage mich, ob es überhaupt sinnvoll ist, diesen Contrapunctus als Swing aufzufassen.

Wäre doch eine arme Welt, in der Menschn nur Dinge tun, die sinnvoll sind. :-)

Andere beschäftigen sich mit nicht-euklidischer Geometrie oder forschen an Stoffen, die weder Leiter noch Isolator sind. Braucht echt kein Mensch! *)

Grüße
Häretiker

*)
GPS braucht nicht-euklidische Geometrie in Form der ART, die Stoffe sind natürlch Halbleiter
 
@kitium:
Vielleicht willst du mal Folgendes probieren:
Das Stück steht im alla breve- Takt. Es ergibt sich womöglich ein eher swingendes Bild, wenn man es im doppelten alla breve denkt. Also e i n Schlag pro Takt bzw. je 2 Takte zusammengefasst ( natürlich nicht schneller spielen, eher etwas langsamer).
Die halben Noten am Themenbeginn nicht zu weich, es sollte klingen wie die Attacke beim Kontrabass ( gezupft natürlich).
Vielleicht sogar so, nur als Denkfigur: "Die einfachste Art auf dem Kontrabass zu slappen besteht darin, die Saiten mit den Fingern der Spielhand vom Griffbrett wegzuziehen (anreißen) und dann auf dieses zurückschlagen zu lassen." ( Wikipedia)
Diese Halben vielleicht mit Fingerakzent, obwohl ja, wie öfters im Forum zu lesen, die Finger beim Klavierspiel nicht bewusst zu heben sind. Aber hier braucht man etwas Geräusch.
Und wenn es geht, diese Halben mit nahezu unmerklicher mikrorhythmischer Verschiebung. Es ist nicht so, dass Bassisten, die natürlich wichtige Timekeeper, sind, mathematisch genau auf die Zählzeiten spielen.
Die Viertel in Takt 3 non legato.
In Takt 4 das g n i c h t an das vorangehende f anbinden. Und dieses g relativ stark betonen. Mit diesem Ton entscheidet sich das Stück.
In der Regel überhaupt in solcher Situation - nach mit punktierter Sechzehnel verlängerter Viertel oder Halben- den nächsten Ton nicht anbinden. Die Gefahr ist auch, dass dann dieser Ton zu spät kommt.
Betonung auf dem ersten c im Bass Takt 5.
Ansonsten hauptsächlich legato. Mit Akzenten experimentieren.
Entsprechend alles übertragen auf das ganze Stück, mit größter Freiheit und niemals automatisch.

Meine Frau, die wirklich musikalisch ist, sagte eben wie sie die Aufnahme hörte: " Der spielt ja punktiert". Es klingt schon so.
Vielleicht wirklich alles mal in geraden Achteln üben?
Spiel vielleicht nicht so ästhetisch oder vielmehr mit einer anderen Ästhetik. Vergiss die Geigen. Das Stück hat 2 Trompeten, Tenorsax und Posaune.
Wenn du Lust und Zeit hast: Count Basie Orchestra hören. Freddie Green, der Gitarrist, hat sein Leben lang nur Viertelnoten gespielt. Aber wie! Und nur scheinbar mathematisch genau.
 
Mit Verlaub, das ist genau der Trugschluss... "Nicht denken... das Feeling muss stimmen..." Falsch! Erst korrekt lernen inklusive denken, verinnerlichen und dann erst frei nach "Feeling" anwenden.

Genau, so geben ja schon Naturvölker ihre ternären Rhythmen seit tausenden Jahren von Generation zu Generation weiter.

Im Ernst: Wer Swing-Musik hört, kann sich auch swingende Melodien merken und singen.
Ohne jede Analyse und triolische Interpretation.

Wer nur Triolen kann oder Up-Beat, wird um Bebop nicht herumkommen.

Mal drauf achten: Je weißer Jazz (oder auch Blues) in der Geschichte geworden ist, desto weniger swingt er und wird zunehmend steifer triolisch oder rein Up-Beat betont.
 

Genau, so geben ja schon Naturvölker ihre ternären Rhythmen seit tausenden Jahren von Generation zu Generation weiter.

