Fingerhaltung und Anschlagsbewegung

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Kleines Cis

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Bestimmt wurde so etwas hier schon öfters irgendwo erwähnt, allerdings hat mir die Forumssuche keine klaren Ergebnisse ausgespuckt und ich wollte dann doch nicht jeden einzelnen Faden durchlesen... Darum ein neues Thema.

Ich habe momentan in der Sache eine Art Identitätskrise. Ich habe nämlich letztens mit etwas experimentiert:

Flache Fingerhaltung, recht tiefe Handgelenksposition, und die Anschlagsbewegung geschieht gleichsam durch Einrollen der Finger. Das hat auch irgendwie ein Element des Ziehens... Das scheint mir den Vorteil von engem Tastenkontakt und sehr viel Kontrolle zu haben. Bei Doppelgriffen und langsamen oder einzelnen Akkorden geht das auch, und das Hervorheben einzelner Stimmen funktioniert sogar ausgezeichnet - aber Akkordrepetitionen, Triller und Tremoli kann ich so (erst recht) nicht spielen, weil ich nicht genau weiß, wie. So schnell können sich nur meine Finger nämlich nicht bewegen, und wie man hier mit dem Unterarm unterstützt, wie man das sonst macht, habe ich noch nicht recht herausgefunden.

Die Bewegungen scheinen mir da teilweise direkt entgegengesetzt dem zu sein, was ich als die "üblichere" Anschlagsweise verstehe:

Man hat die Finger etwas runder und das Handgelenk höher und spielt mehr aus dem Arm, drückt die Finger eher in die Tasten hinein. Hier sehe ich die Gefahr, dass die einzelnen Finger nicht gut getrennt werden und insbesondere bei wechselndem Schwarz-Weiß-Terrain eine Verwischung der Bewegungen zustandekommt. Andererseits scheint mir, dass man dadurch sehr flink sein kann, weil die Bewegungsaufgaben sozusagen verteilt sind und jeder Bereich (Finger, Unterarm, Oberarm) nur ein weniges zu tun hat. Und wie man damit die oben erwähnten problematischen Figuren realisiert, leuchtet mir eher ein.

Daher nun meine Frage an euch: Was habt ihr an diesen Betrachtungsansätzen hinzuzufügen oder zu korrigieren, fallen euch noch andere Ansätze ein, und was haltet ihr für die Methode der Wahl? Oder denkt ihr, man kann es sich leisten, je nach Anwendung zu mischen, ohne dass die Bewegungsautomatisierung durcheinander gerät?
 
mix aus beidem, rest ist schwachsinn
 
Hallo Kleines Cis,

erstmal ist es doch toll, dass du experimentierst, welche Bewegungen für bestimmte Klänge günstig sind, wie sie zu verbessern sind etc.! Du scheinst da doch auf einem richtigen Weg zu sein. Insofern würde ich an deiner Stelle auch deiner Wahrnehmung trauen: Akkordrepetitionen etc. kann man nicht aus dem Finger spielen, wie du selbst schreibst.

Insgesamt finde ich wie Yannick, dass man die Bewegungsmuster, die du beschreibst, nicht so trennen sollte. Es muss immer möglich sein, auf alle möglichen (und unmöglichen :p ) Bewegungen zuzugreifen.. Alles beeinflusst sich, alles ist miteinander in Bewegung, letztendlich bilden Finger, Hand, Arm Schulter, der ganze Körper/Mensch sowie Instrument und Raum eine Einheit.

Akkordrepetitionen spielt man in der Regel aus Handgelenk, Arm, Schulter. Die Finger, die hier vermutlich nicht so lang sein werden, bilden dabei die Stützen, die die Energie aus den Handgelenks-, Arm-, Schulterimpulsen elastisch auffangen und an die Tasten weitergeben. Wie das in deiner etwas tieferen Position möglich ist, kannst du sicher herausfinden, oder? Im Notfall müsstest du den Stuhl doch ein kleines bisschen höher schrauben. Aber auch wenn du tief sitzt, müsste es doch klappen, das Handgelenk etwas höher zu halten oder die Finger etwas runder zu machen, oder nicht? Wie gesagt, sollte man eine Sitzposition finden, in der alles möglich ist.

Bei Trillern bestimmt u.a. der Fingersatz den Fingereinsatz. Bei 13 werde ich längst nicht so viel Fingereinsatz brauchen wie bei 23. Wegen der Rotation, die ja auch bei den meisten Tremoli benutzt wird.

Ist es das, was du wissen wolltest oder habe ich an deiner Frage vorbeigeredet?

