Eure Meinung zu Hanon

Eure Meinung zu Hanon Etüden?

  • Ich übe intensiv mit Hanon-Etüden

    Stimmen: 11 11,8%
  • Ich finde einzelne Hanon-Etüden hilfreich

    Stimmen: 32 34,4%
  • Ich halte nichts von Hanon-Etüden

    Stimmen: 23 24,7%
  • Ich kenne keine Hanon-Etüden

    Stimmen: 27 29,0%

  • Umfrageteilnehmer
    93
Hanon ist für Fortgeschrittene soetwas, wie für einen Anfänger die Tonleiter.
Ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich so ist.

Lehnen diejenigen, die Hanon ablehnen, eigentlich auch das Spielen von Tonleitern ab?
Das glaube ich nicht. Ich wage aber zu behaupten, daß diejenigen, die das isolierte Üben von Tonleitern für entbehrlich halten, auch sämtlich auf Hanon verzichten.
 
Hanon ist EIN Medikament neben einer ganzen Reihe. Neurologisch gesehen würde ich den Nutzen u.A. in der synchronen Verschaltung der linken mit der rechten Gehirnhälfte sehen (sofern ein solches gegeben ist). Es ist in der Klavierpädagogik ja nicht unbekannt,gewisse Passagen, die mit LH nicht elegant, locker und fix laufen, mit der rechten zusammenzuspielen: jeder kennt wohl den Erfolg. Meines Erachtens lehrt in der Tat die RH die LH, was gewiss an neuen neuronalen (synaptischen)Verknüpfungen liegt. Da darüberhinaus die Hanonetüden an Monotonie nicht zu überbieten sind, hat es den Vorteil (!), dass die Aufmerksamkeit nachlässt, und so die Motorik schneller vom Bewußtsein in das Unterbewußtsein übergeht: das Ziel jeder automatisierten und gekonnten Bewegung.
Darüberhinaus ist Hanon sicher ein Weg unter vielen Möglichkeiten sich vor dem Üben/Spielen warm zu laufen.
 
Da darüberhinaus die Hanonetüden an Monotonie nicht zu überbieten sind, hat es den Vorteil (!), dass die Aufmerksamkeit nachlässt, und so die Motorik schneller vom Bewußtsein in das Unterbewußtsein übergeht: das Ziel jeder automatisierten und gekonnten Bewegung.
mich würde sehr überraschen, wenn das verautomatisieren stumpfsinniger monotoner Tonfolgen einen positiven Effekt haben sollte... man lernt dann halt die stumpfsinnig-monotonen Figuren, mehr nicht --- anders gesagt: sinnvoller ist da, sich automatische Spielweisen an musikalisch sinnvollen Figuren zu erarbeiten.

es gibt sinnvolle motorische Übungen, aber diese stehen nicht in Hanons Fingerübungen (sie sind ein rasch obsolet gewordenes quasi pseudopositivistisches Produkt des späten 19. Jh., der Versuch einer rein motorischen Systematisierung - allerdings erreichen sie an Nutzen das Vorbild nicht ;) es gab im 19. Jh. etliche solche Sammlungen, sie sind bestenfalls von antiquarisch-historischem Interesse)
 
Da darüberhinaus die Hanonetüden an Monotonie nicht zu überbieten sind, hat es den Vorteil (!), dass die Aufmerksamkeit nachlässt, und so die Motorik schneller vom Bewußtsein in das Unterbewußtsein übergeht: das Ziel jeder automatisierten und gekonnten Bewegung.

Hallo Stephan,

interessant, dass Du soetwas schreibst. Mit Hanon habe ich genau gegenteilige Erfahrungen gemacht, und zwar hat er mir umso mehr gebracht, je größer ich mich auf die Übung konzentrieren mußte. Als blutiger Anfänger war einhändig, nicht rhythmisiert und C-Dur ausreichend, später dann unterschiedliche Rhythmen in beiden Händen und Tonarten aus dem unteren Quintenzirkel.
Viele Grüße


