Atonale Musik

  • Ersteller des Themas St. Francois de Paola
  • Erstellungsdatum

Was ist eure Beziehung zu atonaler Musik?

  • Ich mag sie gar nicht

    Stimmen: 13 20,3%
  • Sie ist nicht meine Welt, das ein oder andere finde ich aber doch interessant

    Stimmen: 26 40,6%
  • Sie ist eine bedeutende Ergänzung zu Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin und co.

    Stimmen: 8 12,5%
  • Sie hat für mich den gleichen Stellenwert wie Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin und co.

    Stimmen: 14 21,9%
  • Sie interessiert mich mehr als Literatur der Romantik, Klassik, Barock etc.

    Stimmen: 2 3,1%
  • Alles Tonale ist für mich nebensächlich

    Stimmen: 1 1,6%

  • Umfrageteilnehmer
    64
@Gomez de Riquet glaubst du, dass @Paul Schmitt dich oder notfalls auch mich von seiner christlich spirituell grundierten "Atonalitätsverdammung" überzeugen könnte? Und wenn ja, wie müssten wir dann anders spirituelle, z.B. theosophisch-wunderliche Musik, die obendrein keinen Spaß mehr an der Dur-Moll-Harmonik hat, bewerten? Müssten wir uns dann von Vers la Flamme und "Insekten-Sonate" verabschieden?
Das mit dem gegenseitigen Überzeugen ist von Natur aus schwer. Es geht ja in jeder Diskussion auch nicht unbedingt darum, sondern um den Austausch verschiedener Ansichten und Meinungen. Letztlich wird man ja nicht dümmer davon, oder?
 
[...] meinen Artikel, der nicht in einer Fachzeitschrift, sondern einer spirituellen, erschienen ist [...] Von daher ist er so formuliert, dass er für die entsprechenden Zielgruppe verständlich sein soll.
Sie sind spirituell und ich bin gläubig. Aber das ist wurscht. Hier sind wir unter Musikern und können fachsimpeln.
Sie schreiben ja selbst in Ihrer "Argumentationshilfe", wie es um die Neue Musik steht; es entspricht völlig meiner eigenen Beobachtung.
Mit dem Unterschied: Ich spreche als Kenner und Liebhaber unter den Verächtern der Neuen Musik (oder umgekehrt). Ich rede ressentimentfrei und mit ehrlichem Bedauern über die o.g. Entwicklung.
Und so habe ich den ganzen Artikel darauf verwendet, die Gründe dafür darzulegen, wie sie sich aus meiner Sicht darstellen. Denn entweder ist das Publikum zu dumm, wenn es diese Musik nicht hören will, oder es vermisst etwas, was in der Musik der Zeit davor enthalten war.
Ohne den Mantel christlicher Nächstenliebe sagt der Polemiker in mir: Das Publikum ist zu dumm - auch zu dumm, um das, was es angeblich liebt (also das Repertoire von LvB bis Richard Strauss) angemessen zu würdigen. Das Publikumideal ist undurchbrochene Oberstimmenmelodik, ein Himmel voller Geigen, "schöne Stellen". Der motivisch-thematischen Arbeit, der Fortspinnungslogik und entwickelnden Variation zu folgen, setzt Konzentration, ein Mitdenken voraus, Demut gegenüber dem Erklingenden. Einem mir gegenüberstehenden Menschen höre ich doch auch zu, wenn er spricht, und schweife nicht in Gedanken ab.

