Clementi-Etüden

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Wu Wei

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Im "Klavierspielerbüchlein" von Walter Georgii wird in dem aufschlussreichen Kapitel "Brauchen wir noch Etüden?" Clementis Etüden-Werk "Gradus ad Parnassum" so ziemlich demontiert bis auf einige wenige Teile. Ich zitiere: " ... Unter den übrigen Etüden stehen neben tödlich langweiligen und zugleich sinnlos umfangreichen so vorzügliche Stücke wie die leidenschaftliche in f (Allegro, 6/8), die wuchtige in C (Allegro con molto brio, 4/4) und die feingliedrige in B mit der schön geführten Mittelstimme und der Beschleunigung der ursprünglichen Sechzentelbewegung zu Sechzenteltriolen im Schlußteil (Allegretto con espressione, 3/4). ...". Das macht mich doch neugierig. Kennt die jemand und hat was dazu zu vermelden?
 
Hallo Wu Wei,

Die Clementi-Etüden habe ich seit langem auf einem Zettel vermerkt, so als 'noch irgendwann anzuschaffende CDs'. Bin bislang in Läden/Katalogen noch nicht darauf gestossen (es eilt nun auch nicht so, über Versand gar nicht erst geguckt).
Also gleich vorweg: nein :roll: ich kenne sie leider auch nicht. Offensichtlich werden sie auch nicht gerade häufig eingespielt. Sie füllen so an die vier Silberlinge, meine notierte Einspielung wird von Arts Klassik Center herausgegeben, mit div. ital. Pianisten.
Zusammen mit einem Unterrichtswerk namens 'Méthode pour le pianoforte' (1801) ist, laut Hollfelder, der 'Gradus' mit insgesamt 100 Etüden allerdings "von richtungsweisender Bedeutung" (in: 'Die Klaviermusik'). Entstehungszeit: 1817-1826.
Zu der zit. Beurteilung: Études sind Etüden sind Exercices sind Studien :wink: ... Will sagen, dass ja die wenigsten Zyklen von durchweg melodischer, musikalischer Schönheit sind, weil es per se nicht ihre erste Bestimmung ist. Persönlich find ich sie trotzdem immer alle irgenwie spannend, schon nur so zum Zuhören, allein des Klanges wegen...
Es kann und muss ja nicht immer Revolution oder abendliche Harmonie sein :lol:

Tut mir leid Wu Wei... das hat dir jetzt alles wahrscheinlich ungemein weitergeholfen :floet:

Grüsse
 
Hallo Wu Wei, bin Dir brav aus dem anderen Thread hierher gefolgt.

Ich darf es mal ganz allgemein sagen: solch subtile Besprechungn des "Gradus ad parnassum"" können sich nur Rezensenten ausgedacht haben, die dadurch glänzen wollen, Musik dann noch zu verstehen, wenn es sonst keiner mehr tut. Schade, dass es kein Gähn-emoticon gibt, sonst hätte ich das hier zur Unterstreichung meiner These herangezogen. Im Gradus ist eben Czerny derjenige, der m.E. noch am meisten Musik drin hat. Aber: Schüngeler
:evil: ....der Herr verschone mich vor Schüngeler...

Damit ich aber jetzt nicht am Thema vorbeiargumentiere: ich habe den "Neuen Gradus ad parnassum" I+II durchgeackert. Stammt glaube ich aus den dreissiger Jahren. Vielleicht ist hier von einer älteren Version die Rede.

Vergib mir, dass ich nicht nachblättere, ich habe die Hefte zwar noch, aber fasse sie eigentlich nur noch bei Umzügen an. Das soll so bleiben :o
 
Kennst du das Büchlein von Georgii? Er spricht, finde ich, ganz in deinem Sinne über die drei C (Czerny, Clementi, Cramer; Reihenfolge = Wertung) und hält von den Clementi-Etüden nur eben diese herausgehobenen für gut. Na, ok, weiß auch nicht, wieso ich so einen Narren dran gefressen habe. Muss sie mir wirklich mal irgendwo auf CD anhören.
 
Naja, das muss sich doch um eine andere Sammlung handeln, mir haben sich in Zusammenhang. mit dem Gradus ad Parnassum die Namen Clementi, Czerny, Köhler und Schüngeler ins Klavierhirn gebrannt. Clementi hat, glaube ich, die Sammlung zusammengestellt.

Nein, ich fasse das nicht mehr an :?

