Bach - Bourrée II aus French Overture BWV 831

Ganz meine Meinung! Ich spiele sie auch annähernd als Achtel, mal als etwas zu kurzes Achtel, mal als etwas zu langes Achtel aber eigentlich nie genau als Achtel.
Andras Schiff spielt das aus so, habe ich gerade gehört. Es spielt es als kurzes 1/8 bevor im Bass die Noten einsetzen. So klingt es auch besser zugegeben.
 
Die entscheidende Frage ist, ob die Vorschläge nach alter oder neuer Art geschrieben sind, s. §5. Wenn sie alt sind: allzeit kurz abfertigen.

Das ist aber nicht ganz das, was Carl Philipp Emanuel Bach schreibt. Er bezieht sich auf Vorschläge, deren Dauer von einer ganzen Note (!) bis zum Zweiunddreißigstel geht, und sagt dazu, in früherer Zeit wären Vorschläge "von so verschiedener Geltung" noch nicht gebräuchlich gewesen.

Ich fürchte, mit Carl Philipp Emanuel allein ist die Frage nicht zu klären...


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Hmm, da lese ich ihn anders: Für mich klingt es so, dass die alte Art immer als Achtel notiert war und kurz war. Den Satz mit "so" lese ich so, als könnte man auch sagen "mit dieser verschiedenen Geltung". Mir ist schon klar, Du interpretierst ihn so, dass alte Vorschläge auch unterschiedlich in der Länge waren, aber eben weniger stark unterschiedlich. Der Text lässt tatsächlich beides zu. Das können wir tatsächlich so nicht sagen.
Ich sehe hier trotzdem keinen wirklichen Grund, ihn lang zu spielen. Auch wenn man JSB eine moderne Notation unterstellt, was relativ wahrscheinlich ist (die erste Auflage vom "Versuch" müsste 1753 gewesen sein, da war Papa erst 3 Jahre tot), trifft kaum ein Argument für eine lange Ausführung.
Mit einem Accent zu argumentieren, finde ich schwierig. CPE spricht hier über "kleine Nötgen", wie sie auch im Stück vorkommen. Um das Zeichen für den Accent geht es in dem Falle für mich nicht.
 
Ja freilich. Für die @spinette die Nette , gleich eingespielt.:blume:

Also, jetzt habe ich das auch mal angehört. Es klingt etwas uncembalistisch. Ich glaube, man muss mehr tun, als das Digi auf Cembalo zu stellen.
Wenn Du an einigen Stellen etwas verbessern möchtest, ein paar Anregungen:
  • Für mich könnten die Phrasen klarer getrennt sein, das kann agogisch herstellen un dper Artikulation
  • Man muss überlegen, ob man in jedem Fall alles gleichzeitig anschlägt, was übereinander steht
  • Ich würde über die Artikulation nachdenken. Ordentliches Fortgehen in den Schritten und bri Dreiklangbrechungen kann man ja schauen, was man klanglich mit Überlegato rausholt.
Interessanterweise spielen viele Cembalisten auch eher lange Vorschläge:
View: https://www.youtube.com/watch?v=S5-ohCDOEVk
 
Also, jetzt habe ich das auch mal angehört. Es klingt etwas uncembalistisch. Ich glaube, man muss mehr tun, als das Digi auf Cembalo zu stellen.
Wenn Du an einigen Stellen etwas verbessern möchtest, ein paar Anregungen:
  • Für mich könnten die Phrasen klarer getrennt sein, das kann agogisch herstellen un dper Artikulation
  • Man muss überlegen, ob man in jedem Fall alles gleichzeitig anschlägt, was übereinander steht
  • Ich würde über die Artikulation nachdenken. Ordentliches Fortgehen in den Schritten und bri Dreiklangbrechungen kann man ja schauen, was man klanglich mit Überlegato rausholt.
Vielen Dank für deine Anregungen.
Die Cembalo Version habe ich eigentlich nur aus Spaß und Wunsch von @spinette aufgenommen und eingestellt . Leider hat sie sich bis heute nicht dazu geäußert. Hoffe sie lebt nocht. Würde das jetzt auf alle Fälle deutlich schneller spielen. Leider kann ich den Post nicht mehr ändern.
Ich denke ich kann deine Vorschläge auch auf die normale (nicht cembalo) Version übertragen.
Versuche gerade diese zu verbessern , die 3.Version hat bisher nicht so Anklang gefunden ...
 
