J. S. Bach swingen?

  • Ersteller des Themas J. S. Schwach
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Anlässlich eines Artikels über das Mysterium der inegalen Noten im Barock habe ich aus Quatsch die Invention 13 geswingt wie einen Boogie.
Aus dem Quatsch wurde bald Ernst. Ich hatte noch keinen Boogie unter den Fingern (okay, so viele waren es nicht), der so leicht und natürlich swingt wie die Invention. Phrasierungen und Stimmen werden plötzlich glasklar, da braucht man fast nichts mehr zu machen.
Seitdem frage ich mich, ob das Zufall sein kann...

Hat das schon mal jemand versucht?

Zum einen erschließt sich mir nicht, warum Phrasierungen und Stimmen (die hier ja weit genug auseinanderliegen) im ternären Rhythmus klarer werden sollten.

Zum anderen sind die notes inégales eine zeitlich und räumlich recht klar abzugrenzende Erscheinung: es gab sie nachweislich in der französischen Spätrenaissance und im Barock; nach 1700 kamen sie allmählich aus der Mode. Inwieweit inegales Spiel (in diesem Sinne) bei Bach anzuwenden ist, darüber kann man zwar in einigen seiner "französischen" Werke geteilter Meinung sein – aber nicht in der Inventio 13. Für das ternäre Spiel gab es nämlich klare Regeln - und eine davon besagt, dass es nur bei schrittweiser Fortschreitung zur Anwendung kommt. Bei dieser Invention mit ihrer Dreiklangsmelodik also ganz sicher nicht. Davon mal abgesehen, dass sie sich in keiner Weise an französischen Vorbildern orientiert.

Wer näheres dazu wissen will (und nicht nur dazu!), dem kann ich dieses Buch wärmstens enpfehlen:

https://www.stretta-music.com/vanbeek-klangrede-am-klavier-nr-664001.html
 
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ist nicht das NGL oft ein authentischer Ausdruck der jung(gebliebenen) singenden Gemeinde...?
Nein. Das NGL ist anbiedernd, pseudojugendlich und peinlich. Es wird ja auch nicht von "der Jugend" oder "der Gemeinde" geschrieben, sondern von arrivierten Kirchenmusikern, die irgendwo mal was von Synkopen gelesen haben und denken, das sei angesagt. No funk!

Klingen für mich oft mehr nach als gewollt denn gekonnt.
Genau so ist es.
 
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Nein. Das NGL ist anbiedernd, pseudojugendlich und peinlich. No funk!

Ich finde das NGL häufig auch nicht besonders geglückt, aber warum hat es sich so lange gehalten, es scheint ja "mächtige" Befürworterinnen zu geben....

Gospels würde ich jetz nicht dazu zählen, aber auch da sind die Kirchen häufig gut gefüllt.....und alle schwenken und klatschen kräftig mi
Die 4. Invention steht in d-Moll.
2. Sieben Orthografie- bzw. Interpunktionsfehler in einem einzigen Satz sind eine Zumutung. Echt!

HABEN WIR BERICHTIGT; ja natürlich, die 4. steht in d Moll... mea culpa
 
Maxe tut hier ja immer so, als wäre er vom Fach und könne mit den Profis auf gleicher Ebene parlieren - natürlich hat er sich für jeden, der Plan hat, schon längst vorher entlarvt, aber das mit "F-Dur" sollte nun wirklich auch dem Letzten klarmachen, das Maxe nicht ernstzunehmen ist.
 
