Hanon Übungen auf dem Digitalpiano sinnvoll?

immerhin noch vor dem Endspiel!

aaah, ich (auch physiker) suchte auch schon den antworten-button.. bin aber gottseidank grade noch über deinen beitrag gestolpert.


(als wort zum sonntag kam dein beitrag allerdings etwas zu spät)

Ja klar, wollte aber nach all der trockenen Materie nicht mit dem Satz enden: ...und die weiteren Einzelheiten besprechen wir in der nächsten Vorlesung... :-)8)
 
Henry C, es ist Pfeiffer selber, der von "Gewichten", "Fallgewichten" und "Fallhöhen" spricht. Da die Gewichte von der Erdanziehung beschleunigt werden, kann es so falsch nicht sein, sie "Gewichte" zu nennen. Im Alltag sagt man jedenfalls so, denn man meint das Ding an sich, also die Kugel, den Klotz oder was auch immer, bei Pfeiffer sind es übliche Handelsgewichte. Daß diese durch die Erdanziehung beschleunigt werden, daß je nach Fallhöhe eine höhere Geschwindigkeit erreicht wird, und daß es der Impuls ist, also das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit, der an die Taste weitergeleitet wird, ist doch klar. Ich glaube, man darf den Unterschied zwischen Masse und Gewicht hier getrost vernachlässigen. Beim Klavierspiel spricht man von "Gewichtstechnik", im Klavierbau von "Tastengewichten", mit denen die Niederdruckschwere gemessen wird. Und jetzt nicht über die "Schwere" schimpfen, da ist nicht die schwere Masse gemeint, sondern wie leicht- oder schwergängig die Taste ist.
 
mein Beweggrund war...

hier der Grund, weswegen ich versucht habe, Klarheit zu schaffen...

Die Klaviermechanik hat längere Hebel als jede Simulations-Hammermechanik von Digitalpianos (Bösendorfers "Ceus" mal ausgenommen, der eine echte Flügelmechanik verwendet -- aber den hat niemand).
...doch, die Yamaha GT haben auch eine Flügelmechanik.



Die Gesamtmasse ist nicht unwesentlich, wie man sich klar machen kann, wenn man sich zwei Extreme überlegt:
1. Ein zweiarmiger Hebel (Wippe) von sehr geringer Masse (dünnes Plastik) wird auf einer Seite mit einem bestimmten Gewicht belastet. Sie wird dann abhängig von der Größe des Gewichts mit einer gewissen Geschwindigkeit abwärts bewegt.
...hier sind es eben die Massenverhältnisse, die den Effekt bestimmen, doch es wird zwischen der Masse der Wippe und dem Gewicht unterschieden. Gemeint ist aber die Kraft, die von den sog. Gewichten ausgeht.

2. Ein zweiarmiger Hebel von sehr hoher Masse (massives Blei) wird mit demselben Gewicht belastet. Auch er wird abwärts gehen, aber mit wesentlich geringerer Geschwindigkeit, also äußerst träge.
dito, siehe oben!

Der Unterschied ist der zwischen Statik und Dynamik: Abwärts gehen sie beide, weil ein Hebelarm schwerer wird,

---------nein, weil die Kraft größer ist.--------------------------

statisch die Wippe also im Ungleichgewicht ist. Bei großer Masse ist aber die Beschleunigung geringer, weil der Hebel eine größere Massenträgheit hat.

--------------da spielt wiederum die Hebellänge eine Rolle---------------
Zwischen "zu leicht" und "zu schwer" gibt es ein Idealmaß, das aber vielleicht jeder Spieler anders empfindet...........

Es hängt auch sehr von der akustischen Reaktion des Instruments ab, die wiederum von der Intonation und der Güte und Tonansprache des Resonanzbodens abhängt und natürlich von der Güte der Gesamtkonstruktion.