Viele grüße

chiarina
 
Nächtliches Kurztraktat über Billard, Flummis und Knete

Hallo kleines_cis,

Deine beiden Ausführungen beschreiben verschiedene Anschlagstechniken, die man in bestimmten Situationen anwenden kann. Wie ich das verstehe, basieren beide auf einer recht großen Aktivität der Finger selbst, besonders die erste: Da beschreibst du, wie man (unterstützt durch die Kraft aus dem Armgewicht) die Töne aus den Tasten zu sich her "herauszieht", eine Technik, die ein sehr dichtes, enges Legatospiel ermöglicht.
Ich würde die "Grundtechnik" des "Tonerzeugens" durch ein "Tastendrücken" noch ein wenig simpler beschreiben:

Eine Taste definiert sich dadurch, dass man sie herunterdrückt, und heruntergedrückt wird etwas, indem ein Gewicht darauf positioniert wird.
Wenn man nicht genügend Gewicht zur Verfügung nat, muss man durch aktive Druckausübung ein Gewicht "mimen", aber ich glaube ein so leichter Mensch ist noch nicht geboren worden...
Zwar setzt man sich nicht auf die Tasten, aber das Gewicht des Armes ist in der Regel ausreichend, entsprechende einige Millimeter abwärts zu bewegen.
Kombiniert mit der Geschwindigkeit, die der Arm erreicht, wenn er sich ab über dem Tastenniveau hinabbewegt, kommt auch eine brauchbare Lautstärke heraus. Bei Bedarf kann man die Geschwindigkeit erhöhen, indem aus der Hand, dem Oberarm, Schultern und/oder Oberkörper eine Art Impuls oder Schwung hinzugefügt wird.

Was hier an die Taste weitergegeben wird, ist also eine Art Impuls.
Damit das funktioniert, ist eine besondere Konstitution des Armes nötig. Ich versuch das am nachvollziehbaren Beispiel zu erklären:

Eine Form von Impuls gibt es bei Billardkugeln. Eine Kugel stößt die andere an, gibt die Energie an sie ab, bleibt liegen, und die angestoßene Kugel rollt weiter.
Weiterhin kann man sich einen Flummi vorstellen, der leicht schräg auf eine feste Unterlage trifft und seine eigene Kinetische Energie durch seine Beschaffenheit nutzt, um im gleichen Ausfallswinkel in eine andere Richtung weiterzuhüpfen.
Und drittens stellt man sich jetzt einen Batzen Knete vor, den man auf den Boden wirft, er wird platt und bleibt liegen.

Beim Klavierspielen haben wir eine Mischung aus der Billardkugel und dem Flummi. Die Billardkugel in uns gibt einen Impuls an die Taste weiter, um einen Ton zu erzeugen. Die Taste rollt aber nicht weg, sondern bietet nach kurzer Bewegung einen festen Grund (Unterlage), auf die der Flummi in uns trifft und (übrigens noch unterstützt von dem Auftriebsgewicht der Taste) die Hand entweder nach oben oder nach rechts/links bewegt.

Stellen wir uns anschließend vor, die Hand wäre aus Knete - vermutlich würde noch ein billardkugelähnlicher Ton erklingen, aber der Flummi-Effekt wäre nicht möglich, da die Energie in der Verformung des bewegten Objektes verpufft.
Womit wir zur Funktion und Haltung von Hand und Fingern kämen: Ungünstig ist eine völlige Schlaffheit, da durch diese bedingt fast sämtliche Energie an bestimmten Gelenken verpuffen würde.
Ungünstig ist aber auch eine völlige Steifheit, weil die mit Verspannung und Verkrampfung (und damit Spieluntauglichkeit) einhergeht und außerdem den Flummieffekt erschwert.

Gut und hilfreich ist also eine stabilisierte, aber flexible Handhaltung.
-- Besonders gemeint sind damit die Handgelenke (=> "durchlässig, locker, nicht zu sehr eingeknickt und überstreckt") und die Gelenke, die Hand und Finger verbinden. Die sollten möglichst nicht niedriger sein als die Fingerknöchel (man sollte die Sehnen nicht sehen) (=> "stabile Mittelhand").

Die Finger sind also Impuls(über)träger, die eine sichere, stabile, aber nicht fixierte Verbindung zur Taste herstellen. Dazu müssen sie nicht besonders viel tun, hauptsächlich vorhanden sein und eben kontrolliert "fixiert" sein.
Das ist die vermeintliche Schwierigkeit, denn man ist es nicht so gewohnt, Körperteile absichtlich passiv zu nutzen. Am ehesten wohl noch beim wirklich entspannten, ausgeglichenen stehen (die Beine tun nichts, stellen nur die Verbindung zum Boden her, tragen das Gewicht) oder Sitzen (entsprechendes gilt für die Wirbelsäule).
Andererseits hat jeder im Leben schonmal einen Knopf gedrückt und weiß folglich, wie sich das anfühlt.
Man kann das Gefühl außerdem möglicherweise herstellen, indem man die ausgestreckte, flache Hand wie ein Zahnrad über den Tisch "fahren" lässt, vom kleinen Finger zum Zeigefinger und wieder zurück (also Hand senkrecht zum Tisch, nur die Fingerspitzen berühren ihn; funktioniert auch leicht schräg und in Klavierspielhaltung...)

Natürlich ist das Beispiel des Flummis übertrieben und wird außerdem stark durch die Seitwärtsbewegung des Armes unterstützt.

Aktiver werden die Finger beim Trillern oder bei einem Spiel, das Richtung Leggiero geht, also luftiger und weniger dicht werden soll, denn je passiver die Finger, desto dichter das Legato (obwohl man durch das oben beschriebene "Herausziehen" das Spielgefühl etwas verdichten kann).

Eigentlich treffen die Finger also nur auf die Tasten und bewegen sich weder vor noch zurück.

Meine Erklärungen mögen inhaltlich vielleicht etwas widersprüchlich sein, aber dass das Klavierspielen nicht so leicht erklärbar ist, haben die meisten wohl schon festgestellt :p
 
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