Im Ernst: Wer Swing-Musik hört, kann sich auch swingende Melodien merken und singen.
Ohne jede Analyse und triolische Interpretation.

Wer nur Triolen kann oder Up-Beat, wird um Bebop nicht herumkommen.

Mal drauf achten: Je weißer Jazz (oder auch Blues) in der Geschichte geworden ist, desto weniger swingt er und wird zunehmend steifer triolisch oder rein Up-Beat betont.
Das stimmt natürlich alles, was du schreibst, aber als rhythmisch verwahrlost sozialisierter Mitteleuropäer sollte man alle Register ziehen um das Defizit auszugleichen. Deswegen gibt es Intellekt-basierte Methoden um den Lernprozess zu beschleunigen.
 
Vielen Dank für diese interessante Einspielung und den Blick in die Werkstatt!

Bei dieser Fuge spielt meistens nur eine Stimme den punktierten Rhythmus. Der Rhythmus wird also an sich nicht vom Zusammenspiel eingeengt. Es stimmt natürlich, dass man bei Swing nie auf eine Begleitung mit solchem rhythmischen und harmonischem Charakter käme.
Es ist ja ein Irrtum zu denken, jede Zusammensetzung von Tönen könne swingen.

Ich könnte mir vorstellen, dass das der Schlüssel ist. Wäre es möglich, z.B. die zweite (oder auch fünfte) Note des Fugenthemas jeweils mit auf die "Swingzeit" etwas vorzuziehen? Dies nur als Beispiel, möglicherweise sind auch ganz andere Abweichungen hilfreich.
Jedenfalls scheint mir, die zu regelmäßige Struktur auf Taktschwerpunkte, die außerhalb der punktierten Stimme vorhanden ist, engt den Swingeffekt ein.
 
Kitium, Tatsache ist leider, dass das, was Du da spielst, nicht das GERINGSTE mit Swing zu tun hat.

Jemand, der sich im Jazz auskennt, würde, ohne weitere Erläuterungen mit Deiner Aufnahme konfrontiert, nie im Leben darauf kommen, dass das was mit "Swing" sein soll! Sorry, aber so sieht's wirklich aus!

Man kann noch so herumanalysieren, was die "Ingredienzien" für Swing sind, und die dann anwenden - dadurch kommt man nicht dahin, zu swingen.

Das Swingfeeling ist eine aurale Tradition, die also nur übers Ohr, übers Nachempfinden und Nachmachen, erlernt werden kann.

Ein Lehrer kann nur Hinweise geben, den Schüler in eine Richtung stupsen ("Mach die beiden Achtel nicht ZU unterschiedlich!"; "betone nicht die On-Beats, sondern eher die Noten auf 'und'!"; "spiele timingmäßig weiter hinten" usw.), aber niemals kann eine Anleitung gegeben werden "mache dies, dies, dies und dies, und dann klingt das authentisch swingend".

Fairerweise muss man aber auch sagen, dass selbst unter den professionellen Jazzmusikern nur relativ wenige in der Lage sind, WIRKLICH swingend zu spielen. Bei den meisten sieht es in der Hinsicht so lala aus.

Oscar Peterson, so toll der ist, sollte man NICHT als Vorbild hierfür nehmen, da sein Swing-Feel sehr eingegrenzt, unflexibel und "schematisch" ist. Besser dafür sind Pianisten wie z.B. Wynton Kelly, Cedar Walton, Monty Alexander, Tommy Flanagan.
 
Kitium, Tatsache ist leider, dass das, was Du da spielst, nicht das GERINGSTE mit Swing zu tun hat.

Jemand, der sich im Jazz auskennt, würde, ohne weitere Erläuterungen mit Deiner Aufnahme konfrontiert, nie im Leben darauf kommen, dass das was mit "Swing" sein soll! Sorry, aber so sieht's wirklich aus!

Man kann noch so herumanalysieren, was die "Ingredienzien" für Swing sind, und die dann anwenden - dadurch kommt man nicht dahin, zu swingen.

Das Swingfeeling ist eine aurale Tradition, die also nur übers Ohr, übers Nachempfinden und Nachmachen, erlernt werden kann.