Walter Pfeiffer ("Vom Hammer", 1948/1962), Sohn des Firmengründers Carl Pfeiffer, hat versucht, den Zusammenhang zwischen Gewichtsbelastung und Lautstärke zu untersuchen und ließ dazu Gewichte aus einer bestimmten Fallhöhe mit Hilfe einer präzisen Vorrichtung auf die Tasten fallen. Er kam auf folgende Werte (Flügel bei getretenem Pedal):
pp: 66-95 g
p: 78-100 g
f: 450-800 g
ff: 1000-2000 g
fff: 3000-4000 g

Wie ungenau auch immer das sein mag (Lautstärken rein subjektiv beurteilt statt durch präzise dB-Messung ermittelt), zeigt es doch, daß die Werte nicht linear sind, also doppeltes Gewicht nicht doppelte Lautstärke bedeutet.
Wer gewohnt ist, auf einem Klavier zu üben, kann bestätigen, daß er mit kontrollierter Klanggestaltung auch auf dem besten Digitalpianos Probleme hat. Den meisten laufen darauf die Finger davon, wenn es um wirklich schnelle Geläufigkeit geht, und die dynamische Reaktion ist nur schwer in den Griff zu kriegen, wenn man genügend Erfahrung mit Klavieren und ein höheres Niveau erreicht hat.

Mit Hanon hat das eigentlich wenig zu tun. Natürlich muß man die Finger trainieren und Bewegungsabläufe üben. Aber dafür gibt es intelligentere Methoden, ob auf dem Digitalpiano oder auf dem Klavier. Hanon ist weder als berühmter Pianist in die Klaviergeschichte eingegangen, noch hat er irgendeine Komposition von irgendeinem Wert hinterlassen, sein Klavierspiel ist Klavierspiel aus dritter Hand. Ich will jedoch niemandem absprechen, daß er auch mit dem Hanon etwas erreichen kann; mir aber kommt Hanon vor wie jemand, der postuliert, daß man ein guter Klavierspieler würde dadurch, daß man mindestens zwei Stunden täglich den eigenen musikalischen Geist tötet.
Ich hörte -- ist noch gar nicht so lange her -- eine Dozentin in einer Fortbildungsveranstaltung sagen, Hanon hätte "wunderbare Sachen geschrieben". Ich dachte zuerst verwundert, sie meinte unbekannte Kompositionen, aber sie meinte tatsächlich die Fingerübungen und spielte zumindest eine davon, zugegeben, durchaus virtuos. Dieselbe Dozentin jedoch hatte den Klangsinn einer Hochseekuh, sobald sie richtige Musik anspielte (war nicht nur mein Urteil, sondern auch das vieler Kollegen).


Es gibt auch nicht den einen, alleskönnenden und seligmachenden Klavierlehrer - und auch nicht den entsprechenden Schullehrer.

Bei Boris Becker nehme ich ja auch keinen Rhetorik-Unterricht sondern Tennis-Stunden.

Die Hochseekuh-Lehrerin ist halt eine Technik-Expertin, andere sind Interpretationsexperten etc. Ich wäre vorsichtig, die Aussage "Ich mag keinen Hanon" mit der ggf. richtigen Feststellung zu verbinden, die Dozentin habe keinen Klangsinn (was immer das auch sein mag). Das eine ist keine Begründung für das andere.
 
"...doch, die Yamaha GT haben auch eine Flügelmechanik." Naja, fast; sieht in Details immer noch ein bißchen anders aus. Aber egal, wo du recht hast, hast du recht. Den GT hat aber auch kaum jemand, der hier auf Digitalpianos übt. Falls doch, bitte melden.

"...es wird zwischen der Masse der Wippe und dem Gewicht unterschieden. Gemeint ist aber die Kraft, die von den sog. Gewichten ausgeht."
Gemeint ist, daß die Wippe vorne hinabgeht, wenn sie hinten leichter ist, und daß, wie schnell sie dabei hinabgeht, von den Gesamtmassen und dem Gewichtsunterschied zwischen Vorder- und Hinterhebel abhängt: Wiegt die Wippe 6 kg und verteilen sich davon 3 kg auf den Vorder- und 3 kg auf den Hinterhebel, wird sie nur träge hinabgehen, wenn das zusätzliche Gewicht 50 g beträgt. Wiegt die Wippe 50 g, wird sie bei zusätzlichem Gewicht von 50 g wesentlich schneller hinabgehen.
Was ist daran falsch? Nicht erwähnt zu haben, daß die Beschleunigung durch die Erdanziehung geschieht und die "Kraft" erst im Zusammenwirken von Gewicht und Erdanziehung erzeugt wird?