Hmm, da lese ich ihn anders: Für mich klingt es so, dass die alte Art immer als Achtel notiert war und kurz war.
Wo liest Du "und kurz war"?

Erst sagt er, es gäbe kurze und (verschieden) lange Vorschläge.

Im nächsten Satz sagt er, bis vor gar nicht langer Zeit habe man "alle Vorschläge" (also offensichtlich die kurzen und die längeren) durch Achtel bezeichnet, und davon sei man jetzt abgekommen, indem man Bezeichnungen "nach ihrer wahren Geltung" eingeführt habe.

Dann verweist er auf die Notenbeispiele, wo tatsächlich Vorschläge von Ganzen bis Zweiunddreißigsteln dargestellt sind, und bemerkt in diesem Zusammenhang, daß früher Vorschläge von "so" verschiedener Geltung noch nicht gebräuchlich waren.

Mit einem Accent zu argumentieren, finde ich schwierig.
Mit dem "Accent, welcher bey einigen der Vorschlag, und in Franckreich le port de voix heisset" (Mattheson)?

Ich sehe hier trotzdem keinen wirklichen Grund, ihn lang zu spielen.
Ich bin, wie bereits gesagt, auch nicht für die Viertel.
Nur halte ich C. P. E. Bach nicht für einen geeigneten Kronzeugen.
 
Also, ich probiere nochmal in anderen Worten: Für mich beschreibt CPE zwei Kategorien von Vorschlägen:
  • alte Art, als Achtel notiert, allezeit kurz, s. §4
  • neue Art, in verschiedenen Notenwerten notiert, von unterschiedlicher Länge
Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass die "alte Art" auch unterschiedliche Länge gehabt haben könnte, trotz stereotyper Notation als Achtel.

Was das "so" angeht: Für mein Sprachgefühl wäre der Satz auch lesbar als "von dieser unterschiedlichen Geltung". Du liest es so, dass auch die alten Vorschläge unterschiedlich lang waren, aber die Unterschiede nicht "so" groß. Das ist bei mir - aus dem Bauch heraus - eine eher moderne Lesart.

In beiden Fällen würde ich allerdings einräumen, dass CPE leider relativ viel Interpretationsspielraum bietet. Ganz eindeutig ist er in diesem Punkt nicht. Man kann ihn vielleicht wirklich nicht als "Kronzeugen" nehmen.

Eine andere Möglichkeit wäre Quantz, der hier deutlich anders vorgeht und zwischen anschlagenden Vorschlägen und durchgehenden unterscheidet. Die durchgehenden entsprechen der coulée de tierce in französischer Musik und werden von ihm vor der Zeit platziert. Das könnte in der Bourrée beim ersten Vorschlag noch treffen, beim zweiten allerdings nicht mehr.
Quantz spricht sich tatsächlich beim anschlagenden Vorschlag auf einer langen Note dafür aus, diese die Hälfte der Hauptnote zu halten. Damit hätten wir hier einen Befürworter der langen Version, s. §7:



5. §.
Es giebt zweyerley Arten der Vorschläge. Einige werden als anschlagende Noten, oder im Niederschlage; andere als durchgehende Noten, oder im Aufheben des Tactes angestoßen. Man könnte die ersten: anschlagende, die andern aber: durchgehende Vorschläge benennen.