Wu Wei: egal welches der "C"'s. Ich würde mir lieber eine schöne CD mit schweizerischer Alphornmusik zulegen. Soll ja technisch auch nicht so einfach sein 8)
 
Kennst du nun das "Klavierspieler-Büchlein" von Georgii? Würde mich auch mal interessieren, was du davon hältst.
 
Das kenne ich nicht.
Ist es ein Theoriebuch?
Ich denke einfach, Technik sollte man, sobald man die Grundbegriffe draufhat in den jeweiligen Stücken lernen und üben, die man gerade vorbereitet. Meine ganz persönliche Theorie ist es, dass der Klang, den man hören/herstellen möchte, die technische Vorgehensweise diktiert. Das heisst, das wichtigste an allem ist es, einen guten Klang und Ausdruck herzustellen. Dem ist die Technik untergeordnet, bzw. anzupassen.Wenn jemand mit überkreuzten Fingern spielt und einem trotzdem die Tränen in die Augen treibt: bitte. Obwohl ich den Gradus durchgemacht habe, oder gerade auch deswegen, bin ich der Auffassung, man sollte nicht versuchen sich zu einem Roboter zu machen. Grau ist alle Theorie, wenn sie schlecht klingt.
Wenn der alte Sepp Herberger Pianist gewesen wäre, hätte er wohl gesagt: "Die Wahrheit liegt auf den Tasten." Oder noch besser: im Ohr.
 
... denn das Ohr hört mit.
 
....denn wer im Überaum sitzt, soll nicht mit Etüden werfen.

oder

So sprach der Herr: wer von Euch ohne Fehler spielt, werfe die erste Etüde.

Grüße aus Kalau :P :P
 
"Brahms 51 Übungen"

darunter sind einige sehr wertvoll. sind nur 2-3 zeilen lang und verdeutlichen die richtige handhaltung etc...
sind allerdings nicht gerade einfach.
 
Durch Wuweis Verlinkung dieses Themas in einem neuerem Thread stieß ich auf diese alten Beiträge.
"Im Gradus ist eben Czerny derjenige...", sprach Rosenspieß. Es scheint, er spricht von einem anderen Heft, das sich "Gradus ad parnassum" nennt, und nicht von Clementis op. 44, das neben hundert Etüden auch Kanons, Fugen und andere Vortragsstücke enthält.
Der Gradus ist (neben den Sonatinen) Clementis bekanntestes Werk (im "Doctor Gradus ad parnassum" aus "Children's Corner" hat Debussy ihm ein ironisches Andenken gesetzt), nur kennt es anscheinend keiner. Ich kenne es auch nicht, ich kenne, wie die meisten, nur die Auswahl Carl Tausigs, 29 Etüden erschienen bei Peters. Neben manchem, was denn doch allzu wenig originell und klanglich nicht berauschend ist, gibt es darin die von Georgii genannten Stücke, die tatsächlich wertvoll sind, daneben ein paar weitere, die ich Georgiis Liste hinzufügen würde. Das ist keine "große" Musik, aber einige der Etüden sind keineswegs schlechte Musik und nicht nur als Fingerübung lohnenswert.

Clementi hat seine Schwächen, aber er hat durchaus Glücksmomente gehabt, in denen er erstaunliche Musik hervorbrachte, und bisweilen ist sein Klaviersatz seiner Zeit sehr voraus (die f-moll-Sonate veröffentlichte er 1785, und sie hat romantische Züge zu einer Zeit, als Mozart noch lebte und Beethoven noch nicht an die Öffentlichkeit getreten war). Immerhin hat Horowitz einige seiner Sonaten eingespielt, und immerhin hat Beethoven bezeichnenderweise sehr viele Noten von ihm besessen, hielt ihn also des Studiums für würdig. Das gilt genauso für einige der Etüden, wenn auch nur für eine beschränkte Auswahl.
 

Hallo ihr beiden,
danke für die Antworten. Es ist doch immer wieder nützlich, den Forumskompost mal umzuwälzen. Als ich die Frage vor reichlich einem Jahr stellte, hatte ich aus der Bibliothek sowohl die umfangreiche Gesamtausgabe als auch eine Auswahl (vielleicht die von Tausig), war aber nicht in der Lage, die von Georgii so reizvoll beschriebenen Stücke zu identifizieren (geschweige denn zu spielen). Nun ist ein Jahr rum, und ich hatte die Sache aus den Augen verloren. Werde es mal wieder ausleihen gehen. Beide Ausgaben liegen hier auch antiquarisch rum, vielleicht lege ich mir ja die kleinere mal zu. Ob ich's je spielen kann, ist bei meinen Fortschritten aber eher fraglich.

