Eure Lieblingswerke von Liszt

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11. Apr. 2007
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Hallo,

eine vielleicht primitive Frage, aber ich stelle sie trotzdem:
Welche Werke von Liszt schätzt ihr am meisten (und in welchen Einspielungen evtl.)?
Welche Werke sind eurer Meinung nach "typisch" für Liszt? (und sind das auch die besten?)


Ich mach mal den Anfang mit den Années de pelerinage, die ich ganz wunderbar finde. Selbst das etwas sentimentale "Au lac de Wallenstadt", das ich vor fast einem Jahr mal bei einem Schülervorspiel vorgetragen habe, fand ich sehr hübsch und in der sehr minimalistischen Begleitung sogar recht modern. Wie überhaupt manche Pianisten Liszt gerne mit modernen Komponisten zusammen einspielen: Mario Formenti hatte Au lac de Wallenstadt ebenfalls aufgenommen in seine "Liszt Inspections", wo Liszt einige illustre Komponisten des 20. Jahrhunderts trifft, u.a. John Adams, Berio, Rihm, Kurtag, Feldman. Pierre-Laurent Aimard hat das ähnlich gemacht ("The Liszt Project") mit Messiaen, Bartok, Berg, Skrjabin, allerdings ohne den Wallenstädter See :)

lg marcus

P.S.: Für die Années braucht man (mE) keine andere Einspielung als die von Louis Lortie.
 
Ich bin ja nicht gerade als Liszt-Fan bekannt, aber den Gnomenreigen finde ich absolut genial. Ich finde, der programmatische Inhalt ist sowas von präzise getroffen, das Stück ist so rund (was ich öfter bei Liszt eben nicht empfinde) und die Musik so packend, dass es das erste Stück von Liszt war, das ich gespielt habe, soweit ich mich erinnere. Ich müsste direkt mal suchen, ob es davon noch eine Aufnahme gibt, habe ewig nicht mehr dran gedacht... Kann sogar sein, dass ich sie dir mal geschickt habe?! Das müsste vor ca. 11 Jahren gewesen sein :girl:

Den Mephisto-Walzer finde ich auch recht gelungen - aus ähnlichen Gründen. Mir scheint, der Kerl konnte hämische Teufelchen gut in der Musik umsetzen. Er erinnert mich immer auch an die Suggestion Diabolique von Prokofiev (die ich auch ziemlich gut finde).
 
Diese beinahe euphorische Beschreibung :blöd: würde ich sogar noch ein wenig steigern: Der Mephisto-Walzer ist eines der genialsten Klavierwerke der Romantik überhaupt. Abgesehen von der h-Moll-Sonate hat Liszt dieses kompositorische Niveau nie wieder erreicht.

Toll finde ich auch einige der Transzendental-Etüden, manches aus den Années und diverse Lied-Transkriptionen.

Mit den Opernparaphrasen (mal abgesehen von Rigoletto und Isoldes Liebestod) kann ich eher wenig anfangen, ganz und gar unerträglich finde ich sowas wie den Grand Galop Chromatique.
 
Allen voran der Mephistowalzer und die monumentale Sonate, die Gründe hat @mick knapp zusammengefasst. Hier übertrifft Liszt sich selbst. ...man kann regalweise Abhandlungen über Form und Harmonik dieser beiden Meisterwerke lesen, ein Ende der Deutungen/Erläuterungen ist nicht in Sicht.

Mir gefallen des weiteren besonders die Sachen, welche - so absurd der Vergleich auf den ersten oberflächlichen Blick erscheinen mag - eine geradezu scarlattihafte Spielfreude aufweisen: das sind sehr heterogene Sachen, z.B. die Tarantella aus Venezia e Napoli, Soiree de Vienne Nr.6, Spinnstubenszene des Holländers, Gnomenreigen, 2-3 der Paganinietüden - die kobolzen verspielt und oft heiter über die Tasten, dass es ei e Freude ist.

Les Funerailles und Benediction, Petrarcasonett E-Dur und Leggerezza sind herrliche Perlen der Klavierromantik nach Chopin (zeitlich - die mus. Qualität ist dieselbe), auch die späten Valses oublies.

Die Paraphrasen und Transkriptionen mag ich sehr! Rigoletto, Tristan, Sinfonie fantastique (4.&5.Satz!), Aida (!), Miserere di Trovatore, Tannhäuser Ouvertüre, Parsifal - bei den Liedtranskriptionen Ständchen, Erlkönig, Meeresstille, dein ist mein Herz (Müllerin) - manchmal ist das verblüffende, dass sowas überhaupt auf einem Klavier mit nur zwei Händen darstellbar ist (Tristan, Tannhäuser, fantastique) manchmal sind die Bearbeitungen Deutungen der Vorlagen, die als Klanginszenierungen neue Perspektiven bringen.