Natürlich hast du in korrekten physikalischen Begriffen geredet recht. Das wollte ich gar nicht bestreiten. Für die Praxis spielt diese Korrektheit aber keine Rolle, es geht bei solchen Messungen um Handwerk, und Klavierbauer messen das in Gramm, nicht in Newton, da mußte also, bitte schön, mit den Klavierbauern schimpfen, nicht mit mir. (Genau genommen ist Impuls ja nicht Masse mal Geschwindigkeit, sondern Masse mal Geschwindigkeit hoch 2 geteilt durch die Wurzel aus 1 minus Geschwindigkeit hoch 2 geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit hoch 2. Ist der Praxis aber ziemlich wurscht und den Klavierbauern und -spielern allemal, physikalisch wär's aber korrekt...)

Lassen wir die "Hochseekuh" (eine Wortschöpfung von Ringelnatz) mal lieber außen vor. Belegen sollte es nur eines: Hanon hilft da nicht. Daß es spieltechnisch, also rein motorisch helfen kann, habe ich nicht bestritten, sondern lediglich gesagt, daß es dafür intelligentere Methoden gibt. Darf aber jeder für sich entscheiden oder sein Klavierlehrer für ihn.
 
"...doch, die Yamaha GT haben auch eine Flügelmechanik." Naja, fast; sieht in Details immer noch ein bißchen anders aus. Aber egal, wo du recht hast, hast du recht. Den GT hat aber auch kaum jemand, der hier auf Digitalpianos übt. Falls doch, bitte melden.

ja, würde mich auch interessieren so ein Teil mal näher kennenzulernen...

"...es wird zwischen der Masse der Wippe und dem Gewicht unterschieden. Gemeint ist aber die Kraft, die von den sog. Gewichten ausgeht."
Gemeint ist, daß die Wippe vorne hinabgeht, wenn sie hinten leichter ist, und daß, wie schnell sie dabei hinabgeht, von den Gesamtmassen und dem Gewichtsunterschied zwischen Vorder- und Hinterhebel abhängt: Wiegt die Wippe 6 kg und verteilen sich davon 3 kg auf den Vorder- und 3 kg auf den Hinterhebel, wird sie nur träge hinabgehen, wenn das zusätzliche Gewicht 50 g beträgt. Wiegt die Wippe 50 g, wird sie bei zusätzlichem Gewicht von 50 g wesentlich schneller hinabgehen.
Was ist daran falsch? Nicht erwähnt zu haben, daß die Beschleunigung durch die Erdanziehung geschieht und die "Kraft" erst im Zusammenwirken von Gewicht und Erdanziehung erzeugt wird?

Um zu sagen, wie leicht oder schwer eine Taste/Wippe abgeht, kommt es auf die Massen (deine Gewichte) an und darauf, WO auf der Wippe die Massen sind. Übertrieben und bildlich ist ja leicht einsehbar, dass eine große Masse in der Mitte, die beim Niederdrücken nur wenig bewegt wird, einen kleineren Einfluss hat als eine große Masse, die am Tastenende sitzt. Es kommt also auf das Drehmoment an. Je kleiner dieses ist, desto besser kann ich die Taste beschleunigen.

Diese Natur der Wippe ist auf dem Mond genauso wie auf der Erde. Nur wenn ich jetzt mit "Fallgewichten" komme, dann erhalte ich auf dem Mond etwas anderes als auf der Erde. Ich sage das nicht, weil ich die Mondscheinsonate mag, sondern um Massen und Gewichte und Kräfte auseinanderhalten zu können.

(Genau genommen ist Impuls ja nicht Masse mal Geschwindigkeit, sondern Masse mal Geschwindigkeit hoch 2 geteilt durch die Wurzel aus 1 minus Geschwindigkeit hoch 2 geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit hoch 2. Ist der Praxis aber ziemlich wurscht und den Klavierbauern und -spielern allemal, physikalisch wär's aber korrekt...)
-------------das ist dann die relativistische Formel für die Bewegungsenergie in dem Bereich wo die Geschwindigkeit sich in Richtung Lichtgeschwindigkeit bewegt. Der Impuls, so wie wir ihn hier haben, als m*v hat KEIN Quadrat in der Formel und, da hast du recht, langt auch in der nicht-relativistischen Betrachtung.


Was interessant ist: Wenn sich zwei Billiard-Kugeln stoßen und beide in unterschiedliche Richtung und mit je eigener Geschwindigkeit wegrollen, dann haben wir einen (fast) vollkommen elastischen Stoß vorliegen. Hier bleiben Impuls und Energie voll und ganz erhalten.

Schlägt man jedoch eine Taste an und "fährt" ein Stück gemeinsam mit der Taste nach unten (also der Finger), so handelt es sich um einen vollkommen unelastischen Stoß.

