Bei Grand spielt man Ässe...

Hallo,

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne einen selber entwickelten Tipp weitergeben. Ich weiß nicht, ob du, Martin, vorhast, die verklebten/verharzten Stifte zu erneuern. Aber falls du versuchen willst, sie nur zu reinigen, kann ich dir folgendes mit gutem Gewissen empfehlen:

Verharztes, klebriges Fett (z.B. altes Kochöl, Schmierfett, Maschinenöl - im Grunde jedes Fett oder Öl, das durch Alterung harzig und klebrig geworden ist) lässt sich hervorragend mit Waschbenzin lösen. Ich nehme dazu einen sauberen, weichen (nach Bedarf fusselfreien) Lappen, gebe etwas Waschbenzin drauf, reibe das Arbeitsstück kräftig, und - das ist wichtig - nehme oft eine frische Stelle vom Lappen zur Hand, damit man die Klebe nicht nur verschmiert, sondern wirklich entfernt.

Klar, es ist Chemie, und klar, es macht Dämpfe, also am besten gut ventiliert arbeiten.

Den Lappen muss man hinterher wahrscheinlich wegschmeißen, weil das harzige Fett sich z.B. in der Waschmaschine nicht, oder nur teilweise, löst - aber das macht ja nichts.

Die Arbeitsstücke werden restlos sauber, seidig-glatt und trocken. Und das Waschbenzin ist so flüchtig, dass es dem Klaviaturrahmen bestimmt nichts tut.

[EDIT: wenn die Tastenböden und -löcher auch so verklebt sind, würde ich sogar überlegen, diese Stellen z.B. mit Pfeifenreinigern und Waschbenzin zu arbeiten, aber das überlasse ich dir.]

Soweit meine EUR 0,02.

Mit Gruß aus Pretoria,
Mark
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Klemmende und geschmeidige Tastenführungsstifte

So, also.
Nun bin ich auch bei YouTube "drin".
Und hier seht ihr, wie angekündigt, mein erstes hochgeladenes Mini-Video.
Es zeigt ein paar Tastenführungsstifte des Grand-Klavieres, zunächst Vorderstifte, dann Waagebalkenstifte. Und davon jeweils einen, den ich bereits freigeputzt habe, und einen, der noch zähklebrig, aber praktisch unsichtbar, belegt ist.

http://www.youtube.com/watch?v=rH3llEQ63W4

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Kleb wird Geräusch
 
Hallo Martin,

Und womit hast du sie freigeputzt? (Als Chemiker bin ich an Problem"lösungen" stets interessiert...)

Ciao,
Mark
 

Am wichtigsten, Mark, war das Mühselige: Nämlich den Stiften eine gründliche Abreibung verpassen und immer wieder, teilweise für jeden Stift, die Putzstelle innerhalb des Lappens wechseln.
Um Rückstände des Bisherigen, was immer es gewesen sein mag, hinlänglich sicher zu entfernen, habe ich ein feines Metallpoliermittel zu Hilfe genommen und anschließend alles gründlich blankgeputzt. Mit dieser Verfahrensweise habe ich bislang noch keihne Negativ-Langzeiterfahrungen zu verzeichnen.
Anschließend habe ich die Stift noch mit einem trocken silikonisierten Lappen leicht nachgerieben.
Das Ergebnis läuft derzeit sehr gut, da die Garnierungen in den Tasten halbwegs ok sind. Sie klemmen also nicht, sondern sind eher etwas zu locker.

Ganz anders, sozusagen in grauenhafter Zuspitzung, hatte ich die gleiche Problemlage vorgestern - aber nicht bei einem Grand, sondern bei seinem buchstäblich endgültigen Gegenteil, nämlich einem Bechstein Concert-8, einem wirklich sagenhaft guten und bis ins Letzte optimierten Klavier. Der Eigner hatte mich vorgewarnt: Es würden Tasten klemmen. Und das sei vor zwei-drei Jahren schon mal so gewesen, da sei dann ein beauftragter Fachmensch gekommen und habe die Tasten gefettet...
Das war wirklich ein m. E. völlig unverhältnismäßiger Aufwand, den ich dann treiben musste. Da musste ich nicht nur alle 176 Stifte gründlich saubermachen, sondern auch noch alle Tastenführungen und -garnierungen nachkonditionieren und dabei möglichst den Dreck aus dem Kasimir wegreiben.
Die ganze Prozedur hat locker fünf(!) Arbeitsstunden verschlungen.