Seht ihr im übrigen die Bedeutung der "drei großen C unter den Komponisten von 'Gebrauchsetüden': Clementi, Cramer, Czerny" ebenso wie Georgii? Er hebt, wie gesagt, einige Etüden von Clementi als außergewöhnlich schöne und auch für die Wiener Klassik beispielgebend hervor, einige von Cramer als "hübsch genug, um ausnahmsweise verwendet zu werden, wenn dem Schüler irgendeine von Cramer formulierte technische Aufgabe gerade besonders nottut" und die von Czerny als bedenklich, weil "sie gedankenloses Fingerlaufenlassen begünstigen, und zwar durch langgestrecktes, allzu übersehbares Passagenwerk, verbunden mit primitivem Harmoniewechsel in weiten Abständen." Czernys Wert wird von Georgii nur noch in einigen Übungen aus den "40 täglichen Studien" und den "160 achttaktigen Übungen" gesehen.
 
Czerny muß wohl mal einen Sonderposten Tinte erhascht haben und wollte ihn unbedingt aufbrauchen, anders ist dieser Etüden-Meteorismus kaum zu erklären. Kein Mensch kann die zahllosen Etüdchen alle üben, versuchte er es doch, müßte er verblöden. Neuhaus Rat, dieses ganze Zeugs durch Präludien aus dem WTK zu ersetzen, ist nicht der schlechteste. Stücke, an denen man seine Technik erweitern kann, gibt es jedenfalls genug andere, und wenn man die Wahl hat zwischen guter Musik und diesem Pseudo-Kram, dann wählt man natürlich die gute Musik.

Das heißt selbstverständlich nicht, daß man keine Technik üben müßte, aber es gibt kurzweiligere, geistreichere und effektivere Wege dafür. Hin und wieder kann man trotzdem natürlich auch etwas von den Etüden-Produzenten spielen, wenn man die wertvolleren Stücke herauspickt. Auch mein obiger Kommentar zu Clementi ist so zu verstehen, daß man von ihm durchaus Stücke findet, die musikalischen Reiz haben. Jeder weiß, daß Musik und Technik sich nicht trennen lassen, und ohne die Motivation durch die Musik wird man Technik nur sehr halbherzig und deswegen wenig nutzbringend üben. Wo es darum geht, eine technische Schwierigkeit isoliert zu trainieren, kann man die Übungen hierfür leicht selber erfinden, z.B. indem man ein Arpeggio aus einem Stück durch alle Tonarten transponiert oder sich ähnliche Varianten erdenkt oder vom Lehrer zeigen läßt. Und selbstverständlich muß man sich gewisse Grundspielformen erarbeiten wie Tonleitern, Akkorde, Akkordzerlegungen, Oktaven, Doppelgriff-Skalen etc. etc.

WAS man übt, ist ansonsten nicht wichtig, wenn es nur ein gesundes Gemisch ist und nicht einseitig auf allzu wenige Spielformen beschränkt ist. DASS man übt und WIE man übt, ist viel entscheidender.
 
Ich persönlich finde, dass es von Clementi ganz viele wunderschöne Klaviersonaten gibt, die viel zu selten gespielt werden! Besonders unter den späten Sonaten kann man ganz unglaubliche Entdeckungen machen! Es ist mir ein Rätsel, wieso die Pianisten nicht häufiger auf diese grossartigen Werke zurückgreifen.
 
Gradus ad Parnassum

"Brahms 51 Übungen"

darunter sind einige sehr wertvoll. sind nur 2-3 zeilen lang und verdeutlichen die richtige handhaltung etc...
sind allerdings nicht gerade einfach.

Hallo Forenser,
ich habe seinerzeit alle drei Bände der Gradus ad Parnassum eingelernt, weil es Pflicht war. Enthalten sind darin einige wirklich wertvolle und nützliche Etüden, die nicht schlecht klingen und einem in der Technik enorm weiterhelfen.;)
und eben Brahms hat auch einiges geschrieben an sehr sachlichen Etüden, nicht viel meines Wissens, aber der Band mit der unterschiedlichen Anzahl Noten für beide Hände ist Goldes Wert, klingt aber nach Tonleiter.
 
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