Ich habe viele Stellen die man mir in meiner Unizeit mit "Übetips" wie oben denen versah. Seither sind sie stigmatisiert und kamen nie mehr aus dieser Übeschublade raus.
Was maßgeblich abhanden gekommen ist, ist der Wunsch es spielen zu können. Die Vision. Der Traum, noch ohne Einsicht in die Matrix des Fingerbrechens. (Wie oft gelingen Dinge beim ersten mal, just, versuchen. Wie ausversehen.)
Stücke die ich mir "ohne Lehrer" erarbeite sind freier von diesen Einsichten.
Es ist schön und gut Strategien zu haben. Aber wie oft kriecht man "topfschlagend" / blind und eingeschüchtert durch die Gegend. Fährt mit dem Finger über die Zeilen eines Kochbuchs wie über Braille und vergisst über all das das Potential was in dem Hunger, in dem fliegenden Brathendel steckt, dass seinem Blick vorschwebt.
Wie oft legt man sich ordentlich alles Material zurecht, plant, kalkuliert und kommt zu welchem Ergebnis? Mein Schaffenswunsch ist dann meist erloschen. Wohingegen, wenn ich unzureichende Mittel habe, aber einen unbändigen Wunsch etwas zu verwirklichen, die Not mich tugendhafter macht als jede Tugend des "braven Übemittel - Kanons".
Man sollte das ( "die Psyche" ) nicht unterschätzen.
Ich mutmaße mit weniger Wissen um "wie übe ich das" wärst du an der Stelle weiter. So ist man unfrei und stets fickerig, verkopft.
Und ja, ich glaube, dass der innere Wunsch / die Vorstellung wichtiger ist als die Technik an sich, denn sie ist nur Mittel und nicht Zweck.
Klar sind die Tipps hilfreich. Aber über allem sollte die fast wirklichkeitsverzerrende Klangvorstellung stehen. Der Wunsch Suppe zu kochen. Nicht: "Ich hab schon Leitungswasser, Regenwasser, Bachwasser, Salz, Porree, Zwiebel mit und ohne Schale, Feuer, Herd, Ofen, Mikrowelle probiert, Reime aufgesagt beim rühren, in tausend Büchern nachgeschlagen, ich weiß nicht was ich noch machen soll."
Lieber Gefallener,
natürlich leitet die Klangvorstellung immer. Ich bin bei diesem Stück (kein Anfängerstück) und virtualcais Beschreibung sowie seiner Unzufriedenheit aber davon ausgegangen, dass dies vorhanden ist.
Weißt du, wie ich auf solche Übestrategien komme?
Es gibt eine Differenz zwischen dem, was gerade klingt und dem, wie es klingen sollte. Egal ob bei mir selbst oder bei einem Schüler. Durch feines Hören (wie klingt es gerade und was macht der Schüler /mache ich für Bewegungen) auf den Jetzt-Zustand bin ich in der Lage, zu analysieren, wo genau das Problem liegen könnte.
Und dann wird es sehr kreativ. Ich schlage keinen Regelkatalog auf a la "aha, Oktaven, Seite 10, Abschnitt 5", sondern es ist ein ungeheuer kreatives Probieren, bei dem alle Sinne auf 100% gestellt sind. Eine möglichst klare Klangvorstellung, zu der auch das Wissen gehört, welche Wichtigkeit, welchen musikalischen Sinn, welchen Charakter die Stelle besitzt, ist eine wichtige Komponente. Das "in sich Hineinfühlen" bzw. den Schüler sehr gut beobachten ist die zweite. Die Fähigkeit zu besitzen, ein Problem in seine Einzelschritte zu zerlegen (analytisches und strukturelles Denken) die dritte. Eine möglichst genaue Bewegungsvorstellung generell (welche Bewegungen nutze ich für welchen Klang ....) die vierte. Fähigkeit zur Kreativität, zum spielerischen Ausprobieren und dem Finden immer neuer Übestragien die fünfte. Erfahrung und guter Unterricht kann auch nicht schaden. :D
Ohne dieses geht es nicht. Der Anfänger wird durch das Üben im Unterricht, in dem wir genau so arbeiten, allmählich daran herangeführt, das dauert. Sukzessive lernt er, die kreative Herangehensweise an Probleme zu übernehmen und dabei Probleme nicht als etwas Schweres, sondern als spannende Entdeckungsreise in die Welt der Möglichkeiten zu begreifen. Lieber eine Nuss zu knacken, ein Rätsel, als "das ist schwer".
Das macht eine Menge Spaß und ist das Gegenteil von dem, was du denkst, was es ist. In der Zusammenarbeit mit einem Schüler oder sich selbst kommt man noch auf viel mehr Ideen - leider fehlt hier nur über Beiträge die Resonanz, was das Ganze tatsächlich schwierig macht.
Warum dir bestimmte Übetipps nicht geholfen haben, kann ich nur raten. Es waren entweder nicht die richtigen oder du bist mit der Umsetzung allein gelassen worden. Sowas muss man nämlich im Unterricht gemeinsam erarbeiten und es muss SOFORT besser werden. Es kann durchaus sein, dass bei dir das Problem in der fehlenden Klangvorstellung lag. Es kann auch sein, dass du dich fremdbestimmt gefühlt hast oder unter Druck oder ... oder... .
Um am Klang zu arbeiten, um sein Spiel stetig zu verbessern, um Probleme zu lösen, braucht man eine ganze Menge. Regelkonformität, Anatomieatlasse und Berechnungen braucht man nicht.
Liebe Grüße
chiarina