Das ist doch mal 'ne Message - auch für diejenigen, die immer noch Hirschtalg an den Tastenführungen favorisieren. Hat ja auch was Gutes, durch die Hintertür betrachtet: Die Sofortwirkung tritt zweifellos ein, da der Talg im frischen Zustand wirklich gute Gleitfähigkeit bewirkt. Und im Nachklapp, so nach ein paar Monaten bis wenigen Jahren, wirkt es dann als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für einen Servicer (vorzugsweise nicht denselben), der den Schlamassel wieder wegmachen darf...

Anbei ein Bild von dem Lappen, mit dem ich beim B-8 unter Zuhilfenahme eines dünnen Schraubendrehers die Tastengarnierungen inwendig ausgerieben habe.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus knack wird blank
 

Anhänge

  • tastenlochputzlappen.jpg
    tastenlochputzlappen.jpg
    56,4 KB · Aufrufe: 28
Also ich weiß ja nicht. Ich gestehe, dass ich früher auch immer Hirschtalg genommen habe, aber ich hatte noch nie Probleme damit. Weder bei Klavieren, die ich bearbeitet hatte noch bei Instrumenten, die Kollegen unter ihren Händen hatten. Mittlerweile nehme ich aber selber auch Protec MLP. Egal was ich nehme, ich reibe es zwischen Daumen und Zeigefinger und trage eine super hauchdünne Schicht auf, sozusagen eine Idee von Nichts ;)

Abgesehen davon ist jegliche Schmierung an den Stiften eh nur die prophylaktische Zugabe. Ich hab noch nie erlebt, dass klemmende Tasten nach Schmierung der Stifte wieder gangbar waren. Das zum Thema kurzfristige Wirkung. Und um Tasten zum Klemmen zu bringen, müsste man schon einiges auftragen was dann verharzt.

Martin, in den von dir geschilderten Fällen könnte ich mir eher vorstellen, dass die Tastenböden einfach zu eng waren. Ist evtl. das möglich?
 
Egal was ich nehme, ich reibe es zwischen Daumen und Zeigefinger und trage eine super hauchdünne Schicht auf, sozusagen eine Idee von Nichts

Genau so finde ich das gut, TS. Im Idealfall reicht sogar das Nichts allein - denn was gleitet schon besser als duftig-lockere Textilfasern auf einem superglatten harten Metall.

Martin, in den von dir geschilderten Fällen könnte ich mir eher vorstellen, dass die Tastenböden einfach zu eng waren. Ist evtl. das möglich?

Aber sicher! Bei dem Bechstein-8 war ja das ein wesentlicher Teil der Zeitintensivität, dass etliche Vorderstift- und Waagebalkenstift-Löcher nachkonditioniert werden mussten. Jetzt momentan sind sie eher etwas zu locker, aber dann bleibt wenigstens noch Luft, falls sie im Rahmen von "Holz-arbeitet" wieder zuwachsen.
Doch das sollte der Kollege, der daran vor meiner Zeit was gemacht hat, eigentlich auch gewusst haben. Und gerade, wenn die Führungen kneifen, wirkt das Fett gnadenlos kontraproduktiv. Denn erstens quetscht es sich zwangsläufig tief in die Fasern hinein, zweitens produzieren diese mehr Abrieb als nicht-kneifende Garnierungen, und drittens vermischt sich dann eben dieser Abrieb mit dem Talg zu der verhängnissvollen Klebmasse.

Danke für deine Stellungnahme!
Gruß -m-
 
Ein Ferrari kommt selten allein

Was ich schon vor einer Woche erzählen wollte, aber kam immer was dazwischen, z. B. ein Pfeiffer-122 und ein Bechstein Concert-8, und das ist ja gut dass es auch sowas noch gibt.

Vor acht Tagen hatte ich wieder eine Begegnung der besonderen Art, nämlich mit einem Klavier mit dem seltsamen Label "C. Aemon". Schon als mir das vorab am Telefon genannt wurde, hatte ich einen Verdacht - und siehe da, dies war die Wirklichkeit: Die betreffende Familie hatte sich ihr neues Klavier im Plus-Online-Shop gekauft.

Na, immerhin: Horrende Geldbeträge, wie weiland vor 20 Jahren, mussten sie dafür nicht berappen. Sie kriegten ihr 110-cm-Klavier, in unscheinbar ansprechendem konsolenlosem Äußerem, satiniertes mittelhelles Holzfurnier, Messingrollen, Rastenkonstruktion, bereits gestimmt, für lustige 1600 Euro ins Haus.