Zu dumm heißt: Dem Publikum fehlen Hörerfahrung und der Wille zur Einfühlung. Dazu kommt: Vieles aus der Neuen Musik ist wirklich kratzbürstig (wie eine spröde Frau, die ihre Gefühlstiefe hinter einer gewissen Rauhheit verbirgt - und die man doch lieben kann). Das hängt mit einem Ideal von Hermetik zusammen (ich rede jetzt von der Kunst, nicht von der Frau), das ein Bestandteil der Entwicklung der künstlerischen Moderne ist und mit einer Flucht vor dem Massengeschmack zu tun hat. All das wäre als eine irreversible Entwicklung in der bürgerlichen Gesellschaft zu akzeptieren und ernstzunehmen, bevor man sich darüber spirituell mokiert.
Und finden Sie nicht selbst auch, dass das immerhin ein hochinteressantes Thema ist, worüber es sich lohnt, einen Artikel zu schreiben? Vor allem für die Menschen, denen immer suggeriert wird, sie seien zu ungebildet, um Neue Musik zu verstehen.
Interessantes Thema und Artikel: ja. Das Publikum in seiner Voreingenommenheit (die nichts mit Bildung zu tun hat) noch zu bestärken: Warum?
Ärger ist übrigens nicht unbedingt der richtige Ausdruck: ich finde es schade, bin aber auch überzeugt, dass das Zeitalter der völligen Atonalität im letzten Abschied begriffen ist.
Also, meine Kristallkugel sagt mir was anderes. Aber ich sehe gerade auf der Rückseite: Made in China.
Und für Neid auf die Wertschätzung dieser Musik durch die Fachwelt fehlt mir absolut die Wertschätzung für diese Fachwelt.
Da bitte ich Sie aufzupassen. Es gibt keine Verpflichtung, mit Leuten wie Dahlhaus, Eggebrecht, Metzger, Zender, Schnebel (name dropping: ein paar deutschsprachige Denker in und über Musik) übereinzustimmen. Aber ihnen die fachliche Qualifikation abzusprechen, geht nur um den Preis der Selbstdemontage.
Wenn Sie meine Beiträge genau lesen, nehme ich mir letztlich nur das Recht auf eine eigene Meinung heraus, die aber hier manchen nicht passt und dementsprechend mehr oder weniger freundlich kommentiert wird.
Sich auf seine "Meinung" zurückzuziehen, bedeutet Selbstrelativierung - ganz unspirituell ausgedrückt -, die in ein Gespräch unter vernünftigen Menschen "nicht paßt".

MfG
Gomez
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich ein Hinweis, dass doch vieles im jetzigen Musikbetrieb zu einseitig und nicht offen genug ist.

Punkt 1:

Dieser letzte Satz stimmt. Aber warum ist es nicht offen genug? Weil das Publikum (und das wurde ja schon von anderen hier sehr präzise angeprangert) eben hauptsächlich Stücke hören möchte, die es meint zu verstehen. Und das sind nunmal die Stücke, die der Großteil des Publikums kennt, ergo: Das Standardrepetoire.

In allen Epochen gibt es Komponisten und Werke, deren Aufführung lohnenswert wäre (weil diese nicht schlechter sind, als Stücke aus dem Standardrepetoire) und welche selten von großen Orchestern mit dem üblichen Profil (Ausnahmen wie MKO oder ehemals RSO Freiburg gibt es natürlich) aufgeführt werden, eben weil das Publikum dann nicht kommen würde.

Beispiele wären z.B.: nahezu alles von C.P.E. Bach, Sinfonien der Mannheimer Schule, die Sinfonie von C. Franck, die 3. Sinfonie von Skrjabin, sinfonische Dichtungen von Jon Leifs, Werke von Liadov, die Sinfonien von Casella, das Bratschenkonzert von Martinu, sperrige Stücke wie die "Fugal Ouverture" von Holst, ...

Aber auch bei geschätzten und vielgespielten Komponisten wird meist auch nur ein kleiner Teil ihrer Werke oft gespielt und ein Großteil (ungerechtfertigterweise) selten gespielt. Denken wir an Dvorak (dessen sinfonisches Schaffen oft nur aus 1-2 Sinfonien zu bestehen scheint), unbekanntere Haydnsinfonien, herbe Klangkombinationen wie in der Psalmensinfonie von Strawinksy oder dem Cembalokonzert von Poulenc, ... .

Die Ursache hierfür: Der Teufelskreis, dass nur Bekanntes Leute lockt, und die Leute nur kennen, was sie besuchen. Natürlich versuchen einzelne Orchester dem entgegenzuwirken, indem Bekanntes mit Unbekanntem und Neuem gemischt wird. Aber zusammengefasst: Ich sehe eine große Ursache für die Unoffenheit des Musikbetriebes darin, dass von Zuhörern und somit auch von den Veranstaltern ungern neue Pfade beschritten werden und zwar (!) epochenunabhängig.

Nun zu meinem zweiten Punkt, der sich auf den Satz bezieht:

Und das meine ich ja im großen und ganzen in meinem Artikel: Alles in dieser Art führt ein Nischendasein und erreicht nicht die Verbreitung, die es verdient hätte.

Das stimmt meines Erachtens so nicht. Die Implikation

"Tonaler komponiert ==> Unbekannt"

stimmt einfach nicht.

Die Frage die man sich hier stellen sollte: Warum komponiert ein Komponist?