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Könntest du das ausführen? Als konkrete Anweisungen zu inegalen Barocknoten kenne ich nur die Zeilen einiger Barockkomponisten. Wie setzt man diese Informationen um? Ich als Laie stelle den Bezug zu etwas Vertrautem her und probiere es aus. Und wenn es funktioniert, dann spricht einiges dafür, dass man es so machen kann. Vor diesem Hintergrund kann ich mit dem Begriff "Fake News" hier nichts anfangen.
Ich will es versuchen, obwohl dies zugebenermaßen kein einfaches Unterfangen ist. Wenn ich Theoriebücher über den Jazz ansehe, fällt auf, dass alle möglichen Parameter, vor allem die Harmonik, in aller Ausführlichkeit behandelt werden; über Rhythmik findet sich kaum etwas, und wenn, dann in pauschalierender Oberflächlichkeit. Oder die entsprechenden Aussagen sind nicht viel mehr als mystisches Raunen, nach dem Motto " man hat's oder man hats nicht ". In der Art "argumentieren " ausgerechnet viele Jazzmusiker.
Es ist schon richtig, dass jazzmäßige Phrasierung oft oder meistens triolenähnlich ist, wobei dies je nach Zeit- oder Personalstil erheblich variieren kann: Paul Desmond phrasiert bei Take Five sehr "smooth", Nina Simone bei der Klavierbegleitung von " My bay just cares for me (fast) punktiert; beide swingen wie der Teufel. ( Das Tempo spielt natürlich eine erhebliche Rolle; bei 200 bpm ist es nicht einfach, ternär zu phrasieren).
An der schieren Triolenhaftigkeit kann es also nicht liegen.
Im Grunde entsteht der Swing aus dem Gegensatz zwischen objektiver und subjektiver Zeit. Über dem Beat ( oder Puls, wie Freejazzer sagen) liegt ein Geflecht von Akzenten und Gegenakzenten in feinsten mikrorhythmischen Verschiebungen; das kann mal ins Triolenraster passen und mal nicht. Jazz ist essentiell polyrhythmisch, auch wo momentan Polyrhythmen nicht auftreten. Die besten Solisten, auch von Melodieinstrumenten, selbst wenn sie unbegleitet spielen, können dieses Wechselspiel in ihrer Melodiebildung hörbar machen. Auch die Auffassung, dass sich jeder Offbeat mit Betonung gespielt gehört, ist nicht richtig. Damit wären wir spiegelbildlich wieder bei der Starrheit der Phrasierung in der westlichen Konzertmusik ( mir ist schon klar, dass ich hier vereinfache....).

( Interludium: das klassische Rubato ist dem hier besprochenen Phänomen nicht vergleichbar; hierbei kommt nämlich kurz- oder längerfristig das ganze Zeitgefüge ins Rutschen; )wer hat eigentlich die Mär in die Welt gesetzt, dass man geraubte Zeit anschließend wieder hergeben soll?)).

Im Grunde treffen beim Swing afrikanisches und europäisches Zeitgefühl zusammen; meine für mich selbst noch nicht ganz ausformulierbare Idee ist, dass das zirkuläre Zeitempfinden der Afrikaner auf die Auffassung der Europäer : in eine Richtung verlaufender Zeitpfeil , im Zusammentreffen einen Teil des Wesens dieser Musik und des Swing ausmachen; damit zusammenhängend wohl auch der Umstand, dass Afrikaner Rhythmen additiv auffassen ,und die Westler komplexere Rhythmen durch Subdivision entstehend.
Eine improvisierte Melodielinie von John Coltrane oder Eric Dolphy ist rhythmisch nicht notierbar; wenn man es versuchte, sähe sie vermutlich wie ein Elaborat von KH Stockhausen selig aus; spielte man sie nach Noten nach, würde sie wohl swingen wie eine alte Latsche.

Ich finde auch, dass Jacques Loussier nicht wirklich swingt, obwohl es sein Verdienst bleibt, Türen aufgestoßen zu haben; die Bach- Exkursionen von Brad Mehldau , auf die pianochriss66 zu Recht hingewiesen hat, swingen sehr wohl.
(Postludium: wenn es, weitgehend zu Recht, heißt, dass klassische Musiker nicht jazzmäßig spielen können, gilt das in etwas geringerem Maße auch umgekehrt: der wunderbare Jazzpianist Keith Jarrett zeigt, wenn er das Wohltemperierte Klavier spielt, kaum ein Gefühl für den Atem dieser Musik).
 
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(...)
Im Grunde treffen beim Swing afrikanisches und europäisches Zeitgefühl zusammen; meine für mich selbst noch nicht ganz ausformulierbare Idee ist, dass das zirkuläre Zeitempfinden der Afrikaner auf die Auffassung der Europäer : in eine Richtung verlaufender Zeitpfeil , im Zusammentreffen einen Teil des Wesens dieser Musik und des Swing ausmachen; damit zusammenhängend wohl auch der Umstand, dass Afrikaner Rhythmen additiv auffassen ,und die Westler komplexere Rhythmen durch Subdivision entstehend.
@walsroderpianist woher kennt man das additive Zeitgefühl der afrikanischen (? Afrika ist groß...) Musik? Gab oder gibt es quasi einen afrikanischen Rhythmus-Czerny zum nachschauen?
Missverstehe mich nicht: ich will das nicht anzweifeln, ich will nur wissen, welche Quellen es dazu gibt (denn gibt es keine, dann wird das zu einer Art Glaubenssache...)
 
