Der einflussreichste Komponist des 20. Jahrhunderts

Wer ist der einflussreichste Komponist des 20. Jahrhunderts?

  • Schönberg

    Stimmen: 15 50,0%
  • Berg

    Stimmen: 4 13,3%
  • Webern

    Stimmen: 4 13,3%
  • Strawinsky

    Stimmen: 15 50,0%
  • Bartok

    Stimmen: 7 23,3%
  • Prokofieff

    Stimmen: 6 20,0%
  • Schostakowitsch

    Stimmen: 5 16,7%
  • Ligeti

    Stimmen: 10 33,3%
  • Messiaen

    Stimmen: 6 20,0%
  • Boulez

    Stimmen: 3 10,0%

  • Umfrageteilnehmer
    30
Meiner Meinung nach waren die Weltkriege solch gigantische Ereignisse, dass sich das komplette 20. Jahrhundert kaum unter einen Hut packen lässt. Was die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg angeht, würde ich eigentlich zu Luigi Nono tendieren, der hier aber nicht vertreten ist.
 
Im Beitrag Nr. 9 ist das genauer erläutert.
der Satz eines Formenlehreprofessors, der vor ca. 20 Jahren sagte, dass im allgemeinen Konsens bisher Arnold Schönberg als der wichtigste Vertreter der Neuen Musik gilt, dass er jedoch davon ausgehe, dass dieser „Thron“ in naher Zukunft von Strawinsky besetzt sein wird.
Als Gründe nannte er damals Strawinskys stilistische Vielseitigkeit und eben seinen Einfluss auf die gesamte Kunstmusik des 20. Jahrhunderts.
Diese Frage beschäftigt mich seitdem.
also eine Vermutung, die nun 20 Jahre alt ist, als Ausgangspunkt und die amüsanterweise auf Adorno zurückgeht :-) "Die Darstellung und Beurteilung der historischen Entwicklung auf der Basis einer angenommenen „Rivalität“ zwischen Schönberg und Strawinski ist ein Konstrukt, das auf Theodor W. Adorno zurückzuführen ist." aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Musik#Die_Wende_vom_19._zum_20._Jahrhundert

Ich bezweifle ein wenig, dass um 2000 Schönberg noch als "wichtigster Vertreter der Neuen Musik" galt, denn nach Schönbergs Dodekaphonie (die selbstredend enorm einflussreich war) hat sich doch noch einiges andere in der Musikgeschichte abgespielt. Allerdings müsste man dazu wissen, was in der pointierten Vermutung mit "Neuer Musik" gemeint war: (1) radikale Avantgarde oder (2) ganz allgemein Zeitgenössisches oder quasi historisch (3) die Musik der ersten Hälfte des 20. Jhs. oder (4) die umstrittene "Neue Musik"-Definition alle Kunstmusik von 1910 bis heute? (pointiert daran ist die Gegenüberstellung von stil. Pluralismus (dafür Strawinski als Chiffre) und streng dodekaphonischer Konstruktion (dafür Schönberg als Chiffre) - - allerdings hat diese Gegenüberstellung zahlreiche Komponisten des 20. Jh. gar nicht sonderlich tangiert: z.B. Villa-Lobos, Ginastera, Schostakowitsch hatten keinen dezidierten Bezug zu den vermeintlichen Gegenpolen Strawinski und Schönberg. Ob Schönberg und Strawinski für Komponisten wie Nancarrow überhaupt relevant waren?

vielleicht könntest du @Demian deine Fragestellung noch präzisieren: in Richtung (1), (2), (3) oder (4) ?
 
Ein Jahrhundert ist ein langer Zeitraum - auch für die stilistische Entwicklung in den Künsten. Was um 1920 von Bedeutung war, galt schon zehn Jahre später als entartet. Und was haben die seriellen Komponisten der 50er Jahre mit John Cage gemein? Welchen Einfluß hatte die Pop-Kultur und -Musik auf die sogenannte Avantgarde der ebensogenannten E-Musik? Fragen über Fragen tun sich auf, die zu beantworten sich nicht traut

cb
 
"Komponist des 20. Jahrhunderts" - ganz klar für mich: Strawutzki (und liege damit im Clavio-Trend, sieh mal einer an). Den höre ich extrem gern. Aber "einflußreich"? Ist er das? - Weiß ich nicht so recht.
Boulez - den habe ich als Dirigenten gern. Insbesondere seine Einspielungen von Mahler-Symphonien mit Cleveland/Chicago Orchestra. Aber als Komponist? Ich habe noch gar keines seiner Werke gehört...
Schönberg & Co mit Zwölftonmusik - auch wenn das darauf aufbauende Violinkonzert zum Andenken eines Engels mein Lieblings-Violinkonzert ist, behaupte ich doch, daß sie sich im Nichts verlief.
Vaugham Williams, Copland, Ives, und viele andere: anderswo wurde ohne verkopft-intellektualisiertem Überbau einfach fröhlich weiter musiziert.
 