Antwort: Aus einem starken Ausdrucksbedürfnis heraus, das durch bisherige Musik nicht befriedigt werden kann. Es ist der Drang eine neuartige Klangsprache zu erschaffen, die es bisher noch nicht gegeben hat. Hier muss man aber die verwendeten Kompositionssysteme von dem Eindruck, den die Werke hinterlassen, trennen: Eine neuartige Klangsprache benötigt nicht unbedingt neuartige Kompositionssysteme.

Aber da die neuartige Klangsprache ja neuartig ist, muss natürlich irgendwas an der Komposition innovativ und neuartig sein.

Nun gibt es Komponisten (und davor habe ich allergrößten Respekt) welche in bereits existenten Kompositionssystemen absolut Innovatives und Charakteristisches geschaffen haben. Schauen wir uns mal Haydn, Mozart und den frühen bis mittleren Beethoven an: Alle komponieren im selben System. Aber ihre Personalstile sind dennoch extremst charakteristisch. Ein weiteres Beispiel: Rautavaara. Er wird meines Erachtens (für einen Komponisten der erst vor 4 Jahren gestorben ist) verhältnismäßig oft gespielt. Und das, obwohl seine Kompositionsweise in seinem reifen Werk im Grunde nahezu ausschließlich mit "erweiterten spätromantischen Idiomen" arbeitet. Dennoch ist sein Werk absolut charakteristisch. Seine Klangsprache ist neu, obwohl er dafür alte Mittel verwendet. Auch Dutilleux ist für mich hier ein Beispiel: Auch wenn er viele neuartige Techniken verwendet, ist sein Werk reich an schönen modalen, polytonalen und gar tonalen Anklängen. Und diese Liste könnte man nun mit Beispielen aus allen Epochen fortsetzen: einiges von George Antheil, Poulenc, einiges von Strawinsky, ...

Naturgemäß ist es aber natürlich schwieriger, in alten Kompositionssystemen sehr charakteristische und innovative Musik zu schreiben. Aber viel wichtiger: Naturgemäß ist es unwahrscheinlicher, dass der Wunsch nach einem neuen Ausdruck ausschließlich mit älteren Kompositionsweisen befriedigt werden kann. Dies führt wohl ganz automatisch dazu, dass mit fortschreitender Zeit neue Komponisten sich auch eher neuartigen Kompositionssystemen bedienen und die Wahrscheinlichkeit, dass die besten unter ihnen in neuen Systemen komponieren, ist somit auch eher hoch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal den blöden Witz gerissen:
Wie viele Sinfonien hat Beethoven geschrieben?
Vier: Die 3. die 5, die 6. und die 9.!

Na ja, ein paar Tage schaute ich dann mal so, welche Konzerte so hier in AC gegeben werden. Und die haben tatsächliche alle vier gespielt ...

Grüße
Häretiker
 
Ich überlege ob das Klavierstimmen auch zur atonalen Musik gehört, da kommen Intervalle darinnen vor, die kennt man so noch gar nicht; behinderte Quinte, übergeschnappte Quarte, reingeeierte Oktave......:rauchen:
 
Ohne den Mantel christlicher Nächstenliebe sagt der Polemiker in mir: Das Publikum ist zu dumm - auch zu dumm, um das, was es angeblich liebt (also das Repertoire von LvB bis Richard Strauss) angemessen zu würdigen. Das Publikumideal ist undurchbrochene Oberstimmenmelodik, ein Himmel voller Geigen, "schöne Stellen". Der motivisch-thematischen Arbeit, der Fortspinnungslogik und entwickelnden Variation zu folgen, setzt Konzentration, ein Mitdenken voraus, Demut gegenüber dem Erklingenden. Einem mir gegenüberstehenden Menschen höre ich doch auch zu, wenn er spricht, und schweife nicht in Gedanken ab.

Zu dumm heißt: Dem Publikum fehlen Hörerfahrung und der Wille zur Einfühlung. Dazu kommt: Vieles aus der Neuen Musik ist wirklich kratzbürstig (wie eine spröde Frau, die ihre Gefühlstiefe hinter einer gewissen Rauhheit verbirgt - und die man doch lieben kann). Das hängt mit einem Ideal von Hermetik zusammen (ich rede jetzt von der Kunst, nicht von der Frau), das ein Bestandteil der Entwicklung der künstlerischen Moderne ist und mit einer Flucht vor dem Massengeschmack zu tun hat. All das wäre als eine irreversible Entwicklung in der bürgerlichen Gesellschaft zu akzeptieren und ernstzunehmen, bevor man sich darüber spirituell mokiert.

Interessantes Thema und Artikel: ja. Das Publikum in seiner Voreingenommenheit (die nichts mit Bildung zu tun hat) noch zu bestärken: Warum?