Ein Lehrer kann nur Hinweise geben, den Schüler in eine Richtung stupsen ("Mach die beiden Achtel nicht ZU unterschiedlich!"; "betone nicht die On-Beats, sondern eher die Noten auf 'und'!"; "spiele timingmäßig weiter hinten" usw.), aber niemals kann eine Anleitung gegeben werden "mache dies, dies, dies und dies, und dann klingt das authentisch swingend".

Fairerweise muss man aber auch sagen, dass selbst unter den professionellen Jazzmusikern nur relativ wenige in der Lage sind, WIRKLICH swingend zu spielen. Bei den meisten sieht es in der Hinsicht so lala aus.

Oscar Peterson, so toll der ist, sollte man NICHT als Vorbild hierfür nehmen, da sein Swing-Feel sehr eingegrenzt, unflexibel und "schematisch" ist. Besser dafür sind Pianisten wie z.B. Wynton Kelly, Cedar Walton, Monty Alexander, Tommy Flanagan.
 
Da sind wir genau da, wo man eben nicht hinkommen sollte. Bei dem Abdriften ins Ungenaue, Ungefähre, Mystische, so nach dem Motto: man hat es oder nicht, man muss es fühlen, man muss es leben, ein Klassiker wird das nie können. Das ist genau so abwegig wie zu sagen, man müsse dafür schwarz sein, einen Haufen fragwürdiger pharmazeutischer Produkte zu sich genommen haben, täglich die 52nd Street in NYC auf und ab gerannt sein etc. pp.
Damit kann unser Kitium überhaupt nichts anfangen, der übrigens nicht genug dafür zu loben ist, auch die Pflanzen an seinem Wegrand zu beachten und mal vorsichtig eine davon zu pflücken. Ich glaube nicht, dass er vorhat, sich eines Tages als Jazzpianist zu bezeichnen.
Wenn es Swing gibt, kann man ihn zu einem gewissen Grad analysieren. Der Rest ist Training, Erfahrung, Persönlichkeit.
Aus. Peng.
 
Jep. Solltest Du als Jazzspieler eigentlich auch wahrgenommen haben.

Im Gegensatz zu anderen swingenden Spielern, deren swingende Phrasen eine Flexibilität und "Elastizität" bezüglich des Timings besitzen, auch je nach Tempo und Art des Stücks, ist Oscar Peterson da besonders "festgelegt". Das ist bei ihm etwas, was geradezu etwas an Boogie-Pianisten erinnert.

Das macht ihn mitnichten zu einem schlechten Spieler, ich liebe Peterson - aber "gefährlich" als Vorbild für Schüler, die anfangen, Swing zu lernen.

Wo das hinführen kann, sieht man bei Marian Petrescu, der Peterson eigentlich erstaunlich gut kopiert, aber das "Mechanistische" auf geradezu parodistische Level hebt und dadurch leider künstlerisch nicht überzeugt.
 
Nein, worum es mir geht, ist NICHT "mystisch" oder nebulös.

Aber die Dinge, die man als Bedingungen für Swing formulieren kann, sind immer höchstens notwendige, niemals hinreichende Bedingungen. Wie überall in der Musik entscheidet letztlich das Ohr. Entweder ist dann also entweder ALLES in der Musik "mystisch" oder nebulös, oder gar nichts. Ich bin für "gar nichts". Es ist nur nicht alles dergestalt, dass der analysierende Verstand eine geeignete Führungsinstanz ist.

Überdies: Was für eine Spielsituation oder für eine Stelle gilt, kann für eine andere Spielsituation oder Stelle durchaus anders aussehen. Dies kriegt man aber nur durch Erfahrung rein. Beispiel: Normalerweise klingt "abgehacktes", staccatoartiges Spiel nicht swingend - aber dann gibt es z.B. diese kleinen Basie-Lines oder das Spiel Joe Samples... tja!

Analogie Sprache / Literatur: Du kannst Rechtschreib- und Grammatikregeln vermitteln, ja, und das ist auch wichtig und zweckmäßig - aber das führt nicht dazu, dass jemand zu dem Geschriebenen sagt: "Yeah, das berührt mich, das fühlt sich richtig an."
 

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