Auftrittsangst - Lampenfieber (nochmal)

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Brixis

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23. Mai 2021
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Das Thema wurde schon mal behandelt, aber es ist so lange her, dass ich es gerne mal auffrischen würde.
Ich spiele aushilfsweise hin und wieder Gottesdienste und leide aber an so starker Auftrittsangst, dass so mit der Zeit die Angst die Freue überwiegt. Grundsätzlich habe ich am Orgelspiel aber große Freude und möchte eigentlich auch Gottesdienste begleiten, also nicht einfach damit aufhören.
Leider habe ich schon negative Erfahrungen gemacht, auch durchaus hörbar für die Gemeinde (rausgefallen), und so schaukelt sich die Angst immer mehr hoch. Und mir fehlt die Routine, Fehler einfach zu überspielen - könnte auch daran liegen, dass ich erst als Erwachsene ohne Vorerfahrungen mit dem Orgelspielen angefangen habe und mir die Sicherheit am Instrument deshalb fehlt. Die Pannen passieren allerdings meist in der "Auftrittssituation", also unter Stress, und nicht beim Üben.
Ich würde das Problem gerne mit professioneller Hilfe angehen und es würde mich interessieren, ob jemand von Euch damit schon Erfahrungen gemacht hat. Wie gehen Psychologen oder Psychotherapeuten das Thema an, und, falls Ihr Erfahrung habt, hat es geholfen?
Medikamente helfen übrigens nicht, habe die Beruhigungsmittel samt Betablocker probiert.
 
Naja, wenn es spezifisch ums Lampenfieber im Gottesdienst geht, tut ein extra Thread im Orgelforum nicht weh, aber natürlich lassen sich hilfreiche Tipps zum Ausprobieren auch in den vielen anderen Threads zum Thema finden.

Was sagt denn dein/e Orgellehrer/in zu deinem Problem, @Brixis ? Habt ihr schon Strategien dazu erarbeitet?

Hast du z.B. jemanden, der dich mal beim Üben begleitet und dein Publikum sein könnte? Oder was passiert, wenn du beim Üben eine Kamera oder ein Aufnahmegerät mitlaufen lässt?
 
Also, da kann man Verschiedenes zu sagen:
  • Es gibt Auftrittstraining für Musiker, Andreas Burzik aus Bremen wäre da ein Name
  • Man sollte nicht die eigene Bedeutung überschätzen. Ob in irgendeiner Dorfkirche ein falscher Ton gespielt wird, ist von ähnlicher Bedeutung als wenn in China ein Sack Reis umfällt.
  • Man muss sich auch schon erheblich anstrengen, damit die Leute das merken.
  • Du hast möglicherweise - typisch für Erwachsene - ein falsches Bild von Fehlern. Als Erwachsener "macht man halt keine Fehler". Ist natürlich Quatsch, aber für jeden Schüler ist es sonnenklar, dass auf dem Weg etwas schief geht, sei es in der Schule oder am Instrument. Das nimmt man halt hin.
  • Fehlende Sicherheit hat oft mit fehlendem Üben zu tun. Stellen, die unter Stress nicht mehr gehen, haben eigentlich auch ohne Stress nie wirklich funktioniert. Eine Möglichkeit um Lücken aufzudecken: mentales Üben. Je nachdem, wo du wohnst: Petra Kessler aus Duisburg bietet Kurse und Privatunterricht an.
  • Die Situation im GD ist immer mit mehr Störfaktoren belastet als das Üben in leerer Kirche. Also, mehr Stress: Zieh deine Sonntagsklamotten an, wenn sie unbequemer sind als die üblichen, üb mit Handschuhen, stell dir einen Fernseher daneben.
 
Auch wenn es jetzt blöd klingt (so Klang es für mich damals auch), aber irgendwann ist man vor Gottesdiensten nicht mehr so aufgeregt. Vorausgesetzt, dass man eine gesunde Fehlertoleranz hat und ausreichend übt (wie meine Vorredner schon sagten). Das man beim Choralspiel kurz "rausfliegt", ist vielen hier bestimmt schonmal passiert. Das ist nicht schön, aber ich habe für mich gelernt, dass es nichts bringt, sich da hinterher drüber aufzuregen. Das nächste Mal übt man besser und gut. Heute bin ich nur noch wirklich aufgeregt, wenn ich das Stück nicht richtig kann oder mit anderen zusammen spiele, da Fehler da nicht nur mich betreffen (und nicht nur mir auffallen).
 