Also, meine Kristallkugel sagt mir was anderes. Aber ich sehe gerade auf der Rückseite: Made in China.

Da bitte ich Sie aufzupassen. Es gibt keine Verpflichtung, mit Leuten wie Dahlhaus, Eggebrecht, Metzger, Zender, Schnebel (name dropping: ein paar deutschsprachige Denker in und über Musik) übereinzustimmen. Aber ihnen die fachliche Qualifikation abzusprechen, geht nur um den Preis der Selbstdemontage.

Sich auf seine "Meinung" zurückzuziehen, bedeutet Selbstrelativierung - ganz unspirituell ausgedrückt -, die in ein Gespräch unter vernünftigen Menschen "nicht paßt".

MfG
Gomez

Psychologisch bin ich zu interessiert, um einen plötzlichen Verdummungsprozess beim Publikum innerhalb von wenigen Jahren (mit dem Erscheinen der 12-Ton-Musik) plausibel zu finden, umso mehr, als diese ja tatsächlich die Jahrhunderte lang gepflegte Musik auf der Grundlage der Naturtonverhältnisse plötzlich verlässt. Meine These ist, dass die Menschen sie einfach nicht mögen - und ich kenne auch etliche Berufsmusiker, die sie auch nicht mögen, einschließlich mir selbst natürlich; auch wenn sie das nur im vertraulichen Gespräch zugeben.

Und nochmal ein Versuch, nicht missverstanden zu werden: Ich bin nicht der Richter über den Musikgeschmack der Mitmenschen. Wer Atonalität gerne hört oder sich davon begeistern lässt, der soll das tun. Ebenso spreche ich der Fachwelt nicht die Qualifikation ab, muss aber etwas bissig sagen: ebensowenig wie den bestimmt erstklassigen Chemikern, die "Roundup" entwickelt haben, was fantastisch Unkraut und Bienen killt. Beide Gruppen mag ich aber aufgrund ihrer Ergebnisse nicht, und deshalb fehlt mir auch die Wertschätzung.

Zieht man allein mal die Mathematik zu Rate und betrachtet sich die zusätzlichen Kombinationsmöglichkeiten, die durch eine vom traditionellen Tonsatz losgelöste Musik mit reinen Klängen bringen würde, so wartet noch eine riesige Welt unerschlossener Klangmöglichkeiten auf uns. Und erste Erfahrungen zeigen, dass viele Menschen solche Klänge sehr schätzen. Aus diesem Grunde setze ich mich auch dafür ein! Warum also nicht ein Sowohl-als-Auch?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich überlege ob das Klavierstimmen auch zur atonalen Musik gehört, da kommen Intervalle darinnen vor, die kennt man so noch gar nicht; behinderte Quinte, übergeschnappte Quarte, reingeeierte Oktave......:rauchen:
Vermutlich gehört das zur Mikrotonalität, wie das hier auch:





Das wird wohl stimmen: nur überflüssige und behinderte Intervalle!