Die späten, zumeist erst nach Liszts Tod publizierten Klavierwerke enthalten faszinierendes: Nuages gris, am Grab Richard Wagners.

Das wäre meine Favoritenliste.
 
Liszt ist mit Sicherheit der Komponist, von dem ich die meisten Werke gespielt habe (noch vor Chopin, Beethoven und Scriabin).
Die unerhörte kaleidoskopartige Vielfalt seiner Werke hat mich schon immer fasziniert und so wechseln die Lieblingsstücke. Durch die schiere Fülle seines Werks kann man auch noch Entdeckungen machen, so fiel mir vor einigen Jahren das wirklich sehr reizvolle Andante amorose nach Berlioz auf, welches in zwei Strophen - ohne Höchstschwierigkeiten - das Thema aus der Fantastischen Symphonie deutet. Auch die Ernani Paraphrase ist so eine Entdeckung (werde ich irgendwann sicher spielen!).
Was mir bei Liszt auch noch sehr gefällt ist, dass fast alle Stücke in meiner subjektiven Betrachtung erstaunlich volatil sind. Abgesehen von wenigen Meisterwerken (zusätzlich zu den bereits genannten üblichen Verdächtigen möchte ich vor allem 'Weinen Klagen, ..., die großen Variationen, nennen) ändert sich meine Zuneigung und gelegentlich auch Abneigung ständig. Das ist bei anderen Komponisten durchaus nicht so (op. 111, oder Chopins op.23 sind immer gleichermaßen bedeutend) aber bei vielen Werken Liszts changiert das erstaunlich; so habe ich viele Jahre mit großer Hingabe die Dante-Sonate gespielt und geübt und das Stück ist mir aktuell herzlich gleichgültig.
 
Lieber .marcus.,

ganz besondere und wunderbare Werke sind für mich die beiden Trauergondeln und Nuages gris. Natürlich die h-moll-Sonate, aus den transzendentalen Etüden (Richter, Trifonov) besonders Chasse neige und Mazeppa, dann den Liebestod, die Funerailles und vieles aus den Annees.

Zu meinen Studienzeiten galt Liszt eher als oberflächlich-virtuos, aber damit tut man ihm unrecht! Obwohl ich oft höre, "ich kann mit Liszt nichts anfangen".

Wahrscheinlich muss man dafür älter werden. :007::004: -

Liebe Grüße

chiarina

P.S.:
P.S.: Für die Années braucht man (mE) keine andere Einspielung als die von Louis Lortie.

Der Fazioli klingt unglaublich und Lorties Spiel ebenso!
 
Nach einigen mehr oder weniger intensiven Blicken auf Liszt im Laufe mehrerer Jahre würd ich jetzt in diesem Moment sagen:

Am liebsten mag ich ( im Moment ) die a-Moll-Rhapsodie, Nr. 13.

Gründe: Wunderschöner melancholischer Anfang, ( das gilt noch für 1 oder 2 andere, aber speziell DIESEN finde ich besonders ansprechend, weiß nicht warum, ich mag "das" sehr, und kraftvoller Schlussteil! )

Aufnahmen: Okay, man könnte nat. evtl. Arrau nennen, ( YT ), oder Horowitz, aber ich nehm dann doch diese hier:



Zur Eingangsfrage "typisch für Liszt" weiß ich auch nicht - allerdings 1 eventuell etwas "untypisches", nämlich das von @rolf erwähnte "nuages gris" , das auch schonmal andernorts erwähnt wurde, ist ebenfalls m.E. sehr knuffig, aber etwas ungewöhnlich.

"Ungewöhnlich" in einem anderen Sinne evtl. auch die "Ungarischen Zigeunerweisen"...die mal im Pianistenrate-Thread genannt wurden. Forschungs-Stoff ? Evtl. gegeben :-D

Denn, Nachtrag:

Zitat aus: https://www.clavio.de/threads/heiteres-pianistenraten.16045/page-25
mein altes posting # 482 / wikipedia:

While this theory is considered exceedingly unlikely by some, it is not so considered by Janina Fialkowska, the pianist who premiered Liszt's Piano Concerto No. 3 in 1990. She says she was told by Roch Serra (who was told by the Liszt scholar Professor Milstein, who was told by Vera Timanova, who was told by Sophie Menter herself), that Liszt was indeed the composer of the piece, he did not want Tchaikovsky to be aware of this.

Werk = jedenfalls wunderschön ( finde ich subjektiv ), Aufnahme evtl. die von Leslie Howard suchen. :-)

LG, Olli:drink::super::drink:
 
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Ich weiß nicht, wie die Sonate allgemein zu Lebzeiten Liszts aufgenommen wurde.