"Einflussreich" bedeutet ja, dass der betreffende Komponist besonders viele andere Komponisten beeinflusst hat.

Schönberg war insofern sicherlich einflussreich, weil in den folgenden Jahrzehnten bis in die 70er das von ihm ins allgemeine Bewusstsein gebrachte Serialitäts-Prinzip wichtig bei den Neue-Musik-Leuten war. Jedoch hatte er auf die Musik, die die "normalen" Leute machten oder hörten, so gut wie überhaupt keinen Einfluss.

Strawinsky, Bartok, Prokofieff und Schostakowitsch haben Sachen geschrieben, deren Stilmerkmale, vor allem auch über Filmmusik, schon wesentlich mehr allgemeinen Einfluss ausübten.

Aber da "den" Einflussreichsten rauspicken? Nicht möglich und auch nicht sinnvoll.

Ich wäre ja fast geneigt, Debussy für den Einflussreichsten zu halten - denn er war es, der den Abschied von der herkömmlichen kadenzierenden Funktionsharmonik einleitete und das Komponieren mit "einfach so nebeneinandergestellten Klängen und Bausteinen" ohne strenge Tonsatzregeln aufbrachte, das ja auch in Jazz, Pop und Rock gang und gäbe ist und dem wir nicht nur einen Bill Evans, sondern, ja, letztlich auch z.B. TEY verdanken.
Auch Dutilleux und Messiaen sind ja letztlich Debussy-Weiterentwickler, und Strawinskys Feuervogel ist ohne Debussy nicht denkbar.
 
Ich wäre ja fast geneigt, Debussy für den Einflussreichsten zu halten - denn er war es, der den Abschied von der herkömmlichen kadenzierenden Funktionsharmonik einleitete und das Komponieren mit "einfach so nebeneinandergestellten Klängen und Bausteinen" ohne strenge Tonsatzregeln aufbrachte, das ja auch in Jazz, Pop und Rock gang und gäbe ist und dem wir nicht nur einen Bill Evans, sondern, ja, letztlich auch z.B. TEY verdanken.
Auch Dutilleux und Messiaen sind ja letztlich Debussy-Weiterentwickler, und Strawinskys Feuervogel ist ohne Debussy nicht denkbar.
Ich bin überzeugt davon, dass Strawinsky in seinem Frühwerk eher bei seinen Landsleuten Rimski-Korsakow, Borodin, Mussorgsky und Balakirew anknüpft, die zwar in der Instrumentation ähnlich vielfarbig wie die Impressionisten mit Stimmen und Orchesterinstrumenten umgingen, aber ebenfalls modale Skalen, Mixturharmonik und folkloristische Anleihen in ihrer Musiksprache unterbrachten - unabhängig von und deutlich vor Debussy! Auch Skrjabin ist diesen Sonderweg abseits der westeuropäischen Impressionisten gegangen - wobei es impressionistische Stilmerkmale auch bei nichtfranzösischen Komponisten etwa in den Niederlanden und auf den Britischen Inseln gab. Radikaler als Debussy (und von diesem hochgeschätzt) verfuhr letztlich Satie mit seiner Abkehr von motivisch-thematischen Verarbeitungstechniken und der Hinwendung zu athematischen Strukturen.

Aber aus meiner eigenen Komponisten-Perspektive fehlen mir einige Innovatoren des 20. Jahrhunderts, an denen eigentlich kein Weg vorbeiführt. Wo bleibt John Cage auf der Liste, der mit seiner Loslösung auf einen verbindlich vorgegebenen Notentext die musikalischen Ereignisse von den Fesseln an Raum und Zeit befreit hat? Wo bleibt Karlheinz Stockhausen, der voll- und teilelektronische Texturen musikalisiert hat und die Bindung an ausführende Interpreten zu lockern verstand? Wo bleibt Mauricio Kagel, der die Grenzen zwischen Musik und Theater abseits des Opernbetriebs durchlässig werden ließ - Stichwort "Instrumentales Theater"? Und der unter Einbeziehung der Medien mit dem Genre "Akustische Kunst" und Experimentalfilm auch Hörspiel- und Filmästhetik als Aktionsfeld erschloss? Oder noch früher im musikgeschichtlichen Kontext: Wo bleibt Edgard Varèse, der die Emanzipation geräuschhafter Sonoritäten auf der Konzertbühne platzierte - noch vor John Cage? Oder noch früher: Wo bleibt Charles Ives, der bi- und polytonal komponiert hat, bevor der dazugehörige Fachbegriff erfunden war? Oder noch früher: Wo bleibt Franz Liszt mit seinen rätselhaften späten Klavierstücken, darunter die "Bagatelle ohne Tonart"? Nun gut, damit entfernen wir uns definitiv vom 20. Jahrhundert.

