@ stilblüte: "Vielen herzlichen Dank für diesen äußerst interessanten Einblick!! Ich habe noch zwei Fragen: Wie siehst du deine Behandlung nun aus heutiger Sicht - denkst du, dass du ohne diesen Druck gänzlich aufgehört hättest und bist darum "dankbar", dass du zum Weiterspielen gezwungen wurdest? Wie hätte man dich vielleicht behandeln sollen? Und weiterhin - was sagst du zu den Ansichten vieler Russen über ausländische Musikstudenten, wie war das in Moskau?"
1. Der Druck, der war damals überall. Es war so in der Familien, dass sie das Beste für Ihre Kinder wollten. Ich meine durchschnittliche Familie, nicht diejenigen, die ganz unten sind. Jeder war ehrgeizig. Man musste was werden! Meine Oma hat immer gesagt: "Willst Du Putzfrau werden?" Das war etwas schlimmes... und obwohl ich auch ales Putzfrau viele Jahre gearbeitet Habe (als Nebenverdienst), wusste ich, dass ich gut ausgebildet bin. Ich war musikalisch begabt, und musste halt da bleiben. 2 Jahre (zwischen 7 und 9) habe ich auch Schwimmsport gemacht, auch ganz ernst. Ich war 3 Mal die Woche an Trainings. Das war alles parallel zu Klavier. Dann hat meine Trainerin gesagt, dass ich Erfolge im Schwimmen habe, und sollte zwischen Musik und Sport wählen. Beides ginge nicht, wenn man es ernst meint. Ich kann mich gut erinnern, dass es überal in unserem Kreis sehr viel für die Kinder gemacht wurde, dass ihre Zukunft besser wird. Die Eltern haben sich einfach geopfert. Mit Zeit und Geld und das auch diesen Druck auszuüben. Man suchte Talente, Neigungen und hat das gefordert und gefördert. Es war weniger als Hobby alles ausgeübt, es war für die Zukunft. Damals in der Sowjet Union war "Klavierlehrer" der beste Beruf. 18 Stunden pro Woche, dankbare Eltern.... Meine Mama musste ihr ganzes Leben von 9 bis 18.00 arbeiten, genauso wie Papa. Sie hatte wenig Zeit für uns Kinder. Gott sei Dank, hatten wir Oma und Opa, die auch uns unterstützt.
Nein, es war richtig.... Ich hatte Unglück, dass ich am Anfang keine guten Lehrer hatte.... ich war einfach ganz verdorben. Mehr ich geübt habe, desto weniger klappte es. Natürlich, das erzeugt Frustration und Abneigung. Nur als ich aus diesem Kreis raus war, in MOskau, nach diesen 2-3 Wochen mit neuer Klavierlehrerin, habe ich mich als neugeboren gefühlt.
Hier in Deutschland wird es nicht so viel Druck auf die Kinder gemacht. Hobby da, Hobby hier, die Kinder müssen sich selbst entfalten. Ganz weniger Eltern meinen es ernst. Das gefällt mir nicht wirklich. Ein bißchen autoritär sollte ELtern doch sein. Die haben viel Lebenserfahrung und können die Entscheidung nicht den Kindern übergeben, die keine Lebenerfahrung haben. Es wird meistens auch aus Bequemlichkeit gemacht. Ich bin Mama von einem 6-jährigen Jungen. Ich sage ihm - mach das oder das, der motzt oder weigert oder widerspricht. Mal bin ich so müde, dass ich denke, ich lasse es, habe keine Nerven, keine Kraft. Und dann habe ich schlechtes Gewissen, dass ich mein Kind nicht für seine Zukunft ausrichte. Ich muss ihm vorallerdings gewisse Disziplin, Durchsetzungsvermögen und Fleiß beibringen. Das wird ihm im Leben enorm helfen! Und ohne gewissen Druck ist es nicht möglich.
2. Russen über ausländische Studenten? Als ich studiert habe, hatten wir keine ausländischen Studenten in Klavierfach. ANdere Fakultäten schon, aber nur aus Freundenländern von Sowjet Union
Was wir Russen über die musikalische Ausbildung in Deutschland sagen.... alles, was vor der Hochschule, schlecht und ohne System. Es ist echt erstaunlich, wie die Studenten hier es schaffen, nur in der Hochschule die anderen Bereiche nachholen - Theorie, Gehörbildung usw.) Alles, was wir jahrelang schon gemacht haben.