LG von Rheinkultur
 
Sorry, Herr Schmitt,

da geraten schon wieder zu viele Dinge durcheinander.
Psychologisch bin ich zu interessiert, um einen plötzlichen Verdummungsprozess beim Publikum innerhalb von wenigen Jahren (mit dem Erscheinen der 12-Ton-Musik) plausibel zu finden
  • Bleiben Sie bei Ihrem Kalender: Die "Ursünde" in Ihren Augen, für Ihre Ohren, nämlich die Loslösung von der Tonartbindung (=> freie Atonalität) geschah 1908, über ein Jahrzehnt vor der ersten Arbeit mit Tonreihen (ca. 1921)
  • Es gibt keine über einen Leisten zu scherende 12-Ton-Musik. Der Begriff ist banausisch. Um nur die Wiener Musiker zu erwähnen: Wie Hauer, Schönberg, Webern und Berg mit vorgeordnetem Tonmaterial umgehen, ist höchst individuell: Letztlich integrieren sie alle die "Arbeit mit Tonreihen" in ihren bereits komplett entwickelten Personalstil.
  • Über die Dummheit des Publikums (und der Interpreten) können Sie wunderschöne Tiraden bei LvB, Schumann, Liszt ("mundus vult schundus"), Wagner, Debussy u.v.a. nachlesen.
umso mehr, als diese ja tatsächlich die Jahrhunderte lang gepflegte Musik auf der Grundlage der Naturtonverhältnisse plötzlich verlässt.
Ich bitte Sie, statt Texte komplett zu zitieren, sich mit den einzelnen Argumenten zu beschäftigen. Ich hatte schon weiter oben dazu gesagt:
An der Naturtonreihe hat sich die abendländische Musik aus Gründen der praktischen Realisierbarkeit so gut wie überhaupt nicht orientiert. Alle Stimmungen pervertieren sie. Moll ist ein Konstrukt.
Meine These ist, dass die Menschen sie einfach nicht mögen
Und dafür habe ich nun soviel Mühe aufgewendet, Ihnen die Verständnisschwäche und Hörunwiligkeit des Publikums auch gegenüber klassischer Musik vor Augen zu führen - desgleichen die langsame Auseinanderentwicklung von Künstlern und Massenpublikum im 19. Jahrhundert (Baudelaire ist der erste, der sie thematisiert) - - - daß Sie mir mit diesem banalen Satz kommen?
Wer Atonalität gerne hört oder sich davon begeistern lässt, der soll das tun.
Sie müßten - gegen Ihren Hang zur Lagerbildung - einfach mal akzeptieren, daß es Menschen gibt, die sich von Schönberg wie auch von Schubert begeistern lassen, von Boulez und Cage wie auch von Orlando und Ockeghem. Wie integrieren Sie das in Ihr dichotomisches Weltbild?
[...] muss aber etwas bissig sagen: ebensowenig wie den bestimmt erstklassigen Chemikern, die "Roundup" entwickelt haben, was fantastisch Unkraut und Bienen killt.
Ein schwerer Vorwurf, für den Sie Beweise erbringen müssen: Inwiefern sind Carl Dahlhaus oder Heinz-Klaus Metzger für die Bienenzerstörung verantwortlich? Weil sie nicht die Arbeit mit der Naturtonreihe gefördert haben?
Da sind wir d'accord - wenn Sie auf die Dämonisierung der von Ihnen nicht verstandenen Musik verzichten könnten.

MfG
Gomez
 
Zuletzt bearbeitet:

Den solltest Du besser nicht erwähnen. Seit ich mal in einer Witzesammlung folgende Schülerstilblüte gelesen habe, weiß ich, dass der keine Ahnung hatte: "Claude Debussy fiel am Pariser Konservatorium durch ständiges Falschkomponieren auf. Er war eben andersherum als die anderen Männer am Konservatorium". Obwohl dieser Typ mit dem Boleero (so ein leeres Stück mit immer dem gleichen Rüttmuss drin), der war - glaub ich - auch nicht richtig rum. Oder so.

LG von Rheinkultur
 
Herr Gomez, wissen Sie, wir lassen das jetzt. Sie machen nicht den geringsten ´Versuch, mich zu verstehen.
Ich mag atonale Musik nicht, wie Millionen andere Menschen auch - und sehe das als mein gutes Recht an - punkt!
 
Ich mag atonale Musik nicht, wie Millionen andere Menschen auch - und sehe das als mein gutes Recht an - punkt!
Das hat Ihnen auch niemand streitig gemacht. Selbstverständlich hat jeder Anspruch auf seinen ganz individuellen Musikgeschmack.

Sie machen nicht den geringsten ´Versuch, mich zu verstehen.
Das ist der einzige Punkt, an dem ich Ihnen vehement widersprechen muss. Wer so ausführlich schreibt und argumentiert, hat sich eine Riesenmenge an Mühe gegeben, sachlich zu argumentieren und die Gegenseite zu verstehen. Und das fegen Sie einfach so vom Tisch? Mehr als schade. Sieben voll geschriebene Textseiten - "nicht den geringsten Versuch", das passt nicht zusammen.

Sei's drum. Trotzdem weiterhin frohes Schaffen.

LG von Rheinkultur
 
Herr Gomez, wissen Sie, wir lassen das jetzt. Sie machen nicht den geringsten ´Versuch, mich zu verstehen.
Klar, können wir lassen - aber dann nur in geordnetem Rückzug.

