Die perkussive Kantabilität?

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Das Klavier als perkussives Instrument einzustufen erscheint mir falsch. Es stimmt, der Hammer schlägt gegen die Saite(n). Dadurch wird(werden) die Saite(n) in Schwingungen versetzt. Diese werden direkt abgestrahlt und an den Klangboden weitergeleitet. Dieser schwingende Klangboden, sowie die schwingende(n) Saite(n) erzeugen den gewünschten Ton oder Klang.

Wenn das Geräusch, das durch den Hammerschlag auf die Saite(n) erzeugt wird, der gewünschte Ton wäre, sähe das anders aus.

Grüße
Thomas

PS: Online Latein Wörterbuch:
  • percussus → Schlag
  • percussio → Erschütterung
  • percussor → Mörder
 
Hallöli,

"Ein vollkommenes Legato entsteht dann, wenn ein schwingender Körper ohne Unterbrechung verschieden hohe Töne erzeugt." (S. 61)

Welches Instrument kann das? Und ich meine nicht portamento, sondern legato also lückenlose Tonerzeugung, wo der Frequenzunterschied mindestens ein Halbton ist. Ich denke jetzt schon ein Weilchen nach. Die Streichinstrumente können es nicht, denn das Aufsetzen eines Fingers bedeutet ja schon eine kurze, wenn auch nicht wahrnehmbare Unterbrechung. Die Bläser? Ich denke nicht, auch der Einsatz von Ventilen oder eine Veränderung der Anblastechnik, manchmal gar Überblasen, verhindern ein lückenloses Aneinanderreihen von Tönen. Die Stimme? Auch hier bedingt der Wechsel eines Tones eine Änderung im Stimmapparat, was ausser im portamento wohl nicht ganz lückenlos vor sich geht.

Dann ist das wirkliche Legato eine Fiktion? Aber vielleicht übersehe ich da ja auch etwas.

"Das Klavier kann den Erfordernissen des Legato noch weit weniger genügen als das Streich- oder Blasinstrument. " (S. 62)

Verstehe ich nicht, sehe ich nicht so, siehe meine obigen Anmerkungen

"Obwohl das Klavier zur Wiedergabe eines echten Legatos ungeeignet ist, können wir trotzdem eine vollkommene Legatowirkung ezielen, wenn wir folgendes beachten." (S. 63)

Verstehe ich auch nicht - wenn die Wirkung erzielt wird, ist es nach meinem Verständnis legato. Was man nicht hören/wahrnehmen kann (Lücken im micro-pico-nano oder sonstigem Bereich) ist unwesentlich für die Rezeption. Für den Kinobesucher ist ja auch unwesentlich, dass ein Fim eine Aneinanderreihung von Standbildern ist (beim Fernsehen sogar noch größtenteils interlaced :shock:).


Noch eine Ergänzung: Das Horowitz Zitat "The most important thing is to transform the piano from a percussive instrument into a singing instrument" stammt wohl von der DGG CD "The Magic of Horowitz".

Ist das jetzt als gesicherte Information zu sehen. :D:D:D

PS: Ich finde übrigens dieses Thema extrem wichtig, da es auf einen Kernpunkt "schönen" künsterischen Klavierspiels führt.

So, jetzt muss ich auch mal zitieren:

Samuil Feinberg schrieb:
Der Pianist muß sich mitunter bemühen, die Grenzen seines Instruments gewissermaßen zu sprengen. Wenn wir die ganze Zeit nur an die eingeengten Möglichkeiten des Klaviertones denken wollten, würden wir uns einer ganzen Reihe koloristischer Möglichkeiten und emotionaler Abtönungen berauben. In der Tat, sobald man sich auf die These zurückzöge, daß es beim Klavier - aufgrund seines komplizierten Mechanismus - keine direkte Berührung der Saite geben könne und das Timbre dieses Instruments von vornherein festgelegt, nicht veränderbar, sondern starr sei, könnte man schwerlich noch solche Qualitäten wie kantables Spiel oder gar eine sangliche Melodik anstreben. Das aber wäre ein verhängnisvoller Irrtum.

Glücklicherweise neigt der Pianist gewöhnlich dazu, jenen komplizierten Mechanismus zu vergessen - wie der Mensch auch gern die Funktion seiner Körperorgane vergißt. Und wenn einer beim Spiel doch einmal an Dämpfer oder an die langen Tastenhebel, die Federn und andere ähnliche Mechanismen denkt, so würde das eher auf eine ungesunde Einstellung zur eigenen Spielkultur deuten.

Darüber könnte man mal nachdenken.

LG, PP
 
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Hi PP,

der Artikel von Feinberg ist super, dem kann ich nur zustimmen. (Habe jetzt aber nur die ersten 4 Seiten bis zu deinem Zitat gelesen, das Buch muss ich mit in Urlaub nehmen.)

Die große Kunst des Klavierspielens besteht darin trotz der physikalischen Eigenschaften die Illusion verschiedenster Stimmen und orchestraler Wirkungen zu schaffen.

Und ich habe immer das Gefühl, dass ich missverstanden werde. Selbstverständlich soll man nicht so Klavierspielen, dass man den Klaviermechanismus vor Augen hat. Das Ziel ist nur der Klang und sonst nichts. Aber, und das sagen eben auch die kritischen Autoren, man sollte deswegen trotzdem nicht die Augen vor den physikalischen Eigenschaften des Klaviers verschließen, sondern im Gegenteil das Verständnis darüber nutzen.