Konstantin
 
Hallo Rolf: wo wir wohl einer Meinung sind, ist die Tatsache, dass Hanon zum Beispiel nach 2 Wochen Urlaub ein probates Mittel ist, um die Finger in Schwung zu bekommen. Das Automatisieren stumpfsinniger Tonfolgen ist m.E. auch gar nicht der Zweck dieser Übungen, sondern das Mittel. Der Zweck ist die neuronale Bildung synaptischer Verbindungen zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, womit eine Angleichung der linken zur rechten Hand erreicht werden kann.
Die Hirnforschung lehrt dabei, dass Erlerntes erst dann im Langzeitgedächtnis gespeichert und verarbeitet wird, wenn es durch mangelnde Aufmerksamkeit aus den Hirnregionen des Bewußtseins frei gegeben wird. Die Monotonie der Übungen trägt dann aber dazu bei, dass die Aufmerksamkeit reduziert werden kann, und dieser neuronale Vorgang der Verarbeitung und Verschiebung leicht und früh erfolgen kann. Auf der gleichen Erkenntnis beruht ja nun auch das Wissen, dass Studierende nicht erst unmittelbar vor Prüfungen lernen sollen, oder dass es beim Klavierspiel den "P-I-E" gibt, den "Post-Improvement-Effekt": dass das gut Geübte sich durch Nichtüben, in der Nacht, etc. "von allein" sichert und weiterentwickelt.
Konstantin: natürlich muss man zu Beginn (!) Hanon mit großer Aufmerksamkeit üben, sehr genau auf die Gleichmäßigkeit der Intonation achten, beim Schnellerwerden nicht anfangen zu poltern, etc. Wenn das Ganze aber auf z.B. ca 108 Viertel/min läuft, stellen sich die von mir dargestellten Effekte (hoffentlich) auch ein.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Hirnforschung lehrt dabei, dass Erlerntes erst dann im Langzeitgedächtnis gespeichert und verarbeitet wird, wenn es durch mangelnde Aufmerksamkeit aus den Hirnregionen des Bewußtseins frei gegeben wird.

Tut mir leid, aber das ist Quatsch. Je mehr Aufmerksamkeit man etwas widmet, umso besser lernt man es. Das gilt auch für das implizite Gedächtnis!

(Der von Dir als PIE bezeichnete Effekt nennt sich übrigens Konsolidierung und beruht auf neuronalen Speichermechanismen. )
 
Hallo Nica, dass man zum Neulernen maximale Konzentration benötigt erscheint doch wohl eher als Binsenweisheit, und stelle ich nicht in Abrede. Die Aufmerksamkeit aber ist beim Spiel eines Klavierwerks dann sehr contraproduktiv, wenn sich der Pianist während einer schwierigen Passage die einzelnen Noten oder motorischen Vorgänge vergegenwärtigt. Der unbewußt gewordene Teil des Gelernten tritt so durch die Aufmerksamkeit in das Bewußtsein. Das Bewußtsein aber ist nicht nur zu langsam, es ist auch viel zu störanfällig. Der PI-Effekt als Konsolidierung hat übrigens die völlige Unaufmerksamkeit neurologisch als wichtigsten Erfolgsfaktor, und tritt daher im Schlaf am wirkungsvollsten auf. Die beinahe zur Trance führenden Monotonien bei Hanon können daher durchaus als förderlich gesehen werden, wenn: die Etüde selbstverständlich ZUNÄCHST mit größter Aufmerksamkeit einstudiert wurde, wie ich es Konstantin gegenüber ja auch deutlich formuliert habe...
 
Stephan, Du wirfst da sehr viel durcheinander. Um das alles richtigzustellen, bräuchte ich mehr Zeit, als ich gerade habe. Nur zu einem Punkt kurz: Du verwechselst das Ziel (Bewegungsabläufe im Konzert automatisch abzurufen) mit dem Weg dahin (diese Abläufe zu üben). Es ist jedenfalls nicht richtig, dass ein Üben ohne Aufmerksamkeit sinnvoll wäre.
 
Hallo Rolf: wo wir wohl einer Meinung sind, ist die Tatsache, dass Hanon zum Beispiel nach 2 Wochen Urlaub ein probates Mittel ist, um die Finger in Schwung zu bekommen.