Die Grundverarbeitung ist tatsächlich brauchbar. Die Mechanik spielt klaglos, nichts sitzt krumm und schief. Das Tastenhebelmaß ist mit ca. 8,5 cm sogar gut für ein 110-cm-Rastenklavier. Und die Stimmung, die offenbar vor dem Kauf vor ca. 3 Jahren gelegt wurde, war noch vernehmlich zu erkennen.

Mit hintergründiger Beruhigung konnte ich aber dann doch feststellen, dass irgendwann der Spaß aufhörte. Das Klavier ließ sich stimmen, aber der Klang machte im großen Feld der Mittellage nach einigen Minuten des Töneanschlagens wirklich keinen rechten Spaß mehr. Und die Basssaitenaufhängung war fehlkonstruiert, und zwar genau so, dass Freund 90JahreKlavierbau mit den Augen rollen würde. Stark abgewinkelte, tendenziell raue oder ankorrodierte Silien und Umlenkstifte, zu weit hinten angeordneter Stimmstock, so dass die Saiten am ringansatz nach vorn knicken. Und eine der dünnen Basssaiten ist, trotz vorbereitenden Lockerns, am Silienstift gerissen.

Immerhin: Der grundsätzliche Bassklang war für ein Klavier dieser Größe und Preislage erstaunlich gut. Und das war für mich letztlich das Lehrreiche dran. Denn ich wunderte mich sehr darüber, dass dieses kleine Klavier mit weitaus voluminöserem Bass aufwartete, als das 116er Grand. Also war ich entschlossen, dem auf den Grund zu gehen - einen Tag später, bei den nächsten Grand-Arbeiten...

Fortsetzung folgt

-m-
 
...die englischsprachigen Freunde favorisieren übrigens für die Klaviaturstifte eine trockene Schmierung mit TFL-50 oder McLube, d.h. Teflonspray ohne Silikon o.ä. Nun sind die USA mit abgefahrenen Patentmittelchen im Werkstattbereich immer recht weit vorne ;-)
In Deutschland gibt es aber z.B. Kontaflon, das die entsprechende Zusammensetzung hat, und die trockene Schmierung hat sich in anderen feinmechanischen Bereichen gut bewährt.

Viele Grüße
Michael
 
Zwei Tage Mechanik

Zunächst nun zurück zur Mechanik des Grand-Klavieres.
Das wesentliche Prozedere ist nun schnell, ohne "Brimborium", erzählt.
Die Gängigmachung der Klaviatur hat sehr viel Zeit verschlungen, wie man sich nach den vorigen Postings leicht ausmalen kann.
Mindestens ebenso aufwändig war das korrekte Einnorden des Tastentiefgangs. Glücklicherweise war die Geradlage der Tasten einigermaßen o.k., von einigen schwarzen Tasten abgesehen (na klar, die bei den schwarzen fallen Ungleichmäßigkeiten nicht so ins Auge, daher sind sie ggf. auch "ab Werk" wahrscheinlicher). Aber insgesamt musste ich den Tiefgang mehr als einmal durchdeklinieren. denn es muss ja am Ende alles irgendwie zusammenpassen.

Die gemessenen Vorab-Werte des Hammerwegs (ca. 49 mm) und der Auslösung (ca. 30 mm) führten bei mir zu der Intuition, dass diese Mechanik wohl eigentlich eher auf wenig Hammerweg eingestellt werden muss.
Ich setzte diesen also auf 43 mm.
Darauf wurden dann die Piloten abgestimmt.
Den Tastentiefgang hatte ich bereits auf knapp 9,5 mm korigiert.
Nun also war die Auslösung dran - und siehe da, das ging nicht richtig. Selbst bei großzügiger Einstellung auf 3 mm lösten die Stoßzungen reihenweise nicht aus, trotz des kurzen Hammerwegs.
Da die Piloten ungestielt sind, lässt sich auch die Hebelwirkung zwischen den Tasten und den Hebegliedern nicht nivellieren - also blieb nur die Möglichkeit, den Tastentiefgang wieder so weit zu vergrößern, bis die Auslösung zuverlässig arbeitet.
Seitdem dies geschehen ist, läuft die Mechanik wieder gut, wenn auch etwas leichter als die Norm. Was soll's - Hauptsache man kann hinlänglich störungsfrei drauf spielen. Und mit gut 1 cm Tastentiefgang kann man noch leben.
Angenehm war in diesem Zusammenhang, dass die Fänger und die Dämpfer wenig Eingriffe benötigten.
Auch die Stabilität der gesamten Verschraubung war durchaus im Rahmen, wenngleich ich verwundert darüber war, dass sich die Verschraubungen von den metallenen Mechanik-Stützen zum ebenfalls metallenen Mechanik-Balken überhaupt nachziehen ließen.