Ich habe Sie exakt verstanden und könnte Ihre Sichtweise formvollendet wiedergeben. Das können Sie im umgekehrten Fall nicht. Sie bringen alles durcheinander: Terminologisches, Musiktheoretisches, Geschichtliches. Und die Folgen Ihrer Melange aus Halbwissen und Nichtbegreifen werfen Sie mir als angebliches Unverständnis vor?
Ich mag atonale Musik nicht, wie Millionen andere Menschen auch - und sehe das als mein gutes Recht an
So gut wie das Recht auf die "Bild"-Zeitung, die ihre Millionen von Lesern hat. Ich habe täglich mit dieser Spezies zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Claude Debussy fiel am Pariser Konservatorium durch ständiges Falschkomponieren auf."
Aber das hatte auch außermusikalische Gründe: Marmontel, Debussys Lehrer, fiel durch ständiges Falschparken auf. Durch seinen ewigen Streit mit dem Abschleppdienst und den Flics kam er nicht zum Unterrichten. Und Ambroise Thomas, der Konservatoriumsleiter, konnte sein Direktoriumszimmer nie finden. Es war zu weit entfernt. Da lag es für ihn näher, den alljährlichen "Prix de Paris" nach Rom zu verlegen.
 
Es ist also primär alles eine Frage der Prägung.

Babys und Kleinkinder sind äußerst anpassungsfähig. Spannend wäre der Musikgeschmack eines sagen wir: Zwölfjährigen, der bislang in seinem Elternhaus und seinem Umfeld ausschließlich atonale Musik gehört hat.

Was der wohl zu Beethovens 5. oder Mozarts 41. Sinfonie sagt? :-)
 
[...]wunderschöne Tiraden bei LvB, Schumann, Liszt ("mundus vult schundus"), Wagner, Debussy u.v.a. nachlesen.

mundus vult schundus...hab ich noch nie gehört :-)

Laut Wagner geht da noch mehr, anscheinend: Das "absolut Schlechte".

Hier ein Text, der das erwähnt:

http://www.textem.de/index.php?id=2479

Allerdings wird Wagners Argumentationsweise nicht unkritisch gesehen ( m.E. aus Gründen, die man, mit ihm verbunden, oft anklingen hört, ob zu Recht oder unrecht, ist mir egal, ich gucke nur. ) :

Zitat aus o.g. Page:

[...]Gegen ein solches Elementarteilchen ist natürlich schwer ankämpfen. Wie soll man ausscheren können aus diesem Verbund aus schlechter Literatur und Kunst, zerrüttetem Kunstgeschmack und dem Ausschluss des Guten und Genies? Mundus vult decipi. Ist das wirklich das letzte Wort der Kunst? „Mundus vult Schundus“, so sah es, angeblich gut gelaunt, Friedrich Liszt, so Richard Wagner. Der Schund, das Schlechte bestehe also darin, „daß die Absicht, durchaus nur zu gefallen, sowohl das Gebilde als dessen Ausführung hervorruft und bestimmt.“ Wagner kennt aber ein „Wertphänomen“, das über das bloß Schlechte noch hinausgeht. Er nennt es das „absolut Schlechte“. Wagner scheint zunächst die Schlechtigkeit von Künstlern dadurch relativieren zu wollen, dass die Zeit, in der sie lebten, gewissermaßen nichts anderes hergebe und jeder ein Kind seiner Zeit sei, so auch der Komponist Rossini. Die „Argumentation“ Wagners ist aber nur perfide. Folgen wir dem Bogen, bis und wie er in sein „widerwärtiges“ Ende einrastet:

„Unmöglich kann Rossini unter die schlechten, ganz gewiß auch nicht unter die mittelmäßigen Komponisten gezählt werden; da wir ihn jedenfalls aber auch nicht unseren deutschen Kunstheroen, unserem Mozart oder Beethoven zugesellen können, so bleibt hier ein fast kaum zu bestimmendes Wertphänomen übrig, vielleicht dasselbe, was in unserem indischen Weisheitsspruche (1) so geistvoll negativ bezeichnet wird, wenn er nicht das Schlechte, sondern das Mittelmäßige schlecht nennt. Es bleibt nämlich übrig, mit der Täuschung des Publikums zugleich auf die Täuschung des wahren Kunsturteiles auszugehen, ungefähr wie leichte und fehlerhafte Ware für schwere und solide anbringen zu wollen, um die allerwiderwärtigste Erscheinung zutage zu fördern.“[...]

LG, Olli
 
Punkt 1:

Dieser letzte Satz stimmt. Aber warum ist es nicht offen genug? Weil das Publikum (und das wurde ja schon von anderen hier sehr präzise angeprangert) eben hauptsächlich Stücke hören möchte, die es meint zu verstehen. Und das sind nunmal die Stücke, die der Großteil des Publikums kennt, ergo: Das Standardrepetoire.

In allen Epochen gibt es Komponisten und Werke, deren Aufführung lohnenswert wäre (weil diese nicht schlechter sind, als Stücke aus dem Standardrepetoire) und welche selten von großen Orchestern mit dem üblichen Profil (Ausnahmen wie MKO oder ehemals RSO Freiburg gibt es natürlich) aufgeführt werden, eben weil das Publikum dann nicht kommen würde.