Bin zwar nicht angesprochen, aber ich finde es für mich sinnvoller, nach 2 Wochen Urlaub z.B. Bach WTK1 rauszukramen, und mir das D-Dur oder d-moll Präludium zur Brust zu nehmen, um die rechte Hand "in Schwung zu bekommen". Oder das Chopin-G-Dur Prelude für die linke Hand. Oder für beide Hände, das Bach WTK1-c-moll-Präludium, oder Chopin 25-1. Oder für Kreuzrhythmen die Nouvelle Etude 1 oder 2 oder FI von Chopin, usw...

Also einfach das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Bei Hanon ist das Pendel zu sehr beim Nützlichen und zuwenig beim Angenehmen (für mich).
 
Hallo Rolf: wo wir wohl einer Meinung sind, ist die Tatsache, dass Hanon zum Beispiel nach 2 Wochen Urlaub ein probates Mittel ist, um die Finger in Schwung zu bekommen.
nein, sind wir nicht (und ich kann auch keine Tatsache, sondern nur eine Behauptung sehen) - nachm Urlaub wäre un Sospiro besser (passt zur tränenreich zum Ferienende und bringt die Finger auf Trab)
 

Nicht erst seit dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel hält sich zäh das Gerücht, die erste Hanon-Etüde würde im Finalsatz des 2. Klavierkonzerts von Dmitri Schostakowitsch kräftig aufs Korn genommen. Das könnte man stellenweise als recht plausibel ansehen: Shostakovich - Piano Concerto No. 2: III. Allegro - YouTube

Nicht ganz ohne autobiographischen Bezug: Dmitri Schostakowitsch hat das Konzert für seinen Sohn Maxim geschrieben, der mit Sicherheit den Hanon-Drill wie viele andere auch zu überstehen hatte. Im Folgejahr 1958 hat der Komponist das Stück auch selbst als Solist eingespielt.

Kaum ein anderes Übungswerk ist durch und durch geradezu a-musikalisch angelegt wie diese sechzig Übungen, die im Grunde nur aus drei Aspekten bestehen: 1.) Motorik, 2. Motorik und 3. Motorik...! Wenn ein Aspekt derartig dominiert, dass links und rechts davon kein Hälmchen Gras mehr wächst, ist Vorsicht geboten: Sobald die motorische Gleichmäßigkeit der Abläufe forciert und das Handgelenk fixiert wird, hat man eine besonders wirkungsvolle Methode gefunden, die Sehnenmuskulatur höchstmöglich zu strapazieren. Wer dann erst aufhört, sobald es richtig wehtut, trägt mehr Schaden als Nutzen von diesen zu automatisierenden Bewegungsabläufen davon. Wo immense technische Anforderungen in eine musikalisch sinnfällige Gestalt gebracht werden sollen, ist man mit den Etüdenwerken von Chopin, Liszt, Skrjabin, Rachmaninow etc. besser beraten - für den Brückenschlag von nackter Technik hin zu musikalisch Sinnfälligem ist ein aufwendiger Übertragungsvorgang erforderlich; die dazu notwendige Zeit und Energie ist für das Literaturspiel besser investiert.

Mit pianistischen Übungskonzepten ist es mitunter ähnlich wie mit einer Diät: Im ersten Fall soll die Klaviertechnik weiter entwickelt, im zweiten Fall Körpergewicht reduziert werden. Was passiert aber beim Abnehmen meistens? Bestimmte Lebensmittel werden weggelassen, andere stärker als sonst konsumiert. Im günstigsten Fall purzeln zunächst die Pfunde - und nach Eintreten des vielzitierten Jo-Jo-Effekts ist alles schlimmer als vorher. Der Misserfolg vieler Diäten begründet sich mit der Unmöglichkeit, schlechte Essgewohnheiten (die zur Gewichtszunahme geführt haben) dauerhaft durch bessere zu ersetzen. Auf die Pianistik bezogen heißt das: Es muss gelingen, zwischen rein technischen Vorgaben einer (Hanon-)Etüde und den technisch-virtuosen Erfordernissen in der Literatur eine möglichst sinnvolle Übereinstimmung (verstanden haben, was man übt) zu schaffen. Und genau an diesem Punkt sehe ich eine Diskrepanz, die man durch präzises Analysieren bestimmter Schwierigkeiten in einem Literaturbeispiel und eine daran ausgerichtete Übestrategie erfolgreicher überwinden kann als durch exzessives Pauken rein motorischer Abläufe nach dem Motto "Musik machen wir ein andermal"...

