Fragen nach einem halben Jahr "Selbststudium"

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Otscho

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13. Dez. 2010
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Hallo zusammen,

ich bringe mir seit etwa einem halben Jahr das Klavierspielen selbst bei. Bin doch überrascht, wie gut das geht, gerade auch mit den Möglichkeiten des Internets, wo man zu fast jedem bekannteren Stück irgendwelche Tutorial-Videos findet.
Kurz zu mir:
Ich mache seit 25 Jahren Musik und das Klavierspielen hat mich schon länger gereizt. Durch meinen musikalischen Hintergrund wollte ich erstmal selbst versuchen. Außerdem habe ich berufsbedingt nicht immer Zeit zum üben, oftmals komme ich eine Woche erst um 21:00 nach Hause, da ist regelmäßiges Üben schwierig. Die Sache ist bei mir im Grunde absolut lustgetrieben, ich kann mich 3 Stunden lang in ein paar Takte verboren, ich kann aber auch zehn Tage keine Taste anrühren.

Meine 3 wichtigsten Stücke, die ich bisher in Angriff genommen habe:
  • Chopin A-Moll Walzer posthum
    War mein erstes Klaivierstück überhaupt und klappt mittlerweile ganz brauchbar. Gelegentlich Fehler sind natürlich drin, auch Stellen die noch nicht so ganz flüssig gehen, aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden, alles weitere ist reine Übungssache.
  • Chopin Nocturne 21
    Davon klappen die ersten etwa 1,5 Seiten recht gut, rein was den Ausdruck angeht für mein Empfinden sogar etwas besser als der Walzer. Wobei ich das Stück gerade anfangs auch leichter empfinde und es denke ich mehr dazu einlädt, am Ausdruck zu arbeiten.
    Später wird das Stück doch 'ne Ecke schwerer, da konnte ich mich noch nicht durchringen weiterzumachen.
  • The Piano Soundtrack - My heart asks pleasure first
    War im Grunde 'ne reine Bauchentscheidung mich daran zu versuchen, da mir das Stück einfach sehr gut gefällt. Etwa ein Drittel geht soweit mehr oder weniger brauchbar, hab allerdings längere Zeit nicht mehr daran gearbeitet.
    Gerade unter lerntechnischen Gesichtspunkten fördert das Stück denke ich sehr gut die Koordination beider Hände, da diese durchgängig recht gleichberechtigtdie selben Notenwerte spielen, allerdings mit unterschiedlicher Betonung.

Daneben habe ich mich noch an einigem anderen Stücken versucht, schreibe mir momentan z.B. eine Klavierstimme zu einem Genesis-Song, aber diese drei ragen einfach deutlich heraus, sowohl was Übeintensität als auch Anspruch betrifft.


Gut, das war zur aktuellen Situation etwas weit ausgeholt, ist zur Einschätzung aber denke ich nicht verkehrt.
Meine eigentlichen Fragen gehen nun eher in die Richtung, wie ich meine allgemeinen Fähigkeiten verbessern kann, gerade auch was vom Blatt spielen bzw. schnelles Erlernen eines Stückes betrifft. Ich kann mich in die genannten Stücke zwar reinbeißen und bekomme sie auch hin, aber ich muss dazu wirklich jede kleine Phrase richtig intensiv erlernen, dabei auch jede Hand einzeln. Für ein paar Takte brauche ich bei diesen Stücken im Grunde eine richtige "Übesession", und da mache ich dann auch nichts anderes. Gerade bei der linken Hand, welche im Gegensatz zur rechten oftmals Akkorde und weniger Melodien spielt tue ich mir schwer (ich komme vom Melodieinstrument bzw. Gesang). Ich merke auch beim Spielen, dass ich hauptsäch auf die linke Hand schaue, die rechte geht meist blind. Das Ganze bedingt auch, dass ich diese Stücke nur auswendig erlernen kann, da mir um sie aus den Noten zu spielen erstens die Kontrolle der Hände fehlt und ich zweitens so schnell die Noten nicht erfassen und in Griffe umsetzen könnte.
Was mir zu bedenken gibt ist die Tatsache, dass ich mich durch dieses Vorgehen denke ich zu wenig allgemein verbessere. Ich übe extrem stückbezogen, kann diese dann auch brauchbar, aber abseits davon bin ich regelrecht blank. Da bringt es mir nichts sagen zu können "wow, du hast dir gleich zu Beginn einen Chopin beigebracht", wenn ich überspitzt formuliert nichtmal Hänschen Klein vom Blatt spielen kann.
Ich kann mir andererseits aber auch nicht wirklich vorstellen, eine Klavierschule durchzuarbeiten. Das finde ich totlangweilig und habe ich abgebrochen.
Welchen Rat würdet ihr mir da geben? Funktioniert es vielleicht auch mit meinem vorgehen, dann natürlich deutlich langsamer als mit einem didaktisch sinnvoll aufgebautem Erlernen, oder sollte ich da wirklich die Reißleine ziehen und mich verstärkt Grundlagen zuwenden?

Vielleicht könnt ihr mir einige Tipps bzw. eure Einschätzung geben. U.U. geht es einigen ähnlich, die "richtige" Stücke lernen und nicht durch die "Schule" durch wollen. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht, seit ihr sinnvoll weitergekommen, oder gab es irgendwann eine Sackgasse?


Danke und viele Grüße,
Otscho
 
Hallo Otscho,

erstmal Gratulation. Für "allein" bist Du ganz schön weit gekommen, es macht Dir immer noch Spass und Du machst Dir die richtigen Gedanken.

Ich denke, für Dich wäre es wichtig, mal ein paar kürzere Stücke zu erproben. Beim Klavierunterricht nach Schule lernt man ja die Geläufigkeit in Stil, Technik aber auch im Umsetzen von Noten indem man mit kurzen leichten Stücken anfängt und diese dann steigert. Natürlich bringen einen auch "große, komplizierte" Werke weiter - aber genau das was Dir fehlt, wird man so nur langsam lernen. Ich bin kein Klavierlehrer aber von Laie zu Laie gebe ich den folgenden Tip: Es gibt eine Menge Literatur, die abseits von Schulübungen solchen Aufbau ermöglicht. Da Du ja mit Klassik keine Probleme hast, würde ich das hier immer wieder empfohlene Werk "Mikrokosmos" von Bartok oder auch das "Notenbüchlein der Anna Magdalena Bach" oder "Schuhmanns Album für die Jugend" empfehlen. Die schwierigeren Werke in diesen Kompendien sind durchaus im Schwierigkeitsbereich Deines Chopins aber die Lieder sind kürzer und durch die Vielfalt der neuen Eindrücke wird Dein Klavierspiel sicher schnellere Fortschritte machen. Lass Dich übrigens nicht an den etwas kindlichen Titeln stören, alle drei Werke enthalten großartige, echte Musik.

Gruss

Hyp (im 3. Jahr)
 

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