@walsroderpianist woher kennt man das additive Zeitgefühl der afrikanischen (? Afrika ist groß...) Musik? Gab oder gibt es quasi einen afrikanischen Rhythmus-Czerny zum nachschauen?
Missverstehe mich nicht: ich will das nicht anzweifeln, ich will nur wissen, welche Quellen es dazu gibt (denn gibt es keine, dann wird das zu einer Art Glaubenssache...)
Guck mal das da: Adam Rudolph: Pure Rhythm. ( Verlag: Advance Music). Da kann man sehr schön sehen, hören und nachüben, so man das will, dass das zirkuläre Rhythmusempfinden das universellere ist, und "unseres" ein Sonderfall. Hat sich eben eher durchgesetzt, wenn auch nicht (zum Glück?) überall.
Ein netter Rhythmus-Czerny. Zum Glück hat der Adam aber nicht so viele Opera verfasst wie der Carlo...
 
Auch die Auffassung, dass sich jeder Offbeat mit Betonung gespielt gehört, ist nicht richtig.
Diese Auffassung ist aber didaktisch überaus zweckmäßig.

Ein Jazz-Schüler muss lernen, zu erkennen, wo ein Offbeat (also eine Note zwischen zwei Zählzeiten, die eine vorgezogene Wirkung hat) vorliegt, und wissen, dass Offbeats standardmäßig betont werden (wie stark, ist natürlich eine andere Frage...). Die paar Ausnahmen, die es da vielleicht gibt, sind erstmal völlig irrelevant.

Vielleicht meinst Du aber auch diese "Offbeat-Betonung", wie man manchmal das Phänomen nennt, dass in Swing-Achtelketten die Noten auf "und" (was ja nicht gleichbedeutend mit Offbeat ist, daher ist die Bezeichnung eigentlich falsch) betont werden. Da hast Du natürlich komplett Recht, dass es Quatsch ist, das immer so zu machen, da man ja in der Realität sehr deutlich hört, dass es keineswegs so ist. Aber auch hier: Didaktisch ist es schon ein wichtiges durchzunehmendes Thema, dass der Schüler das, wenn er will, KANN, ohne entweder den Beat zu verlieren oder doch wieder in On-Beat-Betonung zurückzugleiten.
 

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Weiß gar nicht, wieso J. Loussier immer plattgemacht wird. Der konnte erstklassig Klavier spielen, erstklassig improvisieren und erstklassig arrangieren. Was er machte, war originell und unterhaltsam - die Musik klang prima. Er war ein Musiker mit Idee, Fortune und wirtschaftlichem Erfolg.

Das haben nicht viele.

CW
 
Ich will es versuchen, obwohl dies zugebenermaßen kein einfaches Unterfangen ist. Wenn ich Theoriebücher über den Jazz ansehe, fällt auf, dass alle möglichen Parameter, vor allem die Harmonik, in aller Ausführlichkeit behandelt werden; über Rhythmik findet sich kaum etwas, und wenn, dann in pauschalierender Oberflächlichkeit. Oder die entsprechenden Aussagen sind nicht viel mehr als mystisches Raunen, nach dem Motto " man hat's oder man hats nicht ". In der Art "argumentieren " ausgerechnet viele Jazzmusiker.
Es ist schon richtig, dass jazzmäßige Phrasierung oft oder meistens triolenähnlich ist, wobei dies je nach Zeit- oder Personalstil erheblich variieren kann: Paul Desmond phrasiert bei Take Five sehr "smooth", Nina Simone bei der Klavierbegleitung von " My bay just cares for me (fast) punktiert; beide swingen wie der Teufel. ( Das Tempo spielt natürlich eine erhebliche Rolle; bei 200 bpm ist es nicht einfach, ternär zu phrasieren).
An der schieren Triolenhaftigkeit kann es also nicht liegen.
Im Grunde entsteht der Swing aus dem Gegensatz zwischen objektiver und subjektiver Zeit. Über dem Beat ( oder Puls, wie Freejazzer sagen) liegt ein Geflecht von Akzenten und Gegenakzenten in feinsten mikrorhythmischen Verschiebungen; das kann mal ins Triolenraster passen und mal nicht. Jazz ist essentiell polyrhythmisch, auch wo momentan Polyrhythmen nicht auftreten. Die besten Solisten, auch von Melodieinstrumenten, selbst wenn sie unbegleitet spielen, können dieses Wechselspiel in ihrer Melodiebildung hörbar machen. Auch die Auffassung, dass sich jeder Offbeat mit Betonung gespielt gehört, ist nicht richtig. Damit wären wir spiegelbildlich wieder bei der Starrheit der Phrasierung in der westlichen Konzertmusik ( mir ist schon klar, dass ich hier vereinfache....).