...meint Rheinkultur
 
Hallo Rheinkultur,

ein Klavierlehrer hatte mir auch mal Hanon nahegelegt, das Ganze aber durch Möglichkeiten, die Übungen zu varierien (anderer Rhythmus, Betonungen, li. H. u. re. H. nicht eine Oktave sondern eine Dezime auseinander, andere Tonarten). Ich hatte auch kein Problem damit, sowas zu üben und bemerkte eine Steigerung der Kondition, Geläufigkeit und Angleichung linker Hand an die rechte, die in vielen Stücken technisch stärker und öfter gefordert war. Dennoch kann ich aus heutiger Sicht nicht klar sagen, ob mir Hanon etwas gebracht hat oder ich die Zeit besser in andere Stücke/Übungen investiert hätte.

Ich habe zwei Fragen zu Deinen Ausführungen:

1. Lehnst Du Hanon auch in einem relativ frühen Stadium - sagen wir vom 2. - 4. Klavierjahr - ab, wo die Etüden von Chopin, Liszt, Skrjabin für die meisten Schüler noch zu schwer sein dürften?

2. Lehnst Du auch das Spielen von Tonleitern ab? Ich frage deshalb, weil ich Tonleitern üben für nicht mehr musikalisch halte als Hanon üben. Wer jetzt sagt, da lernt man wenigstens die Tonleitern kennen, dem könnte man entgegenhalten, dass man Hanon ja auch in anderen Tonarten üben kann. Ich will Hanon gar nicht verteidigen, sehe es aber als logische Konsequenz, Tonleitern dann auch nicht isoliert zu spielen, sondern diese auch anderes kennen zu lernen (z. B. durch Improvisation) und Geläufigkeit anhand von Stücken, Läufen in Stücken oder anhand von aus den Stücken abgeleiteten Übungen zu erlangen.

Gruß
Bassplayer
 
ein Klavierlehrer hatte mir auch mal Hanon nahegelegt, das Ganze aber durch Möglichkeiten, die Übungen zu variieren (anderer Rhythmus, Betonungen, li. H. u. re. H. nicht eine Oktave sondern eine Dezime auseinander, andere Tonarten). Ich hatte auch kein Problem damit, sowas zu üben und bemerkte eine Steigerung der Kondition, Geläufigkeit und Angleichung linker Hand an die rechte, die in vielen Stücken technisch stärker und öfter gefordert war. Dennoch kann ich aus heutiger Sicht nicht klar sagen, ob mir Hanon etwas gebracht hat oder ich die Zeit besser in andere Stücke/Übungen investiert hätte.
Nach meinen eigenen Erfahrungswerten tendiere ich eher zu letzterem. Um eine Angleichung des Leistungsvermögens der linken an die rechte Hand zu erreichen, scheint mir das Brahms'sche Übungswerk geeigneter.

1. Lehnst Du Hanon auch in einem relativ frühen Stadium - sagen wir vom 2. - 4. Klavierjahr - ab, wo die Etüden von Chopin, Liszt, Skrjabin für die meisten Schüler noch zu schwer sein dürften?
In diesem Stadium kommt die musikalisch wie technisch hochkarätige Etüden-Literatur in der Tat (Ausnahmen bestätigen die Regel) meistens noch nicht in Betracht. Trotzdem halte ich den gut dosierten Umgang mit Czerny und Cramer/Bülow bereits in dieser Phase für zweckdienlicher. Der von Dir erwähnte "kreative" Umgang mit Hanon'schen Vorgaben ist allerdings keineswegs rundum abzulehnen.

