Bei Grand spielt man Ässe...

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Bei Grand spielt man Ässe, oder man hält die Fr....

Die Kartenspieler unter euch (zu denen ich selbst nicht zähle:)) werden diesen derben Reim gut kennen.

Mir fiel er jetzt wieder ein. Denn: Sehr zeitgemäß zu den beiden gerade hitzig geführten China-Dabatten hier im Forum kam mir ein China-Klavier zwecks Überarbeitung unter die Hände.
Marke: A. Grand.
Hat sicher nichts mit Skat zu tun. Aber hier muss man auch "Ässe" spielen, um was davon werden zu lassen.

Ich hab mich drauf eingelassen. Ich will's wissen. Und das, was ich da tue, ist schon fast historische Pionierarbeit. Denn das Klavier, um das es hier geht, ist nicht neu, sondern - im Sinne der eurochinesischen Handelszeitrechnung - geradezu biblisch-methusalemische ZWANZIG Jahre alt. Es trägt im Inneren einen Datumsstempel vom November 1990.
Ein China-Klavier von damals, und dann auch noch ein Grand... kriegt man das wieder hin? Und wenn ja, mit welchem Aufwand? Und letztlich vor allem, mit welchem Ergebnis?

Ich werde nach und nach berichten. Zwei Tage war ich schon dabei...

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Jetzt kommen gleich die ersten Bilder von dem Grand-Klavier.
Übrigens: Nicht nur ich, sondern natürlich auch die Eigentümer haben sich auf dieses Abenteuer eingelassen. Sie kamen durch eine herzliche Kunden-Empfehlung auf mich, nachdem sie bereits ohne mein Zutun an das Klavier kamen.
Für 300 Euro haben sie es bekommen. 300 Euro für ein 20 Jahre altes Klavier - das sind schon seltsame Maßstäbe. Aber, wenn's Erfolg verspricht, kann man sich dann schon auf nennenswerten Überarbeitungsaufwand einlassen.
Sie haben mir berichtet, dass die Vorbesitzer das Klavier 1991 neu kauften - für kaum glaubliche 5000 Mark, also nach heutigem Wert etwa 4000 Euro. Aber so war das damals - dass es Klaviere aus China a) überhaupt gibt, und dass sie b) spottbillig sind, war damals kaum bekannt. Man kaufte also mit Chance ein vermeintlich "deutsches" A. Grand - und schwupps glänzte gülden die Nase des Händlers...

Die Bilder zeigen das offene Klavier, das untere Innenleben (offensichtlich von der Geradsteg-Philosophie inspiriert) und das stolze deutsche Design-Label.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 

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L.S. Design... könnte das etwas mit Lothar Schell zu tun haben? (Lustig auch der versetzte Violinschlüssel...)
 
Na, da schau her... Irgendwie klingelte es... zumal ich den Namen bei meinen hiesigen Recherchen schon gehört hatte, aber auch im Zusammenhang mit chinesischer Klavierproduktion.

Wobei ich dazusagen muss, Martin: auf der von dir verlinkten Seite ist "grand piano" erstmal nur im Sinne von "Flügel" zu lesen, nicht im Sinne der Marke "Grand" - vor allem, wenn man von der Marke nichts weiß. Hast du irgendwelche anderen Indizien, dass das L.S. Design-Label sich wirklich auf ihn bezieht?

Über Lothar Schell werde ich mir in diesem Faden aber erstmal keine weiteren Kommentare erlauben, zumal ich (a) kein Klavierbauer bin, und (b) mir und allen anderen die Gelegenheit gönnen will, möglichst unvoreingenommen das aufzunehmen, was Martin uns hier bieten wird.