Beispiele wären z.B.: nahezu alles von C.P.E. Bach, Sinfonien der Mannheimer Schule, die Sinfonie von C. Franck, die 3. Sinfonie von Skrjabin, sinfonische Dichtungen von Jon Leifs, Werke von Liadov, die Sinfonien von Casella, das Bratschenkonzert von Martinu, sperrige Stücke wie die "Fugal Ouverture" von Holst, ...

Aber auch bei geschätzten und vielgespielten Komponisten wird meist auch nur ein kleiner Teil ihrer Werke oft gespielt und ein Großteil (ungerechtfertigterweise) selten gespielt. Denken wir an Dvorak (dessen sinfonisches Schaffen oft nur aus 1-2 Sinfonien zu bestehen scheint), unbekanntere Haydnsinfonien, herbe Klangkombinationen wie in der Psalmensinfonie von Strawinksy oder dem Cembalokonzert von Poulenc, ... .

Die Ursache hierfür: Der Teufelskreis, dass nur Bekanntes Leute lockt, und die Leute nur kennen, was sie besuchen. Natürlich versuchen einzelne Orchester dem entgegenzuwirken, indem Bekanntes mit Unbekanntem und Neuem gemischt wird. Aber zusammengefasst: Ich sehe eine große Ursache für die Unoffenheit des Musikbetriebes darin, dass von Zuhörern und somit auch von den Veranstaltern ungern neue Pfade beschritten werden und zwar (!) epochenunabhängig.

Nun zu meinem zweiten Punkt, der sich auf den Satz bezieht:



Das stimmt meines Erachtens so nicht. Die Implikation

"Tonaler komponiert ==> Unbekannt"

stimmt einfach nicht.

Die Frage die man sich hier stellen sollte: Warum komponiert ein Komponist?

Antwort: Aus einem starken Ausdrucksbedürfnis heraus, das durch bisherige Musik nicht befriedigt werden kann. Es ist der Drang eine neuartige Klangsprache zu erschaffen, die es bisher noch nicht gegeben hat. Hier muss man aber die verwendeten Kompositionssysteme von dem Eindruck, den die Werke hinterlassen, trennen: Eine neuartige Klangsprache benötigt nicht unbedingt neuartige Kompositionssysteme.

Aber da die neuartige Klangsprache ja neuartig ist, muss natürlich irgendwas an der Komposition innovativ und neuartig sein.

Nun gibt es Komponisten (und davor habe ich allergrößten Respekt) welche in bereits existenten Kompositionssystemen absolut Innovatives und Charakteristisches geschaffen haben. Schauen wir uns mal Haydn, Mozart und den frühen bis mittleren Beethoven an: Alle komponieren im selben System. Aber ihre Personalstile sind dennoch extremst charakteristisch. Ein weiteres Beispiel: Rautavaara. Er wird meines Erachtens (für einen Komponisten der erst vor 4 Jahren gestorben ist) verhältnismäßig oft gespielt. Und das, obwohl seine Kompositionsweise in seinem reifen Werk im Grunde nahezu ausschließlich mit "erweiterten spätromantischen Idiomen" arbeitet. Dennoch ist sein Werk absolut charakteristisch. Seine Klangsprache ist neu, obwohl er dafür alte Mittel verwendet. Auch Dutilleux ist für mich hier ein Beispiel: Auch wenn er viele neuartige Techniken verwendet, ist sein Werk reich an schönen modalen, polytonalen und gar tonalen Anklängen. Und diese Liste könnte man nun mit Beispielen aus allen Epochen fortsetzen: einiges von George Antheil, Poulenc, einiges von Strawinsky, ...

Naturgemäß ist es aber natürlich schwieriger, in alten Kompositionssystemen sehr charakteristische und innovative Musik zu schreiben. Aber viel wichtiger: Naturgemäß ist es unwahrscheinlicher, dass der Wunsch nach einem neuen Ausdruck ausschließlich mit älteren Kompositionsweisen befriedigt werden kann. Dies führt wohl ganz automatisch dazu, dass mit fortschreitender Zeit neue Komponisten sich auch eher neuartigen Kompositionssystemen bedienen und die Wahrscheinlichkeit, dass die besten unter ihnen in neuen Systemen komponieren, ist somit auch eher hoch.

Danke für Ihre wirklich interessanten Argumente!