Vielleicht kannst du jetzt auch die Pandemie nutzen um Routine im Choralspiel aufzubauen, da ja momentan keiner mitsingt. Oder ist das für dich schlimmer, weil man dir mehr zuhört?
 
Hallo zusammen,

vielen Dank für die vielen Tipps.

Ich glaube ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Ich habe alles (außer dem Fernseher in der Kirche :-)) bereits ausprobiert, es hatte aber nur mäßigen Erfolg und der Druck wird durch schlechte Erfahrungen eben immer größer - also eine Art Teufelskreis.
Mir ist das Rationale (also, z.B. dass Fehler nicht wirklich wichtig sind) vom Kopf her auch völlig klar, aber mein "Bauch" sagt eben was anderes. Und ich habe das Problem in aller Ausführlichkeit mit meinem Orgellehrer besprochen.

Meine Frage zielte daher auf etwas anderes: Nachdem ich merke, dass ich das Problem alleine nicht in den Griff bekomme und die "Wurzel" wohl im Unterbewusstsein liegt, wollte ich einfach mal wissen, ob jemand von Euch bereits Erfahrungen mit professioneller Hilfe (also quasi mit einer psychologischen Therapie) gemacht hat. Und falls, ja, mit welchen Mitteln da gearbeitet wurde und, natürlich, ob das für Euch erfolgreich war.

Übrigens finde ich in diesem Zusammenhang die erste Frage von Schmickus "Warum tust Du dir das an? sehr interessant. Da habe ich natürlich auch schon sehr viel darüber nachgedacht, ob es mir das wert ist. Aber ich stelle es mir einfach immer wieder so schön vor, in einem Gottesdienst mit quasi Leichtigkeit zu spielen und die Musik mit der Gemeinde zu teilen, dass ich dieses Ziel nicht einfach aufgeben möchte. Ich weiß auch, dass ich - wenn ich nun aufgebe - danach keine Erleichterung verspüren würde, sondern mich eher schlecht fühlen würde.

@Axel: Ich wohne in München.
 
Ob und in welcher Form eine therapeutische Begleitung nötig ist, wird hier niemand beurteilen können. Ich kann dir keine/n passende/n Ansprechpartner/in nennen, da ich von einem Problem in dieser Größenordnung nicht betroffen bin. Aber je nach Situation habe ich selbst nach vielen Jahren Praxis auch Lampenfieber. Beeinflusst mich aber nicht negativ.

Wie oft spielst du denn im Gottesdienst? Einmal im Monat? Einmal im Quartal? Je seltener man das macht, desto größer kann die Nervosität werden und desto schwerer können einem die Holperer und Stolperer im Magen liegen. Und je größer dann die Abstände zwischen den Versuchen sind, desto übermächtiger können sich diese Holperer anfühlen.
 
Ok, München ist eine Ecke von den genannten Coaches entfernt. Die geben aber auch Kurse quer durch Deutschland, z.B. über Tonkünstlerverbände oder an Musikhochschulen. Muss man im Auge behalten und dann evtl. einen Gasthörerschein beantragen. An der MuHo Köln war das kein Problem, kostet 100€ pro Semester.

Burzik und Kessler kenne ich persönlich, beide gut in Sachen Auftrittstraining.

Ich bin inzwischen nur im begrenzten Maß auf dem Psychotrip und glaube mit zunehmender Erfahrung, dass es tatsächlich eine Frage der Vorbereitung ist. Ich habe mir das auch mal eingeredet, dass Lampenfieber quasi behandlungsbedürftig ist. Ich sage es mal brutal: Das ist eine recht einfache Lösung, weil man das Problem quasi an den Seelenklempner auslagert. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich das begriffen habe. Die Sachen, die schief gingen, hatte ich nicht richtig drauf. Oft relativ leichte Stellen, die ich nie ernsthaft geübt hatte. Das ist natürlich bitter, sich einzugestehen, dass man schlampig oder ineffizient geübt hat und diese Überoutinen wieder aus dem Ablauf heraus hat.

Dazu gehört auch, dass man eine entspannte Grundhaltung mit einübt. Man kann einen viel zu hohen Muskeltonus quasi mit dem Stück einüben. Das passiert mir, wenn ich ein schweres Stück zu schnell lerne. Ich habe lernen müssen: Reger-Fantasie in 4 Wochen schaffe ich nicht, das wird nix. Übrigens habe ich das sehr schmerzhaft durch ein Überlastungssydrom in den Armen gelernt. Also: Entspannte Haltung auf allen Ebenen mitüben. Dein Körper erinnert sich mit dem ersten Ton an das Gefühl, das Du beim Üben gehabt hast.