2. Lehnst Du auch das Spielen von Tonleitern ab? Ich frage deshalb, weil ich Tonleitern üben für nicht mehr musikalisch halte als Hanon üben. Wer jetzt sagt, da lernt man wenigstens die Tonleitern kennen, dem könnte man entgegenhalten, dass man Hanon ja auch in anderen Tonarten üben kann. Ich will Hanon gar nicht verteidigen, sehe es aber als logische Konsequenz, Tonleitern dann auch nicht isoliert zu spielen, sondern diese auch anders kennen zu lernen (z. B. durch Improvisation) und Geläufigkeit anhand von Stücken, Läufen in Stücken oder anhand von aus den Stücken abgeleiteten Übungen zu erlangen.
Alles völlig richtig. Improvisationspraxis, wie sie angehenden Kirchenmusikern vermittelt wird, setzt z.B. auf das Automatisieren bestimmter Elemente (Skalen, Akkorde) und Muster (Kadenzfolgen), die das abrufbare Grundmaterial für eigene Projekte bildet. Dieses lässt sich folgerichtig in alle Tonarten, unterschiedliche Stilistiken und Temposchichten übertragen und vielschichtig kombinieren. "Anhand von aus den Stücken abgeleiteten Übungen"? Genau das dürfte im Einzelfall mehr bringen als absolut gesetzte Motorik. Möglicherweise ist das Frühstadium der pianistischen Ausbildung ein guter Zeitpunkt für Hanon-Übungen, solange das Repertoire eben noch klein und in Transfermöglichkeiten begrenzt ist.

LG von Rheinkultur
 
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass sich in der Geschichte der (Klavier-) Pädagogik stets zwei Grundrichtungen finden lassen: einerseits das Fantasie- artige, kreative Umgehen mit dem Übungsmaterial, wo in eigenen kurzen Sätzen auch gleich die Grundlagen der Harmonielehre mitgelehrt und -gelernt wurden, andererseits die Rationalisierung des Übungsmaterials, das schließlich bis zum mechanischen Repetieren geht.

Die Übungen von Brahms sind bereits ziemlich schwierig und verlangen eine gute Grundlage.
Anregend, auch für eigene Erfindungen, finde ich vieles von Busoni.
Nicht schlecht, auch für den Anfangsunterricht, nach meiner Meinung: Walter Langer, Technische Studien ( relativ wenige Übungen, aber in etlichen Varianten).
Prinzipiell denke ich auch: motorische Blockaden haben ihre Ursachen niemals nur in mangelnder Fingertechnik ( schon der Begriff taugt nichts, weil er einen Aspekt isoliert).

Der kreative Umgang mit dem Material, wie von Rheinkultur geschildert, ist sicher ein guter Weg.

Ein Beispiel, wie weit die Rationalisierung gehen kann, ist A.B. Marx, der schreibt: " Schon durch Rechnung wissen wir, dass allein sechs Töne 24, acht 40320 und 12 an 500 Millionen Umstellungen gewähren."

Lasset uns anfangen.

Viele Grüße
Andreas
 
...Nase voll...

...wer unterwegs essen und trinken will, dem sei es unbenommen, dies in einer florierenden Fast-Food-Kette zu tun - zwar mögen die Nahrungsmittel bzw. Gerichte dort überwiegend als wenig gute Ernährung erkannt sein: die umfangreiche Speisekarte enthält aber auch 3-4 Sachen, an denen es nichts zu beanstanden gibt, z.B. Mineralwasser, Tee, Kaffee, Früchte ---- käme jetzt irgend ein vernunftbegabtes Wesen auf die Idee, die Speisekarte der Fast-Food-Kette als nützlich zu bezeichnen?



nicht anders verhält es sich mit den Hanon-Übungen!
es gibt eine kleine Handvoll gegebenenfalls nützlicher Fingerübungen, der große Rest aber ist teils völlig nutzlos, teils regelrecht falsch und schädlich.