( Interludium: das klassische Rubato ist dem hier besprochenen Phänomen nicht vergleichbar; hierbei kommt nämlich kurz- oder längerfristig das ganze Zeitgefüge ins Rutschen; )wer hat eigentlich die Mär in die Welt gesetzt, dass man geraubte Zeit anschließend wieder hergeben soll?)).

Im Grunde treffen beim Swing afrikanisches und europäisches Zeitgefühl zusammen; meine für mich selbst noch nicht ganz ausformulierbare Idee ist, dass das zirkuläre Zeitempfinden der Afrikaner auf die Auffassung der Europäer : in eine Richtung verlaufender Zeitpfeil , im Zusammentreffen einen Teil des Wesens dieser Musik und des Swing ausmachen; damit zusammenhängend wohl auch der Umstand, dass Afrikaner Rhythmen additiv auffassen ,und die Westler komplexere Rhythmen durch Subdivision entstehend.
Eine improvisierte Melodielinie von John Coltrane oder Eric Dolphy ist rhythmisch nicht notierbar; wenn man es versuchte, sähe sie vermutlich wie ein Elaborat von KH Stockhausen selig aus; spielte man sie nach Noten nach, würde sie wohl swingen wie eine alte Latsche.

Ich finde auch, dass Jacques Loussier nicht wirklich swingt, obwohl es sein Verdienst bleibt, Türen aufgestoßen zu haben; die Bach- Exkursionen von Brad Mehldau , auf die pianochriss66 zu Recht hingewiesen hat, swingen sehr wohl.
(Postludium: wenn es, weitgehend zu Recht, heißt, dass klassische Musiker nicht jazzmäßig spielen können, gilt das in etwas geringerem Maße auch umgekehrt: der wunderbare Jazzpianist Keith Jarrett zeigt, wenn er das Wohltemperierte Klavier spielt, kaum ein Gefühl für den Atem dieser Musik).

Interessante Auslegung der rhythmischen Basis des Swing, Danke!

In diesem Sinne versuche ich seit einigen "Iterationen" das 2. Stück der Kunst der Fuge richtig zum Swingen zu bringen. Nicht so leicht, aber ich will noch daran glauben, dafür sind Zugaben...
 
Interessante Auslegung der rhythmischen Basis des Swing, Danke!

In diesem Sinne versuche ich seit einigen "Iterationen" das 2. Stück der Kunst der Fuge richtig zum Swingen zu bringen. Nicht so leicht, aber ich will noch daran glauben, dafür sind Zugaben...
Ehrlich gesagt: ich würde das verdammt gerne hören, was du mit dem Füglein anstellst.....
 
@walsroderpianist in diesem Lehr/Übungsbuch finde ich die Quellen zur afrikanischen Musik/Rhythmik???
Die Quelle ist der Autor selbst. Er hat u.a. Afrika bereist und sich mit der dort üblichen oralen Tradition beschäftigt- kein ursprünglicher afrikanischer Trommler käme von sich aus auf die Idee, das Zeuchs was er spielt, aufzuschreiben.
Was er selbst zugibt: er beansprucht für sich keine Authentizität. Seine Rhythmusmuster seien extrapoliert und vereinfacht. Wer sich interessiert, solle sich einen Lehrer suchen, der mit der entsprechenden Tradition verwurzelt ist. Er beabsichtigt lediglich, mit seinem Konzept, das er Cyclic Verticalism nennt, dem Musiker jedweder Couleur einen Kreativitätsschub zu verpassen.
 

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