Wie wär's, und Du schreibst nächstes Mal ein Stück zur Abwechslung nicht, damit es "sauschwer" ist (die Erwähnung dieser Tatsache gleich zu Anfang spricht Bände...), sondern damit es schöne Musik ist??
In meiner Studienzeit (Schwerpunkt Komposition) habe ich an einem Meisterkurs in Berlin teilgenommen, dessen renommierter Kursleiter einmal von der Uraufführung eines Streichquartetts erzählt hat. Es handelte sich nicht um ein eigenes Stück, sondern um das Werk eines Fachkollegen, der bei dem Konzert sinnigerweise neben ihm im Publikum saß und ihn bis zur Penetranz mit der rhetorischen Frage in vielfältig abgewandelter Form nervte: "Echt
schweres Stück, nicht wahr?", "Mensch, hör' mal, wie
schwer das ist!", "Kannst Du Dir vorstellen, dass man so
schwere Musik überhaupt noch spielen kann?" und so weiter. Ich nenne bewusst keine Namen, da diese Anekdote schon groteske Züge an sich hat. Dabei waren die Schöpfungen des Kursleiters selbst zum Teil exorbitant schwer zu spielen, betone ich mal als jemand, der selbst viele eigene und fremde Werke als Interpret uraufgeführt hat. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint es unter vielen (Nachwuchs-)Komponisten einen inoffiziellen Wettbewerb gegeben zu haben, wer im postseriellen Zeitalter den komplexesten, abstraktesten und "schwärzesten" Notentext vorlegen kann - überladen mit kleinen Notenwerten, geteilten Notenwerten, dynamischen Extremen, Riesen-Intervallsprüngen und unzähligen hyperdeterminierenden Spielanweisungen. Mit Ferneyhough und einigen weiteren kam es sogar zu einer "New Complexity" als stilistischem Programm: Den Interpreten durch übergenaue Vorgaben in eine permanente Extremanspannung zwingen. Irgendwann führt der Drang zum Höher - Schneller - Weiter leider zur Austauschbarkeit entsprechender Werke, weil überall die gleichen spröden und dissonanzbehafteten Sonoritäten dominieren. Kennt man eine dieser Partituren, kann man davon ausgehen, dass es tausende ähnlicher (Er-)Schöpfungen gibt.
Aber Deine Musik ist einfach nur nervig und ohne "Herz" geschrieben.
Es handelt sich um die in den vergangenen Jahrzehnten oft anzutreffende strukturorientierte Schreibweise dodekaphonischer und spätserieller Prägung. Wenn die Bezeichnung als "Capriccio" für einen kapriziösen Tonfall steht, der überwiegend an der Oberfläche bleibt und sich nicht nachhaltig einprägt, hat man ein "gut gemachtes" Stück vorliegen, dass sich allerdings in eine Phalanx vieler ähnlicher Stücke einreiht, ohne aus dem Gewohnten herauszufallen.
Wenn hasenbein das als "nervig" empfindet, geht es ihm wie mit vielen Free-Jazz-Ereignissen: Viel Action, viel Aufwand - und doch hinterlässt das Gehörte und Miterlebte kaum nachhaltige Spuren beim Hörer, weil man das schon unzählige Male so miterlebt hat. Und bei den von ihm genannten Komponisten klingt mitnichten ein Stück wie das andere.
LG von Rheinkultur