z.b. falsch:
-- bis auf wenige Ausnahmen sind die Tonleiterübungen mit ungeschickten bis falschen Fingersätzen versehen! Hinzu kommen hier, z.B. im Fall von B-Dur und b-Moll nutzlos irritierende Inkonsequenzen bzgl. der Daumenverwendung; ebenso findet sich die Unsitte der "Schulfingersätze", welche bei wirklich sehr (!) schnellem Skalenspiel meist hinderlich sind (und das, obwohl Hanon doch großspurig tutet, man seie bei täglichem mehrstündigem üben seiner Sammlung "der virtuose Pianist" dem virtuosen Repertoire gewachsen... na, wer das betreibt und dann frohgemut ins zweite Tschaikowskikonzert wegen der Skalen in den Kadenzen :D:D einsteigt, der wir eine bittere Erfahrung bzgl. der so gewonnenen "Virtuosität" machen... nämlich, dass er untaugliche Gewohnheiten erworben hat) und zudem wird nirgendwo erklärt, wie man denn über die sehr begrenzten Metroronomzahlen hinaus kommt
-- die Fingersätze für die chromatische Tonleiter sind teilweise derart idiotisch, dass man sich fragt, ob Hanon überhaupt Klavier spielen konnte... das Glanzstück hier ist das parallele chromaische sielen beider Hände im Abstand einer kleinen Terz: Hanon schreibt vor, dass dies in der linken Hand auf c mit dem Ringfinger, in der rechten Hand auf es mit dem Mittelfinger zu absolvieren sei:
r.H. 3-1-2-3-1-3
l.H. 4-3-1-3-2-1 (selbst allein gespielt, ist das völliger Blödsinn)
-- chromatische Terzen... oh was für eine Eselei... ...er hätte doch nur für kleine Terzen bei Chopin op.25,6 abschreiben müssen, anstatt was ungeschickteres zu publizieren (wenigstens hat er den Terzenfingersatz von A- und D-Dur korrekt von Chopin und Brahms übernommen)
-- bei Arpeggien in #- und b-Tonarten einzig der Schulfingersatz (Daumen auf weissen Tasten), das genügt bei weitem nicht, wie ein Blick in Arpeggien bei Chopin, Liszt, Brahms beweist

falsch und regelrecht schädlich
-- die Übung für Sextentriller: hier schreibt Hanon vor, dass man diese ohne Handgelenk und Hand zu bewegen einzig aus den Fingern spielen soll: das ist geradezu schädlich und ruiniert einen beweglichen Bewegungsfluss bei Doppelgriffen
-- dasselbe für Terzen- und Quartentriller
-- das Oktavenspiel wird schlichtweg motorisch falsch erklärt!!
hinzu kommt, dass ausufernde Skalenfiguren in C-Dur, ansonsten die chromatische Skale und eine einseitige Arpeggiofigur nichts nützen, wenn man mal was mit vielen Oktaven von Chopin, Liszt oder Alkan spielen will (denn dort kommen andere Tonarten und andere Bewegungsmuster vor) zwar gibt er später alle Tonleitern nur rauf und runter in Doppeloktaven an, aber die lernt man nicht aus der genannten Vorbereitung...
-- bei Repetitionen mit Fingerwechsel die Finger hoch heben... sancta simplicitas
-- Terz- und Oktavrepetitionen ohne Armbewegung, der Arm soll ruhig gehalten sein, nur aus dem Handgelenk ist halb falsch und gerade hier schädlich: ein fixiert ruhig gehaltener Unterarm überlastet die Ausführung und führt zu Verspannung - im Gegenteil wird der Arm eben doch locker mitbewegt, während das Handgelenk die Bewegung überträgt; zudem lernt man heutzutage sinnvollerweise, aber auch bei Liszt schon, dass bei Doppelgriff- und Akkordrepetitionen der Arm quasi wellige ruhige auf-und-ab Schwünge zur Lockerung ausführen soll
-- die Tremoloübung... Oszilation / Schwingung des Handgelenks soll das tremolieren bewirken... was für ein Blödsinn! wie soll allein das Handgelenk schwingen? das geht nur auf und ab, und damit kriegt man keine Wechseltöne bzw. tremoli gespielt... Fingeraktivität kombiniert mit schaukelndem Unterarm bewirkt das Tremolo

idiotische Tintenfresserei:
es ist einfach nur Papierverbrauch, erst alle 24 Tonleitern in Oktaven und dann auch noch in gebrochenen Oktaven zu notieren :D


es fehlen wesentliche Bewegungsmuster!
Skalen wie Triller in Sekunden, großen Terzen, Quinten, Sexten, Septimen fehlen
die einfachen anfänglichen Übungen werden nicht sinnvoll transponiert
keine weiten Arpeggien, Sprünge, Akkordpassagen



nein, um Mineralwasser zu trinken, wäre es abwegig, partout die Fast-Foodkette zu empfehlen
 