Bedeutsam war noch dies: Die Dämpferfedern waren um einiges zu stramm. In der Ausgangslage trug dies maßgeblich zur Fast-Unspielbarkeit bei - angesichts viel zu großen Tastentiefgangs und viel zu früher Auslösung mittels ebenfalls sehr strammer Stoßzungenfedern. Mäßige Lockerung der Dämpferfedern schaffte hier ausreichend Abhilfe. Eine Feder brach dabei und wurde ersetzt. Das lässt sich verschmerzen.

Einige Arbeit an Geräuschentwicklungen bei der Pedalbetätigung war noch zu tun, nebst Stabilisierung der Pedalfunktion.

Ergebnis: Mechanisch ist das Grand-Klavier jetzt einsatzbereit. Insoweit ist die Kuh vom Eis.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Bass von krank nach frei

Mit der denkwürdigen Erfahrung des "zweiten Ferrari" namens "C. Aemon" im Hinterkopf, mit der Erinnerung an das überraschende Bassvolumen, machte ich mich an dem besagten Folgetag wieder an das Grand-Klavier.
Ich hatte nun das unabweisbare Vorgefühl: Da stimmt was nicht, mit dem Bass. So viel schlechter kann der gar nicht sein, wenn's mit rechten Dingen zugeht. Insofern hatte Aemon sein Gutes - womöglich hätte ich sonst was übersehen.

Doch jahrelange Erfahrung lehrt, viele Kollegen/innen werden das wissen. Ich ging nun gezielt, sozusagen schlafwandlerisch, auf des Pudels Kern zu. Und das war der Basssteg. Und da bestätigte sich meine Erwartung - es gab was zu sehen, was bei deutscher Klavierproduktion ganz gewiss nicht zum Alltag gehört und noch nie gehörte und in China wohl inzwischen auch nicht mehr.
Der Basssteg war so auf dem Resonanzboden platziert, dass er strappefest an der Rahmenstrebe links von ihm klemmte. Er war also unmöglich in der Lage, brauchbare Bassschwingungen an den Resonanzboden weiterzuleiten.

Die dann unvermeidliche Arbeit war schon etwas ungewöhnlich. Mit einer Stichsäge musste ich den Basssteg so von seinem Überstand befreien, dass dabei weder das Sägeblatt abbricht oder mir die Säge um die Ohren fliegt, aber auch so, dass noch genug "Fleisch" bleibt, um die linksäußeren Stegstifte zu halten.

Unten findet ihr zwei Bilder davon. Der eingeklemmte Basssteg ist auf dem ersten Bild als solcher nur zu erahnen, zu sehen ist aber das vom Anquetschen absplitternde Holz. Das zweite Bild zeigt das neu entstandene Spatium zwischen dem Basssteg und der Plattenspreize.

Und dann ist da noch ein drittes Bild. Es zeigt die Diskantspreize. Da war nämlich das gleiche in grün. Dort bin ich zum Glück ohne Säge zurechtgekommen; denn das wäre ziemlich schwierig geworden, eher was für Chirurgen. Aber hier reichte es, mittels dünner Schraubendreher ein minimales, aber zuverlässig ausreichendes Spatium zu schaffen.

Hier sind nun auch noch zwei Klang-Impressionen vom Bass im eingeklemmten und im befreiten Zustand. Grandios wurde der Grand-Bass dadurch zwar nicht, aber immerhin ist er nicht mehr explizit krank.

eingeklemmt
freigesägt
 

Anhänge

  • grandbassklemm.jpg
    grandbassklemm.jpg
    43,4 KB · Aufrufe: 30
  • grand-bassfrei.jpg
    grand-bassfrei.jpg
    44,1 KB · Aufrufe: 31
  • grand-diskantklemm.jpg
    grand-diskantklemm.jpg
    59,9 KB · Aufrufe: 28
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:


Zurück
Top Bottom