6. §.
Die durchgehenden Vorschläge finden sich, wenn einige Noten von einerley Geltung durch Terzensprünge unter sich gehen, s. Tab. VI.[WS 1] Fig. 5. Sie werden im Spielen ausgedrücket wie bey Fig. 6. zu sehen ist. Die Puncte werden lange gehalten, und die Noten wo der Bogen anfängt, nämlich: die zweyte, vierte und sechste, werden angestoßen. Man muß diese Art nicht mit denen Noten verwechseln, wo hinter der zweyten ein Punct steht, und welche fast eben dieselbe Melodie ausdrücken, s. Fig. 7. In dieser Figur kommen die zweyte, vierte, und die folgenden kurzen Noten, als Dissonanzen gegen den Baß, in den Niederschlag; sie werden im Spielen auch frech und lebhaft vorgetragen: da hingegen die Vorschläge, wovon hier die Rede ist, einen schmeichelnden Ausdruck verlangen. Wollte man nun die kleinen Noten bey Fig. 5. lang machen, und in der Zeit der folgenden Hauptnote anstoßen: so würde dadurch der Gesang ganz verändert werden, und so klingen, wie bey Fig. 8. zu ersehen ist. Dieses würde aber der französischen Spielart, aus welcher diese Vorschläge herstammen, und folglich dem Sinne ihrer Erfinder, welcher in diesem Stücke einen fast allgemeinen Beyfall erhalten hat, zuwider seyn. Oefters finden sich auch zweene Vorschläge vor einer Note, da der erste durch [79] eine kleine, der andere aber durch eine mit zum Tacte gerechnete Note ausgedrücket wird; dergleichen bey den Einschnitten vorkommen, s. Fig. 9. Die kleine Note wird also ebenfalls kurz angestoßen, und in die Zeit der vorigen Note im Aufheben gerechnet. Man spielet die Noten bey Fig. 9. so, wie bey Fig. 10. zu ersehen ist.



7. §.
Anschlagende, oder in den Niederschlag treffende Vorschläge, findet man vor einer langen Note im Niederschlage, die auf eine kurze im Aufheben folget, s. Tab. VI. Fig. 11. Hier wird der Vorschlag halb so lange gehalten, als die darauf folgende Hauptnote, und wird gespielet, wie bey Fig. 12. zu ersehen ist.
 
Um die Verwirrung komplett zu machen, hier Marpurg, der sagt, kurze Vorschläge seien durch Sechzehntel angegeben, lange durch Achtel und Viertel. Offenbar hat sich die "neue" Schreibweise hier durchgesetzt.

https://books.google.de/books?id=2T...de&source=gbs_toc_r&cad=3#v=onepage&q&f=false

auf S. 22

Ebenfalls hier: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10527416_00067.html

auf S. 67 des Scans (=S. 47 des Originals)

Wenn man das berücksichtigt, hat Bach eben hier ein Achtel notiert, was für die kürzere Variante sprechen würde, anderenfalls hätte er die Vorschlagsnote als Viertel notieren müssen.

Ich befürchte, es gibt in dieser Frage leider keine eindeutige Antwort in den Quellen.
 
Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass die "alte Art" auch unterschiedliche Länge gehabt haben könnte, trotz stereotyper Notation als Achtel.

Dazu bedarf es keines Hinweises, davon geht er ja offensichtlich aus.

Wenn nicht, müßten wir ihm die (irrige) Meinung unterstellen, es hätte bis kurz vor 1753 überhaupt keine Vorschläge unterschiedlicher Länge gegeben.


Um die Verwirrung komplett zu machen, hier Marpurg, der sagt, kurze Vorschläge seien durch Sechzehntel angegeben, lange durch Achtel und Viertel.

Die Sechzehntel-Schreibweise benutzte jedenfalls schon der alte Bach:

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https://www.bach-digital.de/rsc/viewer/BachDigitalSource_derivate_00000075/db_bachp0271_page079.jpg
 
Ich denke auch, dass man aus der Achtelnote nicht auf die Länge des Vorhaltes schließen kann. Auch, wenn ich selbst einen eher kurzen Vorhalt spiele, halte ich einen längeren für durchaus möglich. Sogar die Länge eine halben Note ist nicht undenkbar - allerdings finde ich, dass das zum lebhaften Charakter einer Bourrée nicht so recht passt. Ich habe auch schon mal (in der Wiederholung) den Vorhalt als (ungefähr) punktierte Viertel gespielt - das klingt sehr interessant, fast ein wenig beschwipst. Allerdings nutzt sich der Effekt schnell ab; ich würde das keinesfalls zu oft machen.

Aber nach wie vor finde ich, dass eine exakte Viertel wegen des Einklangs mit dem Bass die schlechteste aller Lösungen ist.
 

@Axel @mick und @Pedall :
Mein KL meint, gemäß diversen Musiktheoretikern spielt man den Vorhalt in der Hälfte der Zeit der nachfolgenden Note. Da die nachfolgende Note ein halbe Note ist, spielt man den Vorhalt 1/4.