Einer meiner Professoren, dem ich ganz viel verdanke, hat mal gesagt: Du musst an Jesus denken, wenn Du spielst. Und das war ihm sehr ernst. Wenn man das, was man da tut als Dienst begreift, dann treten persönliche Eitelkeiten ("Ich bin hier wichtig."/"Heute zeige ich es allen." usw.) in den Hintergrund. Das entlastet.

Und dann gerade schon genannt: Die Routine macht es. An meinen ersten Job als Schüler hatte ich mindestens 5 Messen pro Woche zu spielen. Wenn da etwas in einer Werktagsmesse schief geht, dann ist nach der Messe eben vor der Messe. Das geht am nächsten Tag weiter und man macht es halt besser. Es bringt ja nix, über verschüttete Milch zu weinen.
 

Die Sachen, die schief gingen, hatte ich nicht richtig drauf. Oft relativ leichte Stellen, die ich nie ernsthaft geübt hatte. Das ist natürlich bitter, sich einzugestehen, dass man schlampig oder ineffizient geübt hat und diese Überoutinen wieder aus dem Ablauf heraus hat.

Ja, das kenne ich auch. Und auch, dass man für manche Stücke einfach mehr Zeit braucht als man anfangs dachte.

Übrigens ist es ein Trugschluss, davon auszugehen, dass man der Gemeinde ständig etwas ganz Besonderes "bieten" müsse. Ein technisch einfaches Stück, ordentlich und musikalisch gespielt, kann mehr Freude für die Zuhörenden sein als ein "Kracher", der am oberen Ende der eigenen Fähigkeiten liegt. Ich erlebe es bei nebenamtlichen Kolleginnen und Kollegen regelmäßig, dass sie sich zu viel aufladen, weil sie denken, irgendjemand würde das von ihnen erwarten. Aber ein Gottesdienst ist weder ein Konzert noch sollte er zur Selbstdarstellung der Beteiligten genutzt werden. Damit meine ich nicht, dass man bei der Auswahl der Stücke nicht zu denken braucht oder irgendeinen "Schrott" spielen kann, weil's eh keiner merkt, sondern eben Stücke auszusuchen, die klingen und die man wirklich beherrscht.
 
Nachtrag: man sollte sich auch nicht zu sehr von Videos von Kolleginnen und Kollegen beeinflussen lassen und denken, die anderen seien ganz wunderbar und man selbst sei ganz furchtbar schlecht. Die wenigsten verraten, wie viele Stunden sie jeweils geübt haben oder wie viele Takes es gebraucht hat, um das Video "perfekt" hinzukriegen.
 
Aber ich stelle es mir einfach immer wieder so schön vor, in einem Gottesdienst mit quasi Leichtigkeit zu spielen und die Musik mit der Gemeinde zu teilen, dass ich dieses Ziel nicht einfach aufgeben möchte.

Das klingt mir nach einer möglichen Ursache.
Du scheinst ein romantisch idealisiertes Traumbild von der Gottesdienstsituation zu haben, das den eigentlich Zweck, das du das Gedudel ablieferst, zu dem die Gemeinde singen soll, maßlos überhöht.

Solche Überhöhungen bringen einen unnötigen Druck rein, und laden den eigentlichen Zweck, Musik zu produzieren, unnötig auf.

Wenn dann noch dein Lernen und Problem nicht Performance-orientiert ist (Hauptsache die Performance stimmt, es muss auf jeden Fall der Flow erhalten bleiben, damit die Musik nicht auseinander fällt), sondern mit dem Ziel, richtig zu spielen, womöglich noch bei jedem Fehler abzubrechen und neu anzusetzen, erfolgt, bringt dich das noch weiter vom eigentlichen Ziel: Rampensau weg.

Die Magie entsteht mit ganz profan handwerklich gut gemachter Musik, nicht indem man versucht irgendetwas magisches zu erreichen.
 
@Brixis
Vorweg:
Ich probe meist unter "Ernstfallbedingungen" ... also habe ich mir in den letzten 20 Jahren angewöhnt, Stücke nicht abzubrechen, nur weil ein Fehler passiert ist ... allein durch diese lange Übung (bei Proben) komme ich auch live nicht mehr aus dem Konzept, wenn ich mich mal verhaue.

