Harmonielehre und Klaviersatz?

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Rodrigo

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Hallo,

mir hat sich eben die Frage aufgetan, wozu ich es eigentlich lerne einen vierstimmigen Satz zu schreiben, wenn ich doch später keine Gesangsmusik, sondern Klaviermusik schreiben möchte.
Mir ist aufgefallen das einige Regeln in einem Klaviersatz nicht gelten, auch in Orchesterpartituren offensichtlich. Warum ist das so?

Wozu lernst man also als erstes immer den vierstimmigen Satz?

MFG
 
also ich habe da mehrere theorien. allerdings muss ich sagen, dass ich selber ein amateur sind und meine aussagen nicht unbedingt stimmen müssen.

Ein Stück mit 4 Stimmen zu schreiben ist um einiges anschaulicher und einfacher zu schreiben, als zum Beispiel ein Klaviersatz oder ein Orchesterstück. Ein Stück wird in 2 "Richtungen" geschrieben: einmal horizontal (Melodie) und dann noch vertikal (Harmonie). Wieso man nun mit Gesang anfängt? Meine Erklärung hierzu wäre, dass man sich erst einmal auf eine richtung konzentriert, nämlich die Melodie und die Begleitung eher nicht so komplex ist. nächste stufe wäre dann Klaviermusik und erst wenn man diese beiden Sachen draufhat, kann man sich an eine Orchesterpartitur wagen. das Klangspektrum wird also immer weiter vertikal verbreitert, wobei die Schwierigkeit sein wird, trotzdem den vertikalen faden (die melodie) nicht zu verlieren. es ist also nur zu logisch mit Gesangmusik anzufangen, denn Klaviermusik ist lediglich eine Erweiterung, wenn auch teilweise eine Modifikation.

Beispiel aus der Mathematik: Man sollte ja auch nicht mit Brüchen oder irrationalen Zahlen anfangen, bevor man Addition und Subtraktion beherrscht, auch wenn hier andere Regeln gelten.

Des weiteren denke ich, dass sich die frage nach einiger Zeit, wenn du das durchziehst erübrigen wird, wird auf jeden fall nicht falsch sein dass zu lernen. auch wenn du die Techniken selber vielleicht später nicht mehr benötigen wirst, ist es vielleicht ein guter Einstieg in die musikalische Denkweise, auch wenn es sicherlich, wie überall nicht die einzige Option ist.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Vierstimmiger Satz kommt in der Klaviermusik öfter vor als du vielleicht glaubst - und nicht nur bei Bach.
 
Hey Rodrigo,
wenn du Klavierspielen lernst, fängst du auch nicht mit Chopin-Etüden an. Und wenn du deine erste Englisch Stunde hast, wird schwerlich Shakespeare vorkommen ^^
Immer hübsch Grundlagen legen und DANN
lg lalona
 
Mich interessiert dieses Thema auch und als Co-Initiator des Threads möchte ich mal weiterführende Fragestellungen einbringen:

Inwiefern findet sich der vierstimmige Satz bspw. in Beethovens Sonate Nr.13 oder Nr.1 ?

Kann irgendjemand mal ein konkretes, möglichst bekanntes Beispiel geben, an dem man nachvollziehen kann, dass ein Klaviersatz als vierstimmiger Satz gedacht ist?
Und möglichst eine kurze Erläuterung dazu.

Die Frage ist doch, inwiefern der vierstimmige Satz auf den Klaviersatz anwendbar ist. Wo gibt es Unterschiede, wo sind die Gesetzmäßigkeiten anders oder gleich.

Ein Klaviersatz kann ja ziemlich regellos mal 1-stimmig dann wieder mal kurz 3-stimmig etc. sein. Wobei alle Abstufungen von Homophonie bis Polyphonie vorliegen können.

lg marcus
 
Daß Harmonielehre anhand des vierstimmigen Satzes gelehrt wird, ist einerseits historisch gewachsen, hat andererseits aber ganz einsichtige Gründe:
-- Ein- oder zweistimmige Harmonielehre wäre höherer Blödsinn, schließlich hat man es bei Harmonien mit Dreiklängen und auch Vierklängen zu tun;
-- dreistimmige Sätze zu schreiben, ist nicht einfach, weil einem bei Beachtung aller Stimmführungsregeln oft eine Stimme fehlt, um Akkorde vollständig auszusetzen;
-- fünfstimmig oder noch mehrstimmiger zu schreiben ist schwierig, wenn die Stimmen unabhängig bleiben sollen, und ist darum Fortgeschrittenen vorbehalten. Was in Klaviersätzen mehr als vierstimmig aussieht, ist meistens ja nur Stimmverdopplung durch Oktavierungen und Akkordfüllung.
Deswegen ist der vierstimmige Satz das Urmodell der Harmonielehre, denn mit ihm lassen sich alle harmonischen Zusammenhänge zufriedenstellend darstellen und erläutern.

Der vierstimmige Satz ist ein "Modell", um Harmonielehre zu vermitteln. Die Regeln dieses Modells lassen sich tatsächlich auch in nur zweistimmigen Sätzen wiederfinden, d.h. harmonisches Denken ist immer auch Hintergrund nicht vierstimmiger Sätze.
Wenn eingangs gefragt wurde, warum "einige Regeln in einem Klaviersatz nicht gelten", dann müßte man wissen, welche Regeln denn durchbrochen zu sein scheinen, um darauf antworten zu können.
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Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de
 
Der vierstimmige Satz lehrt, einige typische Probleme des Tonsatzes zu beherrschen. J. Gedan hat einige schon richtig benannt. Ich erlaube mir noch ein paar Ergänzungen:

Mindestens in Grundakkorden ist ein Ton zu Verdoppeln. Verschiedene Verdoppelungen erzielen in je nach Basston und Melodieton verschiedene Wirkungen. (Das ist übrigens etwas, was man für gelungenen Klaviersatz sehr gut können sollte).

Das Führen in Stimmen verlangt, dass man nicht nur Akkorde hintereinander "klotzt", sondern sich auch über die Vorwärts- und Rückwärtsbeziehung der Linien klar werden muss.

Wer Quint- und Oktavparallelen und dergl. erkennt und zu vermeiden weiss, setzt sie vielleicht bewusst als Stilmittel ein, aber sie unterlaufen einem nicht mehr und verderben damit die Chance, die Stimmführung auch hörend nachzuvollziehen.

Und ein ganz praktischer Grund: Man kann schnell einmal am Klavier probieren, was man da verbrochen hat.:klavier:

Weniger Stimmen sind eigentlich komplizierter zu schreiben, jedenfalls wenn alle Harmonien noch halbwegs vollständig sein sollen. Mehr Stimmen sind auch nicht leichter, weil die Gefahr von Regelverletzungen steigt und die Spielbarkeit nicht mehr so gegeben ist.

Also mit einem Wort: der vierstimmige Satz ist zum Lernen einfach ideal.

Gruss LA
 
Danke für eure Antworten!

Klingt alles recht plausibel ;)
 

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