Ich war übrigens heute auf dem Konzert einer St. Petersburger Kindermusikschule, und es war ein sehr eindrückliches Erlebnis. Die Musikschule sieht aus wie ein Konservatorium oder vergleichbares, inklusive Garderobe, Cafeteria, Notenshop - und vor allem einem echten, großen Konzertsaal, der geschätzt ca. 500 Leute fasst und auf dessen Bühne zwei Konzertflügel stehen. Es soll wohl eine der besseren Musikschulen hier sein bzw. die Lehrer sollen sehr gut sein - trotzdem ist es "nur" eine Musikschule.
Ausnahmslos alle Beiträge waren von hervorragender Qualität. Das hat schon damit angefangen, dass alles auswendig vorgetragen wurde bis auf Orchesterstücke, also auch Kammermusik.
Die Beiträge selbst waren so gut gespielt, dass ich jedes Mal die Musik genossen hab und niemals das Gefühl hatte, dass das halt kleine, süße Kinder sind, die es später noch lernen werden (oder auch nicht) - nein, nichts von Stümperei, aber auch nichts von motoischem Roboterspiel, sondern schön gestaltet und musikalisch!
Weiterhin war auch noch das Niveau im Verhältnis zum Alter der Kinder sehr hoch.
Die Korrepetitoren - "Konzertmeister" haben hier, wie sorell bereits an anderer Stelle berichtet, tatsächlich eine angesehenere Stellung: Genau wie jedes Kind wurden sie namentlich angekündigt, haben sich mit verbeugt, kamen in Konzertkleidung und erhielten nach dem Vortrag ein Präsent.
Die Musikschulen kommen mir hier vor wie ein Schulinstitut, nur dass der Besuch keine Pflicht ist - aber es ist ein zusätzliches "Bildungsangebot", das wie selbstverständlich finanziell kaum von den Eltern getragen werden muss.
Wie schade, dass das in Deutschland nicht so ist.
Liebe Stilblüte,
bist Du zur Zeit in Russland? Das ist ja super, dass Du das alles selbst gesehen hast! Es ist alles genauso wie Du erzählst. Ich habe 7 jahre in so einer Musikschule unterrichtet. Wenn man reingeht, ist eine große Halle oder Lobby. Da sieht man sofort die Türe in den Konzertsaal. Der ist in der Mitte, und den kann man rundumgehen. An den Aussenseiten des Gebäudes sind Übungsräume, mal kleinere mal großere für Gruppenunterricht wie Gehörtbildung, Theorie, Chor usw.
Jeder Bezirk hat eine solche Musikschule. Es ist nicht teuer, und die Familien aus armen Verhältnissen können es sich leisten. Die Musikschule hat ein Programm, welches die Schüler halten sollten. Es gibt festgelegte Schwierigkeitsstufen für 1,2,3 .... und so bis 7-te Klasse. Jedes halbes Jahr gibt es Prüfung, wo die Schüler vor eine Prüfungkommission (Klavierlehrer, Musikschulleiter usw.) vorspielen. Das wird in diesem Konzertsaal vorgetragen. Dort gibt es verschiedene Feier, Jubiläen, Konzerte zu Widmung der Komponisten, Konzerte von Gastmusiker usw. Das ist ein Musiktempel, solchen in jedem Bezirk gibr. Die Privatlehrer können mit einer Musikschule dort nicht mithalten.
Hier ist leider anders. Wo ich unterrichte, wurde vor 2 Jahre Musikschule Overath/Rösrath wegen Geld geschlossen. Stellt es Euch vor! Einfach geschlossen. Das Musikangebot geht jetzt unter dem Dach von VHS. Die VHS mietet die Räumlichkeiten bei den Grundschulen, wo die Lehrer Klavierunterricht anbieten. Über welchen Tempel könnte man da reden! Wie kann man unter solchen Bedingungen die Liebe zum Klavierspiel erzeugen?!
Ich sehne immer noch nach solche Musikschule, die da in Russland gibt oder gab. Übrigens, eine Studentin (studierte an Musikhochschule Köln) (Flöte) aus Spanien hat mir auch erzählt, dass da auch solches Musikangebot gibt (2 Mal die Woche Instrumentalunterricht und alles theoretische Fächer). Übrigens, die 7 Jahre, die das Knd die Musikschule besucht und mit dem Program mithält, ist keine Voraussetzung, weiter ins Konservatorium oder in die Musikhochschule zu gehen. Dazwischen liegen noch 4 Jahre in einem College.
Manchmal fühle ich mich hilflos, dass ich den Schülern, die eine Begabung haben, nicht viel anbieten kann. 2 Mal die Woche? Dann können sie nicht bezahlen... Ein Schüler kommt jetzt zu mir 2 Mal die Woche, weil 1 Mal für ihm echt zu wenig ist. Ich habe aber sehr gutes Angebot gemacht. Natürlich, verliere ich mein Geld, aber es ist mir schwierig zu zuschauen, dass sein talent so untergefordert wird. Ich will auch die Theorie und Gehörbildung anbieten.... natürlich, in Rahmen meinen Möglichkeiten. Vielleicht, ein Mal im Monat Gruppenunterricht am Samstag. Ich muss aber mir ein packendes Programm für 12 Mal Unterrichtstunden (vielleicht, jede 90 Minuten) im Jahr vorbereiten, dass wir grob die Sachen da berühren (über ein tiefes Erlernen will ich hier nicht sprechen), die mir die Zeit in der Unterrichtstunde rauben, welche ich nur Klavierspielen widmen will. Über dieses Programm werde ich mich noch hier beraten lassen, weil ich Theorie und Gehörbildung nie unterrichtet habe. Es ist mir ganz wach in Erinnerung geblieben, wie ich alles bekommen habe.... aber das war leider, sehr über die Jahre verteilt, viel öfter (nicht 1 Mal im Monat) und tiefgreifender.
@ sesam:
"Die frühe Förderung von Talenten, überhaupt die Talentsichtung gepaart mit einer sehr flächendeckenden Verbreitung guter Musikschulen und guter Pädagogen (ist das heute noch so?) sorgt bestimmt für einen Vorsprung gegenüber bspw. deutschen Studenten, die ja ohne Initiative der Eltern nur in Ausnahmefällen und eher zufällig frühzeitig guten Unterricht erhalten. Ich weiß ja nicht, wie das bei dir lief, aber wäre aus dir etwas geworden, wenn nicht deine Eltern einen Bezug zur Musik hätten? Von Staates Seite her kamen vermutlich wenige Impulse. Oder halt erst jetzt bzw. mit Beginn des Studiums. Also eine Art Förderprogramm, das in Russland (aber nicht nur dort) schon ca. 15 Jahre früher ansetzt. Insofern leuchtet mir schon ein, dass Professoren ein höheres Niveau voraussetzen, als es so mach Nicht-Russe mitbringt, das ganze hat System."
Deine Meinung ist auch meine..... Impulse von dem Staat? Es geht in ganz andere Richtung - die Musikschulen werden geschlossen