Wo gerade Cramer/Bülow erwähnt wurde:

Der gleiche Klavierlehrer hatte mir neben Hanon, was ich wie gesagt durchgearbeitet habe (Teil 2 und 3 aber nicht mit den von ihm empfohlenen Variationen) auch Cramer/Bülow verschrieben, wovon ich aber nur das erste Stück geübt habe. Ich habe auf dem Plan, damit später weiter zu arbeiten, wenn ich im Bereich Jazz-Piano weitergekommen bin, um mich dann der technischen Seite wieder etwas intensiver zu widmen. Ist das auch mit Vorsicht zu genießen und sollte ich eher z. B. zu Chopin greifen oder kann man bei Cramer/Bülow eher als bei Hanon sagen, dass dies nicht unbedingt mit Vorsicht zu genießen ist?

Danke im Voraus für eine Einschätzung.
 
Ein Beispiel, wie weit die Rationalisierung gehen kann, ist A.B. Marx, der schreibt: " Schon durch Rechnung wissen wir, dass allein sechs Töne 24, acht 40320 und 12 an 500 Millionen Umstellungen gewähren."
Derartige Rechenexempel kennen wir doch von Josef Matthias Hauer, der in seinem Aufsatz "Die Tropen" (Musikblätter des Anbruch, Universal Edition, Jg. 6 / 1, Wien 1924, S.18-21) folgendes zu seinem kompositorischen Handwerkszeug schreibt: "Sehr bald hatte ich nun auch erfasst, dass die „Bausteine mit allen zwölf Tönen des Zirkels“ die eigentlich formgebenden, die musikalisch ergiebigsten sind. Das Melos ging mir auf in seiner Größe. Viele Hunderte von Melosfällen wurden gelöst, gedeutet, sinngemäß aneinandergebaut, zu immer größeren Formen, und Weihnachten 1921 war ich bereits so weit, alle Melosfälle überschauen, sie in größere und kleinere Gruppen einteilen zu können; ich entdeckte die „Tropen“, die nun an Stelle der früheren Tonarten zur praktischen Verwendung kamen. Gleich zu Beginn meiner nun bewussten Arbeit ergab sich von selbst die Regel: gleiche Töne so weit wie möglich auseinander zu rücken, damit die größte Spannung im Melos, die stärkste „Bewegung“ erzeugt wird. Das erreichte ich dadurch, dass ich immer je sechs Töne einer gewissen „Konstellation“, also zwei Gruppen innerhalb der zwölf Töne, fortwährend abwechselnd in Verwendung brachte. Für alle Melosfälle gibt es 44 Möglichkeiten (Konstellationen) dieser Teilung - daher vierundvierzig Tropen."

Irgendwann war der Zeitpunkt gekommen, die möglichen Tonfortschreitungen mit 12! (= 12 Fakultät) zu bezeichnen und das verfügbare Tonmaterial als einen riesengroßen Steinbruch anzusehen, aus dem man sich jegliches gewünschtes Material einfach herausholen könnte. So gesehen wäre A.B. Marx der Theoretiker und J.M. Hauer der komponierende Praktiker, der der Nachwelt hunderte von "Zwölftonspielen" hinterlassen hat. Ob dabei seine "Auswahlstrategie" stets eine glückliche war, ist natürlich Ansichtssache: Die Resultate waren und sind so spröde und klanglich ungefällig, dass sie sich neben Schönbergs Kompositionen und denen seiner Mitstreiter kaum behaupten konnten. Da ist der Pianist mit Apostels "Kubiniana" und anderen Stücken besser bedient...!