Ciao,
Mark
 
Hi Mark,
auf dem Grand Piano das kein grand piano ist hat das L S Design Label dasselbe L S Design wie das L S Design Label auf der L S Design Seite :D

... und aus Lach wird Sang
 
Erster Check

Also, vor einigen Wochen wurde ich von den neuen Eigentümern des Grand-Klavieres, auf besagte Kundenempfehlung hin, angerufen, und habe erstmal den Umtransport organisiert. Und erfahren, dass das Klavier A. Grand heißt. Aaaah, dachte ich freudig, eines dieser charmanten deutschen Kleinklaviere aus den 60er/70er Jahren, die bei aller Unscheinbarkeit ordentlich verarbeitet und nicht ganz so langweilig waren wie viele andere.
Doch dann, ein paar Wochen später, sah ich beim ersten Check verblüfft ein viel größeres und neueres Klavier. Moment, dachte ich - Polen, Tschechien, Korea, China? Die Tastenklappe offenbarte den von früher her wohlbekannten A.Grand-Schriftzug, aber nicht wie seinerzeit aus Metallblatt-Buchstaben, sondern aus billiger Folie. Das grenzte schon die Herkunftssuche ein, m. E. kamen nur noch frühes Chinaprodukt oder Weißrussland infrage.
Der Blick ins Innenleben eröffnete die Wahrheit mit positiv überraschender Ehrlichkeit: "A. Grand since 1869 - made in Beijing China". Und der erste optische Eindruck von den Innereien und deren Anordnung war gar nicht schlecht.

Ein recht kurzer Test offenbarte dann das auf mich zu rauschende Prioritäten-Spektrum. Man konnte Töne vernehmen, durchaus mit erkennbar angelegtem aber nicht freiwerdendem Volumen, mit ziemlich klimpriger Tonalität in allen Lagen, sowie mit einem für die ordentliche Höhe von ca. 115 cm bemerkenswert dürren Tiefbass.
Doch dies alles war eigentlich eher normal, hinsichtlich des Erwarteten. Weniger normal war das Betätigen der Tasten. Es klemmte, hakte, versank im Klaviaturboden, zog sich wie Gummi, ging zugleich zu leicht und zu schwer und war nirgends wirklich berechenbar. Ich hatte einen Gegenstand vor mir, der jeden auf der suche nach Spielgefühl befindlichen Menschen rettungslos in der Luft hängen ließ.

Also war sonnenklar: erstmal muss was mit der Mechanik. Wenn da nichts von wird, kann man den Rest knicken, weil wird dann unbezahlbar.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Grand wird ?
 
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Beginn der Bestandsaufnahme

Vor wenigen Tagen ging's dann los.

Tastenhebellänge gemessen: Maßzahl ca. 7,1 cm (gemessen an einer schwarzen Taste von Vorderkante Waagebalkenstift bis Hinterkante Obertastenbelag - dieses Maß gewährt optimale Vergleichbarkeit mit den meisten anderen Pianos). Ein ziemlich kurzes Maß für ein Klavier erwachsener Größe. Macht vernünftige Regulierung um so wichtiger.

Tastentiefgang gemessen. Ach du Schreck - 12-13 mm.
Hammerweg: 49-50 mm - mehr als reichlich.
Auslösung: uneinheitlich, aber typischerweise bei 2-3 cm (!) vor den Saiten...

-- Fortsetzung folgt --
 

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Tastentiefgang gemessen. Ach du Schreck - 12-13 mm.
Hammerweg: 49-50 mm - mehr als reichlich.
Auslösung: uneinheitlich, aber typischerweise bei 2-3 cm (!) vor den Saiten...
Was soll denn das jetzt werden? Willst du jetzt erklären, daß 3 cm Auslösung ein 'bißchen' viel sind und außer dir das niemand weiß? Daß man eine solch vermurkste Regulierung als Klaviertechniker in Ordnung bringt, ist weder erwähnenswert noch muß man das irgendwie spannend machen und in Fortsetzungsromanen erzählen, wenn man es denn überhaupt erzählen muß. Wie wär's mit ein bißchen weniger Brimborium?
 
Was soll denn das jetzt werden? Willst du jetzt erklären, daß 3 cm Auslösung ein 'bißchen' viel sind und außer dir das niemand weiß? Daß man eine solch vermurkste Regulierung als Klaviertechniker in Ordnung bringt, ist weder erwähnenswert noch muß man das irgendwie spannend machen und in Fortsetzungsromanen erzählen, wenn man es denn überhaupt erzählen muß. Wie wär's mit ein bißchen weniger Brimborium?

