Erstens eine Sache: "Gefühlvoll" spielen ist nicht gleich "musikalisch" spielen. Was ich damit aussagen möchte ist, dass die eigene Interpretation natürlich sinnvoll zum Notentext passen muss.
Und da sind wir schon beim nächsten Problem:
Was mir nur schon seit jeher schwer fällt, ist gefühlvolles Spielen. Ich weiß nicht genau, wie ich das machen kann. Ich habe das Gefühl, dass ich zwar die Noten, aber nicht das Stück an sich rüberbringen kann. Egal, ob es ein flottes oder langsames, fröhliches oder trauriges Stück ist. Ich spiele auf einem Digital Piano, doch auch wenn ich die Möglichkeit habe auf einem echten Klavier zu spielen, kommt mir alles so steif und platt vor.
Du munierst, dass dir alles so steif und platt vorkommt. Das ist ja schonmal gut, aber wie soll es denn stattdessen klingen? Meines Erachtens sollte die Klangvorstellung vorm Spiel erfolgen, das Klavier ist ja nicht dazu gedacht, dass man "die Tasten drückt und schaut was rauskommt". Wenn man es so praktiziert, wird es sicher unmusikalisch = unnachvollziehbar klingen. Darum, für musikalisches Spiel empfehle ich:
- Setze dich ohne Instrument mit dem Stück auseinander, versuche es dir vorzustellen und zwar so detailliert wie möglich.
- Bei melodischen Passagen: Sing diese! Ich finde es immer wieder überraschend, wie unmusikalisch manche Leute passagen spielen, aber wie musikalisch sie diese Singen. Auch bei mir! Ich hab mir mal die Melodie der ersten zwei Zeilen der Sonatine von Ravel vorgesungen, und dabei gemerkt, dass ich es garnicht so singen will und kann, wie ich es damals gespielt habe.
So, wenn es nun mit der Vorstellung besser klappt, also man weiß, was man will, sind wir am nächsten Problem: Der Technik. Man muss natürlich auch wissen, über welches Repetoire an Farben man am Klavier verfügt. Hierfür bietet sich folgende Übung an:
- Wähle einen kurzen Ausschnitt eines Stückes welches du gut kennst. Es sollte nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht sein. Halt gerade deinem aktuellen Niveau entsprechen.
- Überleg dir ein Adjektiv dass charakterisieren soll wie diese Stelle klingen soll (darauf kann man auch verzichten, aber wenn man die Möglichkeiten noch nicht so kennt ist das ganz praktisch)
- Stell dir vor wie diese Stelle klingen soll, damit sie diesem Adjektiv entspricht
- Und nun spiele diese Stelle und höre dabei ganz genau zu. "Spiele mit den Ohren, nicht mit den Fingern"! Versuche den Klangeindruck, den du dir vorgestellt hast zu reproduzieren. Wenn das nicht geklappt hat probiere es nochmal, und verändere im Notfall aktiv was an der Motorik. Aber wichtig ist, dass sich die Motorik dem vorgestellten Klangeindruck unterordnet. Versuche nicht so viel in Motorik zu denken, sondern eher in Höreindrucken. Edit: Was ich damit meine lässt sich vielleicht ganz gut mit einem Gleichnis charakterisieren: Wenn ein Maler ein Bild malt und z.B. eine impressionistisch angehauchte Wasseroberfläche malen will, denkt er ja auch nicht "nun beuge ich meinen Ellbogen, damit der Pinsel in die Farbe getaucht wird, zieh ihn wieder zusammen, strecke ihn, führe ihn zum wasserglas, zieh ihn wieder zusammen, führe ihn zum Bild, wackel irgendwie mit dem handgelenk...ohje, das was da auf dem Bild ist, ist ja gefühllos und platt", sondern er denkt in Bildern, und die motorische Ausführung ist zweitrangig.
- Wenn die Stelle einigermaßen zu deiner Zufriedenheit klappt, mach das selbe mit einem "anderen Wort".
Nach meiner Erfahrung gibt diese Methode ein sehr effizientes...(Achtung nun folgt ein esoterisch angehauchtes Wort)..."Neurofeedback". Man stellt sich etwas vor, versucht den Klangeindruck zu reproduzieren, und das Gehirn bastelt irgendwie von alleine an der Motorik rum, bis es so klingt wie es klingen soll.
Soviel von mir dazu, natürlich entspricht das alles meiner Erfahrung und meiner Meinung, und ich bin alles andere als ein ausgebildeter Pianist.
Zusammengefasst nochmal die wichtigste Weisheit: "Erst die Vorstellung, dann der Klang und die Motorik nur als Mittel zum Zweck! Das Klavier ist kein 'Ich-drück-drauf-und-schau-mal-was-passiert Instrument'. Wenn man nicht weiß wie es klingen soll, wird es immer unbefriedigend klingen."
Liebste Grüße,
Daniel