Was hat das mit Lampenfieber zu tun?
Wenn ich vor einem Auftritt nervös bin, dann braucht nur mal einer ankommen, und mir sagen "sieh es nicht als Konzert, sondern einfach als öffentliche Probe". Der einzige Unterschied ist (neben dem Publikum) dann die fehlende Manöverkritik nach jedem Stück (die gehört bei Proben für mich dazu).
Für mich gibt es Proben, öffentliche Proben und Übungszeiten ... nur in letzteren bearbeite ich Stellen, an denen sich Fehler einschleichen könnten, ganz bewusst (da wiederhole ich also auch Taktweise oder einzelne Läufe).
Bei Proben "ziehe ich durch" als wäre es live.

Ich spiele auf Konzerten nicht viel anders, als bei Proben ... aber wie ich in dem anderen Thread bereits schrieb, habe ich auch recht viel Bühnenerfahrung und stand seit der 3 Klasse regelmäßig für irgendwas auf irgendeiner Bühne und war seit dem sehr regelmäßig in Situationen, in denen ich etwas vortragen musste (Musik, Theater, Referate, Reden ... es ist echt egal).

Ein Stück weit ist es bei mir also simple Gewöhnung, und zu einem weiteren Teil ist es Autosuggestion ... also der Satz "das ist kein Konzert, sondern nur eine öffentliche Probe". Wenn sich die ganze Band darin einig ist, gehen alle entspannter auf die Bühne ... und genau deswegen funktioniert es.

Mit Fehlern kann man sich verrückt machen ... aber das hilft nur bedingt dabei, sie zu vermeiden ... also sollte man seine Energie nicht drauf verschwenden, Angst vor möglichen zukünftigen Fehlern zu haben und sie stattdessen darauf konzentrieren, vergangene Fehler nicht zu widerholen (was man durch Übung ja durchaus hinbekommen kann).
Ist ein Fehler passiert, kann man es eh nicht mehr korrigieren (tempus fugit). Da sollte man sich nicht mit Gram auf den passierten Fehler konzentrieren, sondern ohne Gram auf die Musik, die noch kommt.
DAS ist eigentlich mein einziger Tipp ... mach dich nicht verrückt ... niemand wird dir für ein paar Fehler gleich den Kopf abreißen.

Videos zeigen einem meist nur den Durchlauf, bei dem alles geklappt hat ... aber sie zeigen eben nicht, ob das nun der erste., der dritte oder der vierundzwanzigste Anlauf gewesen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde das Problem gerne mit professioneller Hilfe angehen und es würde mich interessieren, ob jemand von Euch damit schon Erfahrungen gemacht hat. Wie gehen Psychologen oder Psychotherapeuten das Thema an, und, falls Ihr Erfahrung habt, hat es geholfen?
Medikamente helfen übrigens nicht, habe die Beruhigungsmittel samt Betablocker probiert.
Weil du gezielt danach gefragt hast: informiere Dich doch mal per Google über Dispokinesis :-) Das wäre vielleicht etwas, das dir helfen könnte und wird sicher im Münchener Raum angeboten. Die Methode wurde speziell für Musiker entwickelt und ist beim Thema Lampenfieber sehr erfolgreich. Ich habe selbst vor Kurzem damit angefangen und bin schon nach nach kurzer Zeit echt positiv überrascht. Das Thema Lampenfieber ist mir ebenfalls nicht neu :015:, auch wenn es nicht mein Hauptproblem ist, merke ich schon jetzt, dass sich da irgendwas tut. Ich kenne auch studierte Pianisten, die mit Lampenfieber richtig schlimme Probleme hatten - und es z.B. mit dieser Methode in den Griff bekommen haben.
 
@Coda: Ganz vielen Dank. Das habe ich noch nie gehört, und es scheint genau in die Richtung zu gehen, die für mich sinnvoll wäre.
 
Oh! Das freut mich riesig! :chr03:Ich hoffe, Du findest jemanden für Dich! Und dann wird das schon...

PS: Ich hatte vorher auch noch nie was davon gehört, und dann zufällig einfach die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort getroffen und bin jetzt sehr guter Dinge :001:
 
schon erwähnt: wenn Fehler passieren, dann ist es passiert und darüber nachdenken ist absolut kontraproduktiv. Wichtiger ist es sich auf den Rest des Stückes zu konzentrieren.
 

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