@Kernbeisser
Ok, wir haben verstanden, es interessiert Dich nicht. Dann lies es doch einfach nicht und mach was anderes, etwas was Dir besser gefällt, oder schreib selbst was interessantes.

Vielleicht interessiert Martins Bericht doch den ein oder anderen (über 300 Hits kommen doch nicht von alleine).

Thilo
 
Was soll denn das jetzt werden? Willst du jetzt erklären, daß 3 cm Auslösung ein 'bißchen' viel sind und außer dir das niemand weiß? Daß man eine solch vermurkste Regulierung als Klaviertechniker in Ordnung bringt, ist weder erwähnenswert noch muß man das irgendwie spannend machen und in Fortsetzungsromanen erzählen, wenn man es denn überhaupt erzählen muß. Wie wär's mit ein bißchen weniger Brimborium?

Danke für den Hinweis, Kernbeisser,
also werde ich mich etwas mäßigen.
Doch dies sei gesagt:
a) Wir befinden uns hier in einem Forum, das von vielen Fachmenschen mitgestaltet wird, aber überwiegend von klavierbegeisterten Laien und Pianisten / Klavierpädagogen.
b) Es gibt sicher einige, die sich dafür interessieren, was im Detail von Bedeutung ist. Dass Fachkollegen wie du das wissen, dürfte klar sein. Aber dennoch: Man sollte drüber sprechen - denn dieses Klavier ist in Deutschland verkauft/gekauft worden und hat innerhalb der letzten 20 Jahre sicher irgendwann mal fachkundige Hände gesehen.
c) Ein solches Klavier der Marke "A. Grand" gehört nach dem derzeitigen Stand der forumsinternen China-Diskussionen zu denen mit dem allerschlechtesten Ruf. Und mir kommt es deshalb schon darauf an, anhand dieses konkreten Falles das Gute und das weniger Gute fair (und deshalb detailliert) zu beleuchten und am Ende zu sachlich angemessenen Konsequenzen zu kommen.

Also, ich werde die Beschreibung fortsetzen. Es könnte allerdings, zeitlich bedingt, ein paar Tage Pause geben.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Mich würde mal interessieren was die Gurke in fertigem Zustand ( Kaufpreis, Transport, Reparatur ) kostet - manchmal wäre es besser zweifelhafte Klaviere zu entsorgen.
 
@PianoCandle
Ich und wahrscheinlich einige andere finden die bebilderte Dokumentation einer Klavieraufbereitung interessant.
Laß Dich bitte von einem Wadenbeisser nicht davon abhalten, Deine Vorgangsweise zu beschreiben.

Grüße
Thomas

OffTopic
@Kernbeisser: Was soll uns Dein Beitrag sagen?
Wäre Dir diese Form lieber:
Ausgangsbasis: gebrauchtes, in China produziertes Klavier;
Reparatur: regulieren, stimmen, sonstige Arbeiten;
Ergebnis: ....
Wenn es Dich nicht interessiert, kannst Du ja darauf verzichten, es zu lesen.
 
Nur ´ne Kleinigkeit nebenher bemerkt. Als Skatspieler sozusagen: der Plural von As ist Asse.
 
Hi Mark,
auf dem Grand Piano das kein grand piano ist hat das L S Design Label dasselbe L S Design wie das L S Design Label auf der L S Design Seite :D

... und aus Lach wird Sang

*lach*

Ah, nun hat Klimperer es endlich verstanden. (Das war mir nämlich gar nicht aufgefallen.)

Vielen Dank, das ist für mich auch interessant, wiegesagt besonders im Hinblick auf die ?Qualität? der hiesigen Produktion, bei der L.S. in den ca. 1960ern bis 80ern mitgearbeitet hat - aus der ja auch mein I(gitti)bach kommt.

Was mich betrifft, Martin, berichte bitte weiter, und lass dir nicht an den Kern beißen. :rolleyes:

[EDIT: wenn Kernbeisser sein Contra verliert, gibt's drei Bock, drei Ramsch, drei Bier. :) ]
 
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