Sie haben recht, auch viele gute Werke großer, vielgespielter Komponisten führen ein Schattendasein, ebenso, wie die meisten Werke zeitgenössischer Komponisten auch nach ein-, zweimaligem Spielen in der Schublade verschwinden.
Ich habe dazu folgende These, mal nur im großen Schwung vorgestellt: Gehen wir mal 150 - 200 Jahre zurück. Damals war ein lebendiges, pulsierendes Musikschaffen, und Uraufführungen großer Werke, die bis heute hoch im Kurs stehen, fanden manchmal im Wochen- oder Monatstakt statt. Große Komponisten, auf die wir heute ehrfürchtig zurückblicken, waren lebendig und Zeitgenossen. Etwas, das wir uns heute, glaube ich, einfach nicht mehr so richtig vorstellen können.
Dann kam die besagte Wende, die Tonalität lief aus, die Atonalität kam. Die erreichte aber nicht mehr die Herzen der meisten Menschen und sie wollten die Stücke in der Regel nicht mehr hören. So griff man - bis heute - auf das Schaffen der alten Meister zurück, was dem Konzertbetrieb aber das Image der "Museumswärter" einbrachte - mit der Folge, dass dieses Unmittelbare, Lebendige, Pulsierende immer mehr verschwand.
Genauso, wie die Museen es bis heute handhaben, dass sie ihre besten Stücke als Publikumsmagnet herausstellen, so macht es auch der Musikbetrieb, was natürlich zu den obengenannten Problemen führt.
Natürlich trägt auch das Publikum eine Mitschuld, aber aus meiner Sicht ist sie nicht allzu groß. Es würde bestimmt wieder begeistert zuhören, sobald die Musik ihre Herzen wieder erreicht. Das sieht man ja schon am enormen Zulauf zu vielen Musicals und guten Filmmusiken, aber es wäre natürlich wünschenswert, das künstlerische Niveau noch deutlich zu steigern. -

Hinsichtlich der Kompositionssysteme bin ich ja gerade davon überzeugt, dass es einen Versuch wert wäre, wirklich einmal zu völlig reinen Dur- und Mollklängen als Grundlage zurückzukehren und als Novum einmal den traditionellen Tonsatz, mit T, S, D, Parallelen und Gegenklängen, ein gutes Stück weit zu verlassen. Das eröffnet ungeahnte Kombinationsmöglichkeiten, eine ganze Welt neuer Klänge, und ich bin überzeugt, dass bisher erst ein winziger Bruchteil dieser Möglichkeiten genutzt worden ist, weil zu oft die reinen Dur- und Molldreiklänge verlassen wurden - auch dort, wo diese Art der Tonalität noch ein Stück weit vorhanden war.
Es wäre also ein völlig neues Kompositionssystem, das natürlich auch mit raffinierteren Rhythmen, erweiterter Melodik usw. ausgebaut werden könnte.
 
Gehen wir mal 150 - 200 Jahre zurück. Damals war ein lebendiges, pulsierendes Musikschaffen, und Uraufführungen großer Werke, die bis heute hoch im Kurs stehen, fanden manchmal im Wochen- oder Monatstakt statt. Große Komponisten, auf die wir heute ehrfürchtig zurückblicken, waren lebendig und Zeitgenossen.
...war das so?
mein Ratschlag: nachlesen (ja, das kann man, und man wird fündig) wo fanden die Uraufführungen von Wagners romantischen Opern und Musikdramen statt und warum war das so? wie war das mit Uraufführungen von Berlioz Opern? wo fanden die berühmten "Skandal-Uraufführungen" von Promethee und Sacre du Printimps statt und warum nicht in der Heimat ihrer beiden großen Komponisten? oh Himmel, ein 1a tonaler Reisser in b-Moll von Tschaikowski, wo war die Uraufführung?

mit Verlaub, historische Fakten zu ignorieren, ist ungeheuerlich - auch in Relation zur Bevölkerungszahl war das Publikum der "E-Musik" im 19. Jh. weitaus kleiner als heute! Das hatte ganz schlicht sozialhistorische Gründe, die man unschwer nachlesen kann. Das "lebendige, pulsierende Musikschaffen" und auch dessen Rezeption fand lediglich in einer privilegierten gesellschaftlichen Minorität statt. Und selbst prominente Teilhaber dieser privilegierten Minorität haben etliche der angeblich so "lebendigen" (in Wahrheit nur sehr selten aufgeführten!) Meisterwerke nie original gehört: z.B. Goethe hatte Beethovens 5. Sinfonie (tatata-taaa) nie mit Orchester gehört.
 
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