In diesem Fall gilt die Impulserhaltung, doch die Energieerhaltung gilt nicht mehr. Dies ist kein Pfusch in der Konstruktion sondern ergibt sich aus der Physik.

Ich pumpe also ständig Energie (die dann verloren ist) in den Tastenanschlag hinein. Wie groß diese ist habe ich noch nicht ausgerechnet. Doch sie wird von den Drehmomentverhältnissen in der Taste abhängen.

Dies könnte eine Erklärung sein, weshalb manche Klaviere so teigig spielen und man schnell die Lust verliert, andere jedoch zum Spielen einladen und fast von selbst spielen (wie z. B. die Fazioli-Flügel)

Und ich gebe dir vollkommen Recht:
Hanon hilft MUSIKALISCH erst mal gar nichts, sondern allenfalls spieltechnisch, also rein motorisch.
Ich selber spiele den Hanon sogar getrennt mit linker und rechter Hand um so ein Feedback zu bekommen, wie gut es aktuell tatsächlich läuft.

Mir ist schon durch den Kopf gegangen, ob man über die Midi-Schnittstelle nicht einen PC anschließen kann, der die minimalen Zeitverzögerungen etc. aufnimmt und dann auswertet. Dann hätte man ein Maß, ob man sich dem perlenkettenartigen Spiel von Tonfolgen überhaupt nennenswert nähert.

es dafür intelligentere Methoden gibt. Darf aber jeder für sich entscheiden oder sein Klavierlehrer für ihn.[/QUOTE]
 
Henry, es ist nett, daß du das so eingehend erklärst, wäre aber nicht nötig gewesen.

Zum Drehmoment: Weil es nicht egal ist, wo die Gewichte sitzen, mißt man die Spielschwere beim Ausbleien immer am vorderen Tastenende (Steinway-Flügel: 47 g). Weil es nicht egal ist, verschiebt der Arbeiter, der das bei der Herstellung macht, beim Ausbleien die Bleistöpsel, bis die 47 g erreicht sind, markiert dort seitlich die Taste, wo sie dann die Bohrungen für das Blei erhält.

Zur Fallhöhe: Da die Tastengewichte, mit deren Hilfe im Klavierbau die Spielschwere gemessen wird, durch Gravitation abwärts bewegt werden, gibt es auch immer eine "Fallhöhe", nämlich von der Ruhestellung abwärts bis zu dem Punkt, an dem die Auslösehemmung einsetzt. Um zu erklären, daß die Beschleunigung, die dabei wirkt, abhängig ist von den Massen der anziehenden Körper und deren Entfernung, muß man nicht erst zum Mond reisen, man kann auch auf einen Berg steigen. Da jedoch auch Klaviere nicht verschieden ausgebleit werden abhängig davon, ob sie in 2000 m Höhe oder in Höhe des Meeresspiegels benutzt werden, darf man das getrost vernachlässigen.
Ob der Stoß, wenn man Gewichte aus größerer Höhe auf die Taste fallen läßt, elastisch oder unelastisch ist -- ob diese Frage von irgendeiner Relevanz ist? Ob irgendein Erbsenzähler mal untersucht hat, ob der klavierspielende Finger evtl. den Impuls nicht vollständig auf die Taste überträgt dadurch, daß das Fleisch der Fingerkuppe dabei zusammengedrückt wird und so einen Teil der Kraft absorbiert (Knautschzone), weiß ich nicht. In der Klaviermechanik selber gibt es mehrere solcher Knautschzonen: Die Tastenpilote greift am Hebegliedpolster an, das zusammengedrückt wird, der Stößer am Hammerröllchen, das zusammengedrückt wird, und zum Schluß gibt auch der Hammer den Impuls nicht verlustfrei an die Saite weiter, weil auch sein Filz nicht hart ist wie eine Billardkugel aus Elfenbein. Daß er es nicht ist, weil das beschissen klingen würde, dafür sorgen diejenigen, die Klaviere intonieren.

Will sagen: Nicht mit physikalischen Kanonen auf pragmatische Spatzen schießen.

Warum eine Vogelfeder auf dem Mond genauso schnell zu Boden fällt wie ein Bleigewicht und warum trotzdem höheres Gewicht an einem Hebelarm einer Wippe zu höherer Beschleunigung führt, erklären wir den anderen, wenn wir groß sind...
 

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