Führt ihr ein Übe-Tagebuch?

Führt ihr ein Übe-Tagebuch

  • Ja

    Stimmen: 11 22,9%
  • Nein

    Stimmen: 37 77,1%

  • Umfrageteilnehmer
    48
Ich spiele seit fast einem Jahr immer das gleiche Stück - immer morgens vor der Arbeit eine halbe Stunde. Ich hatte zwischendurch mal die Takte mit kleinen Strichlisten versehen, weil ich gehofft habe, ich könnte damit erkennen, welche Stellen ich weniger geübt habe. Dann hab ich aber wieder aufgehört, weil ich eh immer die Stellen übe, die mir noch nicht gefallen. Und da ich immer was finde, was mir noch nicht gefällt, bin ich gerade erst auf der zweiten Seite von dem Stück. Naja, langweilig ist mir trotzdem noch nicht. Und bei einer halben Stunde pro Tag, war mir die Buchführung auch zu zeitaufwändig im Vergleich zur Übezeit. Meine Kollegen sagen, dass ich verrückt bin.
 
Es gibt immer wieder mal Stücke an denen ein Tick Verrücktheit gut tut. Jene wo man wieder ein bisschen weiter abhebt. Aber da muss ich jk82 recht geben. Das ist wahrlich eigenartig. Aber solange das nur "Spaß" machen soll, ist doch alles paletti.

Lg lustknabe
 
Ich habe eine Monatsliste erstellt, auf die alle meine Stücke (derzeit 102) aufgeführt sind. Die neu erlernten Stücke versuche ich mindestens 3 mal täglich zu wiederholen, natürlich die heiklen Stellen werden separat geübt. Die etwas länder erlernten 2 x tägl. Die vom letzten halben Jahr 1 x tägl. Alle anderen Stücke wiederhole ich alle 3 - 4 Tage spätestens 1 x pro Woche. Diese Liste wird jeden Monat akualisiert, so dass ich mein Repertoire ständig erweitere.
 
Das einzige was bei mir gelistet ist, sind die Orgelchoräle damit die Pastoren sich welche aussuchen können (Praxis entspricht allerdings nicht der Theorie)
 
über die Tragik des Zeitmanagements:

Liebes Tagebuch,
du weißt ja, dass ich gerne gut klavierspielen möchte. Und du weißt ja auch, dass das ein weiter Weg ist. Außerdem gibt es da die Schule, die vielen Hausaufgaben, mein Zimmer muss ich auch immer wieder mal aufräumen (weil sonst flippt die Mutti aus und kreischt Taschengeldkürzung) Ja liebes Tagebuch, da bleibt echt nicht viel Zeit... Wenn ich nun in dich, liebes Tagebuch, auch noch immer fein säuberlich in Schönschrift reinschreiben soll, was und wie ich geübt habe, ja Teufel auch, dann ist ja gar keine Zeit mehr zum üben da! Deshalb liebes Tagebuch musst du nun unberührt im Regal rumliegen. Sorry liebes Tagebuch.


:-D:-D:-D
 
Sicher nimmt es Zeit in Anspruch, ein Tagebuch zu führen. Aber wenn man das Klavierspiel ernsthaft betreiben möchte, kann sich dieser Zeitaufwand lohnen. Allein schon der Zwang, Sachverhalte präzise zu formulieren, ist ein wichtiger Schritt zur Klärung von Schwierigkeiten. Ich erlebe es oft im Unterricht, daß Schüler diffus über unüberwindliche Stellen "hier irgendwo" klagen, aber weder in der Lage sind, diese Stellen exakt zu lokalisieren, geschweige denn Näheres über die vermeintlichen Schwierigkeiten zu äußern. Ich halte sie dann an, sehr konkret zu beschreiben, was im Notentext steht, welche Bewegungsabläufe erforderlich sind und welche Eskapaden die Finger tatsächlich veranstalten. Bisweilen reicht schon allein das saubere Ausformulieren, daß aus den unüberwindlichen Gebirgen beschauliche Hügelketten werden.

Oder es schießen einem Gedanken, Beobachtungen, Ideen durch den Kopf - und am nächsten Tag weiß man nur noch, da doch war irgendetwas ...