Simples Beispiel: Das Simulieren von Vibrato durch Fingerbewegungen in der Taste ist nutzlos. :-)

Josef Gat leitet übrigens in den von mir zitierten Seiten anhand der physikalischen Eigenschaften des Klavierklangs Bedingungen für das Spielen einer Kantilene ab.

Und was ich auch toll finde, Feinberg leugnet nicht, wie es leider andere tun, dass der Charakter eines einzelnen Tons nur von der Schnelligkeit des Hammers abhängt (siehe Seite 62, 5. Absatz). So klar habe ich das selten formuliert gesehen (Anschlag durch Wattebausch oder Metall ist egal. Ich hatte mal selber entsprechende Klangversuche gemacht und hier präsentiert).

Aber der einzelne Ton ist nichts, erst die Abfolge und der Zusammenklang von Tönen ergibt die Wirkung des Klavierklangs. Aber ich schreib da jetzt nichts mehr, Feinberg erklärt es ja viel besser. ;-)

Gruß

PS:
noch nachträglich ein paar Antworten zu deinem obigen Post:

Welches Instrument kann das?
Ganz streng betrachtet, zB die menschliche Stimme oder die Posaune. Schon etwas eingeschränkt Saiten und Streichinstrumente, wenn auf einer Saite gespielt wird. Das Schwingungsmedium (Saite) bleibt gleich, aber es wird neu angeregt.

Dann ist das wirkliche Legato eine Fiktion? Aber vielleicht übersehe ich da ja auch etwas.
Auf dem Klavier ist es für mich eine Art Fiktion oder wenn man es beschränkt auf das lückenlose Verbinden von Tönen (und nicht auch noch gleiches Schwingungsmedium), aber siehe was jetzt kommt:
Verstehe ich auch nicht - wenn die Wirkung erzielt wird, ist es nach meinem Verständnis legato.
Klar, da hast du recht. Wenn die klangliche Wirkung erzielt wird, dann ist es legato.

Ist das jetzt als gesicherte Information zu sehen.
Oh mann, bist du immer kritisch. Das "wohl" ist mir dazwischen gerutscht und außerdem hab ich nicht den original Text der CD vorliegen. (Gut, dann muss ich sie mir halt kaufen. ;-) )

So, ab jetzt bin ich aber im Urlaub und morgen sowieso in Italien.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
wie mans nimmt:


Desweiteren ist selbstverständlich Zappa ein Komponist, der sich der Überführung des
Percussiven ins Kantable son bissel sein Leben lang gewidmet hat - ua.



Lieber pppetc,

na, das ist aber schön, dass es dich hier wieder gibt!

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Danke für den wirklich wunderbaren Artikel! Ich wusste so einiges nicht!

Ein paar Zitate:

"Insbesondere bei Schubert ist der wahre Ausdruck, die tiefste Empfindung schon in der Melodie als solcher gelegen und durch die Begleitung trefflich gehoben. Alles, was den Fluß der Melodie hemmt und die gleichmäßig fortlaufende Begleitung stört, ist daher der Absicht des Tonsetzers gerade zuwiderlaufend und hebt die musikalische Wirkung auf."

"Wir wissen aus Aufzeichnungen eines Chopin–Schülers, daß Chopin eine ganze Stunde damit verbrachte, ihm beizubringen, wie man im Nocturne Op. 48 Nr. 1, in c–Moll vom G im Takt zwei zum C in Takt drei absteigt. Das G war entweder zu lang oder zu kurz. Es war eben nie richtig. Chopin erklärte oft während des Unterrichtes, wie Giuditta Pasta diese oder jene Note gesungen hätte. Auf diesem gerade erwähnten G wechselte Chopin das Pedal, was ein gutes Beispiel dafür ist, daß durch Chopins Pedalbezeichnungen oft ein typisches Chopin rubato entsteht. Wenn man den Pedalwechsel korrekt ausführt, bedarf es einer kleinen Verzögerung, um das G sauber klingen zu lassen. Wenn wir das C erreichen, müssen wir die gestohlene Zeit wieder zurückgeben, also etwas eilen, so daß wir dem gerecht werden, was Chopin so wichtig war, dem konstanten Puls der Begleitung der linken Hand und der Freiheit der Melodie. Wir Pianisten müssen uns überlegen, wenn wir vom G zum C spielen, ob ein Sänger in diesem Fall ein portamento machen würde oder nicht. Als Hilfsmittel könnten wir uns ein Wort vorstellen und uns überlegen, ob wir für die beiden Noten ein oder zwei Worte oder Silben benötigen, ob das G ein Konsonant oder ein Vokal innerhalb eines Wortes, ob das G mit einem neuen Wort anfangen oder ob das C dasselbe Wort, oder ein neues Wort sein könnte."

Das passt auch zu dem, was ich hier noch anmerken wollte:

Gat spricht ja von einem vollkommenen legato. Der Begriff des "legato" ist in unserer Diskussion also unterschiedlich verwendet worden (echtes legato, vollkommenes legato, legato).

Das vollkommene legato einer Singstimme findet auch nur bei Tönen statt, die mit Vokalen verbunden werden. Trotzdem kann man auch legato singen, wenn man zwischen den Tönen Konsonanten spricht. Nur ist es dann nicht so dicht wie im ersten Fall.

Ich muss leider aufhören. Später vielleicht mehr.

Liebe Grüße

chiarina
 

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