Zurück zu Hanon: Ein Steinbruch, auf sechzig Bruchstücke reduziert - der Überschaubarkeit halber. Irgendwo gibt es sie schon, die wertvollen begehrten Mineralien. Aber zuvor muss man eine Menge Geröll beiseite räumen, das einem beim Entsorgen hoffentlich nicht auf die Füsse oder woanders hin fällt, wo es weh tun könnte...
 
z.b. falsch:
-- bis auf wenige Ausnahmen sind die Tonleiterübungen mit ungeschickten bis falschen Fingersätzen versehen! Hinzu kommen hier, z.B. im Fall von B-Dur und b-Moll nutzlos irritierende Inkonsequenzen bzgl. der Daumenverwendung; ebenso findet sich die Unsitte der "Schulfingersätze", welche bei wirklich sehr (!) schnellem Skalenspiel meist hinderlich sind (und das, obwohl Hanon doch großspurig tutet, man seie bei täglichem mehrstündigem üben seiner Sammlung "der virtuose Pianist" dem virtuosen Repertoire gewachsen... na, wer das betreibt und dann frohgemut ins zweite Tschaikowskikonzert wegen der Skalen in den Kadenzen einsteigt, der wir eine bittere Erfahrung bzgl. der so gewonnenen "Virtuosität" machen... nämlich, dass er untaugliche Gewohnheiten erworben hat) und zudem wird nirgendwo erklärt, wie man denn über die sehr begrenzten Metroronomzahlen hinaus kommt
-- die Fingersätze für die chromatische Tonleiter sind teilweise derart idiotisch, dass man sich fragt, ob Hanon überhaupt Klavier spielen konnte... das Glanzstück hier ist das parallele chromaische sielen beider Hände im Abstand einer kleinen Terz: Hanon schreibt vor, dass dies in der linken Hand auf c mit dem Ringfinger, in der rechten Hand auf es mit dem Mittelfinger zu absolvieren sei:
r.H. 3-1-2-3-1-3
l.H. 4-3-1-3-2-1 (selbst allein gespielt, ist das völliger Blödsinn)
-- chromatische Terzen... oh was für eine Eselei... ...er hätte doch nur für kleine Terzen bei Chopin op.25,6 abschreiben müssen, anstatt was ungeschickteres zu publizieren (wenigstens hat er den Terzenfingersatz von A- und D-Dur korrekt von Chopin und Brahms übernommen)
-- bei Arpeggien in #- und b-Tonarten einzig der Schulfingersatz (Daumen auf weissen Tasten), das genügt bei weitem nicht, wie ein Blick in Arpeggien bei Chopin, Liszt, Brahms beweist
Völlig ad absurdum geführt wird das Ganze dann bei den "Russen" im 20. Jahrhundert (Prokofiew, Schostakowitsch), wo das beständige Eliminieren der schwächeren Finger 4 und 5 überhaupt nicht durchzuhalten ist, was schon das Skalenspiel betrifft. Werden modale Skalen gebildet (Messiaen), kommt man mit etwaigen Schulfingersätzen ohnehin nicht allzu weit. Man könnte zu Hanons Ehrenrettung ja einwenden, dass er solche kompositorischen Mittel im 19. Jahrhundert nicht kannte. Aber Großarpeggien über den Dezimenumfang hinaus, große Sprünge über zwei Oktaven hinweg, komplexe Akkordverkettungen gab es schon zu Hanons Lebzeiten (Chopin, Liszt, Alkan...) - und bereits hier fehlen zu wichtigen Aspekten virtuosen Spiels musikalisch sinnvolle Antworten. Der selbstgewisse Tonfall, mit einem unfehlbaren Kompendium der pianistischen Technik alle Wechselfälle des Pianistenlebens meistern zu können, mag auch einem gewissen Zeitgeschmack Rechnung tragen - aber auch in der Gegenwart gibt es immer wieder Zeitgenossen, die den Mund mitunter sehr voll nehmen. Verstanden haben, was man übt, ein präzises Gehör als Korrektiv - damit kommt man sicherlich weiter als mit knochenhartem Pauken technischer Abläufe jenseits des Stadiums, in dem Musik entsteht...
 
Zurück zu Hanon: Ein Steinbruch, auf sechzig Bruchstücke reduziert - der Überschaubarkeit halber.

Und auch die kann man reduzieren auf die ersten 20 bis 30 Übungen. Um den Drucker zu Testen, kann man sich die ersten 20 Übungen für alle Tonarten hier herunterladen und einen Wälzer binden, oder man komprimiert die ersten 30 Übungen und erhält ein konzentriertes Hanon-Extrakt.
Viele Grüße


Konstantin
 

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