Die Sonate wurde außerhalb des engsten Kreises der Liszt Anhänger sehr negativ aufgenommen. Wenn ich mich richtig erinnere wies ihn ein Kritiker zurecht und sagte - sinngemäß - er hätte so gute Schubert Bearbeitungen und Rhapsodien geschrieben, wozu jetzt solchen Unsinn publizieren.
Ansonsten ist das Urteil von Clara Schumann ziemlich typisch. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Liszt Sonate umfassend anerkannt. ABER:
Einer der früheren Liszt Biographen S. Sitwell schrieb noch weit im 20. Jahrhundert: " The Sonata in b minor is not a favorite piece with the writer of this book, ...." und:
"In the hands of Busoni, or even of Horowitz, it sounds magnificent; but in the opinion of the writer, always empty; ..." und noch etwas später:
" ... render the Sonata painful and irritating to the nerves."
Dies von einem Liszt Forscher! Er gibt zu, dass dies eine persönliche Meinung sei, aber sein Schlussfazit ist: " ... in the minds of most critics the Sonata is either the masterpiece of Liszt and one of the finest things in the whole of the piano repertory, or it is hollow, pretentious bathos. Perhaps it is neither the one or the other."
Im Nachwort einer späteren Auflage (1955) gibt er der Sonate bessere Noten, aber den Haupttext aus dem ich zitierte, ändert er trotzdem nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
...ganz so ist es nicht, wie man nachlesen kann. Die Sonate erhielt nach der Uraufführung einen Verriss durch Hanslick, aber auch enthusiastische Rezensionen von u.a. Reubke und Cornelius - die Crux daran war: die innovative einsätzige Sonate mit ihrer "zukuntstmusikigen" Thementransformation war automatisch zwischen die Fronten der Anhänger der absoluten Musik (Hanslick, Brahms (der sich später distanzierte), Joachim) und der Programmmusik/Zukunftsmusik (Wagner, Bülow, Liszt selber) geraten. Das aber nur im deutschsprachigen Kulturraum, wo sich dieser Zoff generationenlang fortsetzte. z.B. in Frankreich und Russland wurde die Sonate nicht verteufelt, wie dort auch der Komponist der Sonate nicht derart abqualifiziert wurde wie im deutschsprachigen Raum.
Übrigens betraf das speziell deutsche Verdikt nicht nur Liszt, sondern später auch Tschaikowski (Hanslick: das Violinkonzert als stinkende Musik), Rachmaninov - absonderlich dabei, dass dieses Verdikt seinen Hauptfeind - Wagner - rehabilitierte (wegen des Bayreuther Erfolgs) ...
Wie auch immer, nach Liszt produzierten dann viele Komponisten einsätzige Sonaten, z.B. Balakirev, Skrjabin, Berg und letztlich setzte sich das begeisterte Urteil Bartoks durch.
 
...ganz so ist es nicht, wie man nachlesen kann.
Mir hat auch immer eingeleuchtet, was Alfred Brendel (abseits der musikästhetischen Betrachtungen) zur Liszt-Rezeption schrieb. Er spöttelt etwas, dass Liszts Biographie "dem Mitleid zu wenig Nahrung" bietet: sehr erfolgreich, viel umworben und alt wie ein Methusalem geworden.

@rolf, welche Aufnahme(n) der h-Moll Sonate hälst du für die beste(n)?

Ich höre gerade wieder die Jeux d'eaux a la Ville d'Este. Wie herrlich das ist! (@Stilblüte, wäre das nicht was für dich :) )

@mick: magst du die einzelnen Stücke aus den Sammlungen (Etüden, Années) konkretisieren, die dir gefallen? Den grand galop chromatique kann ich zumindest in der Aufnahme von Cziffra hin und wieder mal hören :)

lg marcus
 
@.marcus. Wozu brauche ich die Villa d'Este, wenn Ravel drei unübertreffliche Stücke über das Wasser geschrieben hat :005::005:
 
...da gibt es ja das berüchtigte Oktaven Prestissimo, welches einige wenige wirklich phänomenal schnell hingekriegt haben: Horowitz, Ogdon (live in Moskau), Gilels (live New York) - und zumindest diesen eklatanten Tempoausbruch hat Liszt gewollt.
Aber die Fähigkeit weniger, hier tatsächlich ff und prestissimo zu können, läuft Gefahr, den Blick auf die Sonate zu verstellen und nur auf par force Stellen zu achten...
Deshalb als Hörempfehlung: Rubinstein, Curzon, Kempff (sic!) und erst danach Larocha, Gilels, Ogdon, Horowitz.
 
...oh Ravel...Ondine...hörens- und sehenswert, wie Ogdon die Nixe rasant [...das Verb fällt der Selbszensur zum Opfer...] ;-):teufel::drink:
 

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