Wer noch mehr Bach Interesse hat, hier ein Buchhinweis von meinem KL:
Studien zu Kompositionsart und Kompositionsbegriff in Bachs Klavierübungen
Andreas Jacob - 1997
https://books.google.at/books?id=-TDDGClGHZEC&pg=PA90&lpg=PA90&dq=Wie+schnell+bourree+Bach&source=bl&ots=daIH5tJJhd&sig=ACfU3U1yYySMhjYAARLFFDipwzXiJr0W1A&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwio06qlj-_pAhUQmYsKHZlfCaEQ6AEwBnoECAkQAQ#v=onepage&q=Wie schnell bourree Bach&f=false
 
Da würde mich schon interessieren, wer die "diversen Musiktheoretiker" denn so sind. So furchtbar viele belastbare Quellen aus der Zeit gibt es ja nicht. Es würde mich wundern, wenn er eine hätte, die ich nicht kenne...
 
Genau das finde ich eben ganz und gar nicht offensichtlich.

Wir wissen, daß es vor 1740 Vorhalte unterschiedlicher Länge (jedenfalls in der Bandbreite zwischen "kürzer als Sechzehntel" und "Viertel") gegeben hat. Ich halte es für selbstverständlich, daß Carl Philipp Emanuel Bach das gewußt hat.

Du unterstellst ihm aber, er habe das nicht gewußt? Sehe ich das richtig?
 
Wir wissen, daß es vor 1740 Vorhalte unterschiedlicher Länge (jedenfalls in der Bandbreite zwischen "kürzer als Sechzehntel" und "Viertel") gegeben hat. Ich halte es für selbstverständlich, daß Carl Philipp Emanuel Bach das gewußt hat.

Du unterstellst ihm aber, er habe das nicht gewußt? Sehe ich das richtig?

Zu der Situation vor 1740 finde ich kaum eine Quelle. Im Augenblick finde ich zu einer möglichen langen Ausführung Corette von 1750, der ausdrücklich auf italienische langsame Sätze verweist. Das würde mich aber wieder dazu bringen, eine grundsätzlich eher kurze Ausführung zu vermuten, wenn denn eine solche Ausnahme der Erwähnung wert ist. Nichts anderes lese ich bei CPE. Vielleicht hast Du eine bessere Quelle zur Hand, das würde mich sehr interessieren.

Was die Tastenmusik vor Bach angeht, sind als kleine Noten notierte Vorschläge eher rar. Da gibt die Literatur nur mäßig viel her.

Und nein, ich unterstelle ihm nichts. Ich stelle nur fest, dass sein Text in dieser Hinsicht nicht eindeutig ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde es leer nennen, aber wir meinen vermutlich das Gleiche.

Es ist natürlich eine Frage, wie man das transportiert. Wenn man links eher unauffällig, aber mit klanglich reichem Überlegato spielt (eben einfach h-moll), geht es sicher. Wenn man vorgeht wie bei einer Invention und jede Note deutlich und motivisch "wichtig" spielt, hört man den Einklang natürlich umso mehr.
 
Mattheson schreibt allerdings kurz vorher zum Accent, dass er "sehr hurtig berühret" wird.
Im nächsten Abschnitt verweist er dann auf die einfachen und die doppelten Accente, ohne ganau zu sagen, wie man die beiden unterscheiden kann. Für mich klingt auch das danach, dass die kurzen Vorschläge der Regelfall sind und dann eben Ausnahmen möglich sind. Ganz ähnlich äußert sich im meiner Leseart CPE.
Das Notenbeispiel bringt dann ja auch nicht den üblichen Vorschlag, der notiert ist, sondern eine Auszierungsmöglichkeit für Quint- und Quartsprünge, er schreibt Stuffen-Accenten. Was die Ausführung angeht, ist es ausdrücklich "ungefehr". Ich frage mich dabei eben, ob hier ohne weiteres eine Anleitung für einen geschriebenen Vorschlag in Tastenmusik abzuleiten ist, oder es ihm hier um die grundsätzliche Möglichkeit geht, improvisierte sängerische Mittel zu erläutern.

D'Angelbert schreibt ja das, was JSB später als Anhaltspunkt nimmt, schreibt aber eben auch nicht zwei unterschiedlich lange Möglichkeiten nebeneinander.
 

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