Was ebenfalls fehlt, ist der Stil- und Paradigmenwandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Mit den erreichten Extremen aus den Konsequenzen in der ersten Hälfte ging es irgendwann nicht mehr weiter. Eine komplett laut- und aktionslose Musik erreichte John Cage mit 4'33'', eine komplett textlich unfixierte Musik ohne jegliche Vorgaben mit seinen "Variations III". Und in der Fluxus-Bewegung um Nam June Paik erreichte man mit der Zerstörung von Instrumenten als Teil der Komposition im gegenständlichen Sinne den Endpunkt des Möglichen - mehr als alles kaputt zu machen geht nicht. Es folgten Rückbesinnungen auf Musiktraditionen bis hin zur Wiederbelebung der Dur-Moll-Tonalität unter Stichworten wie "Neue Einfachheit". Da hat ein Komponist wie Wolfgang Rihm in der zweiten Jahrhunderthälfte ebenso markante Spuren hinterlassen wie die innovativen Fachkollegen aus der ersten. Die Rückbesinnung führte keineswegs zu wenig interessanten Stilkopien, sondern zu höchst individuellen Brückenschlägen und verbindenden Konstellationen. In einem "polystilistischen" Faden haben wir uns auch hierzu intensiv ausgetauscht: https://www.clavio.de/threads/sehns...ch-einer-polystilistischen-komposition.28183/

LG von Rheinkultur
 
Zuletzt bearbeitet:
@Rheinkultur
Ich habe bisher nirgends eine solch knappe und gleichzeitig treffend pointierte Zusammenfassung der Neuen Musik gelesen!

Zu den vielen Fragen, die mit „Wo bleibt ...“ beginnen - tja, wie ich ja schon schrieb, das Forum bietet leider nicht mehr Auswahlmöglichkeiten.
 
Das Problem ist, dass es zu Kunst mehr bedarf als nur eines "Konzeptes" (um nicht "nette Idee" sagen zu müssen).
 
Zu den vielen Fragen, die mit „Wo bleibt ...“ beginnen - tja, wie ich ja schon schrieb, das Forum bietet leider nicht mehr Auswahlmöglichkeiten.
Naja, zehn Optionen zur Auswahl bieten schon einen recht großen Raum für verschiedene künstlerische Positionierungen. Prokofieff und Schostakowitsch haben durch die ständige Drangsalierung seitens der Kulturbürokratie in der stalinistischen Ära eine Menge an Breitenwirkung auf internationaler Ebene verloren, während ihr Landsmann Strawinsky in Westeuropa und in den USA bestens etabliert war. Auch ist Schönberg Anreger und Wegbereiter für Berg und Webern geworden, wobei Webern als Vorreiter der noch strenger durchorganisierten seriellen Satztechniken gelten kann. Boulez trat zügig aus dem Windschatten Messiaens, um an Weberns Ansatz anzuknüpfen. Im Gegensatz zu den beiden eingangs genannten russischen Komponisten fand Ligetis Zeit der stilistischen Beschränkung in der Frühphase seiner Laufbahn bis zur Ausreise im Zuge des Ungarn-Aufstands statt, da knüpfte er nahtlos an die Tonsprache Bartóks an.

Nun ist unschwer zu erkennen, wer auf meiner Zehnerliste nicht erscheinen würde, weil sein Personalstil nicht von fremder Hand aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Damit wäre Raum geschaffen für Komponisten wie Cage, Stockhausen, Kagel einerseits und andere Komponisten wie Penderecki, Schnittke, Rihm, die Topoi aus verschiedensten Musiktraditionen geschickt zu eigenständigem Leben erwecken sollten. Absoluter Geheimtipp auf dieser Liste wäre aus meiner Sicht mit Sofia Gubaidulina endlich auch mal eine Frau...!

LG von Rheinkultur
 
  • Like
Reaktionen: trm

@Stefan379
Stimmt. Hatte ich verwechselt mit der Situation, dass die Musik nicht explizit für den Film komponiert worden ist.
 

Zurück
Top Bottom