Wie lange arbeite ich schon an dem Stück? In welchem Jahr habe ich XY gelernt? Damals hat mein Klavierlehrer doch kluge Ratschläge gegeben - wie lauteten die denn noch mal? Da hat man gefühlte Stunden Stunden am Klavier gesessen - wieviele waren es denn in Wirklichkeit? Ein Tagebuch kann ja auch manche Schönfärberei entlarven.

Natürlich kann auch ich als Lehrer meinen Schülern Stundenhefte führen. Aber das mache ich höchstens bei Kleinkindern. Ansonsten halte ich das für vergeudete Unterrichtszeit. Ich bemühe dann gerne den Vergleich mit der Karawane: Es gibt Kamele und es gibt Kameltreiber. Die Kameltreiber sammeln das, was die Kamele auf ihrem Weg durch die Wüste unter sich lassen, um daraus abends das Feuer zu machen. Im Unterricht ist der Lehrer notgedrungen das Kamel, das die guten Ideen, Ratschläge und Tips unter sich läßt. Aufsammeln müssen es die Schüler ...

Man muß kein Tagebuch führen. Aber diejenigen, die es tun, möchten es nach einiger Zeit nicht mehr missen - auch wenn es Zeit kostet.

PS: Die Zeit kann man einsparen, wenn man weniger bei Clavio 'rumdaddelt.
 

In der Tat nimmt es Zeit in Anspruch Tagebuch zu führen, aber es lohnt sich und ich habe auch schon Klaviertagebuch geführt, als ich bei meinem ersten KL war. Er hat mir das nicht geraten, es war meine eigene Idee.

Ich notiere, wie lange ich welche Fingerübungen gemacht habe, wie lange ich welches Stück an welchem Flügel gespielt/geübt habe und ob es (mithilfe von Smileys) gut geklappt hat oder nicht. Dank Klaviertagebuch stelle ich fest, dass die lächelnden Smileys immer häufiger vorkommen. Diese Entwicklung nachzulesen macht Freude. Ich notiere auch an welchen Stellen es Probleme gibt und hoffe dies bis zum Unterricht nicht zu vergessen. Abends landet das handschriftlich notierte in einem Word-Dokument.

Ebenso verfahre ich mit Tipps, die mir mein Klavierlehrer gibt, denn mir hilft es zu notieren, wie z.B. der Fingersatz für cis-moll melodisch, rechte Hand sein muss. Ich vergesse solche Dinge leider schnell wieder und bin froh, wenn ich das ein oder andere nachlesen kann.

Ich führe auch eine Liste der Stücke die ich bisher gespielt habe und wie lange ich damit beschäftigt war, bis sie im Unterricht abgeschlossen waren (nur mit Datum, nicht in Stunden). Desweiteren gibt es eine Excel-Datei in der ich die Zeit am Klavier verewige. Daher weiß ich, dass es bisher 3.963 Stunden sind die ich an den Klaviertasten verbracht habe (in fast vier Jahren am Klavier).

Mein Gehirn spielt mir leider des Öfteren Streiche und da ist es hilfreich, bei verschwimmender(m) Wahrnehmung oder Erinnerungsvermögen gewisse Sachverhalte nachzulesen, falls dies erforderlich ist.
 
Ein Übe-Tagebuch kenne ich allenfalls in der rudimentären Form als Aufgabenheft für den eigenen Klavierunterricht. Im Studium sorgten äußere Vorgaben (Prüfungen, Konzertverpflichtungen) dafür, das eigene Pensum gut zu organisieren. Heute kenne ich das eher als Protokollierung von Werkfolgen bei regelmäßig wiederkehrenden Auftritten meiner Chöre, damit sich nicht ständig Wiederholungen ergeben und Zuhörer bemängeln, dass wir dieses und jenes Stück schon beim gleichen Anlass im Vorjahr gesungen haben. Fragwürdig sind dicke "Ständchenmappen" mit fünfzig oder mehr Chorsätzen, von denen kaum zehn aufführungsreif abrufbar sind.

Ansonsten würde ich mit der Gegenfrage antworten: Bestehen im Einzelfall Schwierigkeiten, sich ohne klare Vorgaben zu organisieren? Sich beispielsweise viel zu viel vornehmen und dann nichts wirklich erledigt bekommen, weil man den Überblick verloren hat? Dann ist ein Protokollieren durchaus hilfreich. Aber auch hier gilt: Den Aufgabenkatalog überschaubar halten und Begonnenes erfolgreich abschließen. Dann kommt es auch nicht zum fragwürdigen "Überstudieren" eines Werkes, nämlich die unverhältnismäßig lange Beschäftigung mit einem Stück, ohne dass sich die interpretatorische Qualität nennenswert steigern lässt. Kenne ich vom Leistungssingen mit dem einen oder anderen meiner Chöre: Die schlechteste Bewertung durch die Kommission erhält oftmals das Stück, das sich am längsten im Repertoire befindet - da gibt es die meisten Nachlässigkeiten, Unkonzentriertheiten und Flüchtigkeitsfehler, weil man ja angeblich den Satz im Schlaf beherrscht und schnell betriebsblind wird.

Nicht zu vergessen, lieber Studienzeit investieren als endlose Rechenschaftsberichte verfassen - diese sagen mitunter nicht viel über den tatsächlichen künstlerischen Fortschritt aus, kosten aber Zeit und Energie, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt sind.

LG von Rheinkultur
 
Ich übe einfach drauf los. Mache mir diesbezüglich gar keinen Kopf. Irgendwann werde ich mir soetwas wie ein Repertoire mal anlegen und wohl auch pflegen, es abundan gießen und unnötiges Laubzeugs entfernen. Doch dafür ist es einfach noch zu früh.

Lg lustknabe
 
Allein schon der Zwang, Sachverhalte präzise zu formulieren, ist ein wichtiger Schritt zur Klärung von Schwierigkeiten. Ich erlebe es oft im Unterricht, daß Schüler diffus über unüberwindliche Stellen "hier irgendwo" klagen, aber weder in der Lage sind, diese Stellen exakt zu lokalisieren, geschweige denn Näheres über die vermeintlichen Schwierigkeiten zu äußern.
...Sachverhalte präzise zu beschreiben sollte doch eher Gegenstand des Schulfachs Deutsch sein ;-)

...Tagebuch und Autobiografie sind zudem nicht eben Gattungen, welche dafür bekannt sind, ungeschönt zu sein :-D
 
...Sachverhalte präzise zu beschreiben sollte doch eher Gegenstand des Schulfachs Deutsch sein ;-)
Mit präzise beschriebenen Sachverhalten bekommt man die kniffligen Stellen leider nicht in die Pianistenfinger. Da empfiehlt es sich eher, es mal mit Üben zu probieren.

In Ordnung, genug sanfte Ironie. "Präzise" heißt für die pianistischen Studien, das Wesentliche zu erkennen und nicht unnötig Zeit in Nebensächlichkeiten zu investieren.

...Tagebuch und Autobiografie sind zudem nicht eben Gattungen, welche dafür bekannt sind, ungeschönt zu sein :-D
Wozu sind diese Gattungen denn da? Ein Lebenslauf wird meist aus praktischen Erwägungen heraus verfasst, da man sich bei seinem Gegenüber vorteilhaft präsentieren möchte (Bewerbung!).

Beim Tagebuch betreibt man zunächst vorrangig Repräsentation vor sich selbst. Schon möglich, dass einem ein Übe-Tagebuch eine Empfindung von Genugtuung oder Wohlbefinden zukommen lässt: Ich habe ein gutes Gefühl, weil ich richtig gut geübt habe. Letztlich ist in Anlehnung an ein bereits angestaubtes Bundeskanzlerwort nur wichtig, was hinten rauskommt.

Wenn ein Leistungssportler als Letzter ins Ziel gestolpert kommt, nützt es ihm herzlich wenig, dass er sich beim Training so furchtbar anstrengen musste. Auch da wäre ein Trainingsprotokoll nur eine Beschwichtigung des schlechten Gewissens und eine Verdrängung der Selbsterkenntnis, dass man für diese Aufgabe offensichtlich nicht geeignet ist.

LG von Rheinkultur
 
Mit präzise beschriebenen Sachverhalten bekommt man die kniffligen Stellen leider nicht in die Pianistenfinger. Da empfiehlt es sich eher, es mal mit Üben zu probieren.
jepp :-D
primär sicher nicht zum Klavierstücke erlernen ;-)

@koelnklavier wer im Dialog Schwierigkeiten mit dem beschreiben hat (was viele Gründe haben kann, d.h. es muss gar nicht mal sprachliches Unvermögen sein), der wird es im schriftlichen Monolog (Tagebuch, Reflexionen